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Leben mit Krebs

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www.lebenmit.de

Leben mit ...

Krebs

Seite 3

Multiples Myelom

und Corona-positiv,

was nun?

Seite 4 + 8

Kleine Kämpfer:

Sofia und Emely.

Seite 5

Die Zukunft der

Krebstherapie.

Seite 17

„Mama, ich brauche

dich noch!“ Yvonnes

bewegende Geschichte.

Seite 18

Letzte Wünsche

wagen – Sabines

Sehnsucht nach

dem Meer.

„Niemals aufgeben!“

Als Linda erfährt, dass sie einen bösartigen Tumor in der

Brust hat, ist sie im fünften Monat schwanger. Im Interview

spricht sie über ihren Kampf um zwei Leben

ihr eigenes und das ihres ungeborenen Babys.


2

Vorwort

Dieser kleine, verletzliche, geläuterte Körper. Der glatte Kopf und die von der Strahlung gerötete

Haut. Seine Mutter, müde, erschöpft, gebrochen und doch mit einem verzweifelten

Lächeln auf den Lippen und aufmunternde Worte flüsternd. Ich hatte gerade mein drittes

gesundes Kind zur Welt gebracht und konnte diesen Schmerz kaum aushalten. Das war

wohl der Tag, an dem ich entschieden habe, dass ich mein Leben nutzen will, um diesen

Familien zu helfen, mit allen Mitteln, die mir zur Verfügung stehen.

Wie ist das mit dem Krebs?

Dr. Sarah Roxana Herlofsen

Stammzellforscherin,

Buchautorin, Kuratorin der

Stiftung Juno Kinderkrebshilfe

BUCHTIPP

Wie ist das mit dem Krebs?

Ein Kindersachbuch über die

Krankheit Krebs für Kinder ab

6 Jahren und ihre Familien.

In Kooperation mit der Stiftung

Deutsche Krebshilfe. Die

aktualisierte Neuauflage ist ab

27.04.2023 erhältlich.

ISBN: 978-3-522-30630-0

Man kann wohl sagen,

dass ich drei große

Leidenschaften habe:

Kinder, Bücher und

Biologie. Mein Interesse

für die Biologie und

Medizin entstand schon sehr früh und ich

habe lange überlegt, Ärztin zu werden. Aber

die Vorstellung, nicht allen helfen zu können

und Menschen zu verlieren, hat mich abgeschreckt,

weil mir solche Schicksale emotional

zu nah gehen. Ich wählte

also den Weg zur Biologie-

und Philosophielehrerin,

damit ich Kindern

die großen und kleinen

Mysterien des Lebens erklären

kann.

Als meine Oma die Diagnose

metastasierter

Darmkrebs, mit sehr

schlechter Prognose, bekam

und ihr angeboten

wurde, an einer klinischen

Studie teilzunehmen, in

der Forscher versuchten,

Antikörper gegen die Krebszellen auszubilden,

sodass sie vom eigenen Körper gefunden und

entsorgt werden können, war ich von dieser

genialen Idee begeistert und wollte nun nicht

nur Wissen vermitteln, ich wollte lieber Wissen

selbst schaffen und wechselte den Studiengang

zur molekularen Biomedizin. Neue Medikamente

entwickeln, Durchbrüche in der klinischen

Forschung erzielen und damit Leben

retten war mein Ziel. Es folgten viele Jahre im

Labor, und meine Spezialität wurde die klinische

Stammzellforschung.

Ein weiterer Krebsfall in der Familie lenkte

mein Leben erneut in eine andere Richtung.

Mein Opa wurde mit unheilbarem Blasenkrebs

diagnostiziert. Meine Kinder waren noch sehr

klein und ich begann, Bilder für sie zu malen

„Neue Medikamente

entwickeln,

Durchbrüche in der

klinischen Forschung

erzielen und damit

Leben retten war

mein Ziel.“

und kleine Geschichten über Krebszellen zu

schreiben, um ihnen zu erklären, warum ich

so traurig war. Diese offene Kommunikation

war unendlich wertvoll. Nicht nur für meine

Kinder, sondern auch für mich selbst. Da

entstand die Idee für mein Kinderbuch.

Ich wollte mein gesammeltes Wissen nutzen,

um allen Kindern ihre Fragen zu beantworten,

egal ob sie eine Mutter mit Brustkrebs oder

einen Opa mit Darmkrebs haben oder vielleicht

selbst an Krebs erkrankt

sind. Hier begann

also mein Engagement

für Kinder und Krebs.

Die nächsten Jahre reiste

ich viel umher, besuchte

Kinderkrebsstationen

und Kinder als Angehörige,

sammelte Fragen und

Erfahrungsberichte, traf

mich mit Psychologen

und Ärzten, Krebssurvivorn

und Menschen, die

ihre Liebsten an Krebs

verloren haben. Das Thema

Krebs wurde zu meinem

absoluten Herzensthema. 2019 erschien

mein Buch „Wie ist das mit dem Krebs?“ in

Deutschland. Mittlerweile wurde es in viele

Sprachen übersetzt. Im April erscheint die

Neuauflage des Buches, mit einigen Zusatzkapiteln.

Wenn ich daran denke, wie viele Tausend

Kinder das Buch bereits in der ganzen

Welt gelesen haben, rührt mich das immer

wieder erneut zu Tränen.

Meine wichtigste Botschaft für alle ist: Redet

offen über eure Gedanken und Gefühle und

sucht euch Hilfe im Kampf gegen Krebs. Ihr

seid nicht alleine und es gibt viele Menschen,

die euch gerne helfen und unterstützen

wollen. Nehmt die Hilfe mit gutem Gewissen

an. Denn gemeinsam ist man stärker als

allein..

Leben mit ... Magazin Healthcare Mediapartner GmbH | Pariser Platz 6a | 10711 Berlin | www.healthcare-mediapartner.de

Herausgeber Franziska Manske Redaktionsleitung Benjamin Pank Design Elias Karberg Coverbild privat

Druck BNN Badendruck GmbH Kontakt redaktion@lebenmit.de | www.lebenmit.de

Alle Artikel, die mit “Gastbeitrag” gekennzeichnet sind, sind keine neutralen Beiträge der Leben-mit-Redaktion.

Die Texte der Ausgabe schließen alle Geschlechter mit ein. Zur besseren Lesbarkeit wird jedoch nur eine Geschlechtsform verwendet.


Patientengeschichte

Mehr auf www.lebenmit.de I 3

Jürgen Martens und seine Frau Diane gehen die Herausforderungen der Corona-Pandemie als Team an. Foto: privat

Multiples Myelom und Corona-positiv, was nun?

Gute Aufklärung ist ein entscheidender

Wissensvorteil für Patienten

Schon seit 2008 lebt Jürgen Martens mit der

Diagnose Multiples Myelom, einer Form von

Knochenmarkkrebs. Obwohl die Krankheit

derzeit nicht heilbar ist, haben sich die Behandlungsmöglichkeiten

in den letzten 20

Jahren deutlich verbessert, was sich auch in

der gestiegenen Lebensqualität der Betroffenen

widerspiegelt. 1 Mit Beginn der Corona-

Pandemie steht Jürgen jedoch vor einer ganz

neuen Herausforderung: Aufgrund seiner

Krebserkrankung hat er ein geschwächtes Immunsystem,

sodass er durch Impfung (nicht)

ausreichend vor einem schweren Verlauf von

COVID-19 geschützt werden kann. 2 Für den

67-Jährigen ist es wichtig, gut über seine Erkrankung

informiert zu sein, um auf dieser

Basis gemeinsam mit dem Arzt wichtige Entscheidungen

fällen zu können – und das trifft

auch auf das Thema Corona zu. Zu wissen,

welche Schritte im Fall einer Infektion wichtig

sind, half ihm, ruhig zu bleiben und richtig zu

handeln, als er sich im Sommer 2022 trotz aller

Vorsicht mit COVID-19 infizierte.

Als 2020 die Corona-Pandemie begann, hatte

Jürgen bereits seit rund 12 Jahren die Diagnose

Multiples Myelom. Schnell war ihm klar, dass

die Pandemie seine Lebenssituation verändern

würde.

„Ich habe ein geschwächtes Immunsystem,

und wenn ich COVID-19 bekomme, habe ich

ein Risiko für einen schweren Verlauf.“

Im aktiven Austausch mit Experten und anderen

Betroffenen lernte Jürgen, wie er sich bestmöglich

vor einer Infektion mit dem Virus schützen kann

und wie er sich im Fall einer Infektion verhalten

sollte. Neben den empfohlenen Schutzimpfungen

wusch sich der 67-Jährige regelmäßig die

Hände, trug eine Maske und hielt sich möglichst

von großen Menschenansammlungen fern, da

Abstandhalten hier nur schwer möglich ist.

Jürgen beschreibt sich selbst als Experten in

eigener Sache, da er seine Gesundheitskompetenz

eigenverantwortlich mitgestaltet. Genau

diese kam ihm, als er sich trotz aller Vorsicht im

Sommer 2022 mit COVID-19 infizierte, zugute:

Er wusste, dass ihm professionelle Hilfe und eine

rasche Behandlung im Notfall helfen können.

(Hinweis d. Red.: Frühes Handeln ist wichtig, da

Therapien gegen COVID-19 in der frühen Phase

der Infektion, d. h. 5 Tage nach Auftreten von

Symptomen, eingesetzt werden müssen. 3 )

„Als ich gemerkt habe, dass ich COVIDpositiv

bin, stellte sich mir natürlich die

Frage: Wie intensiv trifft mich das?“

Daher hatten seine Frau Diane und er stets ein

Auge auf die Entwicklung seiner Symptome.

„Glücklicherweise war ich zu diesem Zeitpunkt

nicht in Behandlung gegen das Multiple Myelom

und konnte mich vergleichsweise unproblematisch

in Quarantäne begeben. Zudem verlief bei

mir die Infektion sehr moderat“, resümiert Jürgen

und erzählt weiter: „Die COVID-Infektion habe

ich innerhalb von 14 Tagen relativ gut überstanden.“

Doch das ist keine Selbstverständlichkeit.

Gerade Krebspatienten haben laut Deutschem

Krebsforschungszentrum (DKFZ) tendenziell

ein erhöhtes Risiko für einen schweren Verlauf. 4

Anderen Betroffenen mit Multiplem Myelom

rät Jürgen deshalb, stets gut informiert zu bleiben

und sich wie empfohlen gegen COVID-19

impfen zu lassen – aber vor allem selbstbewusst

zu sein, wenn es darum geht, die eigenen Hygieneinteressen

in den Vordergrund zu stellen.

Denn „die Pandemie ist noch nicht vorbei“, erklärt

Jürgen.

„Der aktive Schutz vor einer weiteren

Ansteckung steht für mich als Risikopatient

im Vordergrund.“

Seit wieder mehr Veranstaltungen stattfinden,

müsse er sich daran erinnern, dass die anderen

Leute nicht der Maßstab seien. „Man neigt

schnell dazu, leichtsinnig zu werden“, merkt er

an. Während für einen Großteil der (gesunden)

Bevölkerung das öffentliche Leben mittlerweile

ohne größere Einschränkungen weitergeht, ist

der Alltag für immungeschwächte Patienten wie

Jürgen noch nicht wieder wie vor der Pandemie.

So müsse man das eigene Verhalten immer wieder

kritisch hinterfragen.

„Die Pandemie hat dazu geführt, dass mir eine gewisse

Leichtigkeit abhandengekommen ist“, sagt er

heute. „Als Hochrisikopatient lernt man, mit seiner

Krankheit zu leben, aber nun schwingt immer eine

Unsicherheit mit. Das lässt einen auch ein Stück

weit vereinsamen.“ Deshalb ist Jürgen und seiner

Frau auch wichtig, sich mit anderen Betroffenen

auszutauschen. „Manchmal ist geteiltes Leid halbes

Leid“, sind sich die Beiden einig.

Das Multiple Myelom: Jürgens Geschichte

Im Rahmen einer Routineuntersuchung wurde

bei Jürgen 2008 ein auffälliger Blutwert

festgestellt. Nach einer ergänzenden Untersuchung

bekam er die überraschende Diagnose

Multiples Myelom. „Das haut einen natürlich

vom Hocker“, erinnert er sich heute.

„Wir haben schnell gemerkt: Multiples

Myelom ist eine Teamgeschichte.“

Gemeinsam mit seiner Frau Diane fasste er

den Entschluss, weiterhin selbstbestimmt zu

leben. Zuerst ließ er sich deshalb die Krankheit

von seinem Hämatologen erklären. Nach kurzer

Zeit schloss sich das Ehepaar zudem einer

Selbsthilfegruppe für Betroffene mit Multiplem

Myelom an, die Jürgen inzwischen leitet.

Weitere persönliche Einblicke in das

Leben mit Multiplem Myelom: bit.ly/3IkAFh6

Referenzen:

1 Baertsch MA, Goldschmidt H. Multiples Myelom -

Was ist gesichert in der Therapie? Internist 2017;58:1250–1257

2 Ständige Impfkommission: Beschluss der STIKO zur 21. Aktualisierung der

COVID-19-Impfempfehlung Epid Bull 2022;33:3-19 | DOI 10.25646/10412.

3 https://www.rki.de/DE/Content/Kommissionen/Stakob/Stellungnahmen/

Stellungnahme-Covid-19_Therapie_Diagnose.pdf?__blob=publicationFile%20

(Webseite%20Stand%2022.02.2022)" RKI - Stellungnahmen - STAKOB: Hinweise

zu Erkennung, Diagnostik und Therapie von Patienten mit COVID-19

(6.4.2022, in Überarbeitung).

4. Deutsches Krebsforschungszentrum: Corona, COVID-19 und Krebs: Antworten

auf häufige Fragen. Stand 16.11.2022, online abrufbar unter: bit.ly/3FmT7SZ

(letzter Zugriff 07.12.2022).

NP-DE-COU-ADVR-220001 (12/2022)

Gastbeitrag

Mit freundlicher Unterstützung von GSK


4

Patientengeschichte

„Unsere kleine,

heile Welt brach

zusammen“

Sofia ist ein fröhliches kleines Mädchen, mit einem ansteckenden

Lachen und unbändiger Lebensfreude. Kurz vor

ihrem zweiten Geburtstag wird Sofia sehr krank. Diagnose:

Akute Lymphatische Leukämie (ALL). Im Interview spricht

Sofias Mutter, Jessica Amann, über den Kampf gegen

den Krebs und erklärt, warum es so schwer ist,

zurück in die Normalität zu finden.

Redaktion Leonie Zell

Frau Amann, wie hat sich die Erkrankung

bei Sofia bemerkbar gemacht?

Am 5. August 2019 bekam Sofia plötzlich sehr

hohes Fieber. Als es auch am nächsten Tag

nicht besser wurde, gingen wir zum Kinderarzt.

Der vermutete, dass es am Wachstum oder den

Zähnen lag, und schickte uns mit Zäpfchen

nach Hause. Drei Tage später war das Fieber so

schnell weg, wie es gekommen war. Doch zwei

Tage später fing es wieder an. Erneut gingen wir

zum Kinderarzt. Da es Sofia bis auf das Fieber gut

ging, schickte er uns mit anderen Zäpfchen nach

Hause. Am 13. August, dem Tag der Einschulung

meines mittleren Sohnes, wachte Sofia morgens

mit einem großflächigen Hautausschlag, der an

Masern oder Windpocken erinnerte, auf. Mein

Mann fuhr sofort mit ihr zum Kinderarzt, um abklären

zu lassen, was das ist und ob wir bedenkenlos

zur Einschulung könnten, ohne andere

zu gefährden. Der Arzt gab Sofia ein Antibiotikum,

machte einen Termin zur Blutabnahme

am kommenden Mittwoch und wir gingen zur

Einschulung. Am nächsten Tag verschlechterte

sich Sofias Zustand rapide. Sie wollte nichts

mehr essen und trinken und lag nur noch lethargisch

im Bettchen. Mittwochs ging mein Mann

mit Sofia zur Blutabnahme. Der Arzt schickte

ihn dann direkt ins Krankenhaus. Dort wurden

wir aufgenommen und Sofia wurde gründlich

untersucht. Ein paar Stunden später kamen der

Stationsarzt und der Oberarzt auf unser Zimmer

und sagten uns, dass sie Sofia nicht weiter

behandeln könnten, da sie für solche Fälle nicht

ausgestattet seien. Wir fragten nach, was Sofia

denn habe, und sie antworteten, dass nur zwei

Diagnosen infrage kämen: das Parvovirus oder

Leukämie. Was es wäre, könnten die Kinderonkologen

in der Uniklinik Frankfurt feststellen.

Die Ärzte wünschten uns alles

Gute und verließen das Zimmer.

Wie geht man mit so einer Nachricht

um?

Wir waren erstarrt, geschockt, am Boden zerstört

– alles gleichzeitig. Doch viel Zeit zum

Nachdenken blieb uns nicht, denn kurze Zeit

später wurde Sofia bereits mit dem Rettungswagen

nach Frankfurt gefahren.

Wie ging es dort weiter?

Die Ärzte stellten eine Sepsis sowie eine Blutarmut

fest. Noch am gleichen Tag bekam Sofia

eine Bluttransfusion und Breitbandantibiotika.

Am folgenden Tag wurden eine Lumbalpunktion

und eine Knochenmarkpunktion durchgeführt.

Das musste ein paar Tage später noch

einmal wiederholt werden. Es brach mir das

Herz, als ich sie dort liegen sah, halb benommen,

mit ihrem Schmusekissen „Diddi“ im

Arm, und sie uns einfach nur ansah und wir ihr

nicht helfen konnten. Wir waren machtlos und

verzweifelt und klammerten uns an die Hoffnung,

dass es keine Leukämie sei.

Dann kam der 20. August 2019 …

… und unsere kleine, heile Welt brach zusammen,

als wir die Diagnose Leukämie bekamen.

Warum unser Mädchen? Warum unser

kleiner Schatz? Sie war nie krank, bis auf einen

Schnupfen im Winter 2018. Sie war so lebensfroh,

aktiv, glücklich – und jetzt so krank.

Bitte erzählen Sie uns von Sofias Kampf

gegen den Krebs.

Sieben Tage nach der Diagnose begann die

Chemotherapie. Mittlerweile wussten wir

Fotos privat

auch, dass Sofia die Akute

Lymphatische Leukämie

(ALL) hatte. Sie war während

der gesamten Zeit unglaublich

tapfer – unser kleines, starkes Mädchen.

Auch heute dauert die Therapie noch an,

in Tablettenform. Wenn alles gut geht, gilt Sofia

mit sieben Jahren als krebsfrei. Bis dahin versuchen

wir, nach vorn zu schauen und uns von

der Angst nicht besiegen zu lassen.

Was waren die größten Herausforderungen

in den letzten Jahren?

Neben der ständigen Angst um das Leben unseres

Kindes ganz klar die finanziellen Probleme,

die durch so eine Diagnose auf Familien

zukommen. Ich war, ehrlich gesagt, geschockt,

wie wenig Unterstützung es für solche Ausnahmesituationen

gibt. Das Geld wurde bei uns

sehr knapp. Mein Mann ließ sich damals beurlauben,

um den Kampf mit Sofia gemeinsam

zu kämpfen. Dadurch bekam er nur noch 67

Prozent des Lohnes. Ich hatte eine Teilzeitstelle.

Die Existenzängste waren immens. Hätten

wir nicht Hilfe durch GoFundMe und verschiedene

Stiftungen bekommen, wären wir finanziell

am Ende gewesen. Dafür bin ich nach wie

vor sehr dankbar.

Wie haben Sie den Weg zurück in den Alltag

geschafft?

Ehrlich gesagt noch gar nicht – die Krankheit

hat Spuren bei uns allen hinterlassen. Sofia

musste viel zu schnell groß werden und hat viel

von ihrer Kindheit verpasst. Auch ihren großen

Brüdern fällt es schwer, das Erlebte zu verarbeiten.

Zu tief sitzen die Sorgen und Ängste, die

der Krebs ausgelöst hat. .


Erfahrungsbericht

Mehr auf www.lebenmit.de I 5

Krebs, du

kannst

mich mal!“

Vanessa hat ihrem Krebs

den Kampf angesagt –

wir unterstützen sie dabei.

Foto Deutsche Kinderkrebsnachsorge

Gastbeitrag DEUTSCHE KINDERKREBSNACHSORGE

J

edes Jahr erkranken in Deutschland

rund 2.000 Kinder an Krebs. Da die

Krankheit bei Kindern häufig aggressiv

verläuft, müssen sie rasch behandelt

werden. Die gute Nachricht: Die

Chancen, den Krebs zu besiegen, sind

recht hoch – 80 Prozent aller krebskranken

Kinder können heute geheilt werden. Vanessa

steht sinnbildlich für viele Kinder. Sie hat den

Kampf gegen den Krebs gewonnen. Doch der

Weg zurück in den Alltag war für sie und ihre

Familie schwierig. Die Familie hat die Möglichkeit

bekommen, eine vierwöchige Familiennachsorgereha

in Tannheim zu machen.

Dort arbeiteten die medizinischen, psychosozialen

und pädagogischen Bereiche ganzheitlich

eng zusammen. Vanessa besuchte vormittags

die Klinikschule und hatte währenddessen

Anwendungen. Sie ging beispielsweise

in den Therapiestall reiten, während ihre Eltern

an Gesprächsgruppen teilnahmen. Nachmittags

hat die Familie sich bei gemeinsamen

sportlichen Aktivitäten wie Schwimmen,

Wandern oder beim Fahrradfahren erholt.

Gemeinsam Zeit zu verbringen und wieder

unbeschwert lachen zu können, hat allen sehr

dabei geholfen, zurück ins Leben zu finden.

DEUTSCHE KINDERKREBSNACHSORGE –

Stiftung für das chronisch kranke Kind

Wenn Kinder von Geburt an krank sind oder

in jungen Jahren bereits schwer erkranken,

ist der Weg für sie und ihre Familien

meist ein sehr schwerer. Die DEUTSCHE

KINDERKREBSNACHSORGE – Stiftung für

das chronisch kranke Kind setzt sich für

krebs-, herz- und mukoviszidosekranke

Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene

sowie verwaiste Familien ein und schenkt

ihnen neuen Lebensmut.

Die Stiftung gilt als Hauptinitiator und Hauptgesellschafter

der Nachsorgeklinik Tannheim.

Nach wie vor unterstützt sie die Klinik mit

hohen Zuwendungen, um im Rahmen der

intensiven familienorientierten Nachsorge

das medizinisch-therapeutische Konzept abzusichern.

Die DEUTSCHE KINDERKREBS-

NACHSORGE hat den Bau der Klinik und die

Förderung der familienorientierten Nachsorge

bereits bei ihrer Gründung am 9. Dezember

1990 als wichtigste Ziele formuliert und konsequent

umgesetzt. Das Vorhaben wurde bis zum

heutigen Tage mit über fünf Millionen Euro unterstützt

– das Ergebnis unzähliger Spendenaktionen.

Unterstützen auch Sie die DEUTSCHE

KINDERKREBSNACHSORGE – Stiftung für das

chronisch kranke Kind mit einer Spende. Nur

mit Ihrer Hilfe können wir helfen..

Spendenkonto

Deutsche

Kinderkrebsnachsorge

Sparkasse Schwarzwald-Baar

IBAN DE41694500650000005000

BIC SOLADES1VSS

Stichwort „Lebenshelfer“

www.kinderkrebsnachsorge.de

ZEIT ZUM LEBEN

GIB MIR NOCH EIN BISSCHEN ZEIT,

ZEIT, UM WENIGSTENS EIN PAAR

MEINER ZIELE ZU ERREICHEN.

GIB MIR NOCH EIN BISSCHEN ZEIT,

ZEIT, UM MEINE TRÄUME ZU LEBEN.

GIB MIR NOCH EIN BISSCHEN ZEIT,

ZEIT, UM ANDEREN ZU ZEIGEN,

WORAUF ES IM LEBEN

WIRKLICH ANKOMMT.

GIB MIR NOCH EIN BISSCHEN ZEIT,

ZEIT, UM ANDEREN KRANKEN

MUT ZU MACHEN.

GIB MIR NOCH EIN BISSCHEN ZEIT,

ZEIT, UM DAS LACHEN MEINER

KLEINEN SCHWESTER ZU HÖREN.

GIB MIR NOCH EIN BISSCHEN ZEIT,

ZEIT, UM DIE LIEBE NEU ZU

ENTDECKEN.

GIB MIR NOCH EIN BISSCHEN ZEIT,

ZEIT, UM DIE NATUR ZU GENIESSEN.

GIB MIR NOCH EIN BISSCHEN ZEIT,

ZEIT, UM ANDEREN ETWAS VON

MIR ZU GEBEN.

GIB MIR NOCH EIN BISSCHEN ZEIT,

ZEIT, UM ZU LEBEN, IMMER WIEDER

UND JEDEN TAG NEU LEBEN!

Dieses Gedicht hat Simone (17)

geschrieben. Ein halbes Jahr

später ist sie verstorben.


6

Experteneinblicke

Präzisionsstrahlentherapie: Der MR-Linac kombiniert einen Linearbeschleuniger

mit einem Magnet-Resonanz-Tomographen (MRT). Foto: UKD/Kirsten Lassig

Die Zukunft der

Krebsbehandlung

Krebsforschung made in Germany. Lesen Sie hier, welche innovativen Wege Wissenschaftler

und Ärzte am Top-Krebsforschungsstandort Dresden gemeinsam gehen, um Patienten die

bestmögliche Krebstherapie oder bestenfalls ein Leben ohne Krebs zu ermöglichen.

Prof. Dr. Stefanie Speidel

Professorin für Translationale

Chirurgische Onkologie

Prof. Dr. med.

Martin Bornhäuser

Geschäftsführender Direktor,

NCT/UCC Dresden

Frau Prof. Speidel, Sie forschen am Nationalen

Centrum für Tumorerkrankungen Dresden

(NCT/UCC) an innovativen KI-gestützten

Assistenzsystemen für die Krebschirurgie und

sind zugleich Gründungsdirektorin der neuen

Außenstelle des Deutschen Krebsforschungszentrums

(DKFZ) in Dresden. Zudem leiten Sie die

Abteilung Translationale Chirurgische Onkologie.

Was kann man sich darunter vorstellen?

Translation bedeutet, die Lücke zwischen der

Grundlagenforschung und der Anwendung am

Patienten zu schließen. Meine Abteilung entwickelt

computer- und robotergestützte Assistenzsysteme

für die Krebschirurgie. Der Operateur

kann ja nicht ins Organ hineinschauen, sondern

sieht nur die Oberfläche, muss aber wissen, wo

genau sich Risikostrukturen oder Zielstrukturen

befinden, also der Tumor, der entfernt werden

soll. Die Erfahrung des Operateurs ist extrem bedeutend,

um Komplikationen während und nach

der Operation zu vermeiden. Unser Ziel ist es, die

Lösungswege vieler sehr erfahrener Chirurgen

zu erfassen und mithilfe künstlicher Intelligenz

weniger erfahrenen Kollegen auch an anderen

Standorten zur Verfügung zu stellen.

Das fängt ja bereits vor dem OP-Saal an.

Sie entwickeln auch eine Datenbrille zur Operationsplanung.

Wie genau läuft das ab?

Es gibt eine Vielzahl von Daten, die bereits vor

einem chirurgischen Eingriff anfallen: aus der

Bildgebung (CT, MRT), Laborwerte und die

Patientenhistorie. Auf Basis aller verfügbaren

Daten des Patienten wird eine dreidimensionale

Projektion erstellt, sodass der Operateur

vorab die OP durchspielen kann. Mit der Datenbrille

lassen sich unterschiedliche Operationswege

simulieren. Am DKFZ-Standort Dresden

werden künftig weitere Zukunftstechnologien

gegen Krebs ent wickelt, beispielsweise Mikround

Nanoroboter, die Medikamente gezielt zum

Tumor transportieren, oder neue Sensoren zur

frühzeitigen Krebsdiagnose.

Wird es künftig in der Krebschirurgie mehr

KI, Robotik und Technik und weniger Mensch

geben?

Nicht weniger Mensch, wir wollen den Chirurgen

ja nicht ersetzen, sondern ihm Assistenzsysteme

für eine noch präzisere Krebschirurgie zur Seite

stellen. Es gibt Sachen, die kann der Mensch

besser, und Dinge, die kann die Maschine gut.

Es geht darum, beides zu ergänzen, um letztlich

dem Patienten eine bessere Lebenssituation zu

verschaffen.

Herr Prof. Bornhäuser, Ihr Fokus liegt auf der

Forschung und Weiterentwicklung innovativer

Zell- und Immuntherapien. Wie funktioniert die

zelluläre Therapie bzw. Immuntherapie?

Es gibt verschiedene Arten der Zelltherapie. Zum

einen die autologe Zelltherapie, wobei die blutbildenden

Zellen oder Immunzellen direkt vom

Patienten entnommen und diesem nach einer

entsprechenden Vorbehandlung zurückgegeben

werden. Das neueste, innovative Verfahren, woran

auch wir forschen, ist die CAR-T-Zell-Therapie.

Dabei werden vom Patienten selbst Lym-


Mehr auf www.lebenmit.de I 7

Exzellent.

Im Experimental-OP des NCT/UCC werden neu

entwickelte roboter- und computergestützte

Systeme für die Krebschirurgie erprobt. Mithilfe

einer Datenbrille werden der Chirurgin situationsbezogen

wichtige Informationen eingeblendet –

zur genauen Lage des Tumors oder zu Nerven

und Gefäßen, die nicht verletzt werden dürfen.

Foto: NCT/UCC/André Wirsig

phozyten, die T-Zellen, entnommen, außerhalb

des Körpers genetisch verändert und nach zwei

bis drei Wochen in dieser veränderten Form an

den Patienten zurückgegeben. Mit dem neuen

künstlichen Immunrezeptor auf der Oberfläche

können CAR-T-Zellen sehr effektiv Krebszellen

eliminieren.

Für welche Patienten ist diese Immuntherapie

vorgesehen?

Dies funktioniert bisher v. a. bei Lymphknotenkrebs

und bestimmten Leukämieformen. Zwar

können dabei auch ungewollte Nebenwirkungen

auftreten, jedoch sind diese inzwischen besser

vorhersehbar und in Dresden entwickelte Formen

der CAR-T-Zellen ermöglichen zusätzlich

auch das An- und Ausschalten der übertragenen

Immunzellen. Unser Anspruch ist es, die Zelltherapie

universeller für mehr Patienten anbieten zu

können. Wir wollen hin zur allogenen Therapie,

bei der vom gesunden Menschen Zellen entnommen

und verändert werden oder diese auch aus

frühen Stammzellen entwickelt werden. Ziel ist

es, für den individuellen Therapiebedarf veränderte

Zellen zur sofortigen Verfügung bereitzuhaben,

statt diese erst mühevoll in einem aufwendigen

Prozess herzustellen.

Wo sehen Sie das größte Potenzial künftiger erfolgreicher

Krebstherapien?

Die Immuntherapie ist bereits auf einem anhaltenden

Siegeszug in der Krebstherapie. Gerade

hier am Forschungsstandort Dresden arbeiten

wir daran, die Zelltherapie zu optimieren. Wir

wollen das Immunsystem dazu bringen, eine

langfristige Heilung zu erreichen. Es gibt hier

sicher noch viel zu tun. Im Idealfall sollte es in

Zukunft natürlich gelingen, frühzeitig Präventionsstrategien

zu entwickeln, um die Häufigkeit

von Krebserkrankungen zu reduzieren..

Redaktion Nicole Kraß

Weitere Informationen finden Sie

unter: www.nct-dresden.de

Wie mehr Patienten der Zugang zu

klinischen Studien ermöglicht werden

kann und worin die größten Potenziale

der chirurgischen Onkologie liegen,

lesen Sie auf: www.lebenmit.de

Sebastian Gemkow

„In der Forschung

verfolgt Sachsen bewusst

einen fachgebietsübergreifenden

Ansatz“

Gastbeitrag des sächsischen Wissenschaftsministers Sebastian Gemkow

K

rebs ist eine Erkrankung mit höchst unterschiedlichen Ausprägungen

und ebenso unterschiedlichen Krankheitsverläufen. Um die Chancen auf

Heilung zu verbessern, braucht es immer wieder neue, innovative Ansätze,

die in Sachsen permanent erdacht, erforscht und fast unmittelbar in die klinische

Anwendung überführt werden.

Schon heute gibt es eine Vielzahl unterschiedlicher Therapien, teils hochindividuell auf

den einzelnen Patienten abgestimmt. Waren noch vor wenigen Jahren standardisierte

Chemotherapien oder Bestrahlungsverfahren im Einsatz, hat sich die Art der Behandlung

inzwischen deutlich gewandelt. Mithilfe der hoch spezialisierten Forschung an den Uniklinika

in Dresden und Leipzig, aber auch mit außeruniversitären Partnerinstitutionen werden heute

neueste Technologien mit weiterentwickelten Behandlungsmethoden kombiniert.

Daran sind längt nicht mehr ausschließlich Mediziner beteiligt. In der Forschung verfolgt

Sachsen bewusst einen fachgebietsübergreifenden Ansatz. IT-Spezialisten, Physiker,

Ingenieure und andere Professionen arbeiten gemeinsam mit Ärzten. Das Ergebnis sind

Therapien, die einerseits eine bessere Wirkung im Kampf gegen Krebs entfalten und

gleichzeitig deutlich schonender und für Patienten während der Behandlung besser

verträglich sind.

Bei der Bestrahlung von Tumoren ist etwa die Präzision entscheidend, in der Chirurgie

sind es z. B. die Assistenzsysteme, auf die sich die Operateure stützen müssen. Die dafür

erforderlichen Geräte werden in Sachsen in der Forschung immer weiterentwickelt, sowohl

in Software als auch in Hardware.

Mikro- und Nanoelektronik, Robotik und künstliche Intelligenz werden die

Anwendungsmöglichkeiten in der Krebstherapie in den nächsten Jahren noch einmal

deutlich verbreitern und damit die Chancen auf ein Leben ohne Krebs für noch mehr

Menschen erhöhen. Das gilt ebenso für den Pharmabereich, also zur unterstützenden

medikamentösen Behandlung von Krebs. Auch in der Biotechnologie hat sich Sachsen in

den vergangenen Jahren mit seinen Forschungsaktivitäten zu einem führenden Standort

entwickelt. Möglich war das unter anderem mit Millioneninvestitionen in diesen Bereichen,

die der Freistaat gezielt für die Forschung zur Krebsbekämpfung eingesetzt hat.

Und dennoch: Bei aller Hochtechnologie, die den medizinischen Fortschritt treibt, bleibt für

uns der Mensch mit seinen Fähigkeiten das zentrale Element im Umgang mit Patienten. Es

geht darum, diesen Menschen die besten Rahmenbedingungen zu bieten und Instrumente

an die Hand zu geben, um den Krebs eines Tages zu besiegen..


8

Patientengeschichte

Emelys Kampf

Emely ist ein glückliches Mädchen. Sie liebt es zu tanzen, zu reiten

und zu lachen. Mit 10 Jahren erkrankt sie an Krebs – und plötzlich

ist nichts mehr, wie es war. Im Interview sprechen Emely und ihre

Mutter Kathrin über die schwerste Zeit in ihrem Leben.

Emely, wann hast du zum ersten Mal

gemerkt, dass etwas nicht stimmt?

Nachdem meine Brüder und ich Corona

hatten, ging es los, dass ich sehr schlecht

Luft bekam. Ich kann mich noch erinnern,

dass ich mit meiner Klasse einen Ausflug in

den Tierpark gemacht habe, und da war es

ganz schlimm. Ich konnte nicht mehr richtig

weiterlaufen, alles war zu anstrengend.

Nachts habe ich so viel geschwitzt, dass

meine Matratze klitschnass war. Ich habe

dann Antibiotikum bekommen, doch es

wurde nicht besser. Nein, es wurde eigentlich

jeden Tag schlimmer.

Kathrin, wie haben Sie diese Zeit

wahrgenommen?

Als es trotz Antibiotika nicht besser wurde,

begann ich mir große Sorgen zu machen, und

die Ängste um Emelys Gesundheit wurden

von Tag zu Tag größer. Ich habe mich sehr

hilflos gefühlt, da ich nicht wusste, was sie

hatte, und nichts tun konnte, damit es ihr

besser geht.

Wann und wie kam es dann zur Diagnose?

Da es Emely immer schlechter ging, sind

wir zu einer Kinderklinik gefahren. Da

ihr Allgemeinzustand sehr schlecht war

und sie kaum Luft bekam, hat man sie

stationär aufgenommen. Als ich sie am

nächsten Tag besuchte, wurden bereits viele

Untersuchungen gemacht. In der Lunge und

in den Bronchien hat man etwas gefunden,

was da nicht hingehört – mehr hat man

mir aber zu dem Zeitpunkt nicht gesagt.

Im Laufe des Tages wurde Emelys Zustand

lebensbedrohlich und sie wurde mit einem

Rettungswagen in ein Krankenhaus ins 40

Kilometer entfernte Bielefeld gebracht, wo sie

auf die Intensivstation kam. Dort klärte man

mich dann über Emelys Gesundheitszustand

auf: „Ihre Tochter hat Lymphknotenkrebs

und es war kurz vor knapp.“

Emely, was ging dir durch den Kopf, als du

erfahren hast, dass du Krebs hast?

Ich hatte Angst. Ich habe am Anfang nicht

richtig verstanden, was das für mich bedeutet.

Ich wusste nur, dass mein Gewicht sehr wenig

war, und so fühlte ich mich auch – schwach

und kraftlos. Meine Mutter war jeden Tag bei

mir. Ich wusste da gar nicht richtig, wo ich

bin, in welchem Ort – es war alles irgendwie

fremd. Meine Mutter hat viel geweint, wenn

die Ärzte bei ihr waren. Irgendwann habe ich

realisiert, dass es nicht gut um mich steht.

Kathrin, wie verkraftet man eine solche

Diagnose?

Gar nicht. Ich habe einfach funktioniert und

nie die Hoffnung aufgegeben, dass es besser

wird. Den größten Halt gaben mir mein Mann

und meine Mutter. Sie wusste zum Beispiel in

vielen Dingen Bescheid, da ihre Eltern auch

verschiedene Krebsarten hatten. Ich musste

einfach stark bleiben, für Emely.

Wie sieht derzeit ein normaler Tag bei

Ihnen aus?

Normale Tage gab es bei uns schon lange

nicht mehr, aber ich versuche mal, einen

Tag in unserem derzeitigen Leben zu

beschreiben: Morgens kümmere ich mich

darum, dass die Geschwister zur Schule und

in den Kindergarten gehen und Emely ihre

Medikamente bekommt. Dann geht es zur

Corona-Teststelle und den Rest des Tages sind

wir in Kliniken. Egal ob Strahlenbehandlung

oder Tagesklinik – irgendwas ist immer. Am

frühen Abend kommen wir nach Hause und

ich kümmere mich um die Kontrolle der

Hausaufgaben und den Haushalt – waschen,

kochen, putzen. Nach dem Abendessen geht

es dann langsam für die Kinder ins Bett und

ich beginne mit dem liegengebliebenen

Papierkram.

Das ist ein großes Pensum. Würden Sie sich

mehr Unterstützung wünschen?

Unterstützung ist das falsche Wort.

Verständnis trifft es eher. Teilweise war und

bin ich überfordert mit alldem. Ich finde,

besonders Ämter, Sozialarbeiter, aber auch

Ärzte sollten mehr auf die Familien eingehen

und sie unterstützen – nicht nur fordern.

Hätte ich meinen Mann nicht, der immer da

ist, weiß ich nicht, ob ich das alles schaffen

würde.

Emely, bitte erzähle uns von deinem Kampf

gegen die Krankheit.

Mittlerweile geht es mir besser. Die letzten

Monate waren sehr anstrengend und

hart. Ich hatte viele Nebenwirkungen wie

Fressattacken, Schleimhautentzündungen,

Übelkeit. Ich kann mich immer noch nicht

lange auf den Beinen halten. Das nervt.

Ich möchte wieder tanzen, reiten, auf

den Spielplatz gehen – einfach wieder ein

Foto privat

normales Kind sein. Aber aufgeben war

nie eine Option. Aufstehen und weitermachen.

Doch ich habe Angst, was auf mich

zukommen wird, wenn ich wieder in die

Schule kann. Meine Haare sind weg, ich habe

durch die Medikamente zugenommen ... Das

ist für mich mittlerweile okay, aber für meine

Klassenkameraden wird das vielleicht nicht

okay sein. Vielleicht werde ich gemobbt oder

geärgert. Zu Hause fühle ich mich sicher und

meine Brüder stehen hinter mir, das weiß ich.

Was hilft euch in dieser schweren Zeit

besonders?

Emely: Dass meine Familie immer für mich

da ist. Viele meiner alten Freunde haben den

Kontakt abgebrochen, aber meine Familie ist

da – egal wann, egal wie.

Kathrin: Gemeinsame Zeit, zum Beispiel bei

Spieleabenden, hilft uns sehr – dabei fühlt

sich alles an wie vorher und wir können

die Krankheit für einen Moment vergessen.

Auch unser Hund ist unser Anker und

unser Ruhepol. Wenn wir zusammen eine

Runde Gassi gehen und an nichts denken,

tut das sehr gut und gibt uns das Gefühl von

Normalität.

Emely, was wünschst du dir am meisten für

die Zukunft?

Ich hoffe, dass der Krebs mich nicht mein

Leben lang begleiten wird. Dass ich tanzen

und reiten kann, einfach wieder ein normales

Leben führe. Ich hoffe, dass ich akzeptiert

und nicht geärgert werde – ja, das wünsche

ich mir am meisten für die Zukunft. .

Redaktion Emma Howe


Inspiration

Mehr auf www.lebenmit.de I 9

look good feel better –

das kostenlose Kosmetikseminar für Krebspatientinnen

J

ährlich erkranken in Deutschland

rund 230.000 Mädchen und Frauen

neu an Krebs. Infolge der Behandlung

leiden die meisten Frauen an

schwerwiegenden, wenn auch vorübergehenden

äußerlichen Veränderungen.

Durch Haarausfall, Wimpern- und

Augenbrauenverlust oder starke Hautirritationen

fühlen sich viele zusätzlich von der

Krankheit gezeichnet.

Gastbeitrag DKMS LIFE

Die DKMS LIFE gemeinnützige GmbH macht

es sich daher mit dem „look good feel better“-

Patientenprogramm seit mehr als 25 Jahren

zur Aufgabe, Krebspatientinnen während der

Therapie Hilfe zur Selbsthilfe im Umgang mit

den äußeren Veränderungen anzubieten: In

kostenfreien Kosmetikseminaren erhalten

In den Kosmetikseminaren erhalten krebskranke

Mädchen und Frauen professionelle Tipps

zur Gesichtspflege und zum Schminken

sowie zum Thema Kopfbedeckung.

Foto DKMS LIFE

krebskranke Mädchen und Frauen professionelle

Tipps zur Gesichtspflege und zum

Schminken sowie zum Thema Kopfbedeckung.

Sie erlernen besondere Techniken, um

Augenbrauen und Wimpern natürlich nachzuzeichnen

oder beispielsweise Haut flecken,

die aufgrund der Bestrahlung entstanden

sind, unauffällig abzudecken. Darüber hinaus

werden sie zum Thema Tücher und Kopfschmuck

sowie zum Umgang mit Perücken

beraten.

Dabei geht es aber um viel mehr als Make-up.

Die Kosmetikseminare für Krebspatientinnen

ab 22 Jahren und die Beauty-Workshops für

junge Krebspatientinnen zwischen zehn und

21 Jahren schenken den Teilnehmerinnen ein

paar unbeschwerte Stunden, sind interaktiv

und schaffen einen Platz zum ungezwungenen

Austausch unter Betroffenen. Sie zeigen

den Patientinnen: „Ihr seid nicht allein!“

Ziel ist es, den Krebspatientinnen Lebensqualität,

Selbstwertgefühl und damit verbunden

Hoffnung zu schenken, um sie während ihrer

Therapie zu unterstützen und ihren Heilungsprozess

positiv zu beeinflussen.

Bundesweit organisiert die gemeinnützige

Organisation DKMS LIFE jährlich bis zu

1.600 kostenfreie „look good feel better“-

Kosmetikseminare für Krebspatientinnen in

über 320 Kliniken, Krebsberatungsstellen,

sozialen und medizinischen Einrichtungen.

Aufgrund der Einschränkungen der Corona-

Pandemie pausieren diese Vor-Ort-Seminare

aktuell. Seit Mitte 2020 bietet DKMS LIFE das

„look good feel better“-Patientenprogramm

für krebskranke Mädchen und Frauen virtuell

in Form von Online-Kosmetikseminaren

an. Die Teilnahme sowie eine Tasche mit den

benötigten Kosmetikprodukten und Informationsmaterialien

sind für die Patientinnen

kostenlos.

.

DKMS LIFE bietet zudem weitere kosten lose

Seminare zu den Themen Entspannung, Ernährung

und Fotografie sowie einen Workshop

speziell für männliche Krebspatienten.

Hier können sich Krebspatientinnen

für die kostenlosen

Online-Kosmetikseminare

anmelden:

www.dkms-life.de/

seminare


10

CANCER

SUPPORT

BY LA ROCHE POSAY

80 % DER KREBSPATIENT:INNEN

LEIDEN AN THERAPIEBEDINGTEN

HAUTNEBENWIRKUNGEN *

FIGHT WITH CARE.

LA ROCHE POSAY STEHT DIR BEI.

Gemeinsam mit Dermatolog:innen und Onkolog:innen arbeiten

wir daran, die Lebensqualität von Krebspatient:innen mit

therapiebegleitender Pflege während und nach der

Therapie zu verbessern.

* CHARLES C. ET AL. MARCH 2013. IMPACT OF CUTANEOUS TOXICITY ASSOCIAT-

ED WITH TARGETED THERAPIES ON QUALITY OF LIFE. RESULTS OF A LONG-

ITUDINAL EXPLORATORY STUDY. BULLETIN DU CANCER. VOL 100 N 3

ÜBER DIE HAUTPFLEGE

HINAUS KANN JEDE:R VON

UNS UNTERSTÜTZEN.

Mehr Informationen dazu

gibt es auf unserer Website.

Jetzt QR-Code scannen!


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VON KREBSPATIENTEN

GETESTET

FÜR EIN BESSERES

WOHLBEFINDEN DER HAUT

REINIGEN

LIPIKAR SYNDET AP+

Juckreizmildernde Duschcreme

PFLEGEN

LIPIKAR BAUME AP+M

Beruhigende und juckreizmildernde

Körperpflege

TOLERIANE DERMALLERGO

Feuchtigkeitsspendende und

beruhigende Gesichtspflege

REGENERIEREN

CICAPLAST BAUME B5+

Reparierende Creme

SCHÜTZEN

ANTHELIOS UVMUNE 400

Sonnenschutz für empfindliche

Gesichtshaut

„Therapiebedingte Hautnebenwirkungen

sind keine Seltenheit

und erschweren, neben der

seelischen Belastung, die

Krebstherapie. Unser Ziel ist

es, dass Krebspatient:innen die

Therapie aufgrund von zu starken

Hautnebenwirkungen nicht

abbrechen müssen.“

Dr. Katrin Kipper, Head of Medical

Communication La Roche Posay

DENN WENN MENSCHEN VON

KREBS BETROFFEN SIND, IST

ES IHRE HAUT AUCH.

Bei Fragen bitte an das medizinische

Fachpersonal der Apotheke oder an

Dermatolog:innen wenden.


12

Patientengeschichte

„Ich wollte leben.

Überleben!

Für meine Kinder.

Für meinen Mann.

Für mich.“

Mehr über Linda

erfahren Sie auf:

www.instagram.

com/just_inked87

Interview mit unserem Covergesicht Linda.

Redaktion Leonie Zell

Fotos privat

Bitte erzähle uns von der Diagnose.

Ich habe beim Stillen meines damals anderthalb

Jahre alten Sohnes eine Verhärtung in der

Brust gespürt und dachte, es sei ein Milchstau.

Ich war zu der Zeit schwanger und zeigte den

Knubbel meiner Frauenärztin bei einer Schwangerschaftskontrolluntersuchung.

Die überwies

mich zur Stanzbiopsie und ein paar Tage später

bekam ich die Diagnose Brustkrebs.

Was waren deine ersten Gedanken?

Im Gespräch mit dem Arzt lief ab dem Wort

„Brustkrebs“ alles wie im Rausch an mir vorbei.

Ich wusste gar nicht, woran ich zuerst denken

sollte. Ich hatte Angst. Angst zu sterben. Angst

um mein Ungeborenes. Angst, meinen Kindern

keine Mama sein zu können. Ich hatte die

schlimmsten Bilder im Kopf.

Hast du mit deinem kleinen Sohn über die

Krankheit gesprochen?

Nein, um Krebs und alles, was dazugehört, zu

verstehen, war er noch zu jung. Doch wir haben

nichts vor ihm versteckt. Er durfte meine Gefühle,

egal ob fröhlich oder traurig, so erleben, wie sie

eben gerade waren. Ich finde es wichtig, dass Kinder

wissen, dass auch die Angst und das Traurigsein

ihre absolute Daseinsberechtigung im Leben

haben dürfen und einfach dazugehören.

Welche Therapieentscheidung wurde

getroffen?

Es war mit der Diagnose unumgänglich, dass

ich eine Operation, Chemotherapie und Bestrahlung

benötigen würde. Und das alles noch

in der Schwangerschaft. Zu aggressiv und bösartig

war mein Tumor, als dass man hätte abwarten

können.

Wie groß war deine Angst, dass die Chemotherapie

deinem Baby schadet?

Riesig! Doch der Arzt erklärte mir, dass in der Regel

keine schweren

Nebenwirkungen

für das Kind zu erwarten

sind. Das nahm

mir ein wenig meine Sorgen. Es blieb mir nichts

anderes übrig, als der Medizin zu vertrauen. Aktiv

beschützen konnte ich mein ungeborenes Kind

nicht – das machte mich oft sehr traurig. Doch es

gab einfach keine andere Option. Ich wollte leben.

Überleben! Für meine Kinder. Für meinen Mann.

Für mich.

Wie verlief die Geburt?

Um keine zu lange Therapiepause entstehen

zu lassen, musste die Geburt in der 38. Woche

eingeleitet werden. Das Ganze dauerte mehrere

Tage und brachte mich an den Rand meiner

Kräfte. Es deprimierte mich so sehr. Mein Baby

war einfach noch nicht bereit und trotzdem

musste es auf die Welt kommen, damit ich weiter

mit der Therapie machen konnte. Weder

mein Baby noch ich hatten eine Wahl. Doch als

er dann geboren wurde und kerngesund war,

waren all die Strapazen vergessen. Die Emotionen

sprudelten nur so aus mir heraus. Endlich

konnte ich ihn beschützen. Das war ein so

wundervolles Gefühl, woran ich mich so gern

zurückerinnere.

Wie ging deine Therapie nach der Geburt

weiter?

Bereits zwei Wochen nach der Geburt ging es

direkt weiter mit den nächsten, wöchentlichen

Chemotherapien. Zwölf an der Zahl, also weitere

drei Monate Chemotherapie. Ich hatte kein

Wochenbett, keine Zeit der Ruhe, keine Wahl.

Der Alltag mit zwei kleinen Kindern ist auch

ohne Krebsbehandlung oft sehr chaotisch.

Wie hast du es geschafft, Familienleben und

die Therapie unter einen Hut zu bekommen?

Wie wir das alles geschafft haben, weiß ich bis

heute nicht. Wir haben einfach funktioniert. Als

Paar, als Team, als Eltern. Und nur so ging es.

Du hast die Operation, die Chemo und die

Bestrahlungen hinter dich gebracht – und

wirst weiter behandelt …

Ja, ich habe mit dem Ende der Bestrahlung mit

der Antihormontherapie begonnen. Dabei wird

mein Körper künstlich in die Wechseljahre versetzt,

um zu verhindern, dass eventuell noch

vorhandene hormonsensitive Krebszellen im

Körper wachsen können. Diese Therapie begleitet

mich nun die nächsten fünf bis zehn Jahre.

Bei einer Kontrolluntersuchung im

Dezember hast du erfahren, dass etwas in

deiner Brust ist, was da nicht hingehört.

Was ging in dir vor?

All das bereits Erlebte lief in Sekunden wieder

vor meinen Augen vor mir ab. Leuchtende vier

Millimeter, die wieder all die Ängste und Sorgen

mit einem Fingerschnippen hervorholten.

Die Angst, alles noch mal erleben und durchmachen

zu müssen.

Wie gehst du jetzt damit um?

Mein Arzt sagte, dass es sich um nichts Bedenkliches

handele und kein Agieren notwendig wäre.

Doch eins weiß ich ganz sicher, ich werde keinerlei

Zeit mit „Abwarten“ verschwenden und

handeln. Was auch immer das in meiner Brust

ist, es muss raus. Krebs ist unberechenbar und

mir mein Leben mit meinen Kindern zu kostbar,

als dass ich irgendeiner eventuellen Gefahr zu

lange die Chance gebe, sich auszubreiten. .

Warum Linda sich auf

Instagram engagiert und

welche Tipps sie allen Frauen

mit auf den Weg geben

möchte, lesen Sie online:

www.lebenmit.de


Inspiration

Mehr auf www.lebenmit.de I 13

Prof. Dr. Pia Wülfing hat

die Onkologie im größten

deutschen Brustzentrum

in Hamburg geleitet. Dann

hat sie PINK! gegründet. Im

Interview spricht sie über

ihre Intention dahinter und

erklärt, wie die App auf

Rezept Patientinnen hilft.

Digitale Hilfe

für Brustkrebspatientinnen

Prof. Dr. Pia Wülfing

Ärztin und Gründerin von PINK!

„Wir bei PINK!

möchten Betroffenen

dabei helfen, selbst

aktiv gegen Brustkrebs

zu werden. Und

wir hoffen, so auch

Krankheitsverläufe

positiv beeinflussen zu

können.“

Scannen Sie den QR-Code

und gelangen Sie zur PINK!

Coach-Seite mit weiterführenden

Informationen oder:

www.pink-brustkrebs.de

Wie ist die Idee zu PINK! entstanden? Woher

kommt Ihr persönliches Engagement?

Ich habe PINK! gegründet, um

Brustkrebspatientinnen und ihre

Angehörigen in der schweren Zeit während

und nach der Therapie zu unterstützen. Die

Idee ist aus meiner klinischen Erfahrung

heraus entstanden. Ich habe als Gynäkologin

und Brustkrebsspezialistin 20 Jahre lang

in zwei großen Brustzentren Patientinnen

onkologisch betreut und immer zu wenig

Zeit gehabt, alle Fragen zu beantworten.

Und die Not der Patientinnen erlebt, die

in dieser kritischen Situation ausführliche

und verständliche Informationen brauchen,

um wieder „Boden unter den Füßen“

zurückzuerlangen.

Wir bei PINK! möchten Betroffenen dabei

helfen, selbst aktiv gegen Brustkrebs zu

werden. Wir wollen die Patientensouveränität

stärken und die Patientinnen gezielt coachen,

sich gesünder zu verhalten. So können

Patientinnen auch besser mit ihren Therapien

leben und besser mit ihren Nebenwirkungen

umgehen. Und wir hoffen, so auch

Krankheitsverläufe positiv beeinflussen zu

können.

Was genau hat es mit digitalen

Gesundheitsanwendungen, kurz DiGAs,

auf Kassenkosten auf sich?

DiGAs sind Gesundheits-Apps auf Rezept,

die dabei helfen, eine Krankheit zu erkennen,

Patienten während der Behandlung zu

begleiten und dadurch den Behandlungserfolg

zu verbessern und die Lebensqualität

zu steigern. Darunter versteht man CEzertifizierte

Medizinprodukte, die auf digitalen

Technologien basieren und erfolgreich

vom Bundesinstitut für Arzneimittel und

Medizinprodukte (BfArM) geprüft wurden.

Der Zulassungsprozess ist dem bei einem

neuen Medikament sehr ähnlich. Besonders

wichtig ist, dass man den medizinischen

Nutzen wissenschaftlich in Studien beweisen

und höchste Datensicherheit und Schutz

der sensiblen Patientendaten nachweisen

muss. Wenn diese und viele weitere

Kriterien erfüllt sind und man als DiGA

gelistet wird, kann die App von allen Ärzten

und Psychotherapeuten budgetneutral per

Rezept verordnet werden. Und Patienten

bekommen sie dann vollumfänglich von

den gesetzlichen Krankenkassen erstattet.

Die Benutzung einer DiGA ersetzt natürlich

keinen Arztbesuch oder die Einnahme eines

Arzneimittels. Sie kann aber eine sinnvolle

Ergänzung und Unterstützung darstellen.

Was bietet der PINK! Coach den

Patientinnen?

Die App begleitet als „digitaler Coach“ die

Patientinnen während der Therapie und in

der Nachsorge und motiviert sie Tag für Tag

mit personalisierten Zielen, gesund zu essen,

sich zu bewegen und achtsam zu sein. Viele

Patientinnen sind unsicher, ob sie selbst

genug tun. Durch ein individuell tagtäglich

zusammengestelltes Programm, das man

„abarbeiten“ kann, wird vorgegeben, zum

Beispiel welche Kombination aus Dehn- und

Kraftübungen und Ausdauersport sinnvoll ist,

welche Lebensmittel wie verarbeitet gesund

sind, was man selbst tun oder besser lassen

sollte. Außerdem bietet die App eine große

Infothek mit wissenschaftlich fundierten

Texten und Videos von unseren Experten aus

den Bereichen Ernährung, Bewegung und

Meditation. Die App ist ein CE-zertifiziertes

Medizinprodukt und DiGA. Ihre klinische

Wirksamkeit wurde in einer Studie an der

LMU München bestätigt.

Wie kommen Patientinnen an die App auf

Rezept?

Über alle Ärzte und Psychotherapeuten,

ob sie niedergelassen oder in einer Klinik

oder Ambulanz tätig sind. In Kliniken

muss die Verordnung über das sogenannte

„Entlassmanagement“ erfolgen. Als Patientin

erhält man also ein rosa Kassenrezept für

PINK! Coach, auf dem drei Angaben stehen

sollten: 1) DiGA, 2) PINK! Coach, 3) PZN

18206191. Dann reicht die Patientin dieses

Rezept bei der Krankenkasse ein und erhält

innerhalb weniger Tage einen Freischaltcode

von der Kasse. Nachdem man die App PINK!

Coach im App Store oder Google Play Store

auf sein Smartphone geladen hat, muss man

diesen Freischaltcode in der App eingeben,

um diese nutzen zu können. .

Gastbeitrag PINK!


14

Patientengeschichte

Lebensqualität

dank Cannabis“

Brustkrebspatientin Uta Melle setzt sich für medizinisches

Cannabis ein. Warum, erzählt sie im Interview.

Bitte erzähle uns von deiner Erkrankung.

Anfang April 2009, gerade 40 geworden, bekam

ich die Diagnose Brustkrebs links. Zwei Tage

später starb meine Mutter an der gleichen

Krankheit. Ihre sehr ähnliche Erstdiagnose

bekam sie im gleichen Alter wie ich. Leider

hatte sie sich lediglich für eine einseitige

Mastektomie ohne Chemo entschieden. So

tauchte der Krebs einige Jahre später in der

anderen Brust wieder auf und war dann nicht

mehr aufzuhalten.

Welche Therapie hast du bekommen?

Ich entschied mich also für die beidseitige

Mastektomie und eine Chemotherapie.

Zusätzlich entschied ich mich aufgrund des

bei mir nachgewiesenen BRCA-Gens zur

Entfernung der Eierstöcke. Ich habe mich gegen

einen Aufbau der Brüste entschieden. Eine

Entscheidung, die ich bis heute nicht bereut

habe.

Während der Chemotherapie sind

Nebenwirkungen aufgetreten und du hast

dich für deine ganz eigene Behandlung

entschieden.

Eine Chemotherapie ist natürlich kein Spaß.

Wenn sie wirkt, tut sie weh. Man hat ganz neue

Schmerzerfahrungen. Zusätzlich konnte ich

kaum schlafen, war nicht hungrig und hatte

Depressionen – die Angst vor dem Tod und der

Verlust meiner wunderbaren Mutter waren sehr

vorherrschend.

Natürlich gibt es gegen die Nebenwirkungen

ausgezeichnete Medikamente, jedoch bin ich

mit einer kaputten Niere und einer Epilepsie

geboren. Das bedeutet, ich darf meine Nieren

nicht zusätzlich belasten und viele Wirkstoffe

haben Wechselwirkungen mit meinen

Antiepileptika.

Mein Mann erzählte mir, dass Cannabis

eventuell gegen Schmerzen, Appetitlosigkeit

und Angstzustände helfen könnte – so habe

ich das probiert. Und tatsächlich: Ich konnte

wieder essen, war definitiv lebendiger,

interessierter am Leben; meine Ängste lösten

sich in Wohlgefallen auf. Auch die Schmerzen

wurden merklich besser. Ein „Joint“ wirkte da

wie eine 800er Ibuprofen.

Damals war das noch illegal. Was hat sich

seitdem verändert?

Seit 2017 kann man sich Cannabis über ein

Betäubungsmittelrezept in Deutschland verschreiben

lassen. Seitdem gibt es viel mehr

Darreichungsformen, wie Öle, Tropfen, Cremes

und Tabletten, die leichter zu dosieren sind.

Natürlich gibt es jetzt aber auch die Blüten zum

Verdampfen. Bekommt man diese, gibt es auch

einen Verdampfer auf Rezept.

Wofür kann Cannabis eingesetzt werden?

Die Bandbreite ist weit. Ich habe mit über 60

Patienten gesprochen, deren Behandlung

von anderen Medikamenten auf Cannabis

umgestellt wurde. Darunter waren viele

Schmerzpatienten mit MS oder Fibromyalgie,

die vorher Opioide oder Morphine nehmen

mussten. Vor der Umstellung nahmen sie

eigentlich nicht mehr am Leben teil. Sie

vegetierten vor sich hin. Nach der Umstellung

waren es wieder glückliche, lachende Leute;

einige konnten dem alten Job wieder nachgehen.

Bei einem Patienten ersetzte Cannabis bis zu

16 andere tägliche Medikamente. Natürlich

gibt es auch Patienten, bei denen der Einsatz

von Cannabis nicht funktioniert, und es kann

Wechselwirkungen mit anderen Präparaten wie

z. B. Tamoxifen geben. Das gilt allerdings für

jeden Wirkstoff, der in der Medizin eingesetzt

wird.

Trotzdem ist die Cannabistherapie mit

vielen Vorurteilen verbunden. Was ist, deiner

Meinung nach, der Grund?

In unserem Sprachgebrauch ist das Wort Droge

sehr negativ behaftet, obwohl alle Wirkstoffe

natürlich Drogen sind. Morphine und Opiate

sind anerkannte Drogen, weil der medizinische

Einsatz bekannt ist. Obwohl Cannabis viel

breitere Einsatzmöglichkeiten bietet und

sehr viel sanfter in der Behandlung als solche

Wirkstoffe ist, muss die Seriosität erst noch

von Ärzten und Patienten aufgebaut, müssen

Vorurteile abgebaut werden.

Wie kam es dazu, dass du dich so stark für

medizinisches Cannabis einsetzt?

Es ist einfach ein richtig gutes Zeug, das mir und

vielen anderen Menschen geholfen hat.

Was wünschst du dir für Krebspatienten bzgl.

.

der Therapie mit Cannabis?

Ich wünsche mir, dass sich mehr Ärzte für

Cannabis interessieren und sich schulen lassen.

Hier sehe ich noch viel Nachholbedarf.

Foto Peter Müller Photography

„Mein Mann

erzählte mir, dass

Cannabis eventuell

gegen Schmerzen,

Appetitlosigkeit und

Angstzustände helfen

könnte – so habe

ich das probiert.

Und tatsächlich:

Ich konnte wieder

Essen, war definitiv

lebendiger,

interessierter

am Leben; meine

Ängste lösten sich

in Wohlgefallen

auf. Auch die

Schmerzen wurden

merklich besser. Ein

‘Joint’wirkte da wie

eine 800er Ibuprofen.“

Redaktion Emma Howe


Anzeige

Gemeinsam die Zukunft der

Cannabinoid-Therapie gestalten

Wir setzen uns dafür ein, die Lebensqualität von Menschen zu verbessern.

Dies ermöglichen wir mit unseren innovativen Produkten und Serviceleistungen.

Lebensqualität und Symptomlinderung

Patient:innen stehen an erster Stelle. Unsere innovativen Produkte und

Serviceleistungen dienen der Unterstützung der Therapie – vor allem bei

Indikationen, in denen die Wirkung der Standardtherapie begrenzt ist oder

große Nebenwirkungen zeigt.

Evidenzbasierte Therapie im Fokus

Gemäß unserer “Patient First” Philosophie wählen wir Geschäftspartner:innen nach

Aspekten der Qualität, Nachhaltigkeit und Geschäftsethik aus. Unser Hauptanliegen

ist das Erzeugen von Wissen anhand von medizinischen Daten, damit Patient:innen,

Ärzt:innen und Apotheker:innen uns und unseren Produkten vertrauen können.

Allianzen für den Fortschritt

Wir wollen Innovation im Cannabis-Sektor voranbringen. Dafür schaffen wir

strategische Allianzen mit Vordenker:innen und führenden Einrichtungen im

Gesundheitswesen und den Wissenschaften, um Fortschritt im Interesse der

Patient:innen und medizinischen Fachkreise zu fördern.

Wir fordern Fortschritt. Deshalb sind wir Mitglied in mehreren Verbänden:

Vayamed ist eine Marke der Sanity Medical, die sich der medizinischen

und gesundheitlichen Nutzung von Cannabinoiden verschrieben hat:

vayamed.com

MEHR ERFAHREN


16

Inspiration

Gastbeitrag Yoga und Krebs

Fotos

Yoga und Krebs

Yoga in der Krebs- und Palliativtherapie

Eine Vielzahl wissenschaftlicher Studien belegt die Wirksamkeit von Yoga als begleitendem Verfahren

in der Krebstherapie. Achtsamkeitsbasiertes, medizinisches Yoga mindert nachweislich

Fatigue, Stress und Angst. Das gilt für alle Stufen der Krebserkrankung, also während der Primärbehandlung

genauso wie bei Rezidiven und in der palliativen Phase.

Das medizinische Yoga kombiniert

Entspannungsverfahren

mit körperlicher Aktivität. Dabei

werden die individuellen

Gegebenheiten der Betroffenen

beachtet und eine Überforderung

vermieden. Aus diesem Grund können

auch sehr geschwächte und fortgeschritten

erkrankte Krebspatienten Yoga machen.

Da nicht nur mit Körperübungen, sondern

auch mit Atemtechniken, inneren Bildern

und Meditationen gearbeitet wird, ist Yoga

auch bei stationären Aufenthalten und auch

in einer Palliativsituation gut geeignet.

Nebenwirkungen von Krebstherapien können

durch Yoga gelindert werden. Die Datenlage ist

inzwischen so überzeugend, dass Yoga in internationalen

Leitlinien für komplementäre Verfahren

in der Krebstherapie fest verankert ist.

Besonders hilfreich ist Yoga bei der Linderung

von Fatiguesyndrom, Ängsten, Depressionssymptomen

und Schmerzen. Außerdem

vermindert Yoga das Stressempfinden, kann

Entzündungsparameter senken und verhilft

zu mehr Vitalität und einem besseren Schlaf.

Onkologische Patienten sollten unbedingt auf

eine onkologische Zusatzausbildung der Yogalehrer

achten. Ein fundiertes medizinisches

Wissen über Krebserkrankungen ist notwendig,

um Yogastunden anzuleiten, die in dieser Situation

tatsächlich hilfreich sind. Die Kammler

Akademie ist die Top-Adresse für Aus- und Weiterbildungen

zu Yoga und Krebs. Hier finden

Yogalehrer und medizinische Fachkreise alle

wichtigen Informationen und Weiterbildungen.

Interview mit der Gründerin der Akademie, Gaby Nele Kammler.

Wie sind Sie zu Yoga für Krebspatienten gekommen?

Als nach meiner Ausbildung zur Yogalehrerin

die ersten Krebspatienten in meine Kurse kamen,

habe ich angefangen zu recherchieren:

Was kann man mit Yoga bei Krebs erreichen?

Gibt es Studien und Erfahrungswerte dazu? Da

es kaum etwas dazu gab, habe ich mit meinem

Wissen aus 20 Jahren im wissenschaftlichen Außendienst

in der Schulmedizin und dem, was

ich über Yoga wusste, spezielle Yogastunden

erstellt, die den Krebspatienten sehr geholfen

haben. Im Laufe der Jahre ist durch viele Fortbildungen,

eine intensive eigene Praxis und viel

Erfahrung mit Yogastunden für Krebspatienten

ein eigenes Konzept entstanden. Dies gebe ich

in einer onkologischen Ausbildung nun an Yogalehrer

weiter.

Was zeichnet das Konzept Yoga und Krebs aus?

Zunächst einmal wird jede Yogastunde an das

jeweilige Therapiestadium angepasst. Während

einer Chemo- und Bestrahlungsphase sind andere

Übungen hilfreich als in der Rehaphase.

Von uns ausgebildete „Yoga und Krebs“-Trainer

Gaby Nele Kammler

10 Jahre Unterrichtserfahrung

Yoga bei Krebs, Referentin Stiftung

Deutsche Krebshilfe

kennen sich mit modernen Therapien und ihren

Nebenwirkungen aus und wissen, wie sie

diese gezielt mit Yoga lindern können. Ängste,

Fatiguesyndrom, Lymphödeme oder Schmerzen

lassen sich wunderbar mit Yoga lindern.

Zudem lösen einige Körperübungen (Asanas),

die gesunde Menschen als angenehm empfinden,

bei Krebspatienten eher unangenehme

Gefühle aus oder sind gar nicht machbar.

Auch neueste Erkenntnisse aus der Neurowissenschaft

sind mit eingeflossen und helfen bei

der Anleitung hilfreicher Meditationen und der

Entwicklung von positiven inneren Bildern.

Was stärkt, Ihrer Meinung nach, Menschen

mit oder nach einer Krebserkrankung am

meisten?

Eine gute Wahrnehmung der eigenen Bedürfnisse

und eine gute Selbstfürsorge. Yoga macht

den Körper nach OPs auf sanfte Weise wieder

beweglicher, kräftiger, schenkt neue Energie.

Achtsamkeits- und Meditationsübungen lassen

den Menschen spüren, was seine eigenen Kraftquellen

sind und wie er seinen weiteren Lebensweg

gestalten möchte. Häufig ist die Zeit einer

Krebserkrankung auch eine Zeit der Veränderung

und Transformation, die das bisherige Leben

auf den Prüfstand stellt. Diesen Weg können

wir mit Yoga wunderbar begleiten..

Weitere Informationen und Yogalehrer

in Ihrer Nähe finden Sie unter:

www.yoga-und-krebs.de


Patientengeschichte

Mehr auf www.lebenmit.de I 17

„Mama,

ich brauche

dich noch“

Mehr über Yvonne

erfahren Sie auf:

www.instagram.

com/lachen_

gegen_krebs

Yvonne war 32 Jahre alt, stand mitten im Leben und plante ein

zweites Kind, als sie die Diagnose Zervixkarzinom, verursacht

durch HPV 16, bekam. Im Interview spricht

sie über schwierige Operationsentscheidungen,

Palliativtherapie und den Grund, warum sie nie

aufhören wird, für das Leben zu kämpfen.

Redaktion Leonie Zell

Fotos privat

Krebs ist eine stille Erkrankung, die häufig

lange Zeit symptomfrei verläuft.

Auch ich hatte keinerlei Symptome oder

Beschwerden. Ich bin nur zur Frauenärztin

gegangen, weil ich abklären lassen wollte, ob

ich problemlos ein zweites Kind bekommen

kann. Dabei wurde die Krebsvorsorge gleich

mitgemacht und der Abstrich eingeschickt.

Dieser war leider auffällig und es wurde

sechs Wochen später ein zweiter Abstrich

gemacht. Der war noch schlechter und

ich bekam die Diagnose HPV-16-positiv,

Gebärmutterhalskrebs.

Und Sie mussten eine Entscheidung

treffen …

Ja, ich musste mich zwischen zwei Operationen

entscheiden. Die erste Variante war die

sicherste, dabei werden die Gebärmutter, der

Eileiter und der Gebärmutterhals entfernt. Bei

der zweiten Variante hätte ich möglicherweise

noch Kinder bekommen können, denn das

war ja mein Herzenswunsch. Doch als mein

damals zwölfjähriger Sohn mein Dilemma

mitbekam, sagte er: „Mama, entscheide dich

bitte für die sichere Variante – ich brauche

dich noch. Was will ich mit einem Geschwisterchen,

wenn du nicht mehr da bist?“ Das

hat mich dazu bewogen, auf Nummer sicher

zu gehen und die radikale Variante zu wählen.

Krebsfrei zu sein, war das Ziel der Operation

– doch es kam alles anders.

Nach der überstandenen OP teilten mir die

Ärzte mit, dass sie alles entfernen konnten

und ich froh sein kann, denn es waren keine

Lymphknoten befallen und ich sollte mich

somit auf das Gesundwerden konzentrieren

und mein Leben weiterleben. Doch ein Jahr

später, während einer Reha, bekam ich starke

Schmerzen im Becken. Ich konnte nicht mehr

richtig laufen und schaffte es nur mit starken

Schmerzmitteln durch

den Tag. Es begannen

zahlreiche Untersuchungen,

um die Ursache für

die Schmerzen herauszufinden.

Nachdem ich einmal auf den Kopf gestellt

wurde, bekam ich die Diagnose Metastase im

Knochen, ausgehend vom Zervixkarzinom.

Wie haben Sie darauf reagiert?

Ich bekam den Anruf aus der Klinik, als wir

gerade Besuch hatten. Ich weiß noch, dass

ich wie ein Roboter am Telefon war, und nach

dem Gespräch habe ich nur noch geweint.

Wie ging es dann weiter?

Nach der Diagnose besprach sich das

Tumorboard und beschloss eine palliative

Therapie. Damals konnte ich mit dem Wort

gar nichts anfangen. Doch es hieß, dass ich

eine Kombination aus Chemotherapie und

anschließend 25-mal Bestrahlung bekomme.

Ich war voller Tatendrang und bereit, gegen

den Krebs zu kämpfen. Doch dann kam die

Ärztin und erklärte mir, dass es nicht mehr

heilbar ist und ich nie wieder gesund werden

würde, doch dass versucht wird, meinen

Zustand so lange wie möglich stabil zu halten.

Was ging in diesem Moment in Ihnen vor?

Mit einem Schlag war die Angst übermächtig.

Die Angst zu sterben, meinen Sohn und

meine Familie allein lassen zu müssen. Es

war für mich das Schlimmste, als ich die

neue Diagnose meinem Sohn und meiner

Familie mitteilen musste. Mein Sohn

war und ist trotzdem immer derjenige,

für den ich stark sein will! Und so kam es

dann auch. Mit der Hilfe meiner Familie

und meiner Freunde habe ich die Chemo

und Bestrahlung überstehen können.

Jedoch habe ich mich seitdem verändert,

weshalb meine Beziehung in die

Brüche ging und Freundschaften

auseinandergebrochen sind.

Wie werden Sie heute therapiert?

Ich bekomme alle drei Wochen eine Antikörpertherapie

und eine Knochenaufbauspritze.

Woher nehmen Sie die Kraft, weiterzumachen

und nicht aufzugeben?

Mein Ziel war es immer, meinen Sohn

aufwachsen zu sehen, ihm Halt zu geben

und ein gutes Vorbild zu sein. Außerdem

liebe ich das Leben und alles, was ich daraus

machen kann. Seit fast vier Jahren habe ich

außerdem meinen Seelenhund gefunden,

der mir zusätzlich zu allen Menschen um

mich herum Kraft gibt, um weiterzumachen.

Was hilft Ihnen in schwierigen Momenten

am meisten?

Ich glaube, es kommt auf die Situation an.

Mir hilft allerdings immer der Rückhalt

meiner Familie und meiner Freunde, das

Zusammensein mit meinem Hund oder

einfach der Glaube daran, dass mein Weg

noch nicht zu Ende ist. Ich habe mir aber auch

schon Hilfe geholt durch Psychotherapie, und

auch der Aufenthalt in der psychosomatischen

Tagesklinik hat mir sehr geholfen, aus einem

Tief wieder herauszukommen. Wichtig ist es,

sich eingestehen zu können, dass es keine

Schwäche ist, wenn man um Hilfe bittet. .

Warum Yvonne angefangen hat,

sich zu engagieren, und warum

sie sich für die HPV-Impfung

einsetzt, lesen Sie auf:

www.lebenmit.de


18

Erfahrungsbericht

Alle Sorgen

fließen mit

den Wellen

E

ndlich! Endlich bin ich hier, das

habe ich mir schon so lange gewünscht!“,

ruft die 80-jährige Sabine,

als sie das Meer sieht. Sie

ist froh, am Strand zu sein, mal

rauszukommen aus dem Seniorenzentrum

und dem Alltag, der von ihren

multiplen Erkrankungen geprägt ist. Eingemummelt

in Mantel und Schal geht ihr Blick

zum Horizont. Er bleibt irgendwo da draußen

hängen, wo Himmel und Erde sich begegnen.

Alle Sorgen fließen mit den Wellen weg. Und

auch die Gewissheit, dass das Leben unweigerlich

mit dem Sterben in den Tod übergeht.

Mit dem Projekt „Der Wünschewagen –

Letzte Wünsche wagen“ erfüllt der Arbeiter-

Samariter-Bund Deutschland e. V. seit 2014

an mittlerweile 23 Standorten bundesweit

Menschen am Ende ihres Lebens einen letzten

Herzenswunsch.

Dabei sind die Wünsche so individuell wie

die Menschen: noch einmal das Meer sehen,

noch einmal das eigene Zuhause besuchen,

die Lieblingsband erleben oder mit dem Lieblingsfußballverein

im Stadion fiebern. Das

Besondere an diesem Projekt: Es wird rein ehrenamtlich

getragen und ausschließlich durch

Spenden finanziert. Für die Fahrgäste und

Begleitpersonen sind die Fahrten kostenlos.

Wunschfahrten werden grundsätzlich mit den

speziell dafür entwickelten Wünschewagen

durchgeführt, einem Krankentransportwagen,

der neben dem üblichen medizinischen

Equipment über eine besondere Ausstattung

weg

Gastbeitrag

Arbeiter-Samariter-Bund

Deutschland e. V.

wie eine verspiegelte Rundumverglasung für

einen Panoramablick in die Umgebung verfügt

und auch Wunschfahrten über eine längere

Distanz ermöglicht. Und im ASB-Wünschewagen

gehen wirklich (fast) alle Wünsche

in Erfüllung. So spielen die Wunscherfüller

auf der Fahrt nach Scheveningen in Holland

Mozarts „Kleine Nachtmusik“. Sabine dirigiert

und singt aus vollem Herzen mit.

Für die Fahrgäste des ASB-Wünschewagens

ist eine Wunschfahrt eine Möglichkeit, für

ein paar Stunden das Krankenhaus, die Pflegeeinrichtung

oder das Hospiz zu verlassen

und Krankheit und Leid zu vergessen. Und so

genießt Sabine aus vollem Herzen – am Zielort

angekommen – die Fahrt am Strand und

das Essen in einem der vielen Restaurants

entlang der Strandpromenade. Sie probiert

„Kibbeling“, und der holländische Backfisch

schmeckt ihr ausgezeichnet. Dass ihre Tochter

mit Familie ebenfalls spontan nach Scheveningen

gekommen ist, sorgt für einen zusätzlichen

Höhepunkt.

Die ASB-Wünschewagen

erfüllen sterbenskranken

Menschen jeden

Alters einen letzten

Herzenswunsch.

Knapp 2.000 ehrenamtliche Wunscherfüller

engagieren sich in ihrer Freizeit für das Herzensprojekt

des ASB. Sie sind hauptberufliche

Fachkräfte aus dem medizinischen, pflegerischen

oder rettungsdienstlichen Bereich.

Sie schenken den Wünschewagen-Fahrgästen

und ihren Angehörigen ein wunderbares

Erlebnis, sorgen für unbeschwerte Stunden

und einzigartige Momente, die den Hinterbliebenen

nach dem Unabwendbaren viel

Kraft in ihrer Trauer geben. Ihre Begleitperson

können Fahrgäste frei wählen. Weitere

Familienmitglieder, Verwandte oder Freunde

können außerdem selbst zum Zielort anreisen.

Wir sind überzeugt: Die Erfüllung eines

Wunsches ist auch die Würdigung eines

Lebens. Der ASB trägt dazu bei, dass seine

Wünschewagen-Fahrgäste in Frieden vom

Leben Abschied nehmen können.

Mehr als 3.000 Wünsche haben die ASB-Wünschewagen

bereits deutschlandweit erfüllt.

Die Fahrgäste suchen sich oftmals Orte mit

Bedeutung in ihrem Leben. Nicht selten geht

die Reise noch einmal zum Geburtsort oder in

die ehemalige Heimat, zu Familienfeiern oder

Urlaubsorten. Erinnerungen aufleben lassen,

sich Zeit füreinander nehmen, die Arbeit der

Wünschewagen trägt dazu bei, die Einzigartigkeit

und den unschätzbaren Wert des Lebens

stets in Gedanken zu behalten. Das Beschwerliche

des Alltags verliert an Bedeutung,

einzig der schöne Moment, die Wunschfahrt

zählt. Es ist nicht viel nötig, um in diesen Zeiten

glücklich zu sein. Das weiß auch Sabine:

ein herzliches, jederzeit zugewandtes, geduldiges

und in allen Belangen geschultes Team,

ein Wettergott, der unterwegs Schnee und

Graupel schickt, aber am Zielort den Himmel

blau strahlen lässt, ein Wunsch und der Mut,

diesen Wunsch zu wagen. Und schließlich der

ASB-Wünschewagen! Dann ist „Endlich!“ ein

gutes und schönes Wort. Ein Sternenhimmel

im Wünschewagen und „Der Mond ist aufgegangen“

lassen auch die stilleren Momente

der Rückfahrt zu einem besonderen Erlebnis

werden. .


Mehr auf www.lebenmit.de I 19

ASB-Wünschewagen –

Letzte Wünsche wagen

Schwerstkranken Menschen jeden Alters

einen innigen Wunsch zu erfüllen, dieser

Aufgabe hat sich der Arbeiter-Samariter-

Bund Deutschland e. V. mit seinem Projekt

„Der Wünschewagen – Letzte Wünsche

wagen“ verschrieben. 2014 in Essen gestartet,

finden sich ASB-Wünschewagen an

23 Standorten bundesweit. Das Projekt ist

rein ehrenamtlich getragen und wird ausschließlich

durch Spenden finanziert. Für

die Fahrgäste und Begleitpersonen sind die

Fahrten kostenlos. Sie haben selbst einen

letzten Wunsch oder kennen jemanden, der

in der letzten Lebensphase gerne etwas

unternehmen würde? Zögern Sie nicht, unsere

Wunscherfüller vor Ort zu kontaktieren:

www.wuenschewagen.de

Spenden helfen uns, die Reisekosten zu

den Wunschorten, die Schulungen unserer

ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer,

Dienstkleidung sowie Anschaffung und

Ausstattung der Fahrzeuge zu finanzieren.

Jede Unterstützung ermöglicht es uns,

letzte Wünsche wahr werden zu lassen.

Werden auch Sie zum Wunscherfüller.

Spendenkonto

Arbeiter-Samariter-Bund

Deutschland e. V.

Bank für Sozialwirtschaft

IBAN: DE84 3702 0500 0007 0607 05

BIC: BFSWDE33XXX

Stichwort: Wünschewagen

Fotos ASB

Der ASB trägt

dazu bei, dass seine

Wünschewagen-

Fahrgäste in Frieden

vom Leben Abschied

nehmen können.


www.infonetz-krebs.de

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