Seltene Krankheiten
Anlässlich des Rare Disease Day 2023 geben wir Betroffenen eine Stimme. Gemeinsam mit Expert:innen, Betroffenen und Angehörigen haben wir über Themen wie den langen Diagnoseweg, das Leben & Erwachsen werden mit einer seltenen Erkrankung sowie Akzeptanz in der Gesellschaft gesprochen.
Anlässlich des Rare Disease Day 2023 geben wir Betroffenen eine Stimme.
Gemeinsam mit Expert:innen, Betroffenen und Angehörigen haben wir über Themen wie den langen Diagnoseweg, das Leben & Erwachsen werden mit einer seltenen Erkrankung sowie Akzeptanz in der Gesellschaft gesprochen.
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EINE THEMENZEITUNG VON MEDIAPLANET
Seltene Krankheiten
Lesen Sie mehr unter www.seltenekrankheit.info
Eine Stimme
für Betroffene
Nora Sophie Aigner schreibt – und spricht
– offen über ihre seltene Erkrankung. Im
Interview erzählt sie über ihren langen Weg
zur Diagnose, das Leben danach, und was
sie Betroffenen mitgeben möchte.
Tag der
seltenen
Erkrankungen
28.02.2023
Pulmonale Hypertonie
Spinale Muskelatrophie
Generalisierte Pustulöse Psoriasis
Hämophilie
Hereditäres Angioödem
FOTO: RAIMUND NICS
2 | Lesen Sie mehr unter www.seltenekrankheit.info
IN DIESER AUSGABE
VORWORT
06
Lungenhochdruck
Univ.-Prof. in Dr .in Irene Lang im
Interview über pulmonale Hypertonie
FOTO: SHUTTERSTOCK
10
Generalisierte
Pustulöse Psoriasis
Wie die seltene Form der
Schuppenflechte diagnostiziert
und behandelt wird
FOTO: RAIMUND NICS
12
Coverstory
Nora Sophie Aigner spricht im
Interview offen über ihre seltene
Erkrankung
20
Hämophilie
Die Geschichte von Preston und wie
er sich von der „Bluterkrankheit“
nicht aufhalten lässt
Sales Director: Florian Rohm, BA
Industry Managerin: Sophia Rüscher, MBA
Lektorat: Sophie Müller, MA
Layout und Grafik: Daniela Fruhwirth, Naima Gaetani
Managing Director: Bob Roemké
Medieninhaber: Mediaplanet GmbH, Bösendorferstraße
4/23, 1010 Wien, ATU 64759844 · FN 322799f FG Wien
Impressum: https://mediaplanet.com/at/impressum/
Distribution: Der Standard Verlagsgesellschaft m.b.H.
Druck: Mediaprint Zeitungsdruckerei Ges.m.b.H. &
Co.KG
Kontakt bei Mediaplanet:
Tel: +43 676 847 785 – 104
E-Mail: [email protected]
ET: 28.02.2023
Bleiben Sie in Kontakt:
Mediaplanet Austria
@austriamediaplanet
FOTO: SHUTTERSTOCK FOTO: ZVG
FOTO: DANIELA MATEJSEK
Mag. a Elisabeth
Weigand, MBA
Geschäftsführung
Pro Rare Austria
Ungewöhnliche und unklare Symptome,
keine ansprechende Therapie:
Richtig handeln
bei möglichen Zeichen
für eine seltene Erkrankung
Eine seltene Erkrankung
bedeutet für Betroffene oft,
einen langen und beschwerlichen
Weg bis zur richtigen
Diagnose und Therapie gehen
zu müssen. Von einer seltenen
Erkrankung spricht man – der
europäischen Definition folgend
–, wenn weniger als eine von 2.000
Personen das spezifische Krankheitsbild
aufweisen. Rund fünf
Prozent der Bevölkerung sind von
einer solchen Erkrankung betroffen
– in Österreich sind das mittlerweile
rund 450.000 Menschen.
Eine Diagnose unklarer
Symptome ist wichtig, um eine
passende Therapie zu finden und
die Situation von betroffenen
Menschen zu verbessern. Seltene
Erkrankungen können sich neben
den gesundheitlichen Beschwerden
und Risiken auf alle Bereiche
des Alltags und gesellschaftlichen
Lebens auswirken. Das seltene
Auftreten einer dieser Erkrankungen
führt dazu, dass medizinisches
Fachwissen, Versorgungsangebot
und auch Forschung begrenzt
sind. Durchschnittlich dauert es
daher mehr als fünf Jahre bis zur
richtigen Diagnose.
Wen also bei unerklärlichen,
chronischen Symptomen
kontaktieren?
Die erste Anlaufstelle bietet meist
die Allgemeinmedizin oder eine
Fachärztin bzw. ein Facharzt. Im
Bedarfsfall sollte durch diese oder
die Betroffenen selbst der Kontakt
zu einem spezialisierten Zentrum
hergestellt werden. Expertisezentren
sind zentrale, hochspezialisierte
klinische Einrichtungen für
definierte Gruppen von seltenen
Erkrankungen. Dort erfolgen vor
Seltene Erkrankungen können
sich neben den gesundheitlichen
Beschwerden und Risiken
auf alle Bereiche des Alltags
und gesellschaftlichen Lebens
auswirken.
allem Erstdiagnostik und Therapieeinstellung
aber auch Kontrolluntersuchungen.
Die Zentren
ersetzen nicht die medizinische
Grundversorgung, sondern sie
sind dafür da, dass Menschen mit
seltenen Erkrankungen optimal
versorgt werden und bestehende
Expertise sichtbar gemacht und
genützt wird.
Gerade für ein vergleichsweise
kleines Land wie Österreich ist die
Teilhabe an internationalen Netzwerken
bedeutend. Die bislang
neun designierten Expertisezentren
für seltene Erkrankungen
Österreichs sind Mitglieder bei
Mag. a Elisabeth Weigand, MBA
@DerGesundheitsratgeber
MEDIAPLANET | 3
den fachspezifischen Europäischen
Referenznetzwerken (ERN).
Darüber hinaus gibt es rund 40
Assoziierte Nationale Zentren, die
ebenfalls mit den fachspezifischen
ERN vernetzt sind, sodass Österreich
in allen 24 ERN vertreten ist.
Virtuelle Befundbesprechungen
unter Spezialist:innen können die
Zeit bis zu einer Diagnose verkürzen
und die Betroffenen müssen
nicht mehr durch Europa reisen.
Betroffene Personen sind auf
gut funktionierende Netzwerke
angewiesen, um an nationaler
und internationaler Expertise
teilhaben, in Austausch mit
anderen Patient:innen treten und
ihre Anliegen und Bedarfe teilen
und sichtbar machen zu können.
Selbsthilfegruppen erfüllen hier
enorm wichtige Aufgaben – nicht
nur, aber besonders auch in Zeiten
oder nach einer Pandemie.
Einen wichtigen Beitrag zur
FOTO: SHUTTERSTOCK
Bewusstseinsbildung, Sichtbarmachung
von Betroffenen und deren
Anliegen und zur Verbesserung
der Situation von Menschen mit
seltenen Erkrankungen leistet der
„International Rare Disease Day“,
der seit 2008 jedes Jahr am letzten
Tag im Februar stattfindet. Die
breite Öffentlichkeit und Vertreter:innen
von Politik, Industrie,
Forschung und Gesundheitswesen
werden mit vielen Aktionen, u. a.
der Kampagne #LightUpForRare,
bei der jede:r ganz einfache,
individuelle und ressourcenschonende
Aktionen auch zu
Hause in den Farben der seltenen
Erkrankungen planen und posten
kann, auf das Thema aufmerksam
gemacht. Heuer, am 28. Februar
2023, findet eine Podiumsdiskussion,
das Austrian Health Forum
Netup zu Seltenen Erkrankungen,
als hybride Veranstaltung im DC
Tower statt.
Der Dachverband Pro Rare
Austria stellt auf österreichischer
Ebene eine gemeinsame starke
Stimme für aktuell mehr als 90
Selbsthilfegruppen und Patient:innenorganisationen
dar. Pro Rare
Austria bringt diese Anliegen
in die politische Arbeit sowie
in die Projekte und Kooperationen
des Verbands ein,
um Verbesserungen für
Betroffene zu erzielen.
Auch für Menschen,
die Informationen
zu seltenen Erkrankungen
benötigen,
wird eine wichtige
Anlaufstelle geboten,
die bei der Suche
nach medizinischen
Ansprechpersonen
unterstützt sowie an
krankheitsspezifische
Selbsthilfegruppen vermittelt.
So organisiert der
Verband am 15. April 2023 ein
„Vernetzungstreffen“ für Betroffene
einer seltenen Erkrankung
und alle am Thema Interessierten.
Seltene Erkrankungen sollen
besser und frühzeitiger diagnostiziert
und erforscht und Patient:innen
bestmöglich versorgt werden
– durch die Stärkung von Bewusstsein
und Expertise, durch Vernetzung
und den Ausbau bestehender
Strukturen. Unser Ziel ist ein
gleichberechtigtes Leben in der
Mitte der Gesellschaft für alle
Menschen mit einer seltenen
Erkrankung (siehe auch Artikel zur
„Vision 2030“, Seite 05).
Seltene Krankheiten
im Überblick
Es gibt 6.000 bis 8.000
verschiedene seltene Krankheiten.
Ca. fünf Prozent der Bevölkerung
leiden an einer seltenen Krankheit
Das sind insgesamt 450.000
Personen in Österreich und damit in
Summe gar nicht so wenig Betroffene.
Als „selten“ wird in der EU eine
Erkrankung definiert, wenn sie
bei nicht mehr als fünf
Personen pro 10.000
Einwohner:innen auftritt.
Mehr Informationen:
https://www.prorare-austria.org/news/
veranstaltungen/
https://www.sozialministerium.at/
Themen/Gesundheit/Seltene-
Krankheiten.html
4 | Lesen Sie mehr unter www.seltenekrankheit.info
EXPERTISE
Erwachsen werden mit
einer seltenen Erkrankung:
Erfolgsgeschichte
Transition
FOTO: UNSPLASH: DAMON-HALL
Mag. a Dr. in
Caroline Culen
Klinische und
Gesundheitspsychologin
Geschäftsführung
Österreichische
Liga für Kinderund
Jugendgesundheit
Informationen
zum Thema erhalten
Sie unter
anderem auf
https://www.
kinderjugendgesundheit.at/
themenschwerpunkte/transition/.
FOTO: JANAMADZIGON
Mit „Transition“ oder
„Transitionsmedizin“
ist der strukturierte
Übertritt chronisch
kranker Kinder und Jugendlicher
von der Pädiatrie in die medizinische
Erwachsenenversorgung
gemeint.
Die Fortschritte der Medizin in
den letzten Jahrzehnten bedeuten
für Jugendliche mit seltenen
Erkrankungen ein Überleben bis
ins Erwachsenenalter. Ausbildung,
Beruf, Familienleben, die
Welt entdecken – das alles wird zu
einer realistischen Möglichkeit.
Das erste und unangefochtene Ziel
der Transition ist die koordinierte,
ununterbrochene und passgenaue
Gesundheitsversorgung über die
Lebensspanne.
Dennoch stellt die Transition
nach wie vor, auch international,
eine große Herausforderung
dar und führt oft zu Drop-outs
aus der medizinischen Versorgung.
Die Betroffenen sind
dann quasi „lost in Transition“.
Je nach Erkrankung liegt diese
Rate bei 30 bis 90 Prozent der
betroffenen jungen Menschen
und bedeutet ein erhöhtes
Risiko für medizinische Notfälle,
Komorbiditäten und psychische
Belastung. Damit verbunden sind
gleichzeitig auch erhöhte Kosten
für das Gesundheitssystem.
Transition – gute
Vorbereitung hilft!
Um bereit für die Transition zu
sein braucht es die Fähigkeit, für
sich selbst sprechen zu können
(„Selbstfürsprache“), eine gewisse
Selbständigkeit („Autonomie“),
Krankheitswissen und Gesundheitskompetenz
sowie Therapietreue
(„Therapieadhärenz“). Die
sogenannte Transitionsbereitschaft
wird zunehmend mittels
Screening-Fragebögen, z. B.
TRAQ-GV-15, abgefragt. So kann
das betreuende Team mit den
jungen Patient:innen überlegen,
was schon gut läuft und wo nach
wie vor Unterstützung wichtig ist.
Rolle der Familie
Die Erfahrung zeigt, dass Eltern
sehr viele Krankheitsmanagementaufgaben
übernehmen: Besorgung
von Medikamenten und medizinischen
Hilfsmittel, Erinnerung an
die Medikamenteneinnahme,
Vereinbarung von Terminen oder
auch Auseinandersetzung mit
neuen Therapieformen. Ebenso ist
es wichtig, dass alle Gesundheitsexpert:innen
für den Transitionsprozess
gut vorbereitet sind.
Es ist das Resultat einer
Erfolgsgeschichte, dass
wir uns mit dem Thema
Transition beschäftigen.
Mag. a Dr. in Caroline Culen,
Klinische und Gesundheitspsychologin
Geschäftsführung Österreichische Liga
für Kinder- und Jugendgesundheit
Im Zuge der Transition sollten
jugendliche Patient:innen schrittweise
selbständiger werden:
• Kann ich meine Diagnose/
Symptome benennen und erklären?
• Kenne ich die Medikamentennamen
plus deren Wirkung (Nebenwirkungen)
und die für mich
richtige Dosierung?
• Wo werde ich zukünftig medizinisch
gut betreut werden?
• Wie führe ich alleine Gespräche
mit dem medizinischen Betreuungsteam?
MEDIAPLANET | 5
Pro Rare Austria –
unsere Vision für seltene
Erkrankungen 2030
Ulrike Holzer
Obfrau Pro Rare
Austria – Allianz
für seltene
Erkrankungen
Österreich
FOTO: PRO RARE AUSTRIA, R. RIEDL
Seit 2011 setzt sich Pro Rare
Austria als österreichweiter
Dachverband und Sprachrohr
für die Gemeinschaft von
Menschen mit seltenen Erkrankungen
(SE) ein. Pro Rare Austria ist
für viele Betroffene eine wichtige
Anlaufstelle, zählt mittlerweile
über 90 Mitglieder und hat bisher
schon einen wesentlichen Beitrag
dazu geleistet, das Bewusstsein
und Verständnis für SE zu erhöhen
und die Anliegen von Betroffenen
zu vertreten.
Unsere Vision für die Zukunft
reicht von Verbesserungen bei
Diagnose und Therapie über Ausbau
und Vernetzung von Expertise,
Forschung und Datenaustausch bis
hin zur Stärkung und Sicherung
von Patient:innenvertretungen;
mit dem Ziel, die Situation von
betroffenen Menschen nachhaltig
zu verbessern.
Wir setzen uns für einen schnelleren
und weniger beschwerlichen
Weg bis zur Diagnose sowie eine
Erleichterung des Patient:innenpfades
ein. Eine gesicherte und
anerkannte Diagnose bietet die
Grundlage für Therapien und
Leistungen. Um für Betroffene
gleichberechtigt zugänglich
zu sein, müssen diese sowohl
erstattungsfähig und leistbar als
auch österreichweit einheitlich
geregelt sein – und patient:innengerecht
verabreicht werden.
Nicht nur auf österreichischer
Ebene (z. B. Nationaler Aktionsplan
für SE) sondern auch auf
europäischer sollen politische
Strategien geschaffen und verfolgt
werden. Ein wichtiger Schritt ist
der bereits in Planung begriffene
europäische Aktionsplan für SE.
Pro Rare Austria arbeitet sowohl
österreichweit als auch international
an der Definition der
Aktionspläne und Umsetzung
der Maßnahmen mit und ist im
Beirat für SE im BMSGPK sowie in
zahlreichen anderen Beiräten und
Gremien vertreten.
Ein wichtiger Aspekt ist auch die
notwendige ausreichende Finanzierung
von Expertisezentren und
deren Einbindung in das nationale
Gesundheitssystem. Die internationale
Vernetzung ist gerade bei
SE zentral: Österreich ist bereits
in alle 24 europäischen Referenznetzwerke
durch Expertisezentren
und Assoziierte Nationale Zentren
eingebunden. Noch ausbaufähig
sind interoperable Register und
Datenbanken.
Bestehende Forschung und
klinische Studien sollen im Sinne
des Data Sharing national und
international zusammengeführt
werden. Für Menschen mit SE kann
der Datenaustausch eine unmittelbare
Erleichterung bedeuten, da
gespeicherte Daten für Versorgung
und Diagnose genutzt werden
können. Gerade aufgrund der
Seltenheit von Erkrankungen ist es
für Forschung und Medizin höchst
relevant, auf Daten zugreifen zu
können; wobei die Interessen und
Rechte der Patient:innen immer im
Vordergrund stehen müssen.
Bisher erreichte Meilensteine
zeigen, was Patient:innenvertretungen
und Selbsthilfegruppen
gemeinsam mit einer starken
Vertretung durch Pro Rare Austria
leisten können. Auf dem Weg zur
Gleichstellung aller Patient:innen
gibt es allerdings noch viele
notwendige Schritte zu tun – Pro
Rare Austria wird Menschen mit
einer SE weiterhin als gemeinsame,
laute Stimme vertreten und
stärken.
Lesen Sie mehr unter
www.prorare-austria.org
Die Vision von Pro Rare Austria ist
es, die Gleichstellung der Betroffenen
von seltenen Erkrankungen im
österreichischen Gesundheits- und
Sozialsystem zu erreichen – für ein
gleichberechtigtes Leben in der Mitte
der Gesellschaft.
FOTO: SHUTTERSTOCK
6 | Lesen Sie mehr unter www.seltenekrankheit.info
INSIGHT
FOTO: SHUTTERSTOCK
Behandlungsziel
Lungenhochdruck
umkehren
Die Lungenhochdruck-Expertin
Univ.-Prof. in Dr. in Irene Lang klärt im
Interview über die seltene Erkrankung,
uncharakteristische Symptome
und Behandlungsmöglichkeiten von
Lungenhochdruck auf.
Text Magdalena Reiter-Reitbauer
Wir sprechen heute über
Lungenhochdruck. Was ist das
genau?
Lungenhochdruck ist eine seltene
Erkrankung. Betroffen sind jene
Lungengefäße, die knapp vor den
Lungenkapillaren liegen. Diese
Gefäße verengen sich und dadurch
steigt der Druck im System. Das
führt dazu, dass bei anfänglicher
Erkrankung bei Belastung und
später auch im Ruhezustand
weniger Blut mit höherem Druck
in die Lunge strömt. Die klassische
Form, die pulmonal-arterielle
Hypertension, betrifft vor allem
Frauen. Symptome können zum
Beispiel schwere Beine, Leistungsknick,
Belastungsbeschwerden
oder auch Atemnot sein. Das Problem
ist, dass die Beschwerden sehr
uncharakteristisch sind. Daher
wird die Erkrankung erst sehr spät
erkannt.
Wie entsteht Lungenhochdruck?
Gibt es Risikofaktoren
oder wird die Erkrankung vererbt?
Es gibt Risikogruppen und viele
Formen von Lungenhochdruck
– etwa Patient:innen mit Lungenerkrankungen,
Lungenembolien,
Bindegewebserkrankungen,
Herzfehlern oder Herzinsuffizienz.
Es gibt aber auch vererbte Formen.
Wir kennen Gene, die mit Lungenhochdruck
hochassoziiert sind.
Die seltenste Form von Lungenhochdruck
ist eine spezielle, die
vor allem bei Frauen auftritt und
den bösesten Verlauf hat. Hier
muss man also schnell agieren.
Wie wird Lungenhochdruck in
der Regel diagnostiziert?
Die Echokardiographie ist das
Fenster zum Herzen und für die
Erkennung von Lungenhochdruck
MEDIAPLANET | 7
essenziell. Allerdings werden
Symptome lange nicht ernst
genommen und auf andere
Erkrankungen, zum Beispiel
rezent häufig auf COVID-19
geschoben.
Hat die COVID-19-Pandemie die
Diagnosestellung beeinflusst?
Das Corona-Phänomen bestand
darin, dass keine Patient:innen ins
Spital kamen. Jetzt gibt es aktuell
einen regelrechten Boom an
Lungenhochdruck-Patient:innen.
Mit der Diagnose Lungenhochdruck
geht natürlich auch die
Frage der Behandlung einher.
Welche Therapieoptionen gibt
es?
Lungenhochdruck kann man gut
behandeln! Wird Lungenhochdruck
allerdings nicht behandelt,
haben Patient:innen eine sehr
kurze Überlebenszeit von etwa
2,8 Jahren. Männer mit Lungenhochdruck
haben eine schlechtere
Prognose als Frauen – obwohl
Frauen häufiger betroffen sind.
Die Behandlung von Lungenhochdruck
erfolgt durch gefäßerweiternde
Medikamente, die
richtig eingesetzt werden müssen.
In Kombination wirken diese
Medikamente besonders gut. An
Spezialzentren können Patient:innen
durch Teamarbeit mit großer
Erfahrung behandelt werden.
Die Awareness österreichischer
Ärztinnen und Ärzte für Lungenhochdruck
ist ungewöhnlich gut.
Abgesehen von der medikamentösen
Einstellung: Was
können Betroffene tun, um ihre
Lebensqualität zu verbessern?
Betroffene sollte sich überlegen,
der Selbsthilfegruppe Lungenhochdruck
beizutreten. Das ist
eine Gruppe von Patient:innen,
die quer durch ganz Österreich
vernetzt ist und Patient:innen
unterstützen kann.
Wie nehmen Sie die Situation
wahr, wenn Betroffene mit der
Diagnose konfrontiert werden?
Ist es für Patient:innen eine Erleichterung
zu wissen, woran sie
leiden?
Ich lege in den Gesprächen immer
alle Karten auf den Tisch. So
erleichtert man sein kann, so
schwerwiegend ist auch die
Aussicht darauf, dass man bei
dieser Erkrankung zur Behandlung
eine Pumpe tragen muss. Ich
beschäftige mich viele Jahre mit
Lungenhochdruck. Weltweit gibt
es eine kleine Gruppe von
Wissenschaftlern und Ärzt:innen,
die an der Verbesserung der
Therapie arbeitet. Wir haben
bereits jetzt eine sehr effektive
Behandlung.
Univ.-Prof. in Dr. in
Irene Lang
Professorin für
Gefäßbiologie,
Medizinische
Universität Wien
FOTO: MEDUNIWIEN
Entgeltliche Einschaltung
Augen auf:
Auch Menschen mit seltenen
Erkrankungen brauchen Hilfe
Lungenhochdruck oder pulmonale Hypertonie zählt zu den
über 6.000 identifizierten seltenen Krankheiten 1 . Weltweit sind
mehr als 25 Millionen Menschen betroffen 2 , in Österreich etwa
500 bis 1.000 3 . Leider wird Lungenhochdruck aufgrund seiner
Seltenheit und unspezifischen Symptomatik oft spät erkannt.
AT_CP-368076_23JAN2023
Deshalb verzögert sich der
Therapiebeginn – was sich
wiederum negativ auf den
Therapieerfolg auswirken kann.
Janssen hat sich daher zum Ziel
gesetzt, mehr Aufmerksamkeit
unter potenziell Betroffenen und
dem medizinischen Fachpersonal
zu schaffen. Eine frühe Diagnose
und Behandlung erhöhen potenziell
die Überlebenszeit 4 von Lungenhochdruck-Patient:innen.
Janssen
Austria möchte helfen, die Zeit bis
zum Therapiestart bestmöglich zu
verkürzen. „Sich mit Rare Diseases
zu beschäftigen ist nicht weniger
wichtig, nur weil sie selten sind.
Denn die Zeit bis zur Diagnosestellung
ist für Patient:innen eine
schwierige, begleitet von Unsicherheit
und langen Wartezeiten.
Betroffene fühlen sich oft allein
gelassen. Das möchten wir ändern,
indem wir fundierte Informationen
und Antworten auf mögliche Fragen
anbieten“, so Mag. Christoph
Slupetzky, Patient Lead bei Janssen
Austria.
Hand in Hand zu
mehr Bewusstsein
Janssen Austria setzt daher neben
Forschung und Entwicklung von
Arzneimitteln – derzeit werden
alleine in Österreich 30 klinische
Studien durchgeführt und global 11
Mrd. Euro jährlich in Forschung
investiert – auch auf die Unterstützung
von Betroffenen mit seltenen
Erkrankungen. Das Herzstück ist
dabei der Online-Patient:innenratgeber
„Seltene Erkrankungen“, der
das Krankheitsbild verständlich
erklärt und Tipps für einen
besseren Alltag gibt. „Bei der
Entwicklung haben wir uns an
Bedarf und Perspektive der
Patient:innen und ihren Vertretungen
wie der PH Austria orientiert.
Denn unsere Vision ist es, die
Lebensqualität der Patient:innen
zu verbessern – auch bei seltenen
Erkrankungen“, betont Slupetzky.
Nguengang Wakap S. Eur J Hum Genet. 2020 (v1.0)
Elliott C et al. CHEST 2010. 137(6):85s-94s (v1.0)
3ÖGK, PH, 11.05.2020, "Lungenhochdruck: Seltene und
schwere Krankheit" meinegesundheit.at PH 2010 (v1.0)
4Lau EMT et al. Nat Rev Cardiol 2015. 143-155 (v1.0)
8 | Lesen Sie mehr unter www.seltenekrankheit.info
Selbsthilfe:
Wertvolles
mentales
Werkzeug
Willy Koglbauer
Obmann
Morbus Fabry
Selbsthilfeverein
FOTO: PRIVAT
Willibald Koglbauer
kann seiner seltenen
Erkrankung auch etwas
Positives abgewinnen.
Er genießt das Leben
heute viel bewusster. Wie
er andere Betroffene
mental stärken möchte,
lesen Sie im Interview.
Text Magdalena Reiter-Reitbauer
Sie leben mit Morbus Fabry.
Wie zeigt sich die Erkrankung in
Ihrem Leben?
Bei mir wurde Morbus Fabry 2014
und damit erst relativ spät in
meinem Leben diagnostiziert. Ich
habe Leistungssport betrieben
und gemerkt, dass meine Leistung
stetig weniger wird – und zwar
nicht altersbezogen. Ich wusste
also, irgendetwas stimmt mit mir
nicht. Ich hatte auch schon vor
der Diagnose leichte Herzprobleme.
Heute weiß ich, dass das
bereits ein Symptom von Morbus
Fabry war. Durch einen Zufall
wurde schließlich Morbus Fabry
diagnostiziert.
Wie sind Sie mit der Diagnose
umgegangen?
Für mich ist damals kurz die
Welt eingestürzt. Ich habe im
Internet recherchiert; und davon
kann ich nur abraten! Denn den
Informationen im Internet zufolge
dürfte ich nicht mehr leben. Aber
glücklicherweise lebe ich immer
noch – und zwar ganz gut. Leider
kann ich die Leistung im Sport
nicht mehr so wie früher bringen,
aber das ist okay.
Wie würden Sie Ihren Weg von
den ersten Symptomen über die
Diagnose bis hin zum heutigen
Umgang mit der seltenen
Erkrankung beschreiben?
Die Erkrankung hat auch etwas
Positives. Ich lebe mein Leben
bewusster. Viele Menschen sind
zwar gesund, vergessen aber zu
leben. Für mich war die Diagnose
auch ein Segen, weil ich seither
mein Leben mehr genieße. Und ich
gehe Dinge nicht erst morgen an,
sondern heute!
Sie sind Obmann der Selbsthilfegruppe
Morbus Fabry. Welche
Unterstützung kann die Selbsthilfegruppe
geben?
Ich sehe die Gruppe als wertvolles
Werkzeug, um Menschen auch
mental zu unterstützen. Wir organisieren
ein jährliches Treffen,
bei dem wir uns untereinander
austauschen und uns Tipps geben,
wie wir unsere Lebensqualität
verbessern können. Wir erhalten
dabei wertvolle Informationen
von Fachärzt:innen, die uns über
Fortschritte in der Behandlung
aufklären. Für Morbus Fabry gibt
es derzeit keine Heilung, aber
dank der Therapie können wir die
Erkrankung hinauszögern. Morbus
Fabry ist zwar eine schwere
Erkrankung, aber ich versuche
unseren Mitgliedern zu vermitteln,
immer das Positive zu sehen.
Morbus Fabry ist erblich bedingt.
Wie gehen Sie in der Familie
damit um? Sollten sich alle
Verwandten testen lassen?
Wenn bei jemandem in der Familie
Morbus Fabry diagnostiziert
wird, wäre es gut, eine Familienanamnese
durchzuführen. Wenn
man ein Risiko für diese seltene
Erkrankung hat, sollte man sich
untersuchen lassen, damit man
möglichst früh mit einer Behandlung
beginnen kann. Auch in meiner
Familie gab und gibt es weitere
Morbus-Fabry-Patient:innen. Mein
Sohn hat ebenfalls eine seltene
Erkrankung, Morbus Gaucher, die
bei ihm als Kind diagnostiziert
wurde. Ich weiß daher, wie schwer
es für Eltern ist zu erfahren, dass
ihr Kind unheilbar krank ist. Das
ist für Angehörige eine Ausnahmesituation.
Daher versuchen
wir auch in der Selbsthilfegruppe
Angehörige zu unterstützen.
Welche Empfehlungen haben Sie
abschließend für Menschen mit
Morbus Fabry?
Ich kann mich noch daran
erinnern, dass meine Eltern und
Großeltern, als sie älter geworden
sind, immer nur über Krankheiten
gesprochen haben. Ich versuche
daher, mit meiner Familie nicht
ständig über meine Erkrankung zu
sprechen. Es gibt so viele schöne
Dinge im Leben, warum muss man
dann immer über das Kranksein
reden? Aber ich habe auch kein
Problem damit, über die Erkrankung
zu sprechen. Denn Morbus
Fabry ist Teil meines Lebens, es
gehört zu mir.
MEDIAPLANET | 9
Unspezifische Symptome?
Auch an Morbus Fabry denken
Univ.-Prof. in Daniela Karall ist Spezialistin für lysosomale
Speichererkrankungen. Morbus Fabry ist eine davon. Was Recyclingprozesse
damit zu tun haben und wie die Diagnose gestellt wird, lesen Sie im Interview.
A.Univ.-Prof. in
Dr. in Daniela
Karall
Präsidentin der
ÖGKJ, Stellv. Direktorin
Department
für Kinder- und
Jugendheilkunde
Universitätsklinik
Innsbruck für
Pädiatrie
Text Magdalena
Reiter-Reitbauer
FOTO: HOFER
Es gibt viele verschiedene
lysosomale Speichererkrankungen.
Was verbindet
diese Erkrankungen?
Das Lysosom kann als "Recyclingstelle
einer Zelle" bezeichnet
werden. Bei lysosomalen Speichererkrankungen
sind in diesem
wichtigen Recyclingprozess Schritte
unterbrochen. Das führt dazu, dass
sich Substanzen anstauen, ablagern
und so betroffene Organe schädigen.
Alle lysosomalen Speichererkrankungen
sind erblich bedingt.
Eine der lysosomalen Speichererkrankungen
ist Morbus Fabry.
Welche Symptome treten bei der
seltenen Erkrankung auf?
Morbus Fabry kann Haut ("Angiokeratome"),
Nieren, Herz und
Gehirn betreffen. Erste Symptome
im Kindesalter können brennende
Schmerzen an den Hand- oder Fußflächen
sein ("Akroparästhesien").
Später kann sich Morbus Fabry auch
in frühen Herzinfarkten, Schlaganfällen
oder Niereninsuffizienz
äußern. Die Symptome treten bei
Männern und Frauen in der Regel
zwar in derselben Reihenfolge auf,
bei Frauen allerdings fünf bis zehn
Jahre später, weil sie neben dem
betroffenen X-Chromosom ein zweites,
nicht betroffenes X-Chromosom
haben.
Wird die Diagnose häufig
durch Zufall gestellt?
Ja, zumeist ist es ein Zufall, wenn es
nicht bereits ein Familienmitglied
mit Morbus Fabry gibt. Wie auch bei
anderen lysosomalen Speichererkrankungen
konnten wir in den
letzten Jahrzehnten die Diagnostik
verbessern – auch weil Ärztinnen
und Ärzte häufiger auch bei
unspezifischen Symptomen an
seltene Erkrankungen denken.
Neben den bereits erwähnten
Symptomen können unter anderem
auch die Unfähigkeit zu schwitzen
oder wechselnde Durchfälle und
Verstopfungen sowie Unverträglichkeiten
auf Morbus Fabry hinweisen.
Ein sensibles Zeichen ist die
Speicherung in der Hornhaut - diese
stört Betroffene nicht, aber der
Augenarzt oder die Augenärztin
kann sie bei einer Routinekontrolle
feststellen und zur Abklärung eines
Morbus Fabry zuweisen.
UNSPEZIFISCHE SYMPTOME
BEI MORBUS FABRY
PSYCHE
Depression, Fatigue
AUGEN
Cornea verticillata
HERZ
Hypertrophe
Kardiomyopathie,
Herzinfarkt,
Arrhythmien,
Herzinsuffizienz
NIERE
Mikroalbuminurie,
Proteinurie,
Niereninsuffizienz
PERIPHERES
NERVENSYSTEM
Neuropathische Schmerzen als
Brennschmerz in Händen und
Füßen, episodische Schmerzkrisen,
Parästhesien,
Temperaturintoleranz
ZENTRALNERVEN-
SYSTEM
Transitorische ischämische
Attacke, Schlaganfall,
Marklagerläsionen
OHREN
Hörverlust,
Tinnitus,
Schwindel
LUNGE
Kurzatmigkeit
bei Belastung,
chronisch
obstruktive Lungenerkrankung
GI-TRAKT
Übelkeit, Erbrechen,
Durchfall,
Verstopfung,
Bauchkrämpfe,
Bauchschmerzen
HAUT
Angiokeratome,
unzureichendes
Schwitzen
Our passion for
making a difference
unites us.
Amicus is committed to improving the
lives of patients and families affected by
rare and orphan diseases.
NP-NN-AT-00010123
At the Forefront of Therapies for Rare and Orphan Diseases ®
Amicus Therapeutics UK LTD, One Globeside, Fieldhouse Ln, Marlow SL7 1HZ
10 | Lesen Sie mehr unter www.seltenekrankheit.info
EXPERTISE
Seltene Form der
Psoriasis erkennen
und behandeln
Eitergefüllte schmerzende Bläschen: Das
ist das Hauptsymptom der generalisierten
pustulösen Psoriasis. Was die Diagnose
der seltenen Erkrankung für Betroffene
bedeutet und welche Behandlungs- und
Erkrankungsmanagementmöglichkeiten
es derzeit gibt, erklären Univ.-Prof. in Dr. in
Gudrun Ratzinger und Univ.-Prof. Dr.
Peter Wolf im Interview.
Text Magdalena Reiter-Reitbauer
FOTO: SHUTTERSTOCK
Psoriasis ist als Erkrankung
vielen Menschen ein Begriff.
Aber welche seltenen Formen
der Psoriasis gibt es zusätzlich
noch?
Wolf: Unter Psoriasis versteht
man im Volksmund die Schuppenflechte.
Doch es gibt noch andere
Formen, darunter etwa die
Psoriasis pustulosa. Das ist eine
Psoriasis, die Pusteln bildet. Als
Pusteln verstehen wir in der
Dermatologie Bläschen, die mit
weißen Blutkörperchen, also mit
Eiter, gefüllt sind. Die Pusteln
dieser generalisierten pustulösen
Psoriasis sind steril.
Ratzinger: Die generalisierte
pustulöse Psoriasis (GPP) kann den
ganzen Körper betreffen. Es
besteht auch eine gewisse
Koexistenz mit anderen Psoriasis-
Formen. Die GPP tritt jedoch viel
seltener als die „klassische“
Plaque-Psoriasis auf – mit einer
‚Häufigkeit‘ von 1 zu 100.000
Menschen.
Wie zeigt sich die GPP
bei Betroffenen?
Ratzinger: Die Erkrankung tritt
akut und in Schüben auf und
bildet die charakteristischen
Pusteln auf rotem Grund. Diese
Bläschen finden sich in der
obersten Hautschicht und
schmerzen mehr als sie jucken.
Betroffene Patient:innen weisen
manchmal auch Entzündungszeichen
wie Fieber, Schüttelfrost oder
Abgeschlagenheit auf.
Wolf: Genau. Außerdem kann
MEDIAPLANET | 11
Ao.Univ.Prof. in Dr. in
Gudrun Ratzinger
Stellvertretende
Direktorin,
Univ.Klinik für Dermatologie,
Venerologie
und Allergologie,
Innsbruck
Univ.-Prof. Dr.
Peter Wolf
Klinikvorstand
Univ.Klinik für
Dermatologie und
Venerologie,
Medizinische
Universität Graz
FOTO: PRIVAT
FOTO: FEELIMAGE MATERN
die GPP zusätzlich auch an
Hand- und Fußflächen auftreten,
was für Betroffene besonders
schmerzhaft ist. Die GPP kann im
schlimmsten Fall sogar lebensbedrohlich
werden, da sie eine
systemische Entzündung darstellt,
die auch andere Organe, beispielsweise
Leber oder Schilddrüse,
betreffen kann.
Wie lange dauert ein Schub bei
Patient:innen in der Regel?
Ratzinger: Ein Schub kann sich
über wenige Tage, jedoch auch bis
zu drei Monate lang ziehen.
Danach heilen die Pusteln wieder
ab.
Wolf: Gemäß der gesammelten
österreichischen Daten haben
Patient:innen durchschnittlich
alle 14 Monate einen Schub.
Dazwischen können sie komplett
beschwerdefrei sein.
Bei seltenen Erkrankungen
haben Betroffene bei Diagnosestellung
oftmals bereits einen
langen Leidensweg hinter sich.
Wie kommt es bei der GPP zur
Diagnose?
Wolf: Der Leidensweg ist
grundsätzlich lange, weil es sich
um eine chronische Erkrankung
handelt. Die GPP kann für
Patient:innen sehr belastend sein.
Wenn sie einen akuten Schub
haben, werden sie gewöhnlich
stationär aufgenommen. Die
Diagnose selbst ist nicht schwer zu
stellen.
Ratzinger: Der Vorteil der GPP
ist, dass sie sehr auffällig ist und
gleich feststeht, dass es sich um
eine Hauterkrankung handeln
muss. Das bedeutet, dass Patient:innen
in der Regel rasch zu
Fachärzt:innen und dann weiter
zu uns in spezialisierte Zentren
kommen, wo die Diagnose gestellt
werden kann.
Wie erleben Patient:innen die
Diagnose und die Erkrankung
selbst?
Ratzinger: Wenn Patient:innen
einen massiven Schub haben,
beeinträchtigt das natürlich ihr
Allgemeinbefinden. Es kann sogar
so belastend für den Körper sein,
dass die Erkrankung zum Tod
führt. So steht es zumindest in den
Lehrbüchern, erlebt habe ich das
aber noch nie. Dennoch haben
Patient:innen ein starkes Krankheitsgefühl,
weil die Hautbarriere
komplett gestört ist und dieser
Umstand sehr viel Energie
verbraucht. Wir haben verschiedene
Therapieoptionen zur Behandlung
der Erkrankung. Nun gibt es
neue Möglichkeiten, mit denen wir
Patient:innen gut therapieren und
wieder ins normale Leben
zurückführen können.
Welche Behandlungsmöglichkeiten
haben Patient:innen mit
GPP konkret?
Wolf: Die Behandlungsmöglichkeiten
sind mannigfaltig. Über die
Jahre haben sich verschiedene
Therapien etabliert. Es gibt
traditionelle systemische Therapien,
die auch sonst bei Psoriasis
verwendet werden, wie etwa
immunsuppressive Medikamente
oder lokales Cortison. Es gibt auch
neue Therapieoptionen wie
Biologika, die zur Behandlung der
gewöhnlichen Schuppenflechte
zugelassen sind. Seit Kurzem gibt
es außerdem noch eine weitere
vielversprechende Behandlungsmöglichkeit
mit einem Biologikum,
welches speziell zur
Behandlung der pustulösen
Psoriasis entwickelt wurde. Hier
wäre es wichtig, dass – und dies
gilt auch für andere seltene
Erkrankungen – die Finanzierung
auf Bundesebene einheitlich
geregelt wird.
Was können Patient:innen mit
GPP oder anderen seltenen
Hauterkrankungen unternehmen,
um zu einem besseren
Management ihrer Erkrankung
beizutragen?
Ratzinger: Sind Trigger-Faktoren,
wie zum Beispiel Medikamente,
bekannt, können
Patient:innen diese vermeiden.
Grundsätzich sollten Patient:innen
bei einem Schub schnell zu
uns in spezialisierte Zentren für
eine akute Behandlung kommen.
Wolf: Tritt ein Schub auf,
müssen die Patient:innen rasch
am richtigen Ort sein – also
spezialisierte Abteilungen
aufsuchen. In Österreich sind die
primären Anlaufpunkte Einrichtungen
mit Bettenstationen an den
Universitätskliniken und Abteilungen
für Dermatologie. Es ist
wichtig, dass Betroffene rasch und
frühzeitig medizinische Hilfe in
Anspruch nehmen können.
Das zeigt die Unwearable
Collection von Bart Hess:
Wie fühlt sich ein Schub
einer Generalisierten
Pustulösen Psoriasis an?
AT/SPE/0223/SC-AT-03189
12 | Lesen Sie mehr unter www.seltenekrankheit.info
COVERSTORY
,
Mit Stift
und Papier –
aber ohne
Smalltalk
Nora Sophie Aigner schreibt – und spricht –
offen über ihre seltene Erkrankung. Warum
das für sie etwas Besonderes ist und was es
bedeutet, von heute auf morgen nicht mehr
wie gewohnt kommunizieren zu können,
lesen Sie hier.
Text: Magdalena Reiter-Reitbauer
Du lebst mit einer seltenen Erkrankung,
bei der du plötzlich
nicht mehr sprechen konntest.
Wie manifestiert sie sich?
Das Eagle-Syndrom, die seltene
Erkrankung, mit der ich lebe,
betrifft neben der Stimme auch
viele andere Bereiche. Das führt zu
einer sehr diffusen und vor allem
sehr schmerzhaften Symptomatik
im Kopf-, Hals- und Nackenbereich.
Das ist auch der Grund, warum die
Erkrankung so schwer zu diagnostizieren
war. Durch eine Verknöcherung
von Bändern werden wichtige
Hirnnerven verletzt. Sind auch die
Blutgefäße betroffen, entstehen
verschiedene zusätzliche Schmerzen
und Probleme wie zum Beispiel
intrakranielle Hypertension,
Pseudotumor cerebri, Hirndruck,
Schlafstörung oder Cerebrale Ischämie.
Aktuell befinde ich mich leider
wieder in einer Art Ausnahmezustand,
weil bei mir kürzlich eine
weitere Form des Eagle-Syndroms
diagnostiziert wurde: nämlich
das Eagle-Jugular-Syndrom mit
hochgradiger Kompression der
Vena jugularis interna. Bald steht
meine vierte Schädel-Operation in
Deutschland an. Der Kampf geht
also weiter.
Wie waren die ersten Monate für
dich? Wie hast du den Moment
wahrgenommen, als du die Diagnose
erhalten hast?
Die Zeit bis zur richtigen Diagnose
kann man sich wie eine Vorhölle
vorstellen. Man befindet sich in
einem Schwebezustand, in dem
man nicht weiß, was man hat,
aber ein deutliches körperliches
Missempfinden wahrnimmt. Man
ist bei der sehr hohen Anzahl an
ärztlichen Besuchen mit klinischem
Labelling und Gaslighting konfrontiert.
Der Tag der Diagnose ist daher
eher ein Tag der Erleichterung
durch die Gewissheit, obwohl die
Reise dann erst losgeht.
Welche Behandlungsmöglichkeiten
gibt es für das Eagle-Syndrom?
Es gibt konservative Behandlungsmöglichkeiten,
wie Physio- oder
Infiltrationstherapie. Aufgrund
der langen Diagnosezeit sind die
Beschwerden aber häufig so stark
chronifiziert, dass man sie nur mehr
mit Operationen lösen kann. Ob
eine (Teil-)Regeneration überhaupt
möglich ist, hängt von vielen
Faktoren ab und leider spielt dabei
auch die Dauer der Erkrankung eine
Rolle.
Du hast zwar deine Stimme
verloren, aber nicht deine Aus-
MEDIAPLANET | 13
Vor der Erkrankung war ich
ein schüchterner Mensch.
Ich habe mir geschworen,
Dinge zukünftig anzusprechen.
Nora Sopie Aigner
FOTO: RAIMUND NICS
drucksform. Und du hast sogar
ein Buch herausgebracht. Mit
welcher Intention hast du zu
schreiben begonnen?
Ich konnte über Jahre nicht sprechen,
bin nur von Spital zu Spital
gereist und brauchte ein Ventil
dafür. Stift und Papier hatte ich
immer dabei – schließlich war das
mein Mittel, um zu kommunizieren.
Ich habe in dieser Zeit Listen dazu
erstellt, was ich wem sagen möchte,
wenn ich wieder sprechen kann.
Daraus ist eine spielerische Form
von Texten entstanden, die mir
Freude bereitet hat. Ich dachte mir,
dass das vielleicht auch anderen
Leuten in schwierigen Situationen
Mut machen kann. Und irgendwann
habe ich begonnen, Gedichte zu
schreiben - über Liebe, Sehnsüchte,
Glück und Hoffnung. So ist die Idee
zum Buch entstanden.
Neben deinen körperlichen Beschwerden:
Mit welchen psychischen
Herausforderungen warst
oder bist du konfrontiert?
Körperlich nicht fit zu sein wirkt
sich stark auf die Lebensqualität
aus und geht mit Verlusten einher.
Mein Leben hat sich von einem Tag
auf den anderen verändert. Viele
Zukunftsvorstellungen, Ziele und
Träume haben sich in Luft aufgelöst.
Die Ungewissheit, ob man sich
jemals besser fühlen wird, hat mich
ständig begleitet. Da es in meinem
Fall kein spezifisches medizinisches
Zentrum gibt, musste ich mich
allein durch das Gesundheitssystem
navigieren. Ich lese mich
täglich in Studien ein und schreibe
Ärztinnen und Ärzte im Ausland
an. Vollkommen allein dazustehen
wird mit der Zeit anstrengend und
führt zur sozialen Isolation. Man
fühlt sich unverstanden und lebt in
einer anderen Welt als der eigene
Bekanntenkreis. Das ist ein sehr
einsames Gefühl.
Was bedeutet das Leben mit
einer seltenen Erkrankung für
zwischenmenschliche Beziehungen
– gerade in deinem Fall, da
du schlagartig nicht mehr wie gewohnt
kommunizieren konntest?
Wenn man gewohnt ist, über die
Stimme zu kommunizieren und
keine Zeichensprache kann, fehlt in
der Kommunikation die Emotion.
Es geht ein Stück Persönlichkeit
verloren, wenn man nicht mitscherzen
kann oder fünf Minuten
braucht, um auf etwas zu antworten,
weil man Geschriebenes erst
vorlesen lassen muss. Das war mit
der Zeit sehr bitter und isolierend.
Und wie war der Moment für
dich, als du wieder sprechen
konntest?
Ich habe nicht mit dem Finger
geschnipst und konnte wieder
sprechen, sondern musste mir
alles mühsam von Satz zu Satz und
von Woche zu Woche neu erarbeiten.
Meine Stimmkapazität war
sehr gering. Ging ich über meine
Grenzen, brach sofort eine neue
Entzündung aus. Es war eine harte
Schule, wenn man genau überlegen
muss, was man sagt und was nicht.
Oft spricht man im Alltag nur
um des Kommunizieren-Willens,
ohne dabei tatsächlich etwas
auszusagen. Wie haben sich deine
Erfahrungen auf deine heutige
Kommunikation ausgewirkt?
Vor der Erkrankung war ich ein
schüchterner Mensch. Ich habe mir
geschworen, Dinge zukünftig anzusprechen.
Damit tue ich mir aber
immer noch schwer – im Übrigen
auch mit Smalltalk auf Partys. Ich
finde es wichtig, beim Sprechen ans
Eingemachte zu gehen.
Du kannst heute wieder sprechen
und hast das sogar in einem
berührenden TED-Talk mehr als
bewiesen. Was möchtest du anderen
Menschen mit (seltenen)
Erkrankungen mitgeben?
Ich kann nur für mich sprechen,
aber offen mit der Erkrankung
umzugehen, hat mir zu mehr
Lebensqualität verholfen. Man hat
als chronisch kranke Person das
Gefühl, sich zurückziehen zu
müssen, weil man den Eindruck
gewinnt, dass diese Welt nur für
Gesunde gemacht ist. Aber hier
braucht es ein Umdenken und eine
inklusivere Gesellschaft. Durch
meine Offenheit versuche ich, dafür
zu sensibilisieren.
Stimme der Hoffnung
Verlag Bibliothek
der Provinz
ISBN: 234234234 234
Bei medizinischen Ideen zur Behandlung
des Eagle-Jugular-Syndroms melden
Sie sich bitte unter:
www.norasophie.at
@nora_sophiiie
14 | Lesen Sie mehr unter www.seltenekrankheit.info
Entgeltliche Einschaltung
Krankheitsverlauf von
SMA stoppen können
Dr. Marcus Erdler ist Neurologe und Spezialist für Spinale Muskelatrophie
(SMA). Im Interview spricht er über den Krankheitsverlauf der seltenen
Erkrankung und die Bedeutung der Behandlungsmöglichkeiten.
OA Dr. Marcus
Erdler
Facharzt für
Neurologie
FOTO: PRIVAT
Was ist Spinale Muskelatrophie?
Die Spinale Muskelatrophie ist
eine genetisch bedingte Erkrankung,
die dazu führt, dass jene
Zellen, die im Rückenmark für die
motorischen Nerven zuständig
sind, absterben. Das bedeutet, es
kommt im Verlauf der Erkrankung
zum Verlust von Muskelkraft
und Beweglichkeit. Wir wissen
mittlerweile auch, dass sich die
Erkrankung nicht nur auf Kraft,
Muskelbau, Sitz- und Gehfähigkeit
auswirkt, sondern auch auf andere
Funktionen im Körper. Lange Zeit
war dies nicht bekannt, weil wir
den Verlauf der Erkrankung aufgrund
fehlender Therapien nicht
lange beobachten konnten.
Gibt es unterschiedliche
Verlaufsformen und Typen
von SMA?
Wir teilen die Erkrankung in unterschiedliche
Typen ein. SMA-Typ
1 ist jene Erkrankung mit dem
schwersten Verlauf. Hier sind die
Patient:innen bereits im Kindesalter
stark beeinträchtigt – diese Kinder
können ohne Therapie nicht sitzen
oder gehen lernen und waren früher
von hoher Sterblichkeit betroffen.
Beim SMA-Typ 2 haben Kinder
bzw. Jugendliche erst im Teenager-
Alter mit schweren Symptomen zu
kämpfen. Menschen mit SMA-Typ 3
können vielleicht anfänglich gehen,
verlieren diese Fähigkeit aber im
Verlauf der Krankheit. Diese Einteilung
ist jedoch nur ein grober
Anhaltspunkt, denn jeder Fall ist
individuell.
Welche Behandlungsmöglichkeiten
gibt es für SMA-Patient:innen?
Wir in der Erwachsenenneurologie
haben im Kindesalter diagnostizierte
SMA-Patient:innen vor der
Verfügbarkeit von medikamentösen
Therapien praktisch nicht
gesehen – entweder weil sie früh
verstorben oder nur begleitende
Therapien zur Verfügung gestanden
sind. Heute gibt es medikamentöse
Behandlungsoptionen,
die auf genetischer Ebene funktionieren.
Begleittherapien wie
Physiotherapie, Ergotherapie oder
Atemtraining sind aber nach wie
vor sehr wichtig.
Können Menschen mit SMA
mit medikamentösen Therapien
heute ein selbständiges
Leben führen?
Das hängt natürlich vom Schweregrad
ab, aber mit den verfügbaren
Therapien kann SMA als chronisch
fortschreitende Erkrankung zum
Stoppen gebracht werden – das
ist bereits ein großer Erfolg! Ziel
der Therapien ist es, selbständiges
Leben so gut wie möglich zu erhalten
oder wiederzuerlangen. Für
viele unserer Patient:innen ist es
möglich, damit ihre Berufsfähigkeit
zu behalten oder im Alltag wieder
einfache Handgriffe zu tätigen.
Macht es einen Unterschied,
wann mit der medikamentösen
Behandlung begonnen wird?
Ja, je früher, desto besser – vor
allem bei schweren Fällen, weil
dadurch Leben gerettet werden.
Es gilt: Zeit ist Motoneuron. Wenn
Motoneuronen durch SMA zugrunde
gehen, sind sie verloren. Bei
Fällen im Teenager- oder Erwachsenenalter
versuchen wir, durch die
Therapie Behinderungen zu verhindern.
Dementsprechend wichtig
ist eine frühzeitige Behandlung.
Wohin können sich SMA-Patient:innen
wenden – an Hausärztinnen
und -ärzte oder an
spezialisierte Zentren?
Beides ist wichtig. Dennoch sollten
neuromuskuläre Zentren, die es in
mehreren Bundesländern in
Österreich gibt und bei SMA die
fachliche Expertise haben, das
primäre Anlaufziel sein. Wir führen
Abklärungen, Untersuchungen und
die Therapien durch. Wichtig ist,
das Betroffene den Weg nicht
scheuen, zu uns zu kommen. Es ist
nicht immer ein einfacher Weg,
aber es ist wichtig, nicht aufzugeben
und selbst scheinbar geringe
Erfolge zu sehen, die den Alltag
erleichtern. Ich habe die Erfahrung
gemacht, dass die allermeisten
unserer Patient:innen sehr
geduldige Menschen sind. Für
mich sind sie alle wahre Langstreckenläufer:innen.
MEDIAPLANET | 15
Hart, humorvoll
und ein bisschen
Rock’n‘Roll
Felix P. (26) lebt mit Spinaler Muskelatrophie
(SMA). Zusammen mit seinen Eltern, Carina
und Josef P., spricht er im Interview über
den Umgang mit der seltenen Erkrankung,
Möglichkeiten für ein selbstbestimmtes Leben
und Wünsche für eine bessere gesellschaftliche
Inklusion von Menschen mit Behinderung.
Er arbeitet nun in einem Verein,
aber er hat davor viele Absagen
aufgrund seiner Behinderung
erhalten.
Josef P.: Es ist oft auch kompliziert,
Hilfsmittel wie einen
Rollstuhl oder ein Sauerstoffgerät
zu beschaffen. Gerade im Freizeitbereich
haben wir aber viele
positive Erfahrungen gemacht. Ich
erinnere mich dabei besonders
gerne an die perfekte Organisation
vor Ort, als wir beim Formel 1
Grand Prix in Spielberg waren.
Oder auch beim Konzert der
Rolling Stones haben wir nur
positive Erfahrungen gemacht.
Felix P.: Es war echt cool, die
Stones live zu erleben. Und sind
wir uns ehrlich: Die Stones haben
wahrscheinlich zum letzten Mal in
Österreich gespielt. Immerhin
haben sie ungefähr den gleichen
Gesundheitszustand wie ich.
(lacht)
Familie P., vielen Dank, dass Sie
mit uns über SMA sprechen. Wie
tauschen Sie sich mit anderen
Menschen über die seltene Erkrankung
aus?
Felix P.: Ich gehe mit meiner
Erkrankung sehr offen um, weil ich
will, dass die Menschen wissen, wie
es ist, mit SMA zu leben.
Carina und Josef P.: Nach der
Diagnose und in der Anfangszeit ist
uns aufgefallen, dass das Thema für
viele Menschen belastend ist. Leider
hat sich ein Großteil des Freundeskreises
plötzlich zurückgezogen.
Über SMA tauschen wir uns daher
gerne mit anderen betroffenen
Familien aus.
Felix P.: Ich habe erst sehr spät
andere SMA-Betroffene kennengelernt.
Bis dahin hat es sich angefühlt,
als wäre ich der Einzige meiner Art.
Trifft man dann aber auf jemanden,
der die gleichen Probleme hat, kann
man auf Augenhöhe kommunizieren
und spricht auf einer gemeinsamen
Verständnisebene.
Was braucht es, damit Menschen
mit SMA möglichst selbstbestimmt
leben können?
Felix P.: Selbstbestimmung ist
nach wie vor eine Illusion. Ich
kann nur meine Sprachmuskulatur
und einen Daumen bewegen.
Die persönliche Assistenz
verbessert selbständiges Leben
– beruflich und privat. Leider sind
diese Serviceleistungen in
Österreich aber noch nicht weit
genug ausgebaut, um ein wirklich
unabhängiges Leben führen zu
können. Es ist auch nach wie vor
eine Illusion, dass behinderte
Menschen in Österreich gleichberechtigt
sind. Im biologischen
Denken der Menschen ist verankert,
dass kranke und schwache
Menschen nicht gleichwertig sind.
Ich verstehe es ja, nicht alle
meinen es böse, wenn sie mich
sprachlos anstarren. Vielleicht
würde ich das auch tun? Aber wir
müssen lernen, dieses unbewusste
Denken abzuschalten.
Was wünschen Sie sich von Elternseite
hinsichtlich der Selbstbestimmung
Ihres Sohnes und
aller an SMA Erkrankten?
Carina P.: Es kommt immer auf
den Grad der Behinderung an. Aber
es gibt viele Möglichkeiten, wie
Menschen mit SMA mit Assistenz
gut zurechtkommen können. Das
finde ich toll! Aber in puncto
Arbeitssuche gibt es noch zu viele
negative Erfahrungen. Felix hat mit
Auszeichnung maturiert und eine
Social-Media-Ausbildung gemacht.
Wie wichtig ist Ihnen als Familie
Humor im Umgang mit der Erkrankung?
Felix P.: Für mich ist Humor
total wichtig! Haben Sie schon
einmal nachgesehen, wie hoch die
Wahrscheinlichkeit ist, an SMA zu
erkranken? Die prozentuale Chance
ist winzig!
Carina P.: Es ist wahrscheinlicher
von einem Vogelstrauß
getötet zu werden, als an SMA zu
erkranken!
Felix P.: Wenn man schon so ein
Pech hat, dann hat man in diesem
Universum aber eine genauso
große Chance, wirklich sehr coole
Dinge zu erleben!
Anlaufstellen für Betroffene:
SMA Österreich - SMA Patientenvertretung Österreich
https://www.smaoesterreich.at/
Verein Marathon - Verein von Eltern und Angehörigen
gegen Muskelerkrankungen bei Kindern
https://www.verein-marathon.at/
Muskelkrank Verein Selbsthilfegruppe für Muskelkranke OÖ
https://www.muskelkrank.at/
Steirische Gesellschaft für Muskelkranke
http://www.muskelkranke-stmk.at/
Österreichische Muskelforschung
https://www.muskelforschung.at/
16 | Lesen Sie mehr unter www.seltenekrankheit.info
Neue Gentherapie bei
AADC-Mangel
Wenn bei Säuglingen oder Kleinkindern
Entwicklungsverzögerungen und eine
Muskelschwäche vorhanden sind, könnte
sich die seltene genetische Erkrankung
AADC-Mangel dahinter verbergen.
Text Magdalena Reiter-Reitbauer
Schlaffe Muskeln, starkes Schwitzen,
ständiges Schreien, verstopfte
Nase, Verkrampfungen und
immer wieder verdrehte Augen: Wenn
Eltern mit ihren Kleinkindern aufgrund
dieser unterschiedlichen Symptome zu
Kinderärzt:innen kommen, wird nicht
immer sofort die richtige Diagnose
gestellt. Hinter diesen unspezifischen
Symptomen kann auch die sehr seltene
Erkrankung Aromatische L-Aminosäure-Decarboxylase-Mangel
– kurz:
AADC-Mangel – stecken.
AADC-Mangel macht sich früh bemerkbar
Leidet ein Kind unter AADC-Mangel,
wirkt sich die vererbte Erkrankung auf
das Gehirn aus und beeinträchtigt dort
die Kommunikation der Nervenzellen.
Durch die Veränderungen eines Gens
werden die Signale des Nervensystems
nicht mehr richtig transportiert, da
der Körper die so wichtigen Botenstoffe
nicht oder in zu geringen Mengen
produziert. Erste Anzeichen der
Erkrankung treten zumeist bereits im
Säuglingsalter auf. Der AADC-Mangel
verläuft dabei aber nicht bei allen
betroffenen Kindern gleich. Sowohl der
Verlauf der seltenen Erkrankung als
auch die einzelnen oder zusammen auftretenden
Symptome können individuell
sehr unterschiedlich sein.
Fehldiagnosen führen auf
die falsche Spur
Die Herausforderung bei der Diagnosestellung
eines AADC-Mangels ist, dass
die Alarmzeichen – und dabei insbesondere
unwillkürliche Augenbewegungen
– an Krampfanfälle einer Epilepsie
erinnern. Fehldiagnosen, darunter auch
Cerebralparese, führen allerdings dazu,
dass Kleinkinder erst später eine für den
weiteren Krankheitsverlauf entscheidende
Behandlung und Versorgung
erhalten. Dabei ist die Feststellung
eines AADC-Mangels ganz einfach und
unkompliziert über eine Blutuntersuchung
möglich. Der sogenannte
3-OMD-Test sollte daher bei entsprechenden
Symptomen unbedingt von
Kinderärzt:innen bzw. Neuropädiaterinnen
und Neuropädiatern durchgeführt
werden.
Gentherapie ermöglicht
eigenständiges Leben
Denn schließlich geht es darum, die
schwer verlaufende Erkrankung bei
betroffenen Säuglingen und Kleinkindern
möglichst frühzeitig zu behandeln.
Seit Juli 2022 ist in Europa eine erste
Gentherapie zugelassen. „Durch die
Zulassung der Therapie besteht für die
betroffenen Patient:innen erstmalig die
Chance, sich geistig und motorisch zu
entwickeln. Vor der Gentherapie
konnten sich die Kinder kaum bewegen,
oftmals nicht einmal essen. Nach der
Gentherapie beginnen sie sich zu
bewegen, lernen laufen und haben die
Möglichkeit auf ein eigenständiges
Leben“, so Prof. Karl Kiening, Leitender
Oberarzt der Neurochirurgischen Klinik
am Universitätsklinikum Heidelberg in
Deutschland. Dort können im Sinne
von Cross-Border-Treatments auch
Patient:innen aus Österreich behandelt
werden.
www.aadc-mangel.at
SCHLAFFE MUSKELN BEI KINDERN?
KÖNNTE ES EIN AADC-MANGEL SEIN?
Die häufigsten Symptome sind: 1-3
Schlaffe Muskeln
Entwicklungsverzögerungen
Bewegungsstörungen
Verdrehen der Augen
Andauernd verstopfte Nase
Erfahren Sie mehr auf: www.aadc-mangel.at und www.aadc-testen.at
Lesen Sie mehr unter
www.prorareaustria.org
Referenzen: 1. Manegold C, Hoffmann GF, Degen I, et al. Aromatic L-amino acid decarboxylase deficiency: clinical features, drug therapy and follow-up. J Inherit Metab Dis. 2009;32(3):371-380. 2. Wassenberg
T, Molero-Luis M, Jeltsch K, et al. Consensus guideline for the diagnosis and treatment of aromatic l-amino acid decarboxylase (AADC) deficiency. Orphanet J Rare Dis. 2017;12(1):12. doi: 10.1186/s13023-016-
0522-z. 3. Brun L, Ngu LH, Keng WT, et al. Clinical and biochemical features of aromatic L-amino acid decarboxylase deficiency. Neurology. 2010;75(1):64-71.
©2023 PTC Therapeutics.
PTC2105KK504
PTC_Anz_AADC-Mangel_200x89_AT_20230209.indd 1 09.02.23 10:54
MEDIAPLANET | 17
Muskelerkrankung
DMD schneller erkennen
Damit Kinder mit der seltenen Erkrankung Duchenne-Muskeldystrophie
möglichst früh mit Therapien versorgt werden können, braucht es eine
rasche Diagnosestellung.
Text
Magdalena
Reiter-
Reitbauer
Bis bei Kindern die seltenen
Muskelerkrankung Duchenne-Muskeldystrophie
(DMD)
festgestellt wird, vergehen oft wertvolle
Monate und Jahre. Wie bei
vielen anderen seltenen Erkrankung
auch, ist es für Eltern sowie
deren betroffene Kinder häufig ein
langer Leidensweg, bis die richtige
Diagnose gestellt wird. Dabei ist die
frühzeitige Erkennung der DMD
notwendig, um die Lebensqualität
von Menschen mit DMD sowie
deren Krankheitsverlauf durch entsprechende
Therapien nachhaltig
positiv zu beeinflussen.
Fortschreitende Degeneration
der Muskulatur
Die Erbkrankheit DMD betrifft nur
das männliche Geschlecht und tritt
im Schnitt bei einem von 3.600 bis
6.000 neugeborenen Buben auf.
Erste Anzeichen der Erkrankung
können sich bereits in den ersten
beiden Lebensjahren bemerkbar
machen. Die auf DMD hinweisenden
aber unspezifischen Symptome
in diesem Alter sind allgemeine
Entwicklungsverzögerungen, die
verspätete Fähigkeit frei zu gehen
sowie eine verzögerte Sprachentwicklung.
Liegen diese Alarmzeichen
vor, sollten Kinderärztinnen
und -ärzte die betroffenen Kinder
auch auf eine mögliche DMD
untersuchen. Denn das heimtückische
an der Erkrankung ist, dass es
bei Kindern mit DMD bereits vor
den ersten Symptomen zu einer
fortschreitenden Degeneration der
Bewegungsmuskulatur und im weiteren
Verlauf auch der Atem- und
Herzmuskulatur kommt. Ihnen
fehlt das funktionsfähige Muskeleiweiß
„Dystrophin“, das für die
Stabilität der Zellmembran zuständig
ist. Ohne dieses Eiweiß kommt
es zirka ab dem dritten Lebensjahr
zu ersten spezifischeren muskulären
Symptomen, wie etwa häufiges
Stolpern, Schwierigkeiten beim
Aufstehen und Stiegensteigen oder
ein typischer „watschelnder“ Gang.
Frühzeitig mit Therapien und
Maßnahmen beginnen
Nicht nur für Betroffene, sondern
auch für deren Familien stellt die
Bewältigung des Alltags eine
Herausforderung dar. Ohne
Behandlung verlieren Buben mit
DMD zwischen dem 8. und 15.
Lebensjahr ihre Gehfähigkeit und
sind dann auf einen Rollstuhl
angewiesen. Gelingt es aber, die
Gehfähigkeit so lange wie möglich
zu erhalten, kann das Fortschreiten
der Erkrankung oft verzögert und
die Lebenserwartung verlängert
werden. Die seit Ende 2014 in der
Europäischen Union zugelassene
kausale Therapie der DMD für
Träger der Nonsense Mutation
steht seit 2018 auch für Patienten
ab einem Alter von zwei Jahren zur
Verfügung. Wird die seltene
Erkrankung also möglichst
frühzeitig erkannt und über die
Bestimmung des einfachen
Laborwertes der Kreatinkinase
(CK-Wert) diagnostiziert, kann
betroffenen Patienten entweder
anhand kausaler Therapien oder
weiterer wichtiger Maßnahmen
geholfen werden.
Mehr Info unter:
duchenne.at
hinterherstattvolldabei.at
PTC1804KK098
Lesen Sie mehr unter
www.prorareaustria.org
Hinter einer Entwicklungsverzögerung bei Jungen kann mehr stecken.
Könnte es Duchenne Muskeldystrophie sein?
Mehr erfahren: www.hinterherstattvolldabei.at
18 | Lesen Sie mehr unter www.seltenekrankheit.info
EXPERTISE
Neuromuskuläre Erkrankungen:
Wissen hilft Betroffenen und
Medizinerinnen und Medizinern
Prim. Univ.Prof.
Dr. Günther
Bernert
Neuropädiater,
Präsident
Österreichische
Muskelforschung
FOTO: A. ÖTTING
In Österreich leben etwa
20.000 Menschen mit einer
Muskelerkrankung, mehr als
die Hälfte davon sind Kinder
und Jugendliche. Die Diagnose
bedeutet häufig zunehmender
Verlust der Mobilität und eingeschränkte
Lebenserwartung. Doch
auch die Eltern sind mit einem
langen Leidensweg konfrontiert,
vor allem bis bei ihrem Kind die
finale Diagnose gestellt wird. Für
eine frühestmögliche Diagnose
von Muskelerkrankungen ist es
notwendig, dass Kinderärztinnen
und -ärzte aber auch Allgemeinmediziner:innen
die für diese
seltenen Erkrankungen typischen
Symptome kennen und deuten
können. „Je früher Eltern bei Verdacht
auf eine Muskelerkrankung
mit ihrem Kind einen neurologisch
spezialisierten Kinderarzt
oder eine Muskelspezialambulanz
aufsuchen, umso rascher kann
mit einer individuellen Betreuung
begonnen werden, die dazu
beiträgt, den Krankheitsverlauf
zu verlangsamen und die Lebensqualität
der Betroffenen zu verbessern“,
weiß Prim. Univ.-Prof.
Dr. Günther Bernert, Präsident der
Österreichischen Muskelforschung
(gemeinnütziger Verein zur Erforschung
von Muskelkrankheiten
bei Kindern und Erwachsenen).
Wissen hilft!
Eine essenzielle Unterstützung
für Betroffene und deren Familien
aber auch für Ärztinnen und
Ärzte besteht darin, Zugang zu
den aktuellsten Informationen
zu Muskelerkrankungen und
den Therapiemöglichkeiten zu
haben. „Eine wichtige Aufgabe
sieht die Muskelforschung in der
Vermittlung von Wissen über
neuromuskuläre Erkrankungen
und über den aktuellen Stand
der Forschung“, erklärt Bernert.
Mit MUSCULUS, der Videoenzyklopädie
der Österreichischen
Muskelforschung, steht allen
Interessierten online die Möglichkeit
zur Verfügung, sich über viele
Themen rund um neuromuskuläre
Erkrankungen zu informieren,
ganz nach dem Motto „Wissen
hilft“. Darüber hinaus veranstaltet
die Österreichische Muskelforschung
jedes Jahr eine Tagung, an
der auch Betroffene und Angehörige
kostenfrei teilnehmen können,
um sich auf den neuesten Stand
hinsichtlich der Forschung bei
Muskelkrankheiten zu bringen.
Früherkennung der Erkrankung
erhöht Wirksamkeit von
Therapien
Auch bisher schon konnten Krankheitsverlauf
und Lebenserwartung
durch medikamentöse, respiratorische,
kardiale, orthopädische und
rehabilitative Maßnahmen verbessert
werden. In den letzten Jahren
kamen in Österreich zusätzlich die
ersten kausalen Therapien für die
häufigsten Muskelerkrankungen
auf den Markt. Damit kommt der
Früherkennung noch mehr Bedeutung
zu als bisher – gilt es doch,
wertvolle Therapiefenster nicht zu
versäumen.
Case Management genauso
wichtig wie der Einsatz innovativer
Therapien
Alle innovativen Therapien setzen
voraus, dass „Standards of Care“
umgesetzt werden, d. h., dass
Begleit- und Folgeerkrankungen
der Muskelkrankheiten, die andere
Organsysteme wie Herz, Lunge,
Skelett, Verdauung und Ernährung
und psychische Gesundheit
betreffen, erkannt und behandelt
werden. „Die Umsetzung der
Standards of Care ist schon in der
Kinderheilkunde eine Herausforderung,
aber in der Erwachsenenmedizin
oft schwer umsetzbar“, so
Bernert. Die für das Gelingen des
Übergangs in die Erwachsenenmedizin
aber auch schon davor
extrem wichtige Berufsgruppe der
Case Manager:innen ist im
österreichischen Gesundheitssystem
nicht verpflichtend vorgesehen
und wird somit auch nicht
finanziert. „Die Implementierung
und Finanzierung von Case
Management für Menschen mit
einer Muskelerkrankung ist als
Zukunftsaufgabe genauso wichtig
wie der Einsatz innovativer
Medikamente“, sagt Bernert.
www.muskelforschung.at
Videoenzyklopädie MUSCULUS:
www.muskelforschung.at/musculus
MEDIAPLANET | 19
Entgeltliche Einschaltung
Therapien für seltene Erkrankungen:
Wie gesetzliche Rahmenbedingungen
Forschung und Entwicklung in Europa halten
Derzeit werden auf EU-Ebene zwei große
Gesetze, die Orphan Medicinal Product
Regulation und die General Pharmaceutical
Legislation, signifikant überarbeitet. Im Raum
steht die Verkürzung des Schutzes vor
Nachahmung. Die AOP Orphan Pharmaceuticals
GmbH (AOP Health) weist anlässlich des Rare
Disease Day 2023 darauf hin, dass im Bereich
der seltenen Erkrankungen Forschung in einer
Nische mit speziellen Rahmenbedingungen
stattfindet. Um die Forschung hier zu
unterstützen, sind regulatorische und politische
Maßnahmen wichtig.
FOTO: AOP HEALTH/STUDIO KOEKART:
NATASCHE UNKART & ISABELLA KÖHLER
Dr. Martin
Steinhart
CEO AOP Health
Im Bereich der seltenen Erkrankungen
gibt es oft nur eine
Handvoll Erkrankter. Dennoch
erfordern die Durchführung
aussagekräftiger Studien und die
Anforderungen an die Statistik oft
eine sehr hohe Anzahl an Patient:innen.
Da es häufig schwierig ist,
diese zu finden, dauern klinische
Studien und somit die Erforschung
und Entwicklung der Therapien
zunehmend länger, was die Kosten
in die Höhe treibt. Die hohen Entwicklungskosten
können nur mit
der Hoffnung einer erfolgreichen
Vermarktung gerechtfertigt werden.
Wird diese durch die Kürzung des
Schutzes vor Nachahmung vermindert,
besteht die Gefahr, dass weniger
für Patient:innen mit seltenen
Erkrankungen geforscht wird und
Therapien nur mehr eingeschränkt
verfügbar sind.
Forschung und Entwicklung in
Europa halten
Ein weiterer Aspekt der geplanten
Neuerungen in der Gesetzgebung
ist eine erstmals auf europäischer
Ebene geplante Beurteilung der
klinischen Daten als optionale
Grundlage für die nationalen
Kostenerstattungen von Medikamenten.
Bis dato werden in jedem
Land unterschiedliche Daten und
Analysen gefordert, um die nationale
Erstattung festzulegen. Martin
Steinhart, CEO von AOP Health,
dazu: „Es wäre wichtig, dass die
geplanten Änderungen der Gesetzgebung
zur Vereinfachung der
Prozesse und so zu einem schnelleren
Zugang für Patient:innen zu
neuen Medikamenten führen. Nur
so kann der europäische Markt
für Forschung und Entwicklung
attraktiv bleiben.“
Versorgungssicherheit
Die Pandemie und die aktuellen
wirtschaftlichen Herausforderungen
haben gezeigt, dass es auch in
Europa gemeinsamer Anstrengungen
bedarf, um den Zugang zu wirksamen
und sicheren Medikamenten
sicherzustellen. AOP Health leistet
seinen Beitrag dazu, in dem es seine
Produktions- und Lieferkette sorgfältig
aufbaut und kontrolliert und
zu 80 Prozent in Europa produziert.
Steinhart erklärt: „Die kurzen Wege
aber auch die Tatsache, dass wir
eine eigene Verpackungsanlage
im Headquarter in Wien eröffnet
haben, verleihen uns die Flexibilität,
rasch und unbürokratisch
auf die Versorgungssituation zu
reagieren.“
Rare Disease Day am 28. Februar
Am 28. Februar findet weltweit der
Rare Disease Day mit dem Ziel statt,
Bewusstsein für seltene Erkrankungen
zu schaffen. AOP Health lädt
aus diesem Anlass zu einem
Vortragsabend mit anschließender
Podiumsdiskussion. Gesundheitsexpert:innen,
Vertreter:innen von
Patient:innen-Organisationen, aber
auch Forscher:innen berichten aus
ihren jeweiligen Perspektiven,
teilen Bewältigungsstrategien und
informieren über neue Ansätze in
Forschung und Entwicklung. Die
Veranstaltung findet im Billrothhaus
der Ärzte, Frankgasse 8, 1090
Wien, statt und wird als Live-Stream
übertragen. Beginn: 17:00 Uhr. Um
Anmeldung unter events@
aop-health.com wird gebeten.
Über AOP Health
Die AOP Health Group umfasst
mehrere Unternehmen, darunter
die AOP Orphan Pharmaceuticals
GmbH mit Sitz in Wien,
Österreich („AOP Health“).
Die AOP Health Group ist die
europäische Pionierin bei integrierten
Therapien für Patient:innen
mit seltenen Erkrankungen
sowie in der Intensivmedizin. In
den letzten 25 Jahren hat sich
die Gruppe zu einer etablierten
Anbieterin von integrierten
Therapielösungen entwickelt,
die von ihrem Hauptsitz in Wien,
ihren Tochtergesellschaften
und Repräsentanzen in ganz
Europa und dem Nahen Osten
aus sowie über Partner:innen
weltweit tätig ist. Mit dem Claim
„Needs. Science. Trust.“ wird die
Grundlage des Erfolgs auf den
Punkt gebracht: Vertrauen durch
kontinuierlich hohe Investitionen
in Forschung und Entwicklung
und eine sehr konsequente und
pragmatische Ausrichtung auf
die Bedürfnisse aller Stakeholder:innen
– insbesondere der
Patient:innen und deren Angehöriger
sowie der behandelnden
Ärztinnen und Ärzte.
20 | Lesen Sie mehr unter www.seltenekrankheit.info
Jetzt ist
er nicht mehr
aufzuhalten
„Uns wurde es erst klar, als Prestons kleiner
Bruder durch eine Mandelentfernung immer
wieder blutete und bei ihm im Alter von drei
Jahren Hämophilie A diagnostiziert wurde.
Als das herauskam, dämmerte uns, womit
Preston sein bisheriges Leben zu kämpfen
hatte“, erinnert sich Angie, Prestons Mutter.
FOTOS: ZVG
Aufzuwachsen bedeutete
für Preston Beulen so
groß wie Gänseeier und
riesige blaue Flecken –
aber er war es irgendwann gewohnt
und lebte damit. Doch niemand
wusste genau, was los war. Als er
zum ersten Mal mit der Diagnose
Hämophilie A konfrontiert wurde,
war er sehr frustriert. „Es fiel mir
schwer zu akzeptieren, dass ich es
habe“, gibt Preston zu.
Hämophilie A ist eine Blutgerinnungsstörung,
bei der der
Faktor VIII im Blut fehlt, sodass
der Blutgerinnungsprozess nicht
richtig funktioniert. Wiederkehrende
Einblutungen in die Gelenke
Wir erreichen
Patienten in
118
Ländern
7
präklinische
und klinische
F&E-Standorte
Mehr als
180
Plasmaspendezentren
11,000
Mitarbeitende
5
hochmoderne
Produktionsstätten
MEDIAPLANET | 21
gehören zu den schwerwiegendsten
Folgen dieser Krankheit, da sie
die Beweglichkeit einschränken
und sowohl chronische Schmerzen
als auch Steifheit verursachen.
Ohne angemessene Behandlung
kann es zu dauerhaften Gelenkschäden
kommen.
Weltweit leben etwa 400.000
Menschen mit Hämophilie, wobei
ungefähr 75 % von ihnen noch
immer keinen Zugang zu einer
adäquaten Behandlung haben.
Bei Preston wurde die Diagnose
im Alter von neun Jahren gestellt.
Nachdem er mit einer regelmäßigen
FVIII-Behandlung begonnen
hatte, verbesserte sich sein
Gesundheitszustand zusehends.
„Man konnte sehen, dass er plötzlich
Farbe in seinem Gesicht hatte.
Da war ein Leuchten in seinen
Augen; und er wurde von einem
Kind, das nichts tun wollte, zu
einem Kind, das man nicht mehr
aufhalten kann“, strahlt Angie.
Nachdem er eine prophylaktische
Behandlung mit Faktor VIII
bekommen hatte, begann Preston
schon bald, in einer Mannschaft
Baseball zu spielen. Er arbeitet
mit seinen Ärzt:innen auch heute
vorbildlich zusammen, damit für
seine sportliche Betätigung eine
ausreichende Behandlung sichergestellt
ist. „Die Prophylaxe als
meine Therapie ermöglicht es mir,
das zu tun, was ich liebe, und meinen
Körper weiter zu fordern“, sagt
der 23-Jährige, der jetzt am liebsten
Zeit auf seinem Fahrrad verbringt.
„Genau so fühlt es sich richtig an:
über den Lenker gebeugt, schwitzend
und mit hoher Herzfrequenz“,
erzählt er und lacht.
Als aktiver Sportler muss Preston
vor allem darauf vertrauen, dass
sein Körper in einer guten
Verfassung ist, seine Gelenke in
Ordnung sind und er die richtige
Menge an Faktor VIII in seinem
Körper hat, um die gewünschte
Leistung zu erbringen und all die
Dinge tun zu können, die jede:r
Gleichaltrige tun kann.
22 | Lesen Sie mehr unter www.seltenekrankheit.info
Die Erfahrung mit
dem rosa Elefanten
Hämophilie und andere Blutgerinnungsstörungen sind vor allem in jungen
Jahren mit Unsicherheit verbunden. Doch so komisch das auch klingen mag:
Ein Leben mit der chronischen Erkrankung hat auch seine guten Seiten.
Lukas Zahrer
Österreichische
Hämophilie
Gesellschaft
FOTO: ÖHG
Die Diagnose Hämophilie
kann für Familien
im ersten Moment ein
Schock sein. Es handelt
sich dabei um eine Blutgerinnungsstörung,
die heutzutage sehr
gut behandelbar ist. Trotz eines
klärenden Gesprächs mit der/dem
behandelnden Ärztin/Arzt oder
Mediziner:in nach der Diagnose
bleiben dennoch oft viele Fragen –
vor allem: Was bedeutet Hämophilie
für das Leben meines Kindes?
Wenn sie das Krankenhaus
verlassen haben, siegt bei
vielen Angehörigen die
Vorstellungskraft über
den Verstand. Wenn
dir jemand sagt, du
sollst bloß nicht an einen
rosa Elefanten denken, ist das
Bild schon längst in deinem Kopf.
Und wenn ein:e Arzt/Ärztin sagt:
„Krankheit nicht googeln; bei
Fragen zur Hämophilie einfach
telefonisch melden!“, wird der erste
Weg ziemlich sicher trotzdem zur
Suchmaschine führen.
Eine Bildersuche liefert Grafiken
zur Vererbung: X-chromosomal
rezessiv; die Hämophilie betrifft
häufig Männer, weil bei Frauen ein
zweites, gesundes X-Chromosom
den entsprechenden Gendefekt
ausmerzt. Die Suche spuckt auch
Darstellungen von vielen roten
Blutkörperchen aus: Sie schauen
aus wie runde, rote Gummiboote,
haben mit Hämophilie aber wenig
zu tun. Und dann folgen Fotos von
blauen Flecken am Knie und im
Gesicht, kaputte Gelenke und offene
Wunden: „Um Himmels Willen,
bekommt das mein Kind auch?“
Die gute Nachricht: Die
Behandlung in Österreich schlägt
sehr gut an. So gut, dass sich bei
Befolgen der Therapie ein ganz
normales Leben führen lässt.
Der Gerinnungsfaktor, der bei
Hämophilie-Patient:innen fehlt,
wird über Injektionen in die Vene
verabreicht. Ja, das ist anstrengend
und
stressig, vor allem
weil Kinder
mehrmals
in
der Woche gespritzt werden müssen
und der Venenzugang oft nicht
gut ausgeprägt ist. Doch Angehörige
lernen in vielen Fällen, das
Kind zuhause zu behandeln – und
neue Therapieformen erleichtern
das Leben erheblich. Medikamente
sind inzwischen so konzipiert, dass
man sich immer seltener spritzen
muss. Künftig wird es auch Mittel
geben, die man nicht mehr in die
Vene, sondern in die Bauchfalte
spritzt.
Hämophilie-Patient:innen
lernen durch ihre Behandlung,
früh im Leben Verantwortung zu
übernehmen, denn die Therapie
erfordert Disziplin: Nimmt man
die Medikamente nicht, steigt die
Wahrscheinlichkeit für Blutungen
in Weichteilen oder Gelenken. Im
schlimmsten Fall kann es lebensgefährlich
sein, wenn Blutungen in
inneren Organen auftreten. Hämophile
besitzen ein ausgeprägtes
Körperbewusstsein; sie wissen, was
den Gelenken gut tut und wann der
Körper Ruhephasen braucht.
Betroffene und Angehörige
gehen oft unterschiedlich
mit ihrer Erkrankung um.
Manche sind sehr offen,
erwähnen die Hämophilie
gegenüber Arbeitskolleg:innen
oder beim
ersten Date. Andere sind
zurückhaltender. Die
Österreichische Hämophilie
Gesellschaft (ÖHG)
bietet eine Plattform
zum Austausch. Sie
organisiert Gesprächsrunden,
veranstaltet
Sommercamps für Kinder und geht
im Winter gemeinsam Skifahren.
Außerdem fördert sie regelmäßige
Bewegung im Fitnesscenter oder
in der Physiotherapie, bietet Hilfe
bei beruflicher Neuausrichtung
und unterstützt in Notfällen auch
finanziell, dort wo Krankenkassen
oder staatliche Hilfen etwa nicht
ausreichen.
Die ÖHG hilft dabei, sich über
die Diagnose auszutauschen und
gibt Tipps und Tricks, um besser
durch den Alltag zu kommen. Bei
den Treffen gibt es keine falschen
oder dummen Fragen und auch
keinen Elefanten im Raum. Schon
gar keinen in Rosa.
FOTO: SHUTTERSTOCK
www.bluter.at
Österreichische
Hämophilie
Gesellschaft
MEDIAPLANET | 23
Ein Leben mit
und ohne Attacken
Apollonia Schipits leidet an einer sehr seltenen Erkrankung: HAE – Hereditäres
Angioödem. Im Interview erzählt sie von ihrem Glückstag, dem Leben mit
krankheitstypischen Attacken und aktuellen Behandlungsmöglichkeiten.
Viele Menschen haben vielleicht
noch nie etwas von HAE gehört.
Welche Symptome weisen auf
diese seltene Erkrankung hin?
HAE kann Hände oder Füße
anschwellen lassen oder auch die
inneren Organe betreffen. Lebensbedrohlich
ist die Erkrankung dann,
wenn die Zunge oder der Kehlkopf
anschwillt. Aber auch die Augen
können so stark anschwellen,
dass man nichts mehr sieht. Bei
einer Kopfattacke kann man sogar
bewusstlos werden. All das ist leider
unvorhersehbar.
Das bedeutet, dass die Schwellungen
wie eine Attacke, also
ganz plötzlich auftreten?
Ja, genau. Bauch- oder Kopfattacken
treten irrsinnig schnell auf.
Bei äußerlichen Attacken bildet
sich vorab ein leicht rötlicher Ausschlag.
Um das zu erkennen, muss
man aber wirklich viele Attacken
gehabt haben.
War es – wie bei vielen anderen
von seltenen Erkrankungen
Betroffenen – auch bei Ihnen
ein langer Weg bis zur richtigen
Diagnose?
Ja! Bei mir sind 17 Jahre bis zur richtigen
Diagnosestellung vergangen.
Wurde HAE mit anderen Erkrankungen
„verwechselt“?
Hatte ich eine Bauchattacke, dachte
man an einen Darmverschluss.
Hatte ich äußerliche Schwellungen,
war es die berühmte Allergie. Teilweise
wurde ich überhaupt nicht
ernst genommen. Erst durch einen
Zufall wurde bei mir schließlich
HAE diagnostiziert. Als ich eine sehr
starke Schwellung an der linken
Hand hatte, die sich immer weiter
Richtung Herz erstreckte, hat eine
Ärztin in der Notaufnahme den
Verdacht auf HAE gestellt. So wie bei
fast allen anderen HAE-Betroffenen
war die Diagnosestellung auch für
mich ein Glückstag. Endlich wurde
ich nicht mehr als Hypochonderin
abgestempelt.
Inwiefern beeinflusst HAE
die Lebensqualität? Was tun
Sie, damit es Ihnen selbst
besser geht?
Zunächst braucht es eine positive
Einstellung. Die Krankheit ist nicht
heilbar und wird somit immer ein
Teil von mir sein, mit dem ich zu
leben lernen muss. Ich bemitleide
mich nicht, damit würde ich mir das
Leben nur selbst schwer machen.
Glücklicherweise gibt es sehr gute
Medikamente, die mir eine gute
Lebensqualität ermöglichen. Das
ist ein großer Vorteil gegenüber
Betroffenen von vor 30 Jahren.
Welche Behandlungsmöglichkeiten
gibt es derzeit?
Ich hatte früher 70 Attacken pro
Jahr und erhielt deswegen von der
Krankenkasse jahrelang eine medikamentöse
Prophylaxe, um Attacken
vorzubeugen. Heute erhalte ich eine
Depot-Spritze, die nur mehr einmal
im Monat verabreicht werden muss
und mir das Leben damit wesentlich
erleichtert. Zusätzlich habe ich auch
noch ein Notfallmedikament, das
ich immer bei mir trage, sollte eine
Attacke auftreten.
Sie sind stellvertretende Vorsitzende
der Patient:innenorganisation
HAE Austria. Was hat Sie
dazu bewogen, aktiv zu werden?
Ich bin eine sehr selbstbewusste
Frau, die sich auch bei der
Krankenkasse durchsetzen kann. Es
gibt aber viele andere Betroffene, die
vielleicht nicht die Kraft dazu
haben. Das hat mich dazu bewogen,
im Rahmen der Selbsthilfegruppe
andere zu unterstützen – auch um
ihnen mitzugeben, dass sie sich
nicht unterkriegen lassen sollen!
FOTO: HAE AUSTRIA
Apollonia Schipits
stv. Obfrau HAE
Austria
Typische Anzeichen von HAE sind:
• wiederholte Schwellungen der Haut, die mehr als
24h anhalten und nicht jucken
• fehlende Wirkung von Antihistaminika oder Kortison
(wirksam bei allergisch bedingten Schwellungen)
• immer wieder auftretende krampfartige
Bauchschmerzen, die mehr als sechs Stunden
dauern und keine klare Ursache haben
• Schwellungen im Hals
• häufig Vorboten für Schwellungsattacken
Erkrankungen, die mit dem HAE
verwechselt werden können:
• allergische Hautreaktionen
• Nesselsucht
• Reizdarmsyndrom
• Lebensmittelunverträglichkeiten
• Harnwegsinfektionen
• Gallen- und Nierensteine
• Blinddarmentzündung
Könnte ich
HAE haben?
Machen Sie den HAE SofortCheck.
INFOS
www.hae-info.at
C-APROM/AT/HAE/0004; 02/21
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Seltene
Erkrankungen
UNSER AUFTRAG FÜR
INNOVATIVE LÖSUNGEN
Am 28. Februar ist
TAG DER
Seltenen
Erkrankungen
TAKEDA UNTERSTÜTZT MENSCHEN MIT SELTENEN ERKRANKUNGEN
Fünf Prozent der Weltbevölkerung leiden an Seltenen Erkrankungen. 1 In Österreich sind 400.000
Menschen betroffen. 2 Takeda unterstützt die Patient*innen von der Diagnose bis zur bestmöglichen
Versorgung mit Therapien. Seit 70 Jahren entwickeln und produzieren wir in Österreich eine Vielzahl
von hochinnovativen Arzneimitteln, um die Lebensqualität der Betroffenen nachhaltig zu verbessern.
1
Global Genes. RARE Diseases: Facts and Statistics. Verfügbar unter:
https://globalgenes.org/rare-disease-facts/ Letzter Zugriff: Februar 2023.
2
Dachverband Pro Rare Austria. Verfügbar unter:
https://www.prorare-austria.org/mitglieder/ueber-seltene-erkrankungen/
Letzter Zugriff: Februar 2023.
ERFAHREN SIE MEHR über den Kranich
und das Engagement von Takeda
für Menschen mit Seltenen Erkrankungen.
www.takeda.at
C-APROM/AT/PO/0009, Feb. 2023