ERFOLG Magazin Dossier 23: Mittelstand
Fünf anerkannte Experten geben Einblick in ihre Erfolgsstrategien für den Mittelstand.
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ERFOLG
DOSSIER
magazin
Erfolgsstrategien für den
MITTELSTAND
Bilder: Felix Zeiffer, Karl Sammer, Simone Reukauf, Dominik Pfau
MARC ULRICH
MEIER
PATRICK
KOWALEWSKI
TIMOTHEUS
KÜNZEL
E-PAPER AUSGABE 23 . 2022
SVEN
HORAK
DEUTSCHLAND | ÖSTERREICH | SCHWEIZ
PHILIP
SEMMELROTH
INHALT
Artikel
Er hat es doch noch immer geschafft!
Wie der Mittelstand auch aus dieser
Krise gestärkt hervorgehen kann..........................4
Interviews
Patrick Kowalewski
Selbsterkenntnis kann schmerzen................................6
Sven Horak
Ganzheitliche Digitalisierungen statt Insellösungen.......8
Bilder: Felix Zeiffer, Karl Sammer, Simone Reukauf, Dominik Pfau
Timotheus Künzel
Zu ambitioniert gibt es nicht......................................10
Marc Ulrich Meier
Menschlichkeit löst Scheinwelten ab..........................12
Philip Semmelroth
Mit der Gewinnermittlung fängt es an.......................14
Impressum
Erfolg Magazin Dossier
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Redaktion/Verlag
Backhaus Verlag GmbH
ist ein Unternehmen der Backhaus Mediengruppe
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Gesellschafter Julien Backhaus
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Chefredakteur (V.i.S.d.P.) Julien Backhaus
Redaktionsleitung: Johanna Schmidt
Redaktion: Martina Karaczko, Anna Seifert
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Layout und Gestaltung: Christina Meyer,
Stefanie Schulz
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Herausgeber, Verleger:
Julien Backhaus
Anschrift
Zum Flugplatz 44
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2 www.erfolg-magazin.de . Ausgabe 23 . ERFOLG magazin
Editorial
Bild: Oliver Reetz
Julien Backhaus
Verleger und
Herausgeber
DER MITTELSTAND MUSS SICH
NEU ERFINDEN
Der Mittelstand ist derzeit sehr präsent – aber nicht unbedingt mit guten
Nachrichten. Die Energiekrise und eine anstehende Rezession machen ihm
sehr zu schaffen und haben bereits erste Opfer gefordert. Bekannte deutsche
Traditionsunternehmen mussten den Gang zum Amtsgericht antreten und
Insolvenz anmelden. In manchen Fällen ist das zum Glück nur ein Verwaltungsakt,
der gesetzlich und oft auch aus versicherungstechnischen Gründen begründet
ist. Wer absehen kann, dass die Verbindlichkeiten in naher Zukunft nicht bedient werden
können, muss diesen Schritt gehen, weil es der Gesetzgeber verlangt. Später, wenn der
Insolvenzverwalter erkennen kann, dass es wieder bergauf geht, macht das Unternehmen
weiter. Man muss konstatieren: Einige Unternehmen befanden sich im Dornröschenschlaf
die letzten Jahre oder gar Jahrzehnte. Notwendige Reformen blieben aus, Innovationen
wurden »auf morgen verschoben«. Das rächt sich in einem globalen Markt. Somit dienen
die aktuellen Hiobsbotschaften vielen Mittelständlern auch als Weckruf. Jetzt ist es Zeit,
die Segel neu zu setzen. Das gelingt oft nicht mit alten Ideen. Unternehmer suchen nach
Antworten, wie sie die neuen Herausforderungen angehen können.
Das ERFOLG Magazin liefert mit dem Dossier Mittelstand die nötigen Antworten. Wir
haben einige der besten Experten der Branche gefragt, welche Themen sie derzeit besonders
beobachten. Auffällig dabei ist, dass sie besonders weiche Faktoren als kritische
Faktoren sehen. Der Fisch stinkt nun mal bekanntlich vom Kopf. Und das bezieht sich in
diesem Fall nicht nur auf die Geschäftsleitung, sondern auch auf das Denken der Führungsetage.
Denn mit alten Ideen wird keine Zukunft gebaut.
Alles dazu erfahren Sie in diesem Dossier von den anerkannten Experten Patrick Kowalewski,
Sven Horak, Timotheus Künzel, Marc Ulrich Meier und Philip Semmelroth.
Viel Freude bei der Lektüre
Ihr Julien Backhaus
ERFOLG magazin . Ausgabe 23 . www.erfolg-magazin.de
3
Artikel
ER HAT ES DOCH NOCH
IMMER GESCHAFFT!
Wie der Mittelstand auch aus dieser Krise
gestärkt hervorgehen kann
4 www.erfolg-magazin.de . Ausgabe 23 . ERFOLG magazin
Artikel
Bild: Depositphotos / dima_sidelnikov
Pandemie und Krieg heizen die
Inflation an und führen zu Lieferengpässen
– große Belastungen
für den Mittelstand. Seit
einiger Zeit fällt daher das Geschäftsklima
in Unternehmen unterschiedlichster
Branchen. So ist es jedenfalls
dem monatlich herausgegebenen
Mittelstandsbarometer der Förderbank
KfW zu entnehmen. Anlässlich der letzten
Veröffentlichung am 11. Oktober ließ sich
Studienautor Dr. Klaus Borger sogar dazu
hinreißen, von einer »Grabesstimmung«
zu sprechen; und das aus gutem Grund,
schließlich sank das Geschäftsklima auf
den tiefsten Stand seit Beginn 2020. Die
größte Herausforderung – das zeigt das
Mittelstandsbarometer der KfW ebenso
wie eine Umfrage des Bundesverbands
mittelständische Wirtschaft (BVMW) aus
dem August dieses Jahres – ist die Energiekrise.
Am stärksten belastet wird hier
der Einzelhandel, denn dieser ist besonders
vom Konsum der Verbraucher abhängig.
Doch auch bis ins Baugewerbe –
dem am wenigsten betroffenen Bereich
– sind die Auswirkungen der angespannten
Wirtschaftslage spürbar: »Lange ein
verlässliches Zugpferd der Konjunktur,
leidet der Bau inzwischen zunehmend an
den Preisschüben bei Energie und Materialien
sowie den steigenden Finanzierungskosten«,
fasst Dr. Borger die Gründe
für das Stimmungstief in seiner Analyse
zusammen.
Deutschland braucht den Mittelstand
Langfristige Probleme des Mittelstands
bedeuten auch ernsthafte Schwierigkeiten
für den Wirtschaftsstandort Deutschland.
Zahlen des statistischen Bundesamtes zufolge
machen mittelständische Betriebe
hierzulande über 99 Prozent der Unternehmen
aus. Allein 61 Prozent der Nettowertschöpfung
geht auf sie zurück. Kein
Wunder also, dass auch Mittelstandsvertreter
die Missstände jetzt deutlich ansprechen.
So erklärte etwa der Familienunternehmer-Präsident
Reinhold von
Eben-Worlée gegenüber dem »ZDF«, eine
»riesige Insolvenzwelle« sei bereits im
Gange und zehntausende Arbeitsplätze
stünden auf dem Spiel. Auch der Chefvolkswirt
des BVMW, Hans-Jürgen Völz,
merkte nur einen Tag nach der Veröffentlichung
des Mittelstandsbarometers in
einem Interview mit »Bild TV« an, der
Mittelstand sei ein wichtiger Treiber des
Fortschritts und müsse als solcher verstärkt
Beachtung finden. Gerade im direkten
Vergleich zu industriellen Großkunden
werde der Mittelstand seiner
Ansicht nach benachteiligt, denn KMU
würden erst ab März und nicht wie Großkunden
bereits ab Januar mit Entlastungen
bedacht. Eine in seinen Augen ungleiche
Verteilung, zumal der Mittelstand
ein wichtiger Treiber für den Fortschritt
sei. Ohne Mittelstand kein Fortschritt –
eine Sichtweise, über die Konsens
herrscht: Denn selbst EZB-Chefin Christine
Lagarde beschreibt in ihrer Rede aus
dem Jahr 2021 den Mittelstand als »Triebfeder«
der Wirtschaft. Schon in früheren
Krisen hätte er immer wieder bewiesen,
dasss er von zentraler Bedeutung für
Deutschland sei.
Die Krise – eine Chance für KMU?
Tatsächlich zeigt ein Blick in die Geschichte
des Mittelstands, dass es ausgerechnet
Krisen waren, in denen der Mittelstand
sein volles Potenzial entfalten
konnte. Die namhaftesten deutschen
Konzerne, von Aldi über Deichmann bis
Würth, entstanden zu Zeiten großer finanzieller
Not in der Bevölkerung. Heinrich
Deichmann etwa öffnete seine erste
Filiale im Jahr 1913 – einem Jahr, in dem
sich die Wirtschaftskrise bereits anbahnte,
deren Schrecken sich dann bis ins
das Jahr 1914 erstreckte. Wie es ihm gelang,
sein damals noch junges Unternehmen
durch die Krise zu führen? Indem er
sich auf seine Zielgruppe einstellte, das
anbot, was gebraucht wurde. Sein gleichnamiger
Enkel bringt das Motto des traditionsreichen
Familienunternehmens
noch heute auf den Punkt, wenn er sagt:
»Ich verstehe mein Unternehmen nicht
nur als Vehikel zum Geldverdienen, sondern
als Dienst am Menschen.«
Das Beispiel Deichmann zeigt eindrücklich,
dass es sich lohnt, in der Krise neue
Wege zu gehen und auch vor Risiken
Wer seine Zielgruppe kennt, sich im Angesicht
der Krise klar positioniert und Investitionen wagt,
für den können solche wirtschaftlich unsicheren
Phasen auch große Chancen bieten.
Langfristige Probleme
des Mittelstands bedeuten
auch ernsthafte
Schwierigkeiten für den
Wirtschaftsstandort
Deutschland.
nicht zurückzuschrecken. Denn besieht
man sich die renommierten Unternehmen,
fällt eine weitere Gemeinsamkeit
auf: Gerade in der Krise liegt ihr Fokus
auf der Erschließung neuer Geschäftsbereiche.
So beschloss »Würth« während
der Pandemie seine Standort-Erweiterung
in Österreich und verstärkte die
Digitalisierung seines Angebots, auch
»Aldi Nord« hat unlängst angekündigt,
einige seiner Filialen trotz Krise zu modernisieren
und darüber hinaus neue zu
eröffnen.
Wohin steuert der Mittelstand? Ein Ausblick
Dem Mittelstand stehen harte Zeiten bevor,
doch er ist nicht nur von exogenen
Faktoren abhängig. Wer seine Zielgruppe
kennt, sich im Angesicht der Krise klar
positioniert und Investitionen wagt, dem
können solche wirtschaftlich unsicheren
Phasen auch große Chancen bieten, das
zeigen insbesondere die Gründungsgeschichten
der heute bekanntesten Player
des Mittelstands deutlich. Mehr noch: Es
ist vor allem dem energischen Handeln
kleiner und mittlerer Unternehmen zu
verdanken, dass wahre ökonomische Desaster
im Zeitalter wirtschaftlicher Innovationen
mündeten. Das Wirtschaftswunder
etwa wäre ohne den Mittelstand als
treibende Kraft kaum möglich gewesen.
Gerade weil in dieser krisengeplagten
Zeit der Mittelstand mangels deutlicher
Signale aus der Politik auf sich allein gestellt
ist, heißt es nun also für ihn, zu handeln;
ganz im Sinne des Churchill zugeschriebenen
Mottos »Lasse niemals eine
Krise ungenutzt verstreichen«. Das Bewusstsein,
dass der Mittelstand es bisher
immer geschafft hat, sich in der Krise neu
zu erfinden und das Blatt so zu seinen
Gunsten zu wenden, stimmt auch für die
Zukunft hoffnungsvoll. Ein »Weiter wie
bisher« scheint es angesichts der aktuellen
Situation ohnehin nicht geben zu
können. AS
ERFOLG magazin . Ausgabe 23 . www.erfolg-magazin.de
5
Interview
PATRICK
KOWALEWSKI
»Dies alles bedingt
allerdings im ersten
Schritt, dass man
sich selbst die Wahrheit
sagt.«
SELBSTERKENNTNIS
KANN SCHMERZEN
Wie man alte Verhaltensmuster aufbricht,
um weiterzukommen
6 www.erfolg-magazin.de . Ausgabe 23 . ERFOLG magazin
Interview
Bild: Simone Reukauf
Wenn man beruflich oder
persönlich in eine
Sackgasse gerät, geht
es meist nicht ohne
Selbstreflexion. Erst
danach ist es häufig möglich, eine neue
Richtung einzuschlagen. Patrick Kowalewski
hat sich darauf spezialisiert, Menschen
dabei zu begleiten. In unserem
Interview erklärt er, wie dadurch verborgenes
Potenzial freigesetzt werden kann.
Herr Kowalewski, Sie helfen Ihren Coachees,
beruflich und privat Potenziale zu
erkennen. Woran merkt man selbst, dass
es Zeit für eine Kurskorrektur ist?
Eine Kurskorrektur bedeutet, dass der bisherige
Weg nicht mehr funktioniert und es
kein Weiterkommen gibt, man tritt auf der
Stelle. Es kommen immer wieder dieselben
Ergebnisse zum Vorschein. Man hat
immer wieder dasselbe Vertriebs- oder
Gesprächsergebnis. Auch auf Führungsebenen
gerät man immer wieder an dieselben
Typen von Mitarbeitenden oder die
Gespräche mit Mitarbeitenden enden oder
scheitern am selben Punkt. Mitunter werden
diese Probleme auch auf messbarer
Ebene sichtbar, etwa durch betriebswirtschaftliche
Zahlen oder im Prozessablauf.
Aber auch im privaten Bereich stößt man
immer wieder an dieselbe Grenze, der bisherige
Weg funktioniert nicht mehr. Vielleicht
ist er aber auch nach einer gewissen
Zeit zu steinig und anstrengend geworden
und man wünscht sich im Leben mehr
Leichtigkeit. Dies alles bedingt allerdings
im ersten Schritt, dass man sich selbst die
Wahrheit sagt. Ich stelle in meiner Arbeit
immer wieder fest, dass genau dieser erste
Schritt für die Menschen sehr herausfordernd
sein kann.
An welchem Punkt im Leben befinden
sich Ihre Coachees am häufigsten, wenn
sie sich dazu entschließen, sich an Sie zu
wenden?
Wenn ein Problem so viel Raum einnimmt,
dass man nicht weiterkommt,
zahlt man oft einen sehr hohen Preis. Vor
allem, wenn man an Lebensqualität einbüßt.
Das ist dann aber häufig auch der
Punkt, an dem man selbst an den äußeren
Umständen möglicherweise schon vielfach
gearbeitet hat und feststellt, dass man inzwischen
selbst Teil dieser Situation ist. Es
kann auch sein, dass Menschen zunächst
noch nicht richtig begreifen können, woran
es liegt. Sie stellen fest, da ist eine gewisse
Schwere, eine hohe Anstrengung,
berufliche oder private Ergebnisse, die
einem nicht gefallen. Man ist gedanklich
vielleicht noch so aufgestellt, dass man
denkt, es müsse sich erst einmal etwas im
Außen ändern. Das sind auch vollkommen
legitime Gedanken. Es gibt sicher Situationen,
wo das auch sinnvoll ist: zum Beispiel
bei der Beobachtung von Prozessen, sie zu
prüfen und zu optimieren. In der Zusammenarbeit
mit meiner Kundschaft kann
das auch der Start sein: Ursachenforschung
durch kritisches Hinterfragen des
Status Quo.In diesen Situationen hat man
meist schon einen sehr schmerzhaften
Preis gezahlt, der Leidensdruck ist schon
zu hoch. Das kann sich beruflich an einer
hohen Mitarbeitendenfluktuation, am
Krankenstand oder an Fehlern in Arbeitsprozessen
zeigen. Privat macht sich das oft
durch den Verlust an Lebensqualität und
Freude bemerkbar. In dieser Situation
wenden sich die Coachees häufig an mich
beziehungsweise meine Firma.
Das zweite Szenario ist das, in dem sich
Menschen grundsätzlich schon auf einem
guten Level befinden. Sie sind zufrieden,
die Lebensbegeisterung ist da. Sie wollen
dann einfach den nächsten Schritt gehen.
Quasi die Kirsche auf der Sahnetorte.
Sie arbeiten unter anderem am Mindset
der Coachees. Wie kommt es, dass sich
häufig ausgerechnet die falschen Prägungen
in den Köpfen der Menschen
festsetzen?
Falsche Prägungen ist eine Kategorisierung,
die ich persönlich nicht bevorzuge,
weil es für mich eher um die Funktionalität
geht. Aber wenn wir hier von Prägungen
sprechen, würde ich funktionale und
dysfunktionale Prägungen unterscheiden.
In meiner Arbeit als Coach habe ich festgestellt,
dass eine moralische Bewertung in
»richtig« und »falsch« nicht funktioniert,
um mit Menschen an einer Veränderung
des Mindsets zu arbeiten. Und wie kommt
es jetzt, dass die falschen Prägungen sich
festsetzen? Unser Gehirn funktioniert so,
dass wir eine Situation mit einer Emotion
neuronal speichern. Das bedeutet, je intensiver
die Emotion war, desto mehr speichert
das Gehirn die Situation ab, weil es
seit Jahrtausenden auf das Überleben trainiert
ist. So ist es allgemein mit emotionalen
Situationen, die wir irgendwann mal
erlebt haben. Und genau daher rühren
auch Gedanken wie »ich kann nicht mehr
vertrauen«, »ich muss alles kontrollieren«
oder »Vorgesetzte sind ja sowieso immer
nur auf ihr eigenes Wohl bedacht«. Das
heißt, wir haben erst einmal nur Prägungen,
die aus einer gewissen Sichtweise
super funktional sind, weil sie unser mental-emotionales
Überleben gesichert haben.
Dieses Überleben schließt allerdings
nicht automatisch mit ein: erfolgreich sein,
glücklich sein, in Frieden sein, lebensbegeistert
sein oder dauerhaft wohlhabend
sein. Da setze ich an: zu schauen, was in
der Vergangenheit einmal geschlussfolgert
wurde, wie der Mensch geprägt wurde.
Der Mensch ist sehr oft selbstbestimmt,
verantwortungsvoll, pflichtbewusst und
vieles mehr. Warum scheitert er aber
ausgerechnet bei der Selbsteinschätzung
seines Potenzials?
Als Kinder sagen wir: Ich kann alles. Wir
wachsen aber oft in einem Umfeld auf, das
sicherstellen will, dass wir nicht als überheblich
oder sogar arrogant stigmatisiert
werden. Es geht gar nicht darum, nicht
positiv aufzufallen. Es geht vielmehr darum,
negatives Auffallen zu vermeiden.
Das heißt, wir leben viel öfter in sogenannten
Vermeidungsprogrammen und
halten uns auch selbst für kleiner, als wir
wirklich sind, gerade wenn es um das
Thema Erfolg geht. Für viele Menschen ist
es eine Herausforderung, sich zu zeigen,
mit all ihrem Können, ihren Fähigkeiten
und ihrem Wollen.
Traditionell haben Vorgesetzte und Mitarbeitende
klar definierte Rollen im
Unternehmen. Glauben Sie, dass es
einem Unternehmen schadet, wenn man
die Rollen ein wenig lockert und den
Menschen in sich zeigt?
Nein, ich gehe eher davon aus, dass es den
Unternehmen guttut, es aber gleichzeitig
für viele Unternehmensstrukturen und
-kulturen ungewohnt ist. Wir kommen aus
einer Zeit, in der wirklich jeder wusste,
was seine Aufgabe, seine Funktion und
seine Rolle laut Organigramm war. Ein
Schwarz-Weiß-Denken dominierte. Aus
meiner Beobachtung heraus entwickelt
sich das Individuum immer weiter, strebt
immer mehr nach Selbstverwirklichung.
Dadurch ändert sich auch der Umgang im
Berufsalltag.
Aktuell haben wir einen Arbeitnehmendenmarkt,
das bedeutet, wenn ich als angestellte
Person unzufrieden bin oder aus
unterschiedlichsten Gründen wechseln
möchte, habe ich aktuell die große Wahl,
wo ich als nächstes hingehe. Deswegen
stellen sich viele Firmen die Frage: Wie
kann ich eine möglichst hohe emotionale
Identifikation mit dem Unternehmen erreichen,
sodass sich die angestellte Person
wirklich intensiv bindet, was wiederum
die Produktivität fördert? Deshalb gehe
ich fest davon aus, dass eine Lockerung
dieser Rollen ein Unternehmen beflügelt
und gleichzeitig auf kurz oder lang ein
Muss wird, weshalb in den Firmen eine
Art Pionierarbeit stattfinden muss. MK
Patrick Kowalewski ist Trainer,
Business- und Lifecoach und
Inhaber der BOAT Akademie
www.boat-akademie.com
ERFOLG magazin . Ausgabe 23 . www.erfolg-magazin.de
7
Interview
SVEN
HORAK
»Unternehmen arbeiten
häufig an Symptomen,
statt der
Ursache auf den
Grund zu gehen.«
GANZHEITLICHE
DIGITALISIERUNG
STATT INSELLÖSUNGEN
Eine lückenlose Verfahrensdokumentation
festigt die Unternehmensstruktur
8
www.erfolg-magazin.de . Ausgabe 23 . ERFOLG magazin
Interview
Bild: Felix Zeiffer
Die Verpflichtung, buchhalterische
Abläufe nachvollziehbar
zu dokumentieren,
bietet die Möglichkeit für
einen strukturierten Einstieg
in die Digitalisierung. Sven Horak ist
Experte in diesem Bereich und unterstützt
KMU bei der Ausarbeitung von Verfahrensdokumentationen.
In unserem Interview
erklärt er, warum es so wichtig ist,
dieser Pflicht nachzukommen, und warum
diese Hürde auch Chancen für den
Betrieb bietet.
Herr Horak, Sie unterstützen mit Ihrem
Unternehmen andere Unternehmer bei
der Ausarbeitung einer Verfahrensdokumentation
für steuerliche und buchhalterische
Prozesse. Welche Herausforderung
bedeutet dies für beide Seiten?
Die größte Herausforderung ist der geringe
Bekanntheitsgrad dieses Themenkomplexes.
Es ist vielen Unternehmern
gar nicht bewusst, dass sie ohne Verfahrensdokumentation
der Gefahr von teilweise
erheblichen Hinzuschätzungen
nach einer Betriebsprüfung von bis zu 10
Prozent des Umsatzes ausgesetzt sind. Die
Verfahrensdokumentation wird als finanzbehördliche
Pflicht verstanden. Der
Unternehmer hakt das Thema häufig für
sich ab und setzt voraus, dass sich der
Steuerberater darum kümmert. Steuerberater
wiederum haben häufig keine Kapazitäten,
um eine vollständige Verfahrensdokumentation
auszuarbeiten. Hinzu
kommt, dass sie zwar die Buchhaltung
führen, aber die gesamte Abwicklung innerhalb
des beratenen Unternehmens gar
nicht kennen. Meist geben Steuerberater
Informationen über die Verfahrensdokumentationspflicht
in Form eines Newsletters
weiter. Unternehmer überfliegen diesen
meist nur, und so findet die Thematik
keine angemessene Aufmerksamkeit.
Die Verfahrensdokumentation führt also
ein Schattendasein – genau bis zu dem Moment,
in dem das Finanzamt sie im Vorfeld
einer Steuerprüfung einfordert. Dann bricht
Panik aus, und die Verantwortlichen im
Unternehmen erstellen kurzfristig ein Dokument,
um etwas vorweisen zu können.
Häufig spiegelt dieses Dokument aber nicht
die gelebten Prozesse wider und ist somit in
einer Prüfung nur bedingt belastbar.
GoBD ist die Abkürzung für »Grundsätze
zur ordnungsmäßigen Führung und Aufbewahrung
von Büchern, Aufzeichnungen
und Unterlagen in elektronischer
Form sowie zum Datenzugriff«. Braucht
es diese bürokratische Schnittstelle zwischen
Unternehmen und Staat?
Die geschäftlichen Prozesse haben sich mit
zunehmendem Tempo in den vergangenen
zehn Jahren erheblich verändert. Die Prüfungsvorgaben
mussten dringend daran
angepasst werden. Den Gesamtüberblick
über die Abläufe und Zuständigkeiten zu
behalten, ist schon für den Unternehmer
eine große Herausforderung. Für einen Betriebsprüfer
ist es ohne ein »Unternehmenshandbuch«
in vielen Fällen sogar unmöglich,
das Zusammenspiel zwischen den
verschiedenen Softwaresystemen nachzuvollziehen,
um eine Betriebsprüfung durchführen
zu können. Darauf hat das Bundesfinanzministerium
mit Einführung der
GoBD im Januar 2015 entsprechend reagiert:
Ein Betriebsprüfer muss nachvollziehen
können, wer welchen Schritt mit
welchen Werkzeugen im Unternehmen
macht und wie kritische Prozessschritte
kontrolliert werden. Er muss verstehen können,
wie sichergestellt wird, dass die Daten
in der Buchhaltung vollständig und nicht
manipuliert sind. Die Betriebsprüfung an
sich ist dementsprechend nicht mehr darauf
beschränkt, die Ordnungsmäßigkeit der Belege
und deren Verbuchung festzustellen.
Vielmehr rücken die Manipulations- und
Verlustrisiken beim Betriebsdurchlauf in
den Vordergrund und somit gewinnt der
gesamte Vorgang an Bedeutung in der
Nachweispflicht. Das ist eine gravierende
Änderung, auf die sowohl Unternehmer als
auch Steuerberater häufig noch nicht vorbereitet
sind.
Ist diese Verfahrensdokumentation eine
Chance für Unternehmer, die Digitalisierung
voranzubringen und damit alle Prozesse
transparenter zu machen?
Die gesamte Wirtschaftswelt spricht von
Digitalisierung. Viele Unternehmer finden
jedoch keinen Einstieg in die Planung und
Umsetzung – auch weil die angebotenen
Lösungen unüberschaubar sind. Ohne ein
klares Verständnis der Ist-Prozesse kann
Digitalisierung im Unternehmen nicht gelingen.
Dafür bietet die Verfahrensdokumentation
den perfekten Einstieg, da sie mit
der Darstellung der Ist-Prozesse beginnt. In
den verständlich dargestellten Prozessflussdiagrammen
sieht der Unternehmer sofort,
wo sich Risiken in den aktuellen Abläufen
verbergen. Mit diesem Verständnis kann er
nun die am Markt vorhandenen Softwarelösungen
dahingehend beurteilen, ob sie
seine spezifischen Schwachstellen beseitigen
können. Nach Abschluss der strukturierten
Prozessoptimierung ist es daher keine Seltenheit,
die Durchlaufzeiten betriebswirtschaftlicher
Abläufe im deutlich zweistelligen
Prozentbereich reduzieren zu können.
Die Investition in die Ausarbeitung einer
Verfahrensdokumentation rechnet sich somit
sehr schnell – vor allem, wenn das
Unternehmen eines der attraktiven staatlichen
Förderprogramme in Anspruch
nimmt.
Sie haben durch Ihr umfangreiches
Netzwerk aus Unternehmen und Steuer-
beratern einen guten Überblick über
unterschiedliche interne Strukturen.
Welche Prozesse schmälern aus Ihrer
Sicht die Produktivität in mittelständischen
Firmen?
Unternehmen arbeiten häufig an Symptomen,
statt der Ursache auf den Grund zu
gehen. Sie schaffen Insellösungen, statt das
Gesamtsystem zu optimieren. Das führt zu
Frustration bei den Mitarbeitern, weil sich
die gewünschten Verbesserungen nicht einstellen.
Ein Beispiel dafür ist die Zeiterfassung,
für die es häufig ein isoliertes System
gibt. Das hat zur Folge, dass die mit diesem
System erfassten Zeiten manuell in die Personalmanagementsoftware
übertragen werden
müssen. Dann stellen Mitarbeiter die
Effizienz der angeschafften Systeme infrage.
Unternehmen sollten sich daher für ein zentrales
und führendes betriebswirtschaftliches
Softwaresystem entscheiden, dem sich
die Insellösungen unterordnen. In dem vorher
geschilderten Fall der Zeiterfassung ist
für einen erfolgreichen Einsatz die automatisierte
Datenübertragung in die führende
Software sicherzustellen, um einen ganzheitlichen
Prozessfluss zu gewährleisten.
Aber auch der Mensch spielt eine entscheidende
Rolle. Eine erfolgreiche Implementierung
neuer Systeme funktioniert nur, wenn
die Unternehmensführung die Mitarbeiter
abholt und mitnimmt. Die Verantwortlichen
dürfen sich bei der Einführung nicht
nur auf das »Wie« konzentrieren, sondern
sie müssen auch das »Warum« vermitteln.
Dann stehen die handelnden Personen den
Veränderungen positiv gegenüber und es
entstehen keine Reibungsverluste.
Was würden Sie Gründern raten? Was ist
beim Anlegen interner Prozesse von Anfang
an wichtig, damit das Unternehmen
transparent und effizient wachsen kann?
Eine gute Vorbereitung ist der Schlüssel
zum Erfolg. Jede Minute, die Gründer im
Vorfeld in die Prozessplanung investieren,
zahlt sich später um ein Vielfaches aus. Dabei
sollte in Funktionen und nicht in Personen
gedacht werden, auch wenn gerade in
der Anfangszeit eine Person mehrere Funktionen
wahrnimmt. Die Prozesse sollten so
aufgebaut sein, dass sie in der Wachstumsphase
problemlos skalierbar sind, damit der
Gründer sich betriebswirtschaftlich voll auf
das Wachstum konzentrieren kann. MK
Sven Horak ist Spezialist für Verfahrensdokumentation
und Geschäftsführer der
vemeto GmbH
www.vemeto.de
ERFOLG magazin . Ausgabe 23 . www.erfolg-magazin.de
9
Interview
timotheus
Künzel
»ZU AMBITIONIERT
GIBT ES NICHT«
Timotheus Künzel sieht in der digitalisierten
Beratung großes Potenzial
10
www.erfolg-magazin.de . Ausgabe 23 . ERFOLG magazin
Interview
Bild: Karl Sammer
Auch in der Immobilienbranche
schreitet die Digitalisierung
voran. Die Prozesse
für Unternehmen und Kunden
verändern sich. Warum
der Change-Prozess so wichtig ist und
warum sogar digitale Besichtigungstermine
wichtiger werden, erklärt Immobilien-
und Digitalisierungsexperte Timotheus
Künzel in unserem Interview.
Die digitale Transformation hat inzwischen
auch im Immobiliengeschäft
Einzug gehalten. Wie macht sich das bemerkbar?
Das macht sich vor allem durch veränderte
Kundenbedürfnisse bemerkbar. Kunden
legen großen Wert auf effiziente Prozesse
und vor allem in der Beratung ist ihnen
Flexibilität wichtig. Wer da noch auf analoge
Prozesse setzt, wird langfristig den
Kürzeren ziehen. Man muss den Kunden
maximale Flexibilität, Transparenz und
digitale Prozesse an die Hand geben, um
ihre Bedürfnisse befriedigen zu können.
Das funktioniert zum Beispiel mit einem
Videokonferenz-Tool. Die Herausforderung
dabei ist, dass sich ein digitaler Beratungsansatz
vom analogen unterscheidet.
In Struktur, Aufbau und in der Kommunikation
an sich gibt es viele Dinge, die zu
beachten sind.
Die Digitalisierung in der Immobilienbranche
macht sich zunehmend bemerkbar.
Die Verwaltung und die interne Kommunikation
mit Mitarbeitern wird auch
immer mehr digitalisiert. Das zeigt, wie
wichtig es ist, sich mit diesem Thema zu
beschäftigen, damit man die Prozesse effizienter
gestalten kann – das ist ja der Sinn
der Digitalisierung. Und letztlich hat es
auch ökonomische und ökologische Vorteile.
Vor allem die ältere Generation der
Branche tut sich mit dem Change-Prozess
teilweise noch schwer, weil sie lange Zeit
analog agiert haben. Hier ist mehr Offenheit
gefragt, die Bereitschaft für Veränderung
ist hier extrem wichtig.
Auch Immobilienunternehmen arbeiten
vermehrt digital und damit häufig auch
remote. Hierfür braucht es neue, digitale
Führungsprozesse. Worauf sollte die
Geschäftsführung dabei achten, damit
dieser Prozess für beide Seiten gewinnbringend
ist?
Remote Arbeitsprozesse sind wichtig und
sollten weiterentwickelt werden. Es gibt
Unternehmen, die völlig auf analoge Prozesse
setzen und keine Homeoffice-Optionen
anbieten. Ich finde remotes Arbeiten
sehr wichtig, es beflügelt das Ganze. Und
die Coronapandemie hat das wahnsinnig
beschleunigt. Dabei muss man aber
auf eine klare Struktur achten. Mir ist oft
aufgefallen, dass viele Mitarbeiter ihre
Positionen nicht kennen und dass die Bereiche
ineinander verschwimmen. Auch
befürchten viele Führungskräfte, dass die
Produktivität im Homeoffice geringer ist.
Meine These ist jedoch, dass, wenn jemand
intrinsisch motiviert ist, er seiner Aufgabe
auch nachgeht, ob er zu Hause ist oder im
Büro. Und wenn man autonomes Arbeiten
fördert, dann steigert das die Produktivität.
Aber dafür müssen die Ziele und Werte
des Unternehmens ganz klar sein und
mit dem Mitarbeiter harmonieren. Deswegen
müssen Unternehmen Menschen
einstellen, die zu den Zielen und Werten
des Unternehmens passen. Das ist ganz
entscheidend. Für Unternehmer ist es außerdem
extrem wichtig, Unternehmenskennzahlen
im Blick zu haben, die für die
jeweilige Abteilung relevant sind, denn
Zahlen sagen viel über den Output aus.
Die Vertriebsstrukturen unterliegen
ebenfalls dem digitalen Wandel. Wie
können die Beteiligten hier am effektivsten
zusammengebracht werden?
Für Unternehmen ist es wichtig, auf die
veränderten Kundenbedürfnisse zu reagieren
und optimale digitale Strukturen
zu liefern, wie bereits erwähnt zum Beispiel
mit Videokonferenz-Tools. Dabei
gibt es vieles zu beachten und damit sollte
sich jeder Unternehmer beschäftigen. Er
muss aufzeigen, welche Vorteile diese digitalen
Ansätze bieten, denn manche Kunden
halten dogmatisch am Alten fest. Ein
ganz wichtiger Punkt ist hier die Transparenz,
denn der Kunde kann am Bildschirm
mitverfolgen, was passiert. Für eine Kaufentscheidung
benötigt er genügend Informationen
und diese Informationen kann
ich ihm digital auf kurzem Wege zur Verfügung
stellen und kann schnell nachjustieren.
Und: Neun von zehn Kunden, die
in Immobilien investieren wollen, möchten
sich keine Immobilie mehr vor Ort anschauen,
sondern voll digital. Es geht beim
Investieren ja um Zahlen, Daten und Fakten.
Analoge Ansätze fallen deshalb immer
weiter hintenüber, weil sie gar nicht diese
Transparenz und auch nicht so schnell liefern
können.
Was ändert sich mit der digitalen Transformation
der Branche für Anleger, die
in Immobilien investieren wollen?
Wie gesagt, neun von zehn Kunden wollen
nicht vor Ort besichtigen, das sind meine
Erfahrungswerte. Mit einer digitalen Besichtigung
kann man sich Zeit und Geld
durch lange Anfahrten sparen. Das funktioniert
aber nur, wenn die Objektunterlagen
zu 100 Prozent transparent aufbereitet
sind. Wenn man diese Herausforderung
schafft, ist der digitale Beratungsansatz im
Kapitalanlagebereich gut gestaltet.
Gibt es Bereiche, in denen die Digitalisierung
derzeit noch zu ambitioniert ist,
»Neun von zehn Kunden,
die in Immobilien
investieren wollen,
möchten sich keine Immobilie
mehr vor Ort
anschauen, sondern voll
digital.«
also wo sie eher noch Nachteile mit sich
bringt? Wo und wie müsste man Ihrer
Meinung nach nachjustieren?
Zu ambitioniert gibt es nicht. Trotzdem
sehe ich vor allem für den klassischen
Makler Herausforderungen, denn wenn
man eine Immobilie zur Eigennutzung
erwerben möchte, ist es für viele Kunden
natürlich noch wichtig, sie anlog zu besichtigen.
Hier gibt es noch Herausforderungen.
Aber das digitale Besichtigungstool
Metaport zeigt, dass Kunden Wert auf
eine digitale Erstbesichtigung legen. Nachteile
bringen digitalisierte Prozesse nur für
die, die sie nicht akzeptieren und auf alte
Erfolge blicken. Zahlen, Fakten und Daten
sprechen eine andere Sprache. Ich freue
mich auf die Zukunft. Die Digitalisierung
nimmt weiter an Fahrt auf. Ich denke,
dass wir in Zukunft Beratungsgespräche
noch emotionaler und realer gestalten
können, so wie es vom Metaverse skizziert
wird: Man sitzt in einem virtuellen Raum
wie in einem echten Meeting. Da wird
die Digitalisierung meiner Ansicht nach
noch Erstaunliches leisten. Und auch die
Beratungsansätze werden sich weiterentwickeln.
Hier dürfen wir gerne nach den
Sternen greifen und auf mehr Effizienz,
Produktivität und Fortschritt setzen. MK
Timotheus Künzel ist Experte für Immobilien
und Digitalisierung und Geschäftsführer
der Künzel Investments GmbH
www.kuenzel-investments.de
ERFOLG magazin . Ausgabe 23 . www.erfolg-magazin.de
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Interview
Marc Ulrich
Meier
»Im modernen Marketing
ebenso wie beim
erfolgreichen Netzwerken
geht es darum, Persönlichkeit
zu zeigen,
Blicke hinter die Fassade
zuzulassen und Realität
abzubilden.«
MENSCHLICHKEIT LÖST
SCHEINWELTEN AB
Strategisches Netzwerken ist die Basis für
ein erfolgreiches Marketing
12 www.erfolg-magazin.de . Ausgabe 23 . ERFOLG magazin
Interview
Bild: Simone Reukauf
Besonders für KMU ohne Riesenbudget
ist Netzwerken
existenziell wichtig. Aber
man sollte genau auf die aktuelle
Entwicklung im Netzwerk-Marketing
achten, denn Altbewährtes
ist oft schon obsolet. Netzwerk-Experte
Marc Ulrich Meier erklärt in unserem
Interview, wie der Stand der Dinge ist.
Herr Meier, Netzwerken ist für Unternehmer
existenziell. Es reicht aber
nicht, eine prall gefüllte Kontaktliste zu
haben. Was ist das Geheimnis eines erfolgreichen
Netzwerkers, wie nutzt er
diese volle Kontaktliste?
Eine volle Kontaktliste ist natürlich nichts
Schlechtes. Aber wenn man sie ohne Plan
und System erstellt hat, wird sie auch
nicht viel helfen. Mehr heißt nicht besser.
Leider sehe ich genau dieses Problem bei
sehr vielen Unternehmern: Sie netzwerken
quasi auf Zufall. Dabei geht es bei
erfolgreichem Empfehlungsmarketing
nicht um die Quantität, sondern um die
Qualität der Kontakte. Das Geheimnis
liegt darin, sich mit den richtigen Menschen
zu verbinden und ein Erfolgsnetzwerk
zu schaffen, in dem jede und jeder
profitiert. Das funktioniert am besten,
wenn meine Netzwerkpartner einen Zugang
zu meinem Zielmarkt haben, aber
nicht in Konkurrenz zu mir stehen. Es ist
wie beim Fußball: Wenn alle auf dem Feld
nur darauf aus sind, selbst das Tor zu machen,
gewinnt am Ende niemand. Ich
muss aber gar nicht alle Tore selbst
schießen, um zu gewinnen. Genauso
wenig muss ich alle Kontakte selbst haben,
um meine Wunschkunden zu erreichen.
Stattdessen suche ich für mein
Netzwerk Passgeber, um im Bild zu bleiben,
und ich suche solche, für die ich
selbst Passgeber sein kann. Das klingt
trivial, ist es letztlich aber gar nicht. Wie
jede andere Beziehungsarbeit braucht
erfolgreiches Netzwerken Zeit und Engagement.
Nur so kann ich eine Vertrauensbasis
schaffen, die für wirklich
nachhaltige Beziehungen notwendig ist.
Hinterlege ich dann noch eine Strategie
und mache das systematisch, kommen
Empfehlungen und Neukunden künftig
so regelmäßig, dass ich mit ihnen planen
kann.
Sie coachen Menschen, Organisationen
und Unternehmen. Wie unterscheiden
sich da die Strategien?
Am Ende steht immer der Mensch. Egal,
ob ich große Versicherungsgesellschaften
berate, international agierende Finanzdienstleister
oder Einzelunternehmer aus
dem Dienstleistungsbereich: Beziehungen
können nur persönlich aufgebaut
werden. Es top-down anzuweisen oder
outzusourcen ist keine Option. Jeder
Unternehmer, jeder Organisationschef
und jeder Angestellte muss hier in die
Eigenverantwortung gehen. Denn es geht
nicht darum, was wir in unserem Job tun
– da sind wir austauschbar; es geht um
das Warum und das Wie, also die Aspekte,
die mit unserer Persönlichkeit zu
tun haben, die uns in unserem Job einzigartig
machen. Auf dieser Basis zu netzwerken
kann jeder lernen, der motiviert
ist.
Es gibt Menschen, die gerne Kontakte
aufbauen würden, sich aber nicht
trauen, sichtbar zu sein. Was können
Betroffene dagegen tun?
Ich glaube, dass wir alle mit Talenten auf
die Welt gekommen sind. Damit meine
ich Talente, die uns erlauben, zu wirken,
und das heißt: sichtbar zu wirken. Wer
daher seinen Job als Freude empfindet,
wer in seiner Kraft arbeitet, hat schon ein
viel größeres Potential, sichtbar zu werden,
als Menschen, die noch nicht das
tun, was sie lieben. Aber auch dann halten
uns Glaubenssätze und Verhaltensmuster
häufig davon ab, die Sichtbarkeit
aktiv zu suchen, weil wir Angst haben,
dafür abgelehnt oder abgestraft zu werden.
Deswegen muss man sich bei der
Entwicklung einer persönlichen Netzwerkstrategie
diese Verhaltensmuster
sehr genau anschauen, muss sie berücksichtigen
oder auch, sofern sie hinderlich
sind und limitieren, auflösen. Netzwerken
selbst ist dabei das beste Mittel gegen
Schüchternheit. Es wird immer einfacher,
je öfter und intensiver man es betreibt.
Soziale Medien und die fortschreitende
Digitalisierung haben die Geschäftswelt
verändert, auch in der Kontaktaufnahme.
Was bedeutet das fürs Netzwerken
und wie geht die Entwicklung Ihrer
Meinung nach weiter?
Ja, inzwischen sind wir alle per Knopfdruck
miteinander verbunden. Nur wenige
Klicks trennen mich von anderen
Branchen, anderen Ländern, anderen
Kontinenten. Wenn man sich die Kontaktkreise
zwei und drei ansieht, wird
einem schnell klar, dass Ort und Zeit für
die Vernetzung eine immer geringere
Rolle spielen – zumindest im Digitalen.
Das hat natürlich gewaltige Vorteile. Leider
führt diese Entwicklung aber auch
dazu, dass gerade soziale Netzwerke häufig
dafür genutzt, zum Teil auch missbraucht
werden, um möglichst schnell
eine hohe Quantität an Kontakten zu erreichen.
LinkedIn, XING oder Facebook
sind die prominentesten Beispiele. Die
Kontaktanfragen nehmen hier in der
Quantität zu und lassen in der Qualität
massiv nach. Da wir aber, wie eingangs
gesagt, vor allem qualitativ hochwertige
Kontakte brauchen, um erfolgreiches
Empfehlungsmarketing zu betreiben,
bringen sich LinkedIn und Co. so nach
und nach um ihren eigenen Vernetzungswert.
Diese Tendenz wird, fürchte ich, in
den nächsten Jahren weiter zunehmen.
Daher ist es umso wichtiger, beim Netzwerken
weiterhin auf das Persönliche zu
setzen und selektiv vorzugehen. Wir müssen
uns für den anderen wirklich interessieren.
Nur so entstehen Beziehungen, die
uns beiden einen nachhaltigen Nutzen
bringen.
Im Business geht der Trend dahin, das
Marketing weniger dogmatisch zu sehen,
mehr Geschichten zu erzählen und
den Menschen hinter seinem Unternehmen
sichtbar zu machen. Inwiefern ist
das beim Networking relevant und wie
lässt sich das umsetzen?
Ich begrüße diese Entwicklung sehr, weil
sie genau das Prinzip aufgreift, das ich im
strategischen Netzwerken vertrete: Authentizität.
In vielen Fällen erzählt uns
das etablierte Marketing immer noch von
Scheinwelten, von übermächtigen Entitäten
und das hat aus meiner Sicht keine
Existenzberechtigung mehr. Wir sind alle
Menschen und brauchen dieses Versteckspiel
nicht. Im modernen Marketing
ebenso wie beim erfolgreichen Netzwerken
geht es darum, Persönlichkeit zu zeigen,
Blicke hinter die Fassade zuzulassen
und Realität abzubilden. Das ist nicht nur
ehrlicher und erleichtert den Beziehungsaufbau,
es ist auch eine viel effektivere
Werbung: Die eigene Persönlichkeit setzt
uns von Konkurrenten klarer ab, als jede
Farbkombination. Letztlich kauft der
Kunde immer uns als Persönlichkeit,
unsere Einzigartigkeit. Der Mensch
macht den Unterschied. Für erfolgreiches
Netzwerken und Marketing müssen
Unternehmer daher eine eigene Philosophie
haben, sie müssen Werte vertreten
und sie müssen das sichtbar tun. Wenn
man diesen Punkt erreicht hat, wird auch
klar, dass Netzwerken gar keine Methode
ist. Es ist grundmenschlich. Es ist der
Wunsch, so zu handeln, wie man selbst
behandelt werden möchte. Deshalb bin
ich auch fest davon überzeugt, dass sogenannte
»alte Tugenden« wie Verbindlichkeit
und Ehrlichkeit wieder an Bedeutung
gewinnen werden. MK
Marc Ulrich Meier ist Experte für strategisches
Netzwerken und Geschäftsführer der
Inspiration Unlimited Company GmbH
linkedin.com/in/marc-ulrich-meier
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Interview
Philip
Semmelroth
MIT DER
GEWINNERMITTLUNG
FÄNGT ES AN
Wenn der Profit nicht stimmt, fehlt es an
der richtigen Vertriebsstrategie
14 www.erfolg-magazin.de . Ausgabe 23 . ERFOLG magazin
Interview
Bild: Dominik Pfau
Oft sind es vermeintlich
kleine Ursachen, die den
Profit eines Unternehmens
schmälern. Vertriebsexperte
und Unternehmer-
Coach Philip Semmelroth erklärt in unserem
Interview, was man dagegen tun
kann, bevor die Lage ernst wird, und
warum es oft profitabler ist, sich seine
Kunden selbst auszusuchen.
Herr Semmelroth, ich habe ein Produkt,
möchte es verkaufen und habe
auch eine Zielgruppe dafür. Woran
kann es liegen, wenn es trotzdem niemand
kauft?
Ein gutes Produkt oder eine fundierte
Expertise im Dienstleistungsbereich reichen
heute nicht mehr aus, um nachhaltig
Umsatz zu machen. Reputation wird
bezahlt – Können vorausgesetzt! Wer
etwas verkaufen will, muss nicht an der
Qualität, sondern am Marketing arbeiten.
Kunden kaufen auch nur dann, wenn
es im Verkaufsprozess gelingt, Vertrauen
aufzubauen und dem Interessenten einen
Vertrauensvorschuss abzuringen. Denn
zu Beginn hat der Kunde ja keine Erfahrungen,
sondern nur eine Vorstellung
von dem, was er erhalten wird.
Das birgt ein gewisses Risiko und damit
Kunden nicht abwandern, ist es die Aufgabe
der Verkäufer, die Unsicherheit aus
dem Verkaufsprozess zu entfernen und
klar zu signalisieren: Wir haben das richtige
Produkt, die richtige Lösung und ich
bin der richtige Partner.
Viele Unternehmer sind betriebsblind
oder verharren in alten Strukturen, das
kann dem Vertrieb schaden. Wo setzen
Sie an, um dieses Problem mit ihnen zu
lösen?
Problematisch ist, dass viele Unternehmer
den Zeitpunkt verpassen, wo es nicht
mehr reicht, selbst Feuer und Flamme für
das eigene Angebot zu sein. Jahrelang
rennen sie rum, stecken Menschen an,
gewinnen durch Begeisterung und Produktkenntnis
Kunden. Mit wachsendem
Kundenstamm gilt es aber, Personal einzustellen,
Systeme und Standards zu
schaffen und Aufgaben zu delegieren.
Aber weil sich der Unternehmer oftmals
um alles kümmert, vernachlässigt er den
Vertrieb. Weil zeitgleich aber auch niemand
anders für Aufträge sorgt, gerät
auch eine gut laufende Firma schnell in
schwieriges Fahrwasser. Und daher
schaue ich mir bei Firmen, die mich als
Unternehmer-Coach buchen, immer als
erstes an: Wie wird Geld verdient? Wer ist
daran beteiligt? Wie profitabel sind die
Deals?
Ein guter Umsatz heißt noch nicht,
auch guten Profit zu haben. Wo müssen
»Und daher schaue ich
mir bei Firmen, die
mich als Unternehmer-
Coach buchen, immer
als erstes an:
Wie wird Geld verdient?
Wer ist daran
beteiligt? Wie profitabel
sind die Deals?«
Unternehmer ansetzen, um ein gutes
Verhältnis zwischen Aufwand und Gewinn
zu bekommen?
Viele Unternehmer errechnen den Gewinn,
indem sie den Einkaufspreis vom
Verkaufspreis abziehen. Das klingt mathematisch
auch korrekt, ist betriebswirtschaftlich
allerdings Unsinn. Denn in
dieser Rechnung fehlen all die nicht erfassten
Kosten, die im Zuge der Auftragsabwicklung
anfallen. Um eine Firma
profitabler zu machen, reicht es oftmals
schon aus, die Transaktionskosten zu optimieren.
Das sind die »Drumherum-
Kosten«. Bessere Abläufe sorgen zum
Beispiel für weniger Abstimmungsaufwand
mit den Kunden. Das spart erhebliches
Geld, denn realistisch betrachtet
zahlt das Unternehmen jede Minute Gehalt
für die Mitarbeiter, die sich rund um
Deals mit Terminplanung, Organisations-
und Suchzeiten beschäftigen. Doch
dieses Geld lässt sich nicht an den Kunden
weitergeben.
Viele Unternehmer glauben, dass sie
ihre Kunden mit einem günstigen Preis
überzeugen können. Stimmt das?
Ich komme gerade von einem Unternehmer-Coaching
in Österreich zurück. Das
Hotel war sehr teuer. Und gerade deshalb
haben wir es gebucht. Denn ein hoher
Preis steht für Qualität, und das ist für
erfolgreiche Menschen wichtiger, als ein
Schnäppchen zu machen. Wer ein gutes
Angebot hat, muss sich nur überlegen,
wo er die passenden Kunden dafür findet.
Weniger wichtig ist, wer es noch
alles kaufen würde, wenn es deutlich
günstiger wäre.
Denn Masse ist nicht gleich Klasse. Wer
günstig kauft, ist häufig auch sehr anstrengend.
Denn Käufer, deren Fokus
auf dem besten Preis liegt, fordern immer
mehr, sind enorm betreuungsintensiv
und damit häufig auch einfach nicht
profitabel.
Ich empfehle immer, den Preis am Wert
des Ergebnisses festzumachen. Ich habe
mir beispielsweise die Augen operieren
lassen. Mein Ziel war es, ohne Brille zu
sehen. Lasern ging nicht, also wurde
eine andere Methode gewählt. Die OP
dauerte grob zwei Minuten, kostete
8.000 Euro, das Wunschergebnis wurde
erreicht. Viele würden nun denken, dass
sei aber viel Geld für nur zwei Minuten.
Doch die Gegenfrage müsste dann lauten:
Welchen Vorteil hätte ich gehabt,
wenn die OP acht Stunden gedauert
hätte?
Ein erfolgreicher Vertriebsprozess
hängt innerhalb des Unternehmens von
unterschiedlichen Faktoren und auch
Mitarbeitern ab. Gibt es aus Ihrer Erfahrung
eine Stelle, an der es besonders
häufig hakt, und welche ist das?
Es hakt oft an zwei Stellen. Erstens: Im
Mittelstand verkauft häufig nur eine
Person: der Chef. Und der hat noch tausend
andere Dinge zu tun. So findet
Vertrieb nur zeitweise statt und die Ruhezeiten
führen letztlich zu Schwankungen
in der Auslastung.
Zweitens: Vielfach fehlt im Unternehmen
eine gute Zusammenarbeit von
Außen- und Innendienst. Auch wenn
der Außendienst in Zeiten von Video-
Calls nicht mehr klassisch von Tür zur
Tür fährt, sehe ich die Rollen nach wie
vor in Unternehmen und halte diese
auch für sinnvoll. Eine kommunikativ
starke, überzeugend auftretende Person
sollte den Erstkontakt und auch das
Erstgespräch bei größeren Investitionen
führen. Für andere Aufgaben wie Angebote
erstellen oder der Bestandskundenbetreuung
sollte aber auch ein Innendienst
existieren, der dem Außendienst
den Rücken freihält. MK
Philip Semmelroth ist Experte für Vertrieb
und Geschäftsführer der PS GmbH
www.Philip-Semmelroth.com
ERFOLG magazin . Ausgabe 23 . www.erfolg-magazin.de
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Erfolg wird bei uns
großgeschrieben.
Umwelt aber auch:
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