Leben mit Krebs
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Leben mit ...
Krebs
Seite 3
Multiples Myelom
und Corona-positiv,
was nun?
Seite 4 + 8
Kleine Kämpfer:
Sofia und Emely.
Seite 5
Die Zukunft der
Krebstherapie.
Seite 17
„Mama, ich brauche
dich noch!“ Yvonnes
bewegende Geschichte.
Seite 18
Letzte Wünsche
wagen – Sabines
Sehnsucht nach
dem Meer.
„Niemals aufgeben!“
Als Linda erfährt, dass sie einen bösartigen Tumor in der
Brust hat, ist sie im fünften Monat schwanger. Im Interview
spricht sie über ihren Kampf um zwei Leben –
ihr eigenes und das ihres ungeborenen Babys.
2
Vorwort
Dieser kleine, verletzliche, geläuterte Körper. Der glatte Kopf und die von der Strahlung gerötete
Haut. Seine Mutter, müde, erschöpft, gebrochen und doch mit einem verzweifelten
Lächeln auf den Lippen und aufmunternde Worte flüsternd. Ich hatte gerade mein drittes
gesundes Kind zur Welt gebracht und konnte diesen Schmerz kaum aushalten. Das war
wohl der Tag, an dem ich entschieden habe, dass ich mein Leben nutzen will, um diesen
Familien zu helfen, mit allen Mitteln, die mir zur Verfügung stehen.
Wie ist das mit dem Krebs?
Dr. Sarah Roxana Herlofsen
Stammzellforscherin,
Buchautorin, Kuratorin der
Stiftung Juno Kinderkrebshilfe
BUCHTIPP
Wie ist das mit dem Krebs?
Ein Kindersachbuch über die
Krankheit Krebs für Kinder ab
6 Jahren und ihre Familien.
In Kooperation mit der Stiftung
Deutsche Krebshilfe. Die
aktualisierte Neuauflage ist ab
27.04.2023 erhältlich.
ISBN: 978-3-522-30630-0
Man kann wohl sagen,
dass ich drei große
Leidenschaften habe:
Kinder, Bücher und
Biologie. Mein Interesse
für die Biologie und
Medizin entstand schon sehr früh und ich
habe lange überlegt, Ärztin zu werden. Aber
die Vorstellung, nicht allen helfen zu können
und Menschen zu verlieren, hat mich abgeschreckt,
weil mir solche Schicksale emotional
zu nah gehen. Ich wählte
also den Weg zur Biologie-
und Philosophielehrerin,
damit ich Kindern
die großen und kleinen
Mysterien des Lebens erklären
kann.
Als meine Oma die Diagnose
metastasierter
Darmkrebs, mit sehr
schlechter Prognose, bekam
und ihr angeboten
wurde, an einer klinischen
Studie teilzunehmen, in
der Forscher versuchten,
Antikörper gegen die Krebszellen auszubilden,
sodass sie vom eigenen Körper gefunden und
entsorgt werden können, war ich von dieser
genialen Idee begeistert und wollte nun nicht
nur Wissen vermitteln, ich wollte lieber Wissen
selbst schaffen und wechselte den Studiengang
zur molekularen Biomedizin. Neue Medikamente
entwickeln, Durchbrüche in der klinischen
Forschung erzielen und damit Leben
retten war mein Ziel. Es folgten viele Jahre im
Labor, und meine Spezialität wurde die klinische
Stammzellforschung.
Ein weiterer Krebsfall in der Familie lenkte
mein Leben erneut in eine andere Richtung.
Mein Opa wurde mit unheilbarem Blasenkrebs
diagnostiziert. Meine Kinder waren noch sehr
klein und ich begann, Bilder für sie zu malen
„Neue Medikamente
entwickeln,
Durchbrüche in der
klinischen Forschung
erzielen und damit
Leben retten war
mein Ziel.“
und kleine Geschichten über Krebszellen zu
schreiben, um ihnen zu erklären, warum ich
so traurig war. Diese offene Kommunikation
war unendlich wertvoll. Nicht nur für meine
Kinder, sondern auch für mich selbst. Da
entstand die Idee für mein Kinderbuch.
Ich wollte mein gesammeltes Wissen nutzen,
um allen Kindern ihre Fragen zu beantworten,
egal ob sie eine Mutter mit Brustkrebs oder
einen Opa mit Darmkrebs haben oder vielleicht
selbst an Krebs erkrankt
sind. Hier begann
also mein Engagement
für Kinder und Krebs.
Die nächsten Jahre reiste
ich viel umher, besuchte
Kinderkrebsstationen
und Kinder als Angehörige,
sammelte Fragen und
Erfahrungsberichte, traf
mich mit Psychologen
und Ärzten, Krebssurvivorn
und Menschen, die
ihre Liebsten an Krebs
verloren haben. Das Thema
Krebs wurde zu meinem
absoluten Herzensthema. 2019 erschien
mein Buch „Wie ist das mit dem Krebs?“ in
Deutschland. Mittlerweile wurde es in viele
Sprachen übersetzt. Im April erscheint die
Neuauflage des Buches, mit einigen Zusatzkapiteln.
Wenn ich daran denke, wie viele Tausend
Kinder das Buch bereits in der ganzen
Welt gelesen haben, rührt mich das immer
wieder erneut zu Tränen.
Meine wichtigste Botschaft für alle ist: Redet
offen über eure Gedanken und Gefühle und
sucht euch Hilfe im Kampf gegen Krebs. Ihr
seid nicht alleine und es gibt viele Menschen,
die euch gerne helfen und unterstützen
wollen. Nehmt die Hilfe mit gutem Gewissen
an. Denn gemeinsam ist man stärker als
allein..
Leben mit ... Magazin Healthcare Mediapartner GmbH | Pariser Platz 6a | 10711 Berlin | www.healthcare-mediapartner.de
Herausgeber Franziska Manske Redaktionsleitung Benjamin Pank Design Elias Karberg Coverbild privat
Druck BNN Badendruck GmbH Kontakt redaktion@lebenmit.de | www.lebenmit.de
Alle Artikel, die mit “Gastbeitrag” gekennzeichnet sind, sind keine neutralen Beiträge der Leben-mit-Redaktion.
Die Texte der Ausgabe schließen alle Geschlechter mit ein. Zur besseren Lesbarkeit wird jedoch nur eine Geschlechtsform verwendet.
Patientengeschichte
Mehr auf www.lebenmit.de I 3
Jürgen Martens und seine Frau Diane gehen die Herausforderungen der Corona-Pandemie als Team an. Foto: privat
Multiples Myelom und Corona-positiv, was nun?
Gute Aufklärung ist ein entscheidender
Wissensvorteil für Patienten
Schon seit 2008 lebt Jürgen Martens mit der
Diagnose Multiples Myelom, einer Form von
Knochenmarkkrebs. Obwohl die Krankheit
derzeit nicht heilbar ist, haben sich die Behandlungsmöglichkeiten
in den letzten 20
Jahren deutlich verbessert, was sich auch in
der gestiegenen Lebensqualität der Betroffenen
widerspiegelt. 1 Mit Beginn der Corona-
Pandemie steht Jürgen jedoch vor einer ganz
neuen Herausforderung: Aufgrund seiner
Krebserkrankung hat er ein geschwächtes Immunsystem,
sodass er durch Impfung (nicht)
ausreichend vor einem schweren Verlauf von
COVID-19 geschützt werden kann. 2 Für den
67-Jährigen ist es wichtig, gut über seine Erkrankung
informiert zu sein, um auf dieser
Basis gemeinsam mit dem Arzt wichtige Entscheidungen
fällen zu können – und das trifft
auch auf das Thema Corona zu. Zu wissen,
welche Schritte im Fall einer Infektion wichtig
sind, half ihm, ruhig zu bleiben und richtig zu
handeln, als er sich im Sommer 2022 trotz aller
Vorsicht mit COVID-19 infizierte.
Als 2020 die Corona-Pandemie begann, hatte
Jürgen bereits seit rund 12 Jahren die Diagnose
Multiples Myelom. Schnell war ihm klar, dass
die Pandemie seine Lebenssituation verändern
würde.
„Ich habe ein geschwächtes Immunsystem,
und wenn ich COVID-19 bekomme, habe ich
ein Risiko für einen schweren Verlauf.“
Im aktiven Austausch mit Experten und anderen
Betroffenen lernte Jürgen, wie er sich bestmöglich
vor einer Infektion mit dem Virus schützen kann
und wie er sich im Fall einer Infektion verhalten
sollte. Neben den empfohlenen Schutzimpfungen
wusch sich der 67-Jährige regelmäßig die
Hände, trug eine Maske und hielt sich möglichst
von großen Menschenansammlungen fern, da
Abstandhalten hier nur schwer möglich ist.
Jürgen beschreibt sich selbst als Experten in
eigener Sache, da er seine Gesundheitskompetenz
eigenverantwortlich mitgestaltet. Genau
diese kam ihm, als er sich trotz aller Vorsicht im
Sommer 2022 mit COVID-19 infizierte, zugute:
Er wusste, dass ihm professionelle Hilfe und eine
rasche Behandlung im Notfall helfen können.
(Hinweis d. Red.: Frühes Handeln ist wichtig, da
Therapien gegen COVID-19 in der frühen Phase
der Infektion, d. h. 5 Tage nach Auftreten von
Symptomen, eingesetzt werden müssen. 3 )
„Als ich gemerkt habe, dass ich COVIDpositiv
bin, stellte sich mir natürlich die
Frage: Wie intensiv trifft mich das?“
Daher hatten seine Frau Diane und er stets ein
Auge auf die Entwicklung seiner Symptome.
„Glücklicherweise war ich zu diesem Zeitpunkt
nicht in Behandlung gegen das Multiple Myelom
und konnte mich vergleichsweise unproblematisch
in Quarantäne begeben. Zudem verlief bei
mir die Infektion sehr moderat“, resümiert Jürgen
und erzählt weiter: „Die COVID-Infektion habe
ich innerhalb von 14 Tagen relativ gut überstanden.“
Doch das ist keine Selbstverständlichkeit.
Gerade Krebspatienten haben laut Deutschem
Krebsforschungszentrum (DKFZ) tendenziell
ein erhöhtes Risiko für einen schweren Verlauf. 4
Anderen Betroffenen mit Multiplem Myelom
rät Jürgen deshalb, stets gut informiert zu bleiben
und sich wie empfohlen gegen COVID-19
impfen zu lassen – aber vor allem selbstbewusst
zu sein, wenn es darum geht, die eigenen Hygieneinteressen
in den Vordergrund zu stellen.
Denn „die Pandemie ist noch nicht vorbei“, erklärt
Jürgen.
„Der aktive Schutz vor einer weiteren
Ansteckung steht für mich als Risikopatient
im Vordergrund.“
Seit wieder mehr Veranstaltungen stattfinden,
müsse er sich daran erinnern, dass die anderen
Leute nicht der Maßstab seien. „Man neigt
schnell dazu, leichtsinnig zu werden“, merkt er
an. Während für einen Großteil der (gesunden)
Bevölkerung das öffentliche Leben mittlerweile
ohne größere Einschränkungen weitergeht, ist
der Alltag für immungeschwächte Patienten wie
Jürgen noch nicht wieder wie vor der Pandemie.
So müsse man das eigene Verhalten immer wieder
kritisch hinterfragen.
„Die Pandemie hat dazu geführt, dass mir eine gewisse
Leichtigkeit abhandengekommen ist“, sagt er
heute. „Als Hochrisikopatient lernt man, mit seiner
Krankheit zu leben, aber nun schwingt immer eine
Unsicherheit mit. Das lässt einen auch ein Stück
weit vereinsamen.“ Deshalb ist Jürgen und seiner
Frau auch wichtig, sich mit anderen Betroffenen
auszutauschen. „Manchmal ist geteiltes Leid halbes
Leid“, sind sich die Beiden einig.
Das Multiple Myelom: Jürgens Geschichte
Im Rahmen einer Routineuntersuchung wurde
bei Jürgen 2008 ein auffälliger Blutwert
festgestellt. Nach einer ergänzenden Untersuchung
bekam er die überraschende Diagnose
Multiples Myelom. „Das haut einen natürlich
vom Hocker“, erinnert er sich heute.
„Wir haben schnell gemerkt: Multiples
Myelom ist eine Teamgeschichte.“
Gemeinsam mit seiner Frau Diane fasste er
den Entschluss, weiterhin selbstbestimmt zu
leben. Zuerst ließ er sich deshalb die Krankheit
von seinem Hämatologen erklären. Nach kurzer
Zeit schloss sich das Ehepaar zudem einer
Selbsthilfegruppe für Betroffene mit Multiplem
Myelom an, die Jürgen inzwischen leitet.
Weitere persönliche Einblicke in das
Leben mit Multiplem Myelom: bit.ly/3IkAFh6
Referenzen:
1 Baertsch MA, Goldschmidt H. Multiples Myelom -
Was ist gesichert in der Therapie? Internist 2017;58:1250–1257
2 Ständige Impfkommission: Beschluss der STIKO zur 21. Aktualisierung der
COVID-19-Impfempfehlung Epid Bull 2022;33:3-19 | DOI 10.25646/10412.
3 https://www.rki.de/DE/Content/Kommissionen/Stakob/Stellungnahmen/
Stellungnahme-Covid-19_Therapie_Diagnose.pdf?__blob=publicationFile%20
(Webseite%20Stand%2022.02.2022)" RKI - Stellungnahmen - STAKOB: Hinweise
zu Erkennung, Diagnostik und Therapie von Patienten mit COVID-19
(6.4.2022, in Überarbeitung).
4. Deutsches Krebsforschungszentrum: Corona, COVID-19 und Krebs: Antworten
auf häufige Fragen. Stand 16.11.2022, online abrufbar unter: bit.ly/3FmT7SZ
(letzter Zugriff 07.12.2022).
NP-DE-COU-ADVR-220001 (12/2022)
Gastbeitrag
Mit freundlicher Unterstützung von GSK
4
Patientengeschichte
„Unsere kleine,
heile Welt brach
zusammen“
Sofia ist ein fröhliches kleines Mädchen, mit einem ansteckenden
Lachen und unbändiger Lebensfreude. Kurz vor
ihrem zweiten Geburtstag wird Sofia sehr krank. Diagnose:
Akute Lymphatische Leukämie (ALL). Im Interview spricht
Sofias Mutter, Jessica Amann, über den Kampf gegen
den Krebs und erklärt, warum es so schwer ist,
zurück in die Normalität zu finden.
Redaktion Leonie Zell
Frau Amann, wie hat sich die Erkrankung
bei Sofia bemerkbar gemacht?
Am 5. August 2019 bekam Sofia plötzlich sehr
hohes Fieber. Als es auch am nächsten Tag
nicht besser wurde, gingen wir zum Kinderarzt.
Der vermutete, dass es am Wachstum oder den
Zähnen lag, und schickte uns mit Zäpfchen
nach Hause. Drei Tage später war das Fieber so
schnell weg, wie es gekommen war. Doch zwei
Tage später fing es wieder an. Erneut gingen wir
zum Kinderarzt. Da es Sofia bis auf das Fieber gut
ging, schickte er uns mit anderen Zäpfchen nach
Hause. Am 13. August, dem Tag der Einschulung
meines mittleren Sohnes, wachte Sofia morgens
mit einem großflächigen Hautausschlag, der an
Masern oder Windpocken erinnerte, auf. Mein
Mann fuhr sofort mit ihr zum Kinderarzt, um abklären
zu lassen, was das ist und ob wir bedenkenlos
zur Einschulung könnten, ohne andere
zu gefährden. Der Arzt gab Sofia ein Antibiotikum,
machte einen Termin zur Blutabnahme
am kommenden Mittwoch und wir gingen zur
Einschulung. Am nächsten Tag verschlechterte
sich Sofias Zustand rapide. Sie wollte nichts
mehr essen und trinken und lag nur noch lethargisch
im Bettchen. Mittwochs ging mein Mann
mit Sofia zur Blutabnahme. Der Arzt schickte
ihn dann direkt ins Krankenhaus. Dort wurden
wir aufgenommen und Sofia wurde gründlich
untersucht. Ein paar Stunden später kamen der
Stationsarzt und der Oberarzt auf unser Zimmer
und sagten uns, dass sie Sofia nicht weiter
behandeln könnten, da sie für solche Fälle nicht
ausgestattet seien. Wir fragten nach, was Sofia
denn habe, und sie antworteten, dass nur zwei
Diagnosen infrage kämen: das Parvovirus oder
Leukämie. Was es wäre, könnten die Kinderonkologen
in der Uniklinik Frankfurt feststellen.
Die Ärzte wünschten uns alles
Gute und verließen das Zimmer.
Wie geht man mit so einer Nachricht
um?
Wir waren erstarrt, geschockt, am Boden zerstört
– alles gleichzeitig. Doch viel Zeit zum
Nachdenken blieb uns nicht, denn kurze Zeit
später wurde Sofia bereits mit dem Rettungswagen
nach Frankfurt gefahren.
Wie ging es dort weiter?
Die Ärzte stellten eine Sepsis sowie eine Blutarmut
fest. Noch am gleichen Tag bekam Sofia
eine Bluttransfusion und Breitbandantibiotika.
Am folgenden Tag wurden eine Lumbalpunktion
und eine Knochenmarkpunktion durchgeführt.
Das musste ein paar Tage später noch
einmal wiederholt werden. Es brach mir das
Herz, als ich sie dort liegen sah, halb benommen,
mit ihrem Schmusekissen „Diddi“ im
Arm, und sie uns einfach nur ansah und wir ihr
nicht helfen konnten. Wir waren machtlos und
verzweifelt und klammerten uns an die Hoffnung,
dass es keine Leukämie sei.
Dann kam der 20. August 2019 …
… und unsere kleine, heile Welt brach zusammen,
als wir die Diagnose Leukämie bekamen.
Warum unser Mädchen? Warum unser
kleiner Schatz? Sie war nie krank, bis auf einen
Schnupfen im Winter 2018. Sie war so lebensfroh,
aktiv, glücklich – und jetzt so krank.
Bitte erzählen Sie uns von Sofias Kampf
gegen den Krebs.
Sieben Tage nach der Diagnose begann die
Chemotherapie. Mittlerweile wussten wir
Fotos privat
auch, dass Sofia die Akute
Lymphatische Leukämie
(ALL) hatte. Sie war während
der gesamten Zeit unglaublich
tapfer – unser kleines, starkes Mädchen.
Auch heute dauert die Therapie noch an,
in Tablettenform. Wenn alles gut geht, gilt Sofia
mit sieben Jahren als krebsfrei. Bis dahin versuchen
wir, nach vorn zu schauen und uns von
der Angst nicht besiegen zu lassen.
Was waren die größten Herausforderungen
in den letzten Jahren?
Neben der ständigen Angst um das Leben unseres
Kindes ganz klar die finanziellen Probleme,
die durch so eine Diagnose auf Familien
zukommen. Ich war, ehrlich gesagt, geschockt,
wie wenig Unterstützung es für solche Ausnahmesituationen
gibt. Das Geld wurde bei uns
sehr knapp. Mein Mann ließ sich damals beurlauben,
um den Kampf mit Sofia gemeinsam
zu kämpfen. Dadurch bekam er nur noch 67
Prozent des Lohnes. Ich hatte eine Teilzeitstelle.
Die Existenzängste waren immens. Hätten
wir nicht Hilfe durch GoFundMe und verschiedene
Stiftungen bekommen, wären wir finanziell
am Ende gewesen. Dafür bin ich nach wie
vor sehr dankbar.
Wie haben Sie den Weg zurück in den Alltag
geschafft?
Ehrlich gesagt noch gar nicht – die Krankheit
hat Spuren bei uns allen hinterlassen. Sofia
musste viel zu schnell groß werden und hat viel
von ihrer Kindheit verpasst. Auch ihren großen
Brüdern fällt es schwer, das Erlebte zu verarbeiten.
Zu tief sitzen die Sorgen und Ängste, die
der Krebs ausgelöst hat. .
Erfahrungsbericht
Mehr auf www.lebenmit.de I 5
„Krebs, du
kannst
mich mal!“
Vanessa hat ihrem Krebs
den Kampf angesagt –
wir unterstützen sie dabei.
Foto Deutsche Kinderkrebsnachsorge
Gastbeitrag DEUTSCHE KINDERKREBSNACHSORGE
J
edes Jahr erkranken in Deutschland
rund 2.000 Kinder an Krebs. Da die
Krankheit bei Kindern häufig aggressiv
verläuft, müssen sie rasch behandelt
werden. Die gute Nachricht: Die
Chancen, den Krebs zu besiegen, sind
recht hoch – 80 Prozent aller krebskranken
Kinder können heute geheilt werden. Vanessa
steht sinnbildlich für viele Kinder. Sie hat den
Kampf gegen den Krebs gewonnen. Doch der
Weg zurück in den Alltag war für sie und ihre
Familie schwierig. Die Familie hat die Möglichkeit
bekommen, eine vierwöchige Familiennachsorgereha
in Tannheim zu machen.
Dort arbeiteten die medizinischen, psychosozialen
und pädagogischen Bereiche ganzheitlich
eng zusammen. Vanessa besuchte vormittags
die Klinikschule und hatte währenddessen
Anwendungen. Sie ging beispielsweise
in den Therapiestall reiten, während ihre Eltern
an Gesprächsgruppen teilnahmen. Nachmittags
hat die Familie sich bei gemeinsamen
sportlichen Aktivitäten wie Schwimmen,
Wandern oder beim Fahrradfahren erholt.
Gemeinsam Zeit zu verbringen und wieder
unbeschwert lachen zu können, hat allen sehr
dabei geholfen, zurück ins Leben zu finden.
DEUTSCHE KINDERKREBSNACHSORGE –
Stiftung für das chronisch kranke Kind
Wenn Kinder von Geburt an krank sind oder
in jungen Jahren bereits schwer erkranken,
ist der Weg für sie und ihre Familien
meist ein sehr schwerer. Die DEUTSCHE
KINDERKREBSNACHSORGE – Stiftung für
das chronisch kranke Kind setzt sich für
krebs-, herz- und mukoviszidosekranke
Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene
sowie verwaiste Familien ein und schenkt
ihnen neuen Lebensmut.
Die Stiftung gilt als Hauptinitiator und Hauptgesellschafter
der Nachsorgeklinik Tannheim.
Nach wie vor unterstützt sie die Klinik mit
hohen Zuwendungen, um im Rahmen der
intensiven familienorientierten Nachsorge
das medizinisch-therapeutische Konzept abzusichern.
Die DEUTSCHE KINDERKREBS-
NACHSORGE hat den Bau der Klinik und die
Förderung der familienorientierten Nachsorge
bereits bei ihrer Gründung am 9. Dezember
1990 als wichtigste Ziele formuliert und konsequent
umgesetzt. Das Vorhaben wurde bis zum
heutigen Tage mit über fünf Millionen Euro unterstützt
– das Ergebnis unzähliger Spendenaktionen.
Unterstützen auch Sie die DEUTSCHE
KINDERKREBSNACHSORGE – Stiftung für das
chronisch kranke Kind mit einer Spende. Nur
mit Ihrer Hilfe können wir helfen..
Spendenkonto
Deutsche
Kinderkrebsnachsorge
Sparkasse Schwarzwald-Baar
IBAN DE41694500650000005000
BIC SOLADES1VSS
Stichwort „Lebenshelfer“
www.kinderkrebsnachsorge.de
ZEIT ZUM LEBEN
GIB MIR NOCH EIN BISSCHEN ZEIT,
ZEIT, UM WENIGSTENS EIN PAAR
MEINER ZIELE ZU ERREICHEN.
GIB MIR NOCH EIN BISSCHEN ZEIT,
ZEIT, UM MEINE TRÄUME ZU LEBEN.
GIB MIR NOCH EIN BISSCHEN ZEIT,
ZEIT, UM ANDEREN ZU ZEIGEN,
WORAUF ES IM LEBEN
WIRKLICH ANKOMMT.
GIB MIR NOCH EIN BISSCHEN ZEIT,
ZEIT, UM ANDEREN KRANKEN
MUT ZU MACHEN.
GIB MIR NOCH EIN BISSCHEN ZEIT,
ZEIT, UM DAS LACHEN MEINER
KLEINEN SCHWESTER ZU HÖREN.
GIB MIR NOCH EIN BISSCHEN ZEIT,
ZEIT, UM DIE LIEBE NEU ZU
ENTDECKEN.
GIB MIR NOCH EIN BISSCHEN ZEIT,
ZEIT, UM DIE NATUR ZU GENIESSEN.
GIB MIR NOCH EIN BISSCHEN ZEIT,
ZEIT, UM ANDEREN ETWAS VON
MIR ZU GEBEN.
GIB MIR NOCH EIN BISSCHEN ZEIT,
ZEIT, UM ZU LEBEN, IMMER WIEDER
UND JEDEN TAG NEU LEBEN!
Dieses Gedicht hat Simone (17)
geschrieben. Ein halbes Jahr
später ist sie verstorben.
6
Experteneinblicke
Präzisionsstrahlentherapie: Der MR-Linac kombiniert einen Linearbeschleuniger
mit einem Magnet-Resonanz-Tomographen (MRT). Foto: UKD/Kirsten Lassig
Die Zukunft der
Krebsbehandlung
Krebsforschung made in Germany. Lesen Sie hier, welche innovativen Wege Wissenschaftler
und Ärzte am Top-Krebsforschungsstandort Dresden gemeinsam gehen, um Patienten die
bestmögliche Krebstherapie oder bestenfalls ein Leben ohne Krebs zu ermöglichen.
Prof. Dr. Stefanie Speidel
Professorin für Translationale
Chirurgische Onkologie
Prof. Dr. med.
Martin Bornhäuser
Geschäftsführender Direktor,
NCT/UCC Dresden
Frau Prof. Speidel, Sie forschen am Nationalen
Centrum für Tumorerkrankungen Dresden
(NCT/UCC) an innovativen KI-gestützten
Assistenzsystemen für die Krebschirurgie und
sind zugleich Gründungsdirektorin der neuen
Außenstelle des Deutschen Krebsforschungszentrums
(DKFZ) in Dresden. Zudem leiten Sie die
Abteilung Translationale Chirurgische Onkologie.
Was kann man sich darunter vorstellen?
Translation bedeutet, die Lücke zwischen der
Grundlagenforschung und der Anwendung am
Patienten zu schließen. Meine Abteilung entwickelt
computer- und robotergestützte Assistenzsysteme
für die Krebschirurgie. Der Operateur
kann ja nicht ins Organ hineinschauen, sondern
sieht nur die Oberfläche, muss aber wissen, wo
genau sich Risikostrukturen oder Zielstrukturen
befinden, also der Tumor, der entfernt werden
soll. Die Erfahrung des Operateurs ist extrem bedeutend,
um Komplikationen während und nach
der Operation zu vermeiden. Unser Ziel ist es, die
Lösungswege vieler sehr erfahrener Chirurgen
zu erfassen und mithilfe künstlicher Intelligenz
weniger erfahrenen Kollegen auch an anderen
Standorten zur Verfügung zu stellen.
Das fängt ja bereits vor dem OP-Saal an.
Sie entwickeln auch eine Datenbrille zur Operationsplanung.
Wie genau läuft das ab?
Es gibt eine Vielzahl von Daten, die bereits vor
einem chirurgischen Eingriff anfallen: aus der
Bildgebung (CT, MRT), Laborwerte und die
Patientenhistorie. Auf Basis aller verfügbaren
Daten des Patienten wird eine dreidimensionale
Projektion erstellt, sodass der Operateur
vorab die OP durchspielen kann. Mit der Datenbrille
lassen sich unterschiedliche Operationswege
simulieren. Am DKFZ-Standort Dresden
werden künftig weitere Zukunftstechnologien
gegen Krebs ent wickelt, beispielsweise Mikround
Nanoroboter, die Medikamente gezielt zum
Tumor transportieren, oder neue Sensoren zur
frühzeitigen Krebsdiagnose.
Wird es künftig in der Krebschirurgie mehr
KI, Robotik und Technik und weniger Mensch
geben?
Nicht weniger Mensch, wir wollen den Chirurgen
ja nicht ersetzen, sondern ihm Assistenzsysteme
für eine noch präzisere Krebschirurgie zur Seite
stellen. Es gibt Sachen, die kann der Mensch
besser, und Dinge, die kann die Maschine gut.
Es geht darum, beides zu ergänzen, um letztlich
dem Patienten eine bessere Lebenssituation zu
verschaffen.
Herr Prof. Bornhäuser, Ihr Fokus liegt auf der
Forschung und Weiterentwicklung innovativer
Zell- und Immuntherapien. Wie funktioniert die
zelluläre Therapie bzw. Immuntherapie?
Es gibt verschiedene Arten der Zelltherapie. Zum
einen die autologe Zelltherapie, wobei die blutbildenden
Zellen oder Immunzellen direkt vom
Patienten entnommen und diesem nach einer
entsprechenden Vorbehandlung zurückgegeben
werden. Das neueste, innovative Verfahren, woran
auch wir forschen, ist die CAR-T-Zell-Therapie.
Dabei werden vom Patienten selbst Lym-
Mehr auf www.lebenmit.de I 7
Exzellent.
Im Experimental-OP des NCT/UCC werden neu
entwickelte roboter- und computergestützte
Systeme für die Krebschirurgie erprobt. Mithilfe
einer Datenbrille werden der Chirurgin situationsbezogen
wichtige Informationen eingeblendet –
zur genauen Lage des Tumors oder zu Nerven
und Gefäßen, die nicht verletzt werden dürfen.
Foto: NCT/UCC/André Wirsig
phozyten, die T-Zellen, entnommen, außerhalb
des Körpers genetisch verändert und nach zwei
bis drei Wochen in dieser veränderten Form an
den Patienten zurückgegeben. Mit dem neuen
künstlichen Immunrezeptor auf der Oberfläche
können CAR-T-Zellen sehr effektiv Krebszellen
eliminieren.
Für welche Patienten ist diese Immuntherapie
vorgesehen?
Dies funktioniert bisher v. a. bei Lymphknotenkrebs
und bestimmten Leukämieformen. Zwar
können dabei auch ungewollte Nebenwirkungen
auftreten, jedoch sind diese inzwischen besser
vorhersehbar und in Dresden entwickelte Formen
der CAR-T-Zellen ermöglichen zusätzlich
auch das An- und Ausschalten der übertragenen
Immunzellen. Unser Anspruch ist es, die Zelltherapie
universeller für mehr Patienten anbieten zu
können. Wir wollen hin zur allogenen Therapie,
bei der vom gesunden Menschen Zellen entnommen
und verändert werden oder diese auch aus
frühen Stammzellen entwickelt werden. Ziel ist
es, für den individuellen Therapiebedarf veränderte
Zellen zur sofortigen Verfügung bereitzuhaben,
statt diese erst mühevoll in einem aufwendigen
Prozess herzustellen.
Wo sehen Sie das größte Potenzial künftiger erfolgreicher
Krebstherapien?
Die Immuntherapie ist bereits auf einem anhaltenden
Siegeszug in der Krebstherapie. Gerade
hier am Forschungsstandort Dresden arbeiten
wir daran, die Zelltherapie zu optimieren. Wir
wollen das Immunsystem dazu bringen, eine
langfristige Heilung zu erreichen. Es gibt hier
sicher noch viel zu tun. Im Idealfall sollte es in
Zukunft natürlich gelingen, frühzeitig Präventionsstrategien
zu entwickeln, um die Häufigkeit
von Krebserkrankungen zu reduzieren..
Redaktion Nicole Kraß
Weitere Informationen finden Sie
unter: www.nct-dresden.de
Wie mehr Patienten der Zugang zu
klinischen Studien ermöglicht werden
kann und worin die größten Potenziale
der chirurgischen Onkologie liegen,
lesen Sie auf: www.lebenmit.de
Sebastian Gemkow
„In der Forschung
verfolgt Sachsen bewusst
einen fachgebietsübergreifenden
Ansatz“
Gastbeitrag des sächsischen Wissenschaftsministers Sebastian Gemkow
K
rebs ist eine Erkrankung mit höchst unterschiedlichen Ausprägungen
und ebenso unterschiedlichen Krankheitsverläufen. Um die Chancen auf
Heilung zu verbessern, braucht es immer wieder neue, innovative Ansätze,
die in Sachsen permanent erdacht, erforscht und fast unmittelbar in die klinische
Anwendung überführt werden.
Schon heute gibt es eine Vielzahl unterschiedlicher Therapien, teils hochindividuell auf
den einzelnen Patienten abgestimmt. Waren noch vor wenigen Jahren standardisierte
Chemotherapien oder Bestrahlungsverfahren im Einsatz, hat sich die Art der Behandlung
inzwischen deutlich gewandelt. Mithilfe der hoch spezialisierten Forschung an den Uniklinika
in Dresden und Leipzig, aber auch mit außeruniversitären Partnerinstitutionen werden heute
neueste Technologien mit weiterentwickelten Behandlungsmethoden kombiniert.
Daran sind längt nicht mehr ausschließlich Mediziner beteiligt. In der Forschung verfolgt
Sachsen bewusst einen fachgebietsübergreifenden Ansatz. IT-Spezialisten, Physiker,
Ingenieure und andere Professionen arbeiten gemeinsam mit Ärzten. Das Ergebnis sind
Therapien, die einerseits eine bessere Wirkung im Kampf gegen Krebs entfalten und
gleichzeitig deutlich schonender und für Patienten während der Behandlung besser
verträglich sind.
Bei der Bestrahlung von Tumoren ist etwa die Präzision entscheidend, in der Chirurgie
sind es z. B. die Assistenzsysteme, auf die sich die Operateure stützen müssen. Die dafür
erforderlichen Geräte werden in Sachsen in der Forschung immer weiterentwickelt, sowohl
in Software als auch in Hardware.
Mikro- und Nanoelektronik, Robotik und künstliche Intelligenz werden die
Anwendungsmöglichkeiten in der Krebstherapie in den nächsten Jahren noch einmal
deutlich verbreitern und damit die Chancen auf ein Leben ohne Krebs für noch mehr
Menschen erhöhen. Das gilt ebenso für den Pharmabereich, also zur unterstützenden
medikamentösen Behandlung von Krebs. Auch in der Biotechnologie hat sich Sachsen in
den vergangenen Jahren mit seinen Forschungsaktivitäten zu einem führenden Standort
entwickelt. Möglich war das unter anderem mit Millioneninvestitionen in diesen Bereichen,
die der Freistaat gezielt für die Forschung zur Krebsbekämpfung eingesetzt hat.
Und dennoch: Bei aller Hochtechnologie, die den medizinischen Fortschritt treibt, bleibt für
uns der Mensch mit seinen Fähigkeiten das zentrale Element im Umgang mit Patienten. Es
geht darum, diesen Menschen die besten Rahmenbedingungen zu bieten und Instrumente
an die Hand zu geben, um den Krebs eines Tages zu besiegen..
8
Patientengeschichte
Emelys Kampf
Emely ist ein glückliches Mädchen. Sie liebt es zu tanzen, zu reiten
und zu lachen. Mit 10 Jahren erkrankt sie an Krebs – und plötzlich
ist nichts mehr, wie es war. Im Interview sprechen Emely und ihre
Mutter Kathrin über die schwerste Zeit in ihrem Leben.
Emely, wann hast du zum ersten Mal
gemerkt, dass etwas nicht stimmt?
Nachdem meine Brüder und ich Corona
hatten, ging es los, dass ich sehr schlecht
Luft bekam. Ich kann mich noch erinnern,
dass ich mit meiner Klasse einen Ausflug in
den Tierpark gemacht habe, und da war es
ganz schlimm. Ich konnte nicht mehr richtig
weiterlaufen, alles war zu anstrengend.
Nachts habe ich so viel geschwitzt, dass
meine Matratze klitschnass war. Ich habe
dann Antibiotikum bekommen, doch es
wurde nicht besser. Nein, es wurde eigentlich
jeden Tag schlimmer.
Kathrin, wie haben Sie diese Zeit
wahrgenommen?
Als es trotz Antibiotika nicht besser wurde,
begann ich mir große Sorgen zu machen, und
die Ängste um Emelys Gesundheit wurden
von Tag zu Tag größer. Ich habe mich sehr
hilflos gefühlt, da ich nicht wusste, was sie
hatte, und nichts tun konnte, damit es ihr
besser geht.
Wann und wie kam es dann zur Diagnose?
Da es Emely immer schlechter ging, sind
wir zu einer Kinderklinik gefahren. Da
ihr Allgemeinzustand sehr schlecht war
und sie kaum Luft bekam, hat man sie
stationär aufgenommen. Als ich sie am
nächsten Tag besuchte, wurden bereits viele
Untersuchungen gemacht. In der Lunge und
in den Bronchien hat man etwas gefunden,
was da nicht hingehört – mehr hat man
mir aber zu dem Zeitpunkt nicht gesagt.
Im Laufe des Tages wurde Emelys Zustand
lebensbedrohlich und sie wurde mit einem
Rettungswagen in ein Krankenhaus ins 40
Kilometer entfernte Bielefeld gebracht, wo sie
auf die Intensivstation kam. Dort klärte man
mich dann über Emelys Gesundheitszustand
auf: „Ihre Tochter hat Lymphknotenkrebs
und es war kurz vor knapp.“
Emely, was ging dir durch den Kopf, als du
erfahren hast, dass du Krebs hast?
Ich hatte Angst. Ich habe am Anfang nicht
richtig verstanden, was das für mich bedeutet.
Ich wusste nur, dass mein Gewicht sehr wenig
war, und so fühlte ich mich auch – schwach
und kraftlos. Meine Mutter war jeden Tag bei
mir. Ich wusste da gar nicht richtig, wo ich
bin, in welchem Ort – es war alles irgendwie
fremd. Meine Mutter hat viel geweint, wenn
die Ärzte bei ihr waren. Irgendwann habe ich
realisiert, dass es nicht gut um mich steht.
Kathrin, wie verkraftet man eine solche
Diagnose?
Gar nicht. Ich habe einfach funktioniert und
nie die Hoffnung aufgegeben, dass es besser
wird. Den größten Halt gaben mir mein Mann
und meine Mutter. Sie wusste zum Beispiel in
vielen Dingen Bescheid, da ihre Eltern auch
verschiedene Krebsarten hatten. Ich musste
einfach stark bleiben, für Emely.
Wie sieht derzeit ein normaler Tag bei
Ihnen aus?
Normale Tage gab es bei uns schon lange
nicht mehr, aber ich versuche mal, einen
Tag in unserem derzeitigen Leben zu
beschreiben: Morgens kümmere ich mich
darum, dass die Geschwister zur Schule und
in den Kindergarten gehen und Emely ihre
Medikamente bekommt. Dann geht es zur
Corona-Teststelle und den Rest des Tages sind
wir in Kliniken. Egal ob Strahlenbehandlung
oder Tagesklinik – irgendwas ist immer. Am
frühen Abend kommen wir nach Hause und
ich kümmere mich um die Kontrolle der
Hausaufgaben und den Haushalt – waschen,
kochen, putzen. Nach dem Abendessen geht
es dann langsam für die Kinder ins Bett und
ich beginne mit dem liegengebliebenen
Papierkram.
Das ist ein großes Pensum. Würden Sie sich
mehr Unterstützung wünschen?
Unterstützung ist das falsche Wort.
Verständnis trifft es eher. Teilweise war und
bin ich überfordert mit alldem. Ich finde,
besonders Ämter, Sozialarbeiter, aber auch
Ärzte sollten mehr auf die Familien eingehen
und sie unterstützen – nicht nur fordern.
Hätte ich meinen Mann nicht, der immer da
ist, weiß ich nicht, ob ich das alles schaffen
würde.
Emely, bitte erzähle uns von deinem Kampf
gegen die Krankheit.
Mittlerweile geht es mir besser. Die letzten
Monate waren sehr anstrengend und
hart. Ich hatte viele Nebenwirkungen wie
Fressattacken, Schleimhautentzündungen,
Übelkeit. Ich kann mich immer noch nicht
lange auf den Beinen halten. Das nervt.
Ich möchte wieder tanzen, reiten, auf
den Spielplatz gehen – einfach wieder ein
Foto privat
normales Kind sein. Aber aufgeben war
nie eine Option. Aufstehen und weitermachen.
Doch ich habe Angst, was auf mich
zukommen wird, wenn ich wieder in die
Schule kann. Meine Haare sind weg, ich habe
durch die Medikamente zugenommen ... Das
ist für mich mittlerweile okay, aber für meine
Klassenkameraden wird das vielleicht nicht
okay sein. Vielleicht werde ich gemobbt oder
geärgert. Zu Hause fühle ich mich sicher und
meine Brüder stehen hinter mir, das weiß ich.
Was hilft euch in dieser schweren Zeit
besonders?
Emely: Dass meine Familie immer für mich
da ist. Viele meiner alten Freunde haben den
Kontakt abgebrochen, aber meine Familie ist
da – egal wann, egal wie.
Kathrin: Gemeinsame Zeit, zum Beispiel bei
Spieleabenden, hilft uns sehr – dabei fühlt
sich alles an wie vorher und wir können
die Krankheit für einen Moment vergessen.
Auch unser Hund ist unser Anker und
unser Ruhepol. Wenn wir zusammen eine
Runde Gassi gehen und an nichts denken,
tut das sehr gut und gibt uns das Gefühl von
Normalität.
Emely, was wünschst du dir am meisten für
die Zukunft?
Ich hoffe, dass der Krebs mich nicht mein
Leben lang begleiten wird. Dass ich tanzen
und reiten kann, einfach wieder ein normales
Leben führe. Ich hoffe, dass ich akzeptiert
und nicht geärgert werde – ja, das wünsche
ich mir am meisten für die Zukunft. .
Redaktion Emma Howe
Inspiration
Mehr auf www.lebenmit.de I 9
look good feel better –
das kostenlose Kosmetikseminar für Krebspatientinnen
J
ährlich erkranken in Deutschland
rund 230.000 Mädchen und Frauen
neu an Krebs. Infolge der Behandlung
leiden die meisten Frauen an
schwerwiegenden, wenn auch vorübergehenden
äußerlichen Veränderungen.
Durch Haarausfall, Wimpern- und
Augenbrauenverlust oder starke Hautirritationen
fühlen sich viele zusätzlich von der
Krankheit gezeichnet.
Gastbeitrag DKMS LIFE
Die DKMS LIFE gemeinnützige GmbH macht
es sich daher mit dem „look good feel better“-
Patientenprogramm seit mehr als 25 Jahren
zur Aufgabe, Krebspatientinnen während der
Therapie Hilfe zur Selbsthilfe im Umgang mit
den äußeren Veränderungen anzubieten: In
kostenfreien Kosmetikseminaren erhalten
In den Kosmetikseminaren erhalten krebskranke
Mädchen und Frauen professionelle Tipps
zur Gesichtspflege und zum Schminken
sowie zum Thema Kopfbedeckung.
Foto DKMS LIFE
krebskranke Mädchen und Frauen professionelle
Tipps zur Gesichtspflege und zum
Schminken sowie zum Thema Kopfbedeckung.
Sie erlernen besondere Techniken, um
Augenbrauen und Wimpern natürlich nachzuzeichnen
oder beispielsweise Haut flecken,
die aufgrund der Bestrahlung entstanden
sind, unauffällig abzudecken. Darüber hinaus
werden sie zum Thema Tücher und Kopfschmuck
sowie zum Umgang mit Perücken
beraten.
Dabei geht es aber um viel mehr als Make-up.
Die Kosmetikseminare für Krebspatientinnen
ab 22 Jahren und die Beauty-Workshops für
junge Krebspatientinnen zwischen zehn und
21 Jahren schenken den Teilnehmerinnen ein
paar unbeschwerte Stunden, sind interaktiv
und schaffen einen Platz zum ungezwungenen
Austausch unter Betroffenen. Sie zeigen
den Patientinnen: „Ihr seid nicht allein!“
Ziel ist es, den Krebspatientinnen Lebensqualität,
Selbstwertgefühl und damit verbunden
Hoffnung zu schenken, um sie während ihrer
Therapie zu unterstützen und ihren Heilungsprozess
positiv zu beeinflussen.
Bundesweit organisiert die gemeinnützige
Organisation DKMS LIFE jährlich bis zu
1.600 kostenfreie „look good feel better“-
Kosmetikseminare für Krebspatientinnen in
über 320 Kliniken, Krebsberatungsstellen,
sozialen und medizinischen Einrichtungen.
Aufgrund der Einschränkungen der Corona-
Pandemie pausieren diese Vor-Ort-Seminare
aktuell. Seit Mitte 2020 bietet DKMS LIFE das
„look good feel better“-Patientenprogramm
für krebskranke Mädchen und Frauen virtuell
in Form von Online-Kosmetikseminaren
an. Die Teilnahme sowie eine Tasche mit den
benötigten Kosmetikprodukten und Informationsmaterialien
sind für die Patientinnen
kostenlos.
.
DKMS LIFE bietet zudem weitere kosten lose
Seminare zu den Themen Entspannung, Ernährung
und Fotografie sowie einen Workshop
speziell für männliche Krebspatienten.
Hier können sich Krebspatientinnen
für die kostenlosen
Online-Kosmetikseminare
anmelden:
www.dkms-life.de/
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10
CANCER
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80 % DER KREBSPATIENT:INNEN
LEIDEN AN THERAPIEBEDINGTEN
HAUTNEBENWIRKUNGEN *
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Gemeinsam mit Dermatolog:innen und Onkolog:innen arbeiten
wir daran, die Lebensqualität von Krebspatient:innen mit
therapiebegleitender Pflege während und nach der
Therapie zu verbessern.
* CHARLES C. ET AL. MARCH 2013. IMPACT OF CUTANEOUS TOXICITY ASSOCIAT-
ED WITH TARGETED THERAPIES ON QUALITY OF LIFE. RESULTS OF A LONG-
ITUDINAL EXPLORATORY STUDY. BULLETIN DU CANCER. VOL 100 N 3
ÜBER DIE HAUTPFLEGE
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Gesichtshaut
„Therapiebedingte Hautnebenwirkungen
sind keine Seltenheit
und erschweren, neben der
seelischen Belastung, die
Krebstherapie. Unser Ziel ist
es, dass Krebspatient:innen die
Therapie aufgrund von zu starken
Hautnebenwirkungen nicht
abbrechen müssen.“
Dr. Katrin Kipper, Head of Medical
Communication La Roche Posay
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Fachpersonal der Apotheke oder an
Dermatolog:innen wenden.
12
Patientengeschichte
„Ich wollte leben.
Überleben!
Für meine Kinder.
Für meinen Mann.
Für mich.“
Mehr über Linda
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Interview mit unserem Covergesicht Linda.
Redaktion Leonie Zell
Fotos privat
Bitte erzähle uns von der Diagnose.
Ich habe beim Stillen meines damals anderthalb
Jahre alten Sohnes eine Verhärtung in der
Brust gespürt und dachte, es sei ein Milchstau.
Ich war zu der Zeit schwanger und zeigte den
Knubbel meiner Frauenärztin bei einer Schwangerschaftskontrolluntersuchung.
Die überwies
mich zur Stanzbiopsie und ein paar Tage später
bekam ich die Diagnose Brustkrebs.
Was waren deine ersten Gedanken?
Im Gespräch mit dem Arzt lief ab dem Wort
„Brustkrebs“ alles wie im Rausch an mir vorbei.
Ich wusste gar nicht, woran ich zuerst denken
sollte. Ich hatte Angst. Angst zu sterben. Angst
um mein Ungeborenes. Angst, meinen Kindern
keine Mama sein zu können. Ich hatte die
schlimmsten Bilder im Kopf.
Hast du mit deinem kleinen Sohn über die
Krankheit gesprochen?
Nein, um Krebs und alles, was dazugehört, zu
verstehen, war er noch zu jung. Doch wir haben
nichts vor ihm versteckt. Er durfte meine Gefühle,
egal ob fröhlich oder traurig, so erleben, wie sie
eben gerade waren. Ich finde es wichtig, dass Kinder
wissen, dass auch die Angst und das Traurigsein
ihre absolute Daseinsberechtigung im Leben
haben dürfen und einfach dazugehören.
Welche Therapieentscheidung wurde
getroffen?
Es war mit der Diagnose unumgänglich, dass
ich eine Operation, Chemotherapie und Bestrahlung
benötigen würde. Und das alles noch
in der Schwangerschaft. Zu aggressiv und bösartig
war mein Tumor, als dass man hätte abwarten
können.
Wie groß war deine Angst, dass die Chemotherapie
deinem Baby schadet?
Riesig! Doch der Arzt erklärte mir, dass in der Regel
keine schweren
Nebenwirkungen
für das Kind zu erwarten
sind. Das nahm
mir ein wenig meine Sorgen. Es blieb mir nichts
anderes übrig, als der Medizin zu vertrauen. Aktiv
beschützen konnte ich mein ungeborenes Kind
nicht – das machte mich oft sehr traurig. Doch es
gab einfach keine andere Option. Ich wollte leben.
Überleben! Für meine Kinder. Für meinen Mann.
Für mich.
Wie verlief die Geburt?
Um keine zu lange Therapiepause entstehen
zu lassen, musste die Geburt in der 38. Woche
eingeleitet werden. Das Ganze dauerte mehrere
Tage und brachte mich an den Rand meiner
Kräfte. Es deprimierte mich so sehr. Mein Baby
war einfach noch nicht bereit und trotzdem
musste es auf die Welt kommen, damit ich weiter
mit der Therapie machen konnte. Weder
mein Baby noch ich hatten eine Wahl. Doch als
er dann geboren wurde und kerngesund war,
waren all die Strapazen vergessen. Die Emotionen
sprudelten nur so aus mir heraus. Endlich
konnte ich ihn beschützen. Das war ein so
wundervolles Gefühl, woran ich mich so gern
zurückerinnere.
Wie ging deine Therapie nach der Geburt
weiter?
Bereits zwei Wochen nach der Geburt ging es
direkt weiter mit den nächsten, wöchentlichen
Chemotherapien. Zwölf an der Zahl, also weitere
drei Monate Chemotherapie. Ich hatte kein
Wochenbett, keine Zeit der Ruhe, keine Wahl.
Der Alltag mit zwei kleinen Kindern ist auch
ohne Krebsbehandlung oft sehr chaotisch.
Wie hast du es geschafft, Familienleben und
die Therapie unter einen Hut zu bekommen?
Wie wir das alles geschafft haben, weiß ich bis
heute nicht. Wir haben einfach funktioniert. Als
Paar, als Team, als Eltern. Und nur so ging es.
Du hast die Operation, die Chemo und die
Bestrahlungen hinter dich gebracht – und
wirst weiter behandelt …
Ja, ich habe mit dem Ende der Bestrahlung mit
der Antihormontherapie begonnen. Dabei wird
mein Körper künstlich in die Wechseljahre versetzt,
um zu verhindern, dass eventuell noch
vorhandene hormonsensitive Krebszellen im
Körper wachsen können. Diese Therapie begleitet
mich nun die nächsten fünf bis zehn Jahre.
Bei einer Kontrolluntersuchung im
Dezember hast du erfahren, dass etwas in
deiner Brust ist, was da nicht hingehört.
Was ging in dir vor?
All das bereits Erlebte lief in Sekunden wieder
vor meinen Augen vor mir ab. Leuchtende vier
Millimeter, die wieder all die Ängste und Sorgen
mit einem Fingerschnippen hervorholten.
Die Angst, alles noch mal erleben und durchmachen
zu müssen.
Wie gehst du jetzt damit um?
Mein Arzt sagte, dass es sich um nichts Bedenkliches
handele und kein Agieren notwendig wäre.
Doch eins weiß ich ganz sicher, ich werde keinerlei
Zeit mit „Abwarten“ verschwenden und
handeln. Was auch immer das in meiner Brust
ist, es muss raus. Krebs ist unberechenbar und
mir mein Leben mit meinen Kindern zu kostbar,
als dass ich irgendeiner eventuellen Gefahr zu
lange die Chance gebe, sich auszubreiten. .
Warum Linda sich auf
Instagram engagiert und
welche Tipps sie allen Frauen
mit auf den Weg geben
möchte, lesen Sie online:
www.lebenmit.de
Inspiration
Mehr auf www.lebenmit.de I 13
Prof. Dr. Pia Wülfing hat
die Onkologie im größten
deutschen Brustzentrum
in Hamburg geleitet. Dann
hat sie PINK! gegründet. Im
Interview spricht sie über
ihre Intention dahinter und
erklärt, wie die App auf
Rezept Patientinnen hilft.
Digitale Hilfe
für Brustkrebspatientinnen
Prof. Dr. Pia Wülfing
Ärztin und Gründerin von PINK!
„Wir bei PINK!
möchten Betroffenen
dabei helfen, selbst
aktiv gegen Brustkrebs
zu werden. Und
wir hoffen, so auch
Krankheitsverläufe
positiv beeinflussen zu
können.“
Scannen Sie den QR-Code
und gelangen Sie zur PINK!
Coach-Seite mit weiterführenden
Informationen oder:
www.pink-brustkrebs.de
Wie ist die Idee zu PINK! entstanden? Woher
kommt Ihr persönliches Engagement?
Ich habe PINK! gegründet, um
Brustkrebspatientinnen und ihre
Angehörigen in der schweren Zeit während
und nach der Therapie zu unterstützen. Die
Idee ist aus meiner klinischen Erfahrung
heraus entstanden. Ich habe als Gynäkologin
und Brustkrebsspezialistin 20 Jahre lang
in zwei großen Brustzentren Patientinnen
onkologisch betreut und immer zu wenig
Zeit gehabt, alle Fragen zu beantworten.
Und die Not der Patientinnen erlebt, die
in dieser kritischen Situation ausführliche
und verständliche Informationen brauchen,
um wieder „Boden unter den Füßen“
zurückzuerlangen.
Wir bei PINK! möchten Betroffenen dabei
helfen, selbst aktiv gegen Brustkrebs zu
werden. Wir wollen die Patientensouveränität
stärken und die Patientinnen gezielt coachen,
sich gesünder zu verhalten. So können
Patientinnen auch besser mit ihren Therapien
leben und besser mit ihren Nebenwirkungen
umgehen. Und wir hoffen, so auch
Krankheitsverläufe positiv beeinflussen zu
können.
Was genau hat es mit digitalen
Gesundheitsanwendungen, kurz DiGAs,
auf Kassenkosten auf sich?
DiGAs sind Gesundheits-Apps auf Rezept,
die dabei helfen, eine Krankheit zu erkennen,
Patienten während der Behandlung zu
begleiten und dadurch den Behandlungserfolg
zu verbessern und die Lebensqualität
zu steigern. Darunter versteht man CEzertifizierte
Medizinprodukte, die auf digitalen
Technologien basieren und erfolgreich
vom Bundesinstitut für Arzneimittel und
Medizinprodukte (BfArM) geprüft wurden.
Der Zulassungsprozess ist dem bei einem
neuen Medikament sehr ähnlich. Besonders
wichtig ist, dass man den medizinischen
Nutzen wissenschaftlich in Studien beweisen
und höchste Datensicherheit und Schutz
der sensiblen Patientendaten nachweisen
muss. Wenn diese und viele weitere
Kriterien erfüllt sind und man als DiGA
gelistet wird, kann die App von allen Ärzten
und Psychotherapeuten budgetneutral per
Rezept verordnet werden. Und Patienten
bekommen sie dann vollumfänglich von
den gesetzlichen Krankenkassen erstattet.
Die Benutzung einer DiGA ersetzt natürlich
keinen Arztbesuch oder die Einnahme eines
Arzneimittels. Sie kann aber eine sinnvolle
Ergänzung und Unterstützung darstellen.
Was bietet der PINK! Coach den
Patientinnen?
Die App begleitet als „digitaler Coach“ die
Patientinnen während der Therapie und in
der Nachsorge und motiviert sie Tag für Tag
mit personalisierten Zielen, gesund zu essen,
sich zu bewegen und achtsam zu sein. Viele
Patientinnen sind unsicher, ob sie selbst
genug tun. Durch ein individuell tagtäglich
zusammengestelltes Programm, das man
„abarbeiten“ kann, wird vorgegeben, zum
Beispiel welche Kombination aus Dehn- und
Kraftübungen und Ausdauersport sinnvoll ist,
welche Lebensmittel wie verarbeitet gesund
sind, was man selbst tun oder besser lassen
sollte. Außerdem bietet die App eine große
Infothek mit wissenschaftlich fundierten
Texten und Videos von unseren Experten aus
den Bereichen Ernährung, Bewegung und
Meditation. Die App ist ein CE-zertifiziertes
Medizinprodukt und DiGA. Ihre klinische
Wirksamkeit wurde in einer Studie an der
LMU München bestätigt.
Wie kommen Patientinnen an die App auf
Rezept?
Über alle Ärzte und Psychotherapeuten,
ob sie niedergelassen oder in einer Klinik
oder Ambulanz tätig sind. In Kliniken
muss die Verordnung über das sogenannte
„Entlassmanagement“ erfolgen. Als Patientin
erhält man also ein rosa Kassenrezept für
PINK! Coach, auf dem drei Angaben stehen
sollten: 1) DiGA, 2) PINK! Coach, 3) PZN
18206191. Dann reicht die Patientin dieses
Rezept bei der Krankenkasse ein und erhält
innerhalb weniger Tage einen Freischaltcode
von der Kasse. Nachdem man die App PINK!
Coach im App Store oder Google Play Store
auf sein Smartphone geladen hat, muss man
diesen Freischaltcode in der App eingeben,
um diese nutzen zu können. .
Gastbeitrag PINK!
14
Patientengeschichte
„Lebensqualität
dank Cannabis“
Brustkrebspatientin Uta Melle setzt sich für medizinisches
Cannabis ein. Warum, erzählt sie im Interview.
Bitte erzähle uns von deiner Erkrankung.
Anfang April 2009, gerade 40 geworden, bekam
ich die Diagnose Brustkrebs links. Zwei Tage
später starb meine Mutter an der gleichen
Krankheit. Ihre sehr ähnliche Erstdiagnose
bekam sie im gleichen Alter wie ich. Leider
hatte sie sich lediglich für eine einseitige
Mastektomie ohne Chemo entschieden. So
tauchte der Krebs einige Jahre später in der
anderen Brust wieder auf und war dann nicht
mehr aufzuhalten.
Welche Therapie hast du bekommen?
Ich entschied mich also für die beidseitige
Mastektomie und eine Chemotherapie.
Zusätzlich entschied ich mich aufgrund des
bei mir nachgewiesenen BRCA-Gens zur
Entfernung der Eierstöcke. Ich habe mich gegen
einen Aufbau der Brüste entschieden. Eine
Entscheidung, die ich bis heute nicht bereut
habe.
Während der Chemotherapie sind
Nebenwirkungen aufgetreten und du hast
dich für deine ganz eigene Behandlung
entschieden.
Eine Chemotherapie ist natürlich kein Spaß.
Wenn sie wirkt, tut sie weh. Man hat ganz neue
Schmerzerfahrungen. Zusätzlich konnte ich
kaum schlafen, war nicht hungrig und hatte
Depressionen – die Angst vor dem Tod und der
Verlust meiner wunderbaren Mutter waren sehr
vorherrschend.
Natürlich gibt es gegen die Nebenwirkungen
ausgezeichnete Medikamente, jedoch bin ich
mit einer kaputten Niere und einer Epilepsie
geboren. Das bedeutet, ich darf meine Nieren
nicht zusätzlich belasten und viele Wirkstoffe
haben Wechselwirkungen mit meinen
Antiepileptika.
Mein Mann erzählte mir, dass Cannabis
eventuell gegen Schmerzen, Appetitlosigkeit
und Angstzustände helfen könnte – so habe
ich das probiert. Und tatsächlich: Ich konnte
wieder essen, war definitiv lebendiger,
interessierter am Leben; meine Ängste lösten
sich in Wohlgefallen auf. Auch die Schmerzen
wurden merklich besser. Ein „Joint“ wirkte da
wie eine 800er Ibuprofen.
Damals war das noch illegal. Was hat sich
seitdem verändert?
Seit 2017 kann man sich Cannabis über ein
Betäubungsmittelrezept in Deutschland verschreiben
lassen. Seitdem gibt es viel mehr
Darreichungsformen, wie Öle, Tropfen, Cremes
und Tabletten, die leichter zu dosieren sind.
Natürlich gibt es jetzt aber auch die Blüten zum
Verdampfen. Bekommt man diese, gibt es auch
einen Verdampfer auf Rezept.
Wofür kann Cannabis eingesetzt werden?
Die Bandbreite ist weit. Ich habe mit über 60
Patienten gesprochen, deren Behandlung
von anderen Medikamenten auf Cannabis
umgestellt wurde. Darunter waren viele
Schmerzpatienten mit MS oder Fibromyalgie,
die vorher Opioide oder Morphine nehmen
mussten. Vor der Umstellung nahmen sie
eigentlich nicht mehr am Leben teil. Sie
vegetierten vor sich hin. Nach der Umstellung
waren es wieder glückliche, lachende Leute;
einige konnten dem alten Job wieder nachgehen.
Bei einem Patienten ersetzte Cannabis bis zu
16 andere tägliche Medikamente. Natürlich
gibt es auch Patienten, bei denen der Einsatz
von Cannabis nicht funktioniert, und es kann
Wechselwirkungen mit anderen Präparaten wie
z. B. Tamoxifen geben. Das gilt allerdings für
jeden Wirkstoff, der in der Medizin eingesetzt
wird.
Trotzdem ist die Cannabistherapie mit
vielen Vorurteilen verbunden. Was ist, deiner
Meinung nach, der Grund?
In unserem Sprachgebrauch ist das Wort Droge
sehr negativ behaftet, obwohl alle Wirkstoffe
natürlich Drogen sind. Morphine und Opiate
sind anerkannte Drogen, weil der medizinische
Einsatz bekannt ist. Obwohl Cannabis viel
breitere Einsatzmöglichkeiten bietet und
sehr viel sanfter in der Behandlung als solche
Wirkstoffe ist, muss die Seriosität erst noch
von Ärzten und Patienten aufgebaut, müssen
Vorurteile abgebaut werden.
Wie kam es dazu, dass du dich so stark für
medizinisches Cannabis einsetzt?
Es ist einfach ein richtig gutes Zeug, das mir und
vielen anderen Menschen geholfen hat.
Was wünschst du dir für Krebspatienten bzgl.
.
der Therapie mit Cannabis?
Ich wünsche mir, dass sich mehr Ärzte für
Cannabis interessieren und sich schulen lassen.
Hier sehe ich noch viel Nachholbedarf.
Foto Peter Müller Photography
„Mein Mann
erzählte mir, dass
Cannabis eventuell
gegen Schmerzen,
Appetitlosigkeit und
Angstzustände helfen
könnte – so habe
ich das probiert.
Und tatsächlich:
Ich konnte wieder
Essen, war definitiv
lebendiger,
interessierter
am Leben; meine
Ängste lösten sich
in Wohlgefallen
auf. Auch die
Schmerzen wurden
merklich besser. Ein
‘Joint’wirkte da wie
eine 800er Ibuprofen.“
Redaktion Emma Howe
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Gemeinsam die Zukunft der
Cannabinoid-Therapie gestalten
Wir setzen uns dafür ein, die Lebensqualität von Menschen zu verbessern.
Dies ermöglichen wir mit unseren innovativen Produkten und Serviceleistungen.
Lebensqualität und Symptomlinderung
Patient:innen stehen an erster Stelle. Unsere innovativen Produkte und
Serviceleistungen dienen der Unterstützung der Therapie – vor allem bei
Indikationen, in denen die Wirkung der Standardtherapie begrenzt ist oder
große Nebenwirkungen zeigt.
Evidenzbasierte Therapie im Fokus
Gemäß unserer “Patient First” Philosophie wählen wir Geschäftspartner:innen nach
Aspekten der Qualität, Nachhaltigkeit und Geschäftsethik aus. Unser Hauptanliegen
ist das Erzeugen von Wissen anhand von medizinischen Daten, damit Patient:innen,
Ärzt:innen und Apotheker:innen uns und unseren Produkten vertrauen können.
Allianzen für den Fortschritt
Wir wollen Innovation im Cannabis-Sektor voranbringen. Dafür schaffen wir
strategische Allianzen mit Vordenker:innen und führenden Einrichtungen im
Gesundheitswesen und den Wissenschaften, um Fortschritt im Interesse der
Patient:innen und medizinischen Fachkreise zu fördern.
Wir fordern Fortschritt. Deshalb sind wir Mitglied in mehreren Verbänden:
Vayamed ist eine Marke der Sanity Medical, die sich der medizinischen
und gesundheitlichen Nutzung von Cannabinoiden verschrieben hat:
vayamed.com
MEHR ERFAHREN
16
Inspiration
Gastbeitrag Yoga und Krebs
Fotos
Yoga und Krebs
Yoga in der Krebs- und Palliativtherapie
Eine Vielzahl wissenschaftlicher Studien belegt die Wirksamkeit von Yoga als begleitendem Verfahren
in der Krebstherapie. Achtsamkeitsbasiertes, medizinisches Yoga mindert nachweislich
Fatigue, Stress und Angst. Das gilt für alle Stufen der Krebserkrankung, also während der Primärbehandlung
genauso wie bei Rezidiven und in der palliativen Phase.
Das medizinische Yoga kombiniert
Entspannungsverfahren
mit körperlicher Aktivität. Dabei
werden die individuellen
Gegebenheiten der Betroffenen
beachtet und eine Überforderung
vermieden. Aus diesem Grund können
auch sehr geschwächte und fortgeschritten
erkrankte Krebspatienten Yoga machen.
Da nicht nur mit Körperübungen, sondern
auch mit Atemtechniken, inneren Bildern
und Meditationen gearbeitet wird, ist Yoga
auch bei stationären Aufenthalten und auch
in einer Palliativsituation gut geeignet.
Nebenwirkungen von Krebstherapien können
durch Yoga gelindert werden. Die Datenlage ist
inzwischen so überzeugend, dass Yoga in internationalen
Leitlinien für komplementäre Verfahren
in der Krebstherapie fest verankert ist.
Besonders hilfreich ist Yoga bei der Linderung
von Fatiguesyndrom, Ängsten, Depressionssymptomen
und Schmerzen. Außerdem
vermindert Yoga das Stressempfinden, kann
Entzündungsparameter senken und verhilft
zu mehr Vitalität und einem besseren Schlaf.
Onkologische Patienten sollten unbedingt auf
eine onkologische Zusatzausbildung der Yogalehrer
achten. Ein fundiertes medizinisches
Wissen über Krebserkrankungen ist notwendig,
um Yogastunden anzuleiten, die in dieser Situation
tatsächlich hilfreich sind. Die Kammler
Akademie ist die Top-Adresse für Aus- und Weiterbildungen
zu Yoga und Krebs. Hier finden
Yogalehrer und medizinische Fachkreise alle
wichtigen Informationen und Weiterbildungen.
Interview mit der Gründerin der Akademie, Gaby Nele Kammler.
Wie sind Sie zu Yoga für Krebspatienten gekommen?
Als nach meiner Ausbildung zur Yogalehrerin
die ersten Krebspatienten in meine Kurse kamen,
habe ich angefangen zu recherchieren:
Was kann man mit Yoga bei Krebs erreichen?
Gibt es Studien und Erfahrungswerte dazu? Da
es kaum etwas dazu gab, habe ich mit meinem
Wissen aus 20 Jahren im wissenschaftlichen Außendienst
in der Schulmedizin und dem, was
ich über Yoga wusste, spezielle Yogastunden
erstellt, die den Krebspatienten sehr geholfen
haben. Im Laufe der Jahre ist durch viele Fortbildungen,
eine intensive eigene Praxis und viel
Erfahrung mit Yogastunden für Krebspatienten
ein eigenes Konzept entstanden. Dies gebe ich
in einer onkologischen Ausbildung nun an Yogalehrer
weiter.
Was zeichnet das Konzept Yoga und Krebs aus?
Zunächst einmal wird jede Yogastunde an das
jeweilige Therapiestadium angepasst. Während
einer Chemo- und Bestrahlungsphase sind andere
Übungen hilfreich als in der Rehaphase.
Von uns ausgebildete „Yoga und Krebs“-Trainer
Gaby Nele Kammler
10 Jahre Unterrichtserfahrung
Yoga bei Krebs, Referentin Stiftung
Deutsche Krebshilfe
kennen sich mit modernen Therapien und ihren
Nebenwirkungen aus und wissen, wie sie
diese gezielt mit Yoga lindern können. Ängste,
Fatiguesyndrom, Lymphödeme oder Schmerzen
lassen sich wunderbar mit Yoga lindern.
Zudem lösen einige Körperübungen (Asanas),
die gesunde Menschen als angenehm empfinden,
bei Krebspatienten eher unangenehme
Gefühle aus oder sind gar nicht machbar.
Auch neueste Erkenntnisse aus der Neurowissenschaft
sind mit eingeflossen und helfen bei
der Anleitung hilfreicher Meditationen und der
Entwicklung von positiven inneren Bildern.
Was stärkt, Ihrer Meinung nach, Menschen
mit oder nach einer Krebserkrankung am
meisten?
Eine gute Wahrnehmung der eigenen Bedürfnisse
und eine gute Selbstfürsorge. Yoga macht
den Körper nach OPs auf sanfte Weise wieder
beweglicher, kräftiger, schenkt neue Energie.
Achtsamkeits- und Meditationsübungen lassen
den Menschen spüren, was seine eigenen Kraftquellen
sind und wie er seinen weiteren Lebensweg
gestalten möchte. Häufig ist die Zeit einer
Krebserkrankung auch eine Zeit der Veränderung
und Transformation, die das bisherige Leben
auf den Prüfstand stellt. Diesen Weg können
wir mit Yoga wunderbar begleiten..
Weitere Informationen und Yogalehrer
in Ihrer Nähe finden Sie unter:
www.yoga-und-krebs.de
Patientengeschichte
Mehr auf www.lebenmit.de I 17
„Mama,
ich brauche
dich noch“
Mehr über Yvonne
erfahren Sie auf:
www.instagram.
com/lachen_
gegen_krebs
Yvonne war 32 Jahre alt, stand mitten im Leben und plante ein
zweites Kind, als sie die Diagnose Zervixkarzinom, verursacht
durch HPV 16, bekam. Im Interview spricht
sie über schwierige Operationsentscheidungen,
Palliativtherapie und den Grund, warum sie nie
aufhören wird, für das Leben zu kämpfen.
Redaktion Leonie Zell
Fotos privat
Krebs ist eine stille Erkrankung, die häufig
lange Zeit symptomfrei verläuft.
Auch ich hatte keinerlei Symptome oder
Beschwerden. Ich bin nur zur Frauenärztin
gegangen, weil ich abklären lassen wollte, ob
ich problemlos ein zweites Kind bekommen
kann. Dabei wurde die Krebsvorsorge gleich
mitgemacht und der Abstrich eingeschickt.
Dieser war leider auffällig und es wurde
sechs Wochen später ein zweiter Abstrich
gemacht. Der war noch schlechter und
ich bekam die Diagnose HPV-16-positiv,
Gebärmutterhalskrebs.
Und Sie mussten eine Entscheidung
treffen …
Ja, ich musste mich zwischen zwei Operationen
entscheiden. Die erste Variante war die
sicherste, dabei werden die Gebärmutter, der
Eileiter und der Gebärmutterhals entfernt. Bei
der zweiten Variante hätte ich möglicherweise
noch Kinder bekommen können, denn das
war ja mein Herzenswunsch. Doch als mein
damals zwölfjähriger Sohn mein Dilemma
mitbekam, sagte er: „Mama, entscheide dich
bitte für die sichere Variante – ich brauche
dich noch. Was will ich mit einem Geschwisterchen,
wenn du nicht mehr da bist?“ Das
hat mich dazu bewogen, auf Nummer sicher
zu gehen und die radikale Variante zu wählen.
Krebsfrei zu sein, war das Ziel der Operation
– doch es kam alles anders.
Nach der überstandenen OP teilten mir die
Ärzte mit, dass sie alles entfernen konnten
und ich froh sein kann, denn es waren keine
Lymphknoten befallen und ich sollte mich
somit auf das Gesundwerden konzentrieren
und mein Leben weiterleben. Doch ein Jahr
später, während einer Reha, bekam ich starke
Schmerzen im Becken. Ich konnte nicht mehr
richtig laufen und schaffte es nur mit starken
Schmerzmitteln durch
den Tag. Es begannen
zahlreiche Untersuchungen,
um die Ursache für
die Schmerzen herauszufinden.
Nachdem ich einmal auf den Kopf gestellt
wurde, bekam ich die Diagnose Metastase im
Knochen, ausgehend vom Zervixkarzinom.
Wie haben Sie darauf reagiert?
Ich bekam den Anruf aus der Klinik, als wir
gerade Besuch hatten. Ich weiß noch, dass
ich wie ein Roboter am Telefon war, und nach
dem Gespräch habe ich nur noch geweint.
Wie ging es dann weiter?
Nach der Diagnose besprach sich das
Tumorboard und beschloss eine palliative
Therapie. Damals konnte ich mit dem Wort
gar nichts anfangen. Doch es hieß, dass ich
eine Kombination aus Chemotherapie und
anschließend 25-mal Bestrahlung bekomme.
Ich war voller Tatendrang und bereit, gegen
den Krebs zu kämpfen. Doch dann kam die
Ärztin und erklärte mir, dass es nicht mehr
heilbar ist und ich nie wieder gesund werden
würde, doch dass versucht wird, meinen
Zustand so lange wie möglich stabil zu halten.
Was ging in diesem Moment in Ihnen vor?
Mit einem Schlag war die Angst übermächtig.
Die Angst zu sterben, meinen Sohn und
meine Familie allein lassen zu müssen. Es
war für mich das Schlimmste, als ich die
neue Diagnose meinem Sohn und meiner
Familie mitteilen musste. Mein Sohn
war und ist trotzdem immer derjenige,
für den ich stark sein will! Und so kam es
dann auch. Mit der Hilfe meiner Familie
und meiner Freunde habe ich die Chemo
und Bestrahlung überstehen können.
Jedoch habe ich mich seitdem verändert,
weshalb meine Beziehung in die
Brüche ging und Freundschaften
auseinandergebrochen sind.
Wie werden Sie heute therapiert?
Ich bekomme alle drei Wochen eine Antikörpertherapie
und eine Knochenaufbauspritze.
Woher nehmen Sie die Kraft, weiterzumachen
und nicht aufzugeben?
Mein Ziel war es immer, meinen Sohn
aufwachsen zu sehen, ihm Halt zu geben
und ein gutes Vorbild zu sein. Außerdem
liebe ich das Leben und alles, was ich daraus
machen kann. Seit fast vier Jahren habe ich
außerdem meinen Seelenhund gefunden,
der mir zusätzlich zu allen Menschen um
mich herum Kraft gibt, um weiterzumachen.
Was hilft Ihnen in schwierigen Momenten
am meisten?
Ich glaube, es kommt auf die Situation an.
Mir hilft allerdings immer der Rückhalt
meiner Familie und meiner Freunde, das
Zusammensein mit meinem Hund oder
einfach der Glaube daran, dass mein Weg
noch nicht zu Ende ist. Ich habe mir aber auch
schon Hilfe geholt durch Psychotherapie, und
auch der Aufenthalt in der psychosomatischen
Tagesklinik hat mir sehr geholfen, aus einem
Tief wieder herauszukommen. Wichtig ist es,
sich eingestehen zu können, dass es keine
Schwäche ist, wenn man um Hilfe bittet. .
Warum Yvonne angefangen hat,
sich zu engagieren, und warum
sie sich für die HPV-Impfung
einsetzt, lesen Sie auf:
www.lebenmit.de
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Erfahrungsbericht
Alle Sorgen
fließen mit
den Wellen
E
ndlich! Endlich bin ich hier, das
habe ich mir schon so lange gewünscht!“,
ruft die 80-jährige Sabine,
als sie das Meer sieht. Sie
ist froh, am Strand zu sein, mal
rauszukommen aus dem Seniorenzentrum
und dem Alltag, der von ihren
multiplen Erkrankungen geprägt ist. Eingemummelt
in Mantel und Schal geht ihr Blick
zum Horizont. Er bleibt irgendwo da draußen
hängen, wo Himmel und Erde sich begegnen.
Alle Sorgen fließen mit den Wellen weg. Und
auch die Gewissheit, dass das Leben unweigerlich
mit dem Sterben in den Tod übergeht.
Mit dem Projekt „Der Wünschewagen –
Letzte Wünsche wagen“ erfüllt der Arbeiter-
Samariter-Bund Deutschland e. V. seit 2014
an mittlerweile 23 Standorten bundesweit
Menschen am Ende ihres Lebens einen letzten
Herzenswunsch.
Dabei sind die Wünsche so individuell wie
die Menschen: noch einmal das Meer sehen,
noch einmal das eigene Zuhause besuchen,
die Lieblingsband erleben oder mit dem Lieblingsfußballverein
im Stadion fiebern. Das
Besondere an diesem Projekt: Es wird rein ehrenamtlich
getragen und ausschließlich durch
Spenden finanziert. Für die Fahrgäste und
Begleitpersonen sind die Fahrten kostenlos.
Wunschfahrten werden grundsätzlich mit den
speziell dafür entwickelten Wünschewagen
durchgeführt, einem Krankentransportwagen,
der neben dem üblichen medizinischen
Equipment über eine besondere Ausstattung
weg
Gastbeitrag
Arbeiter-Samariter-Bund
Deutschland e. V.
wie eine verspiegelte Rundumverglasung für
einen Panoramablick in die Umgebung verfügt
und auch Wunschfahrten über eine längere
Distanz ermöglicht. Und im ASB-Wünschewagen
gehen wirklich (fast) alle Wünsche
in Erfüllung. So spielen die Wunscherfüller
auf der Fahrt nach Scheveningen in Holland
Mozarts „Kleine Nachtmusik“. Sabine dirigiert
und singt aus vollem Herzen mit.
Für die Fahrgäste des ASB-Wünschewagens
ist eine Wunschfahrt eine Möglichkeit, für
ein paar Stunden das Krankenhaus, die Pflegeeinrichtung
oder das Hospiz zu verlassen
und Krankheit und Leid zu vergessen. Und so
genießt Sabine aus vollem Herzen – am Zielort
angekommen – die Fahrt am Strand und
das Essen in einem der vielen Restaurants
entlang der Strandpromenade. Sie probiert
„Kibbeling“, und der holländische Backfisch
schmeckt ihr ausgezeichnet. Dass ihre Tochter
mit Familie ebenfalls spontan nach Scheveningen
gekommen ist, sorgt für einen zusätzlichen
Höhepunkt.
Die ASB-Wünschewagen
erfüllen sterbenskranken
Menschen jeden
Alters einen letzten
Herzenswunsch.
Knapp 2.000 ehrenamtliche Wunscherfüller
engagieren sich in ihrer Freizeit für das Herzensprojekt
des ASB. Sie sind hauptberufliche
Fachkräfte aus dem medizinischen, pflegerischen
oder rettungsdienstlichen Bereich.
Sie schenken den Wünschewagen-Fahrgästen
und ihren Angehörigen ein wunderbares
Erlebnis, sorgen für unbeschwerte Stunden
und einzigartige Momente, die den Hinterbliebenen
nach dem Unabwendbaren viel
Kraft in ihrer Trauer geben. Ihre Begleitperson
können Fahrgäste frei wählen. Weitere
Familienmitglieder, Verwandte oder Freunde
können außerdem selbst zum Zielort anreisen.
Wir sind überzeugt: Die Erfüllung eines
Wunsches ist auch die Würdigung eines
Lebens. Der ASB trägt dazu bei, dass seine
Wünschewagen-Fahrgäste in Frieden vom
Leben Abschied nehmen können.
Mehr als 3.000 Wünsche haben die ASB-Wünschewagen
bereits deutschlandweit erfüllt.
Die Fahrgäste suchen sich oftmals Orte mit
Bedeutung in ihrem Leben. Nicht selten geht
die Reise noch einmal zum Geburtsort oder in
die ehemalige Heimat, zu Familienfeiern oder
Urlaubsorten. Erinnerungen aufleben lassen,
sich Zeit füreinander nehmen, die Arbeit der
Wünschewagen trägt dazu bei, die Einzigartigkeit
und den unschätzbaren Wert des Lebens
stets in Gedanken zu behalten. Das Beschwerliche
des Alltags verliert an Bedeutung,
einzig der schöne Moment, die Wunschfahrt
zählt. Es ist nicht viel nötig, um in diesen Zeiten
glücklich zu sein. Das weiß auch Sabine:
ein herzliches, jederzeit zugewandtes, geduldiges
und in allen Belangen geschultes Team,
ein Wettergott, der unterwegs Schnee und
Graupel schickt, aber am Zielort den Himmel
blau strahlen lässt, ein Wunsch und der Mut,
diesen Wunsch zu wagen. Und schließlich der
ASB-Wünschewagen! Dann ist „Endlich!“ ein
gutes und schönes Wort. Ein Sternenhimmel
im Wünschewagen und „Der Mond ist aufgegangen“
lassen auch die stilleren Momente
der Rückfahrt zu einem besonderen Erlebnis
werden. .
Mehr auf www.lebenmit.de I 19
ASB-Wünschewagen –
Letzte Wünsche wagen
Schwerstkranken Menschen jeden Alters
einen innigen Wunsch zu erfüllen, dieser
Aufgabe hat sich der Arbeiter-Samariter-
Bund Deutschland e. V. mit seinem Projekt
„Der Wünschewagen – Letzte Wünsche
wagen“ verschrieben. 2014 in Essen gestartet,
finden sich ASB-Wünschewagen an
23 Standorten bundesweit. Das Projekt ist
rein ehrenamtlich getragen und wird ausschließlich
durch Spenden finanziert. Für
die Fahrgäste und Begleitpersonen sind die
Fahrten kostenlos. Sie haben selbst einen
letzten Wunsch oder kennen jemanden, der
in der letzten Lebensphase gerne etwas
unternehmen würde? Zögern Sie nicht, unsere
Wunscherfüller vor Ort zu kontaktieren:
www.wuenschewagen.de
Spenden helfen uns, die Reisekosten zu
den Wunschorten, die Schulungen unserer
ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer,
Dienstkleidung sowie Anschaffung und
Ausstattung der Fahrzeuge zu finanzieren.
Jede Unterstützung ermöglicht es uns,
letzte Wünsche wahr werden zu lassen.
Werden auch Sie zum Wunscherfüller.
Spendenkonto
Arbeiter-Samariter-Bund
Deutschland e. V.
Bank für Sozialwirtschaft
IBAN: DE84 3702 0500 0007 0607 05
BIC: BFSWDE33XXX
Stichwort: Wünschewagen
Fotos ASB
Der ASB trägt
dazu bei, dass seine
Wünschewagen-
Fahrgäste in Frieden
vom Leben Abschied
nehmen können.
www.infonetz-krebs.de
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