Die Zeitschrift "monat" 1/2023
Inklusive Bildung
Inklusive Bildung
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Die Zeitschrift
monat
Ausgabe 1/2023
Inklusive Bildung
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Liebe Leser*innen,
editorial
Menschen mit Behinderungen wollen
längst nicht mehr als Bittsteller*innen
auftreten, sondern machen sich in der
Öffentlichkeit zunehmend für ihre Rechte stark.
Wir möchten auf Augenhöhe mit Politiker*innen
kommunizieren und erreichen, dass unsere
Forderungen endlich ernst- und wahrgenommen
werden. Dass uns zumindest Letzteres zunehmend
gelingt, zeigt die enorme mediale Sichtbarkeit unserer Anliegen in
allen wichtigen österreichischen Medien. Waren wir doch beispielsweise im
Dezember gleich fünf Mal innerhalb nur einer Woche in der Hauptsendezeit
der ORF-ZIB vertreten.
Foto: Lukas Ilgner
Die breite Protestbewegung nahm am 28. September 2022 ihren Lauf. An
diesem Tag gingen tausende Menschen mit Behinderungen in ganz Österreich
auf die Straße, um auf untragbare Missstände aufmerksam zu machen und
längst überfällige Verbesserungen einzufordern. Den Abschluss des durch
zahlreiche öffentlichkeitswirksame Aktionen gekennzeichneten Jahres 2022
bildete das Lichtermeer am 18. Dezember, bei dem die Wiener Ringstraße
hell erleuchtet und ein Zeichen für umfassende Inklusion von Menschen mit
Behinderungen gesetzt wurde.
Am 2. Dezember 2022 sicherten mir sowohl Staatssekretärin Claudia Plakolm
als auch NAbg. Heike Grebien vor zahlreichen Mitstreiter*innen und Medienvertreter*innen
zu, unsere Forderungen an die zuständigen Minister*innen
mit Nachdruck weiterzugeben und einen Prozess des Dialogs auf Augenhöhe
einzuleiten.
Sowohl Bundespräsident Alexander Van der Bellen als auch Sozialminister
Johannes Rauch machten bei einem Arbeitsgespräch am 16. Dezember 2022
Zugeständnisse. Vier Wochen darauf informierte mich der Bundespräsident,
dass er – meinem Ersuchen entsprechend – die zuständigen Verantwortungsträger*innen
in der Bundesregierung bzw. in den Ländern auf unser Menschenrechts-Forderungspapier
persönlich aufmerksam gemacht und gebeten
habe, direkt mit dem Österreichischen Behindertenrat in Kontakt zu treten.
Darüber hinaus habe er die Verantwortungsträger*innen ersucht, ihn über die
gesetzten Schritte zu informieren.
In der kommenden Ausgabe berichte ich Ihnen über die Resultate der Gespräche
mit den zuständigen Personen der Regierungsparteien. •
Mit besten Grüßen
Ihr Klaus Widl
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Aus dem Inhalt
Ausgabe 1/2023
Fachkonferenz 6
Neu im Team: Felix Steigmann 7
Forum Selbstvertretung 8
Interview mit Tobias Buchner
zu inklusiver Bildung 9
Brauchen wir eine
„besondere“ Schule? 10
Recht auf 11. und 12. Schuljahr 14
Eine Schule für alle 16
Bildung – Es muss sich
endlich etwas bewegen! 18
Bildung – ein Menschenrecht 19
Qualitätscheck Elementarpädagogik
– Inklusion (er)leben 20
Steiermark: Schulassistenz neu 22
Schauspiel und Behinderung 23
Barrierefreiheit im
österreichischen Parlament 26
Austausch 29
Interview mit Inkluencerin
Rebekka 30
Neue Behindertenanwältin 31
Virtual Reality für Menschen
mit Sehbehinderungen 32
Medien 34
Gefördert aus den Mitteln des
Sozialministeriums
Foto: iStock/Halfpoint
Es braucht die gemeinsame
Schule für alle. Die Weiterentwicklung
von exkludierenden
Sonderschulen zu Regelschulen
stellt sicher, dass jedes Kind seinen
Platz im gemeinsamen, solidarischen
Miteinander bekommt.
Seiten 10 bis 13
Foto: Parlamentsdirektion/Michael Buchner
Beim Umbau des historischen
Parlamentsgebäudes wurde
großer Wert auf Barrierefreiheit
gelegt. Das österreichische
Parlament möchte ein offenes Haus
für ALLE, ein Vorzeigeprojekt und
ein Vorzeigebetrieb werden.
Seiten 26 bis 28
IMPRESSUM: Medieninhaber: Österreichischer Behindertenrat · Herausgeber: Klaus Widl · Chefredaktion:
Mag. Kerstin Huber-Eibl · Redaktion: DI Emil Benesch - Mag. Birgit Langeder, MA - Dr. Christina
Meierschitz - Andrea Strohriegl, BA · Lektorat: Andrea Strohriegl, BA · Adresse: 1100 Wien, Favoritenstraße
111/11 · Tel.: 01 513 1533 · Mail: [email protected] · Website: www.behindertenrat.at ·
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Die Medienmacher GmbH, 8151 Hitzendorf - Zweigstelle: 4800 Attnang-Puchhheim - Tel.: 07674 62 900 -
Web: www.diemedienmacher.co.at · Cover: IPGGutenbergUKLtd | iStock · Nachdruck nur nach ausdrücklicher,
schriftlicher Genehmigung der Redaktion gestattet. · Nicht alle Artikel entsprechen unbedingt der Meinung der
Redaktion. Wir haben das Ziel, eine möglichst breite Diskussionsbasis für behindertenpolitische Themen und Standpunkte
zu schaffen und die Sichtbarkeit von Menschen mit Behinderungen zu erhöhen. · Bankverbindung: easybank,
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Aktuell
KOLUMNE
Von Birgit Maria Langederer
Eine gut ausgebildete
Bevölkerung ist für das
soziale und wirtschaftliche
Foto: Lukas Ilgner
Wohlergehen eines Landes
wesentlich. Bildung vermittelt die nötigen
Kenntnisse, um einen Platz in Wirtschaft und
Gesellschaft zu finden. Eine gute Ausbildung
erhöht die Chancen auf einen Arbeitsplatz und
ein gutes Einkommen, soweit der Konsens aller
(demokratischen) Staaten.
Ankündigung
Fachkonferenz
Miteinander.
Das Recht auf inklusive Bildung
Am 28. September 2023 findet im ÖGB Catamaran in
Wien die jährliche Fachkonferenz des Österreichischen
Behindertenrates statt. In diesem Jahr widmet
sich die Veranstaltung der inklusiven Bildung.
Ein Beruf, den man gerne ausübt, um sein
Leben finanzieren und einen gesellschaftlichen
Beitrag leisten zu können, erscheint selbstverständlich.
Doch das bleibt viel zu oft für Menschen
mit Behinderungen ein selten erreichtes
Ziel, weil ihre Bildung nicht zu befriedigenden
Berufsentscheidungen leitet, sondern meist
schon von Beginn an in eine Sackgasse.
Kinder mit Behinderungen finden sich oft in
einer Sonder-Realität wieder: Beginnend mit
fehlenden inklusiven Kindergartenplätzen,
dann einer Sonderschule sowie einem fehlenden
Rechtsanspruch auf ein 11. und 12.
Schuljahr. Diese oft geübte Diskriminierung
widerspricht der UN-Behindertenrechtskonvention,
die Österreich ratifiziert hat. Die Konvention
fordert die Einrichtung eines inklusiven
Bildungssystems auf allen Ebenen.
Kinder mit Behinderungen haben Talente und
Fähigkeiten wie Kinder ohne Behinderungen.
Sie müssen oft schon von Beginn an lernen,
individuelle Lösungen für Herausforderungen
zu finden. Etwa weil sie schon früh den Gebrauch
von technischen Hilfsmitteln zu integrieren
lernen. Wesentlich ist, dass alle Kinder
ihre Stärken und Schwächen selbst entdecken
können. Dafür braucht es Austausch, Gemeinschaft
sowie Räume zum Spielen und Ausprobieren
sowie gutes, zeitgemäß ausgebildetes
Bildungspersonal für alle gemeinsam, von
Anfang an. •
Mit der Unterzeichnung und Ratifizierung der UN-Konvention
über die Rechte von Menschen mit Behinderungen verpflichtete
sich Österreich, ein inklusives Bildungssystem vom
Kindergarten bis zur universitären Bildung und lebenslanges
Lernen zu schaffen. Inklusive Bildung ist ein Menschenrecht
und seit dem Jahr 2008 verbrieft.
Eine Schule, die alle Schüler*innen einbezieht, ist ein wichtiger
Schritt auf dem Weg zu einer Gesellschaft, die niemanden
ausschließt. Wenn Kinder gemeinsam lernen und spielen,
werden sie es auch in Zukunft in allen Lebensbereichen als
normal empfinden, miteinander zu leben. •
Das Programm
der Konferenz finden Sie unter
https://ogy.de/jahreskonferenz2023
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Ausgabe 1/2023
Neu im Team
Seit 6. Februar 2023 arbeitet Felix
Steigmann, BA, MA, als Karenzvertretung
in der Abteilung EU
und Internationales beim Österreichischen
Behindertenrat.
Er zog nach seinem Zivildienst von
seinem Geburtsort München zum
Studieren nach Wien und schloss
dort ein Bachelorstudium in Kulturund
Sozialanthropologie sowie ein
Masterstudium in Human Rights ab.
Nach seinem Studienabschluss
arbeitete Felix Steigmann beim
Ludwig-Boltzmann-Institut für
Menschenrechte, der Universität
Wien sowie dem Institut für Rechtsund
Kriminalsoziologie der Universität
Innsbruck. Zudem war er als
Consultant für Amnesty International
Österreich tätig.
Mit den Rechten von Menschen mit
Behinderungen beschäftigte er sich
bereits während seines Masterstudiums
und verfasste seine Masterarbeit
– während eines Praktikums
bei der Monitoring-Stelle UN-BRK
beim Deutschen Institut für Menschenrechte
in Berlin über den
Zugang zu inklusiven Bildungsangeboten
für geflüchtete Kinder in
Berlin.
Felix Steigmann war Teil des Evaluierungsteams
der Universität Wien
bei der Evaluierung des Nationalen
Aktionsplans Behinderung
2012-2020 und arbeitete an einer
Evaluierungsstudie zum Stand der
Inklusion in Niederösterreichischen
Landeskindergärten mit.
„Es reizt mich sehr, meine Expertise
beim Österreichischen Behindertenrat
einzubringen und so
Felix Steigmann, BA, MA
einen Beitrag zu einer wirksamen
und spürbaren Verbesserung der
Lebenssituation von Menschen mit
Behinderungen in Österreich leisten
zu können.
Ich freue mich auch schon sehr darauf,
Neues zu lernen. Nur so kann
man sich beruflich und persönlich
weiterentwickeln“, erklärt Felix
Steigmann.
Foto: Andrea Strohriegl
Seine Freizeit verbringt unser neuer
Mitarbeiter am liebsten mit seiner
Partnerin und der gemeinsamen
kleinen Tochter, seinen Freunden,
mit Sport, Reisen und gutem
Essen. •
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Austausch
Ausgabe 1/2023
Forum Selbstvertretung
Am 6. März 2023 fand nach langer Zeit wieder ein Austausch des Forum
Selbstvertretung im Büro des Österreichischen Behindertenrates statt.
Das Forum Selbstvertretung ist eine Gruppe von Expertinnen und Experten der Menschen mit Lernschwierigkeiten für
den Österreichischen Behindertenrat.
Im heurigen Jahr behandelt das Forum Selbstvertretung hauptsächlich die Themen Intensivbetreuung, inklusive Spezialambulanz
und Bildung.
Am Treffen des Forum Selbstvertretung nahmen folgende Personen teil:
Iris Grasel (Caritas Österreich), Hans Witz (ÖHTB), Maria Schwarr (Selbstvertretungszentrum), Sabine Franz (Jugend am
Werk), Iris Kopera (Balance), Andreas Zehetner (Lebenshilfe Niederösterreich, Vizepräsident Österreichischer Behindertenrat),
Oswald Föllerer (Vienna People First, Selbstvertretungszentrum), Claudia Platteter (Caritas Österreich), Michael
Unger (Caritas Österreich), Beate Heher (Sekretariat, Unterstützerin Forum Selbstvertretung), Birgit Langeder, Bernhard
Bruckner und Christina Meierschitz (Team Österreichischer Behindertenrat) •
Foto: Kerstin Huber-Eibl
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Inklusive Bildung
Ausgabe 1/2023
Interview: HS-Prof. Dr. Tobias Buchner
„Es geht generell um eine grundlegende Reform des Bildungssystems“
Von Andrea Strohriegl
2023 ist das Jahr
der inklusiven Bildung.
Zu diesem
Anlass haben wir uns
mit HS-Prof. Dr. Tobias
Buchner, Experte
für inklusive Bildung,
über dieses Thema
unterhalten. Tobias
Buchner ist stellvertretender
Vorsitzender
des Unabhängigen
Monitoringausschusses
und Leiter des Instituts für Inklusive
Bildung an der Pädagogischen Hochschule
Oberösterreich. Er forscht seit
Jahren, auch international erfolgreich,
zum Thema inklusive Bildung
und sammelt wichtige Daten und
Erkenntnisse zu der Frage, weshalb
inklusive Bildung wichtig ist und wie
sie gelingen kann.
ÖBR: Was ist inklusive Bildung?
Buchner: Inklusive Bildung bedeutet,
dass alle Kinder und Jugendlichen
gemeinsam gut lernen. Dass sie
unabhängig von ihrer Erstsprache,
von ihren Fähigkeiten an einem Ort
gemeinsam, individuell unterstützt
werden können. Das bedeutet ein
angstfreies Lernen, ein Lernen an
den Interessen und auch ein Lernen,
dass man mit Unterschieden gut umgehen
lernt.
ÖBR: Warum ist Inklusion wichtig?
Buchner: Inklusion ist wichtig, weil
wir noch kein Inklusives Bildungssystem
haben. Wir haben immer noch
Schüler*innen, die ausgeschlossen
sind. Aber auch Schüler*innen, die
nicht die gleichen Möglichkeiten
haben wie andere, sowie Schüler*innen,
die an anderen, segregierten
Orten unterrichtet werden. Weiters
gibt es Schüler*innen, die gewissermaßen
‚en bloc‘ unterrichtet werden
und nicht individuell nach ihren Bedürfnissen
und Interessen.
ÖBR: Was braucht es, damit
Inklusive Bildung gelingen kann?
Buchner: Es geht generell um eine
grundlegende Reform des Bildungssystems.
Denn Inklusion soll aktuell
in sogenannten „Integrationsklassen“
stattfinden. Allein dieser Begriff
zeigt, dass es noch kein inklusives
System ist. In einem solchen System
wäre dieser Begriff nicht nötig.
Es geht darum, ein grundlegend inklusives
Bildungssystem zu schaffen.
Dies hängt wiederum damit zusammen,
dass wir Vorstellungen von
Schule, wie sie mittlerweile seit fast
200 Jahren existieren, aufbrechen
müssen. Die Vorstellung, dass ich einen
großen Raum habe, in dem eine
Lehrperson steht und jahrgangsweise
Schüler*innen unterrichtet, das
steht einer inklusiven, individuellen
Förderung entgegen.
Denn das ist mit den
aktuellen Ressourcen
in der Breite
schwer umsetzbar.
Deshalb brauchen
wir kleinere Gruppen
von Schüler*innen,
die mit guten
Personalressourcen
von gut ausgebildeten
Lehrer*innen
unterstützt werden.
Und wir müssen also vom Modell der
Jahrgangsklassen und dem ‚one size
fits all‘-Unterricht wegkommen.
Es geht tatsächlich um die Pfeiler
des Bildungssystems, des dualen
Bildungssystems, das immer noch
grundlegend unterscheidet in Sonderschule
und Regelschule. Und das
ist auch eine Debatte um die Idee,
wie Bildung für Kinder in unserer
Gesellschaft generell gestaltet sein
soll. •
Das ganze Gespräch
ist auf unserem YouTube-Kanal
zu sehen: www.youtube.com/
@behindertenrat
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Foto: iStock | Halfpoint
Brauchen wir eine „besondere“
Schule für Kinder mit Behinderungen?
Unterricht, wie er heute erfolgt, muss anders organisiert werden.
Es bedarf also einer Systemveränderung. Regelschulen müssen ihre
Infrastruktur, Methoden, Lernmaterialien und Personalpolitik auf alle
Schüler*innen abstimmen und dafür sorgen, dass sich alle wohl fühlen.
Von Christina Meierschitz
Die Sonderschule hat eine lange Geschichte. So gibt
es schon sehr lange eigene Schulen für blinde und
gehörlose Kinder. Mit der Durchsetzung der allgemeinen
Schulpflicht wurden auch für Kinder mit kognitiven
Behinderungen „Hilfsschulen“ eingerichtet, die seit
1956 als Sonderschulen bezeichnet werden.
Die Sonderschule ist heute eine Schulart der Sonderpädagogik
im Bereich der Primar- und Sekundarbildung
I. Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf (SPF)
können dort neun Jahre Bildung erhalten. Der SPF wird
erteilt, wenn Schüler*innen dem Unterricht ohne sonderpädagogische
Förderung/Unterstützung wahrscheinlich
nicht folgen können. Gründe dafür sind nicht nur
vorübergehende, körperliche, geistige oder psychische
Funktionsbeeinträchtigungen oder Beeinträchtigungen
der Sinnesfunktionen. Kindern mit nichtdeutscher Erstsprache
oder einer Staatsbürgerschaft außerhalb der
Europäischen Union bzw. dem Europäischen Wirtschaftsraum
wird häufiger ein SPF zugesprochen.
Schüler*innen mit SPF können ihre neunjährige Schulpflicht
auch in Volksschulen, Mittelschulen, Unterstufen
Allgemeinbildender höherer Schulen, Polytechnischen
Schulen und einjährigen Haushaltungsschulen erfüllen.
Mit Zustimmung des Schulerhalters und der zuständigen
Schulbehörde können sie ein freiwilliges elftes und
zwölftes Schuljahr an allgemeinen Schulen besuchen.
Außer in Wien wird diese Zustimmung meist erteilt.
Haben Eltern wirklich ein Wahlrecht?
Entsprechende Beratungen nehmen Eltern oft als
ungenügend wahr, sie fühlen sich nicht ausreichend
informiert. Zudem stehen keine qualitativ gleichwertigen
Angebote zur Auswahl. Denn Rahmenbedingungen,
Ausstattung, personelle Ressourcen und Fördermöglichkeiten
sind in der Regelschule oft nicht mit Angeboten
in einer Sonderschule vergleichbar. Somit wird rasch
empfohlen, die Sonderschule mit ihren umfassenden Angeboten
zu wählen.
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Inklusive Bildung
Ausgabe 1/2023
„Eltern können entscheiden, ob ihre
Kinder in der Sonder- oder einer
Regelschule, unterrichtet werden. “
Soll es ein Wahlrecht geben?
Etliche Vertreter*innen von und für Menschen mit Behinderungen
möchten das elterliche Wahlrecht zwischen
Sonderschule und allgemeiner Schule abschaffen. Denn
damit würde der inklusiven Schule kein großer Dienst erwiesen.
Das Elternwahlrecht werde als Vorwand zur Aufrechterhaltung
des Sonderschulsystems verwendet, so
das Argument. Auch die UN-Behindertenrechtskommission
in Genf sieht einen Widerspruch zur UN-Behindertenrechtskonvention
(UN-BRK) und zum fundamentalen
Menschenrecht auf inklusive Bildung aller Lernenden.
Die hohen Kosten des Nebeneinanders von segregierendem
Sonderschulsystem und Regelschulsystem bewirken,
dass die Ausstattung für qualitativ hochwertige, inklusive
Pädagogik in Regelschulen zu kurz kommt.
Was gelingt in Regelschulen kaum?
Nach wie vor hindern Barrieren Kinder und Jugendliche,
die Schule ihrer Wahl zu besuchen. Dazu zählen
neben räumlichen Hindernissen die fehlende Ausstattung
(Materialien für inklusiven Unterricht, barrierefreie
Technologien, geeignete Betreuungsangebote...). Nicht
zuletzt verhindern meist die Barrieren in den Köpfen das
Gemeinsame.
In vielen Schulen in alten Gebäuden mangelt es an
barrierefreiem Zugang. Toiletten sind für Kinder mit
Gehbehinderung oder blinde Kinder nicht selbständig
benutzbar, Waschmöglichkeiten nicht unterfahrbar.
„Noch immer gibt es in Österreich kein
einheitliches System schulischer Assistenz:
Neun Bundesländer mit neun unterschiedlichen
Regelungen! Assistenz bzw.
Schulassistenz wird nur selten im tatsächlich
benötigten Ausmaß gewährt. “
Berufstätige Eltern bemängeln, dass es in Regelschulen
keine therapeutischen Angebote wie in Sonderschulen
gibt. Durch fehlende Nachmittags- und Ferienbetreuung
in Regelschulen können Eltern schwer in Vollzeit arbeiten.
Nach wie vor übernehmen meist Mütter die Pflege
und Betreuung von Kindern mit Behinderungen. Alleinerziehende
geraten so schnell in Armut. Dringend nötige
und meist teure Therapien sind dann ebenfalls nicht
leistbar. Zudem können Kinder mit Behinderungen ohne
bedarfsorientierte Unterstützung im Schullalltag oft
nicht an Schulveranstaltungen teilnehmen.
Trotz integrativem Unterricht werden Kinder in vielen
Unterrichtsfächern aus dem Klassenverband geholt und
segregiert unterrichtet. Dies benachteiligt alle Schüler*innen
und begünstigt einen Nährboden für Ausgrenzung
und Mobbing. Segregierende Unterrichtseinheiten
lassen das "Anderssein" im Vordergrund stehen.
Warum entscheiden sich Eltern für die
Sonderschule?
Für wenige Eltern ist die Sonderschule die erste Wahl.
Durch negative Erfahrungen in der Regelschule oder
durch tendenzielle Beratung zur Sonderschule entscheiden
sie sich mangels Alternativen für diesen Weg. Die
Umstände geben ihnen dann auch leider Recht.
Durch gute Rahmenbedingungen wie Therapieangebote,
Fördermöglichkeiten und Nachmittagsbetreuung bekommen
nicht nur Schüler*innen optimale Bedingungen
für ihre Bildung, sondern es wird die gesamte Familie
entlastet. Sonderschulen stehen mehr hochqualifizierte
personelle Ressourcen zur Verfügung. So können umfassendere
Fördermöglichkeiten zur Verfügung gestellt
werden. Ebenso besteht meist die Möglichkeit, Therapien
in Anspruch zu nehmen.
„Durch kleine Gruppengrößen und
bessere räumliche Bedingungen für
Therapien und Rückzugsmöglichkeiten
können Lernende ihr Lernziel
besser verfolgen. “
Soziale Aspekte wie die gute Eingebundenheit in der
Gruppe oder die Möglichkeit, eher Freundschaften schließen
zu können, lassen viele Eltern die Entscheidung für
die Sonderschule treffen. Dafür nehmen sie Nachteile in
Kauf: So können Kinder in Sonderschule keinen Kontakt
zu Kindern ohne Behinderungen aufbauen und von
diesen auch nicht lernen. Oftmals werden sie außerhalb
der Schule auch stigmatisiert. Viele Eltern bedenken
www.behindertenrat.at
11
Inklusive Bildung
nicht, dass mit der Entscheidung für die Sonderschule
der weitere Lebensweg häufig vorgegeben ist. Nach der
Sonderschule bleibt meist nur der Weg in die Arbeitsunfähigkeit
und in Werkstätten, in denen es keinen Lohn,
sondern lediglich ein kleines Taschengeld gibt. Sie sind
weder selbständig kranken- noch pensionsversichert
und bleiben lebenslang von ihren Eltern abhängig oder
leben auf dem finanziellen Niveau von Sozialhilfeempfänger*innen.
Internationale Verpflichtungen
Österreich verpflichtete sich mit Unterzeichnung und
Ratifizierung der UNBRK, ein inklusives Bildungssystems
auf allen Ebenen einzurichten. Dazu gehören Vorschulbildung,
Grund- und weiterführende Bildung sowie
Hochschulbildung, berufliche Bildung und lebenslanges
Lernen, außerschulische und soziale Aktivitäten für alle
Lernenden, einschließlich Menschen mit Behinderungen,
frei von Diskriminierung und chancengleich mit anderen.
„Bildungseinrichtungen müssen so
gestaltet werden, dass Sonderschulen
oder Sonderkindergärten nicht mehr
benötigt und besucht werden. “
Dennoch bleibt die Zahl der Schüler*innen in Sonderschule
in den letzten Jahren gleich.
Die Agenda 2030 der Vereinten Nationen (UNO) legte
17 globale Nachhaltigkeitsziele fest, wie Ungerechtigkeit
bekämpft, die Klimakatastrophe verhindert und die
Welt zu einem lebenswerten und gerechten Ort für alle
Menschen gemacht werden kann. Österreich verpflichtete
sich mit den UNO-Mitgliedsstaaten zur Umsetzung
der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung unter dem
Titel „Transformation unserer Welt". Mit dem „Ziel 4“ soll
bis 2030 für alle Menschen inklusive, chancengerechte
und hochwertige Bildung sowie Möglichkeiten zum
lebenslangen Lernen sichergestellt werden.
Der Weltbildungsbericht 2020 der UNESCO ist die zentrale
Empfehlung an alle Bildungsakteur*innen, ihr Verständnis
von inklusiver Bildung zu erweitern, um alle Lernenden
miteinzubeziehen: Unabhängig von deren Identität, Hintergrund
und Fähigkeiten. Im Bericht wird auch festgehalten,
dass das Führen einer Debatte über Vorteile inklusiver
Bildung mit einer Debatte über Vorteile der Abschaffung
der Sklaverei oder der Apartheid gleichzusetzen ist.
„Inklusive Bildung ist ein Prozess,
kein Endpunkt. “
Viele Veränderungen auf diesem Weg sind kostenfrei:
In Bezug auf das Handeln von Lehrkräften, das Leitbild,
welches Schulleiter*innen für ihre Lernumgebungen
schaffen, die Schulwahl durch Familien und unsere Entscheidung,
was wir als Gesellschaft für unsere Zukunft
wollen.
Wie kann es funktionieren?
Inklusive Bildung bedeutet, dass alle Menschen an
qualitativ hochwertiger Bildung teilhaben und ihr
Potenzial voll entfalten können. Inklusion beinhaltet
das Recht auf gemeinsamen Unterricht in einer Regelschule.
Ziel inklusiver Bildung ist, Kinder zu einer bestmöglichen
Entwicklung, einem besseren sozialen Miteinander und
damit einer über die Schule hinausgehenden gesellschaftlichen
Teilhabe zu verhelfen. Sie sollen voneinander
- miteinander - gemeinsam lernen.
„Unterricht, wie er heute erfolgt,
muss anders organisiert werden.
Es bedarf also einer Systemveränderung. “
Es müssen Regelschulen ihre Infrastruktur, Methoden,
Lernmaterialien und Personalpolitik auf alle Schüler*innen
abstimmen und dafür sorgen, dass sich alle wohl
fühlen.
Entscheidend für das Gelingen einer inklusiven Schule ist
vorrangig eine inklusive und wertschätzende Haltung
aller Beteiligten gegenüber allen Kindern. Aber auch
notwendige Rahmenbedingungen wie finanzielle Absicherung
und umfassend qualifiziertes Personal sind
unabdingbar.
„Eine gute Lösung: Heterogene
Mehrstufenklassen, in denen Unterstützung
untereinander wichtig ist. “
Alle Kinder müssen bei der Beurteilung mit ihren Stärken
und Fähigkeiten im Mittelpunkt stehen. Leistungsbe-
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urteilung und Unterricht sind daher stärkenorientiert
abzufassen. Genauso wichtig ist, dass das Kind in der
Gruppe am gesamten Schulleben teilnimmt. Daran haben
alle am Prozess beteiligten Personen mitzuwirken.
Kinder sollen zu selbstgesteuertem, zielorientiertem Lernen
angeleitet werden. Alle Kinder sind in alle Gruppenprozesse
miteinzubeziehen. Lernfortschritte werden im
individuellen Tempo erreicht. So kann etwa ausgehend
von einem gemeinsamen Oberthema mit unterschiedlichen
Arbeitsaufträgen oder gestuften Aufgaben auf
jeden Entwicklungsstand eingegangen werden. Damit
erübrigt sich ein Sonderschullehrplan. In heterogenen
Gruppen lernen Kinder besser, denn Verschiedenheit ist
Voraussetzung für Individualität.
Weitere wesentliche Faktoren für gutes Gelingen sind
eine gemeinsame, multiprofessionelle Arbeit in der Klasse
durch Teamteaching und Kooperationen mit Partnern,
die Schule als gemeinsamen Lernort sowie außerschulische
Einrichtungen und Personen einbeziehen.
Eine Schule, die einbezieht, ist ein wichtiger Schritt auf
dem Weg zu einer Gesellschaft, die niemanden ausschließt.
Wenn Kinder in der Schule erfahren, gemeinsam
zu lernen und zu spielen, werden sie es auch in
Zukunft in allen Lebensbereichen als normal empfinden,
miteinander zu leben. •
„Zahlreiche Materialien, Literatur
sowie Fort- und Weiterbildungsangebote
zeigen, wie Inklusion
gelingen kann. “
„Es braucht die gemeinsame Schule für
alle. Der Schultyp Sonderschule muss der
Vergangenheit angehören, er muss abgeschafft
werden. Daher sind die ausschließenden,
exkludierenden Sonderschulen zu
Regelschulen weiterzuentwickeln. Nur so
wird sichergestellt, dass jedes Kind seinen
Platz im gemeinsamen, solidarischen Miteinander
bekommt. “
Dr. Christina Meierschitz
Foto: Lukas Ilgner
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Inklusive Bildung
Recht auf 11. und 12. Schuljahr
Der Österreichische Behindertenrat und die Elterninitiative
„Gemeinsam Leben – Gemeinsam Lernen – Integration Wien“ unterstützen
die ins Parlament eingebrachte Bürgerinitiative betreffend ein
„Recht auf Bildung für ALLE Kinder – Recht auf ein 11. und 12.
Schuljahr für Kinder mit Behinderung“.
Für Kinder mit sonderpädagogischem
Förderbedarf (SPF) erfordert
die Genehmigung eines 11.
und 12. Schuljahres die Zustimmung
des Schulerhalters und die Bewilligung
der zuständigen Schulbehörde.
Diese Bewilligung wird bundesweit in
vielen Fällen, in Wien meist gar nicht
erteilt. Eine Elterninitiative rund um
Karin Riebenbauer sowie Claudia und
Bernd Mühlbacher rief im Herbst
2022 eine Unterschriftenaktion
ins Leben. Die Initiator*innen der
Initiative „ichwillschule“ möchten
bewirken, dass § 32 Abs. 2 des Schulunterrichtsgesetzes
(SUG) so geändert
wird, dass Kinder mit SPF künftig
berechtigt sind, eine Schule drei
Jahre über den in Absatz 1 genannten
Zeitraum hinaus zu besuchen und
darauf auch einen durchsetzbaren,
gesetzlich klar definierten Anspruch
haben.
Folgende Punkte werden eingefordert:
1. Das Schulpflichtgesetz soll dahingehend
geändert werden, dass
Kinder mit Behinderung, die eine
Entwicklungsverzögerung mit
sich bringen, bis zu zwei Jahre
später eingeschult werden können
und sich somit der Beginn
der Berechnung der Schuljahre
um bis zu zwei Jahre nach hinten
verschiebt.
2. Das Schulunterrichtsgesetz soll
dahingehend geändert werden,
dass für Kinder mit SPF ein
gesetzlich klar definierter Rechtsanspruch
auf ein 11. und 12.
Schuljahr eingeräumt wird.
3. Um die Erfüllung dieses Rechtsanspruchs
gewährleisten zu
können, sind inklusive Settings
oder andere sonderpädagogische
Angebote in der Sekundarstufe
2 einzurichten – etwa in berufsbildenden
mittleren Schulen wie
Handelsschulen und wirtschaftlichen,
hauswirtschaftlichen,
technischen und landwirtschaftlichen
Fachschulen.
4. Die Stellenpläne und Budgets für
diese Schulen sowie allgemeinbildende
Pflichtschulen sollen
seitens des Bundes und der
Länder im erforderlichen Ausmaß
aufgestockt werden, um flächendeckend
und bedarfsgerecht
Inklusionsplätze im Sinne der
Behindertenrechtskonvention
anbieten zu können.
5. Dieser Ausbau geht mit einem
großen Fachkräftebedarf im Bereich
der Inklusionspädagogik
einher, der derzeit nicht gedeckt
werden kann. Die Bundesregierung
soll daher dafür Sorge tragen,
dass an den Pädagogischen
Hochschulen die diesbezüglichen
Ausbildungsplätze deutlich aufgestockt
werden und im Bereich
der Arbeitsbedingungen und der
Besoldung Anreize geschaffen
werden, in diesem herausfordernden
und verantwortungsvollen
Bereich tätig zu werden.
Foto: Andrea Piacquadio, Pexels
Bis 21. November 2022 wurde die Petition
der Bürgerinitiative von 35.426
Personen unterzeichnet und am 6.
Dezember 2022 im Nationalratsausschuss
für Petitionen und Bürgerinitiativen
behandelt. Dabei wurde beschlossen,
offizielle Stellungnahmen
von Ministerien und Organisationen
einzuholen.
Stellungnahme Behindertenrat
und Integration Wien
Der Österreichische Behindertenrat
fordert ein inklusives Bildungssystem
entsprechend den in der UN-Konvention
über die Rechte von Menschen
mit Behinderungen (UN-BRK)
festgelegten Rechten, worin allen
Kindern die größtmögliche Bildung
zukommen muss. Die UN-BRK fordert
die Einrichtung eines inklusiven Bildungssystems
auf allen Ebenen und
lebenslanges Lernen. Dieses müssen
Kinder und Jugendliche mit Behinderungen
chancengleich mit Kindern
und Jugendlichen ohne Behinderungen
besuchen können.
14 www.behindertenrat.at
Ausgabe 1/2023
Chancengleiche Bildungsmöglichkeiten
vor der
Pflichtschule
Derzeit finden Kinder mit Behinderungen,
etwa in Wien, nicht gleiche
Bildungsmöglichkeiten wie Kinder
ohne Behinderungen in der elementaren
Bildung vor, da sie oft jahrelang
auf einen Kindergartenplatz
warten. Im Kindergartenjahr 2022/23
fehlen mehr als 1.000 Plätze für
Kinder mit Behinderungen. Häufig
wird erst im verpflichtenden halbtägigen
Kindergartenjahr – ein Jahr vor
Beginn der Schulpflicht – ein Platz
bereitgestellt.
Durch fehlenden Rechtsanspruch,
mangelndes Platzangebot, unzureichende
strukturelle Rahmenbedingungen
sowie die Nichtbereitstellung
von Supportsystemen (z.B.
individuelle Assistenz) in einigen
Bundesländern erfahren Kinder mit
Behinderungen eine massive Ungleichbehandlung
gegenüber Kindern
ohne Behinderungen. Ihnen wird
die Teilhabe an Bildungsangeboten
verwehrt und soziale Interaktion
mit Gleichaltrigen verunmöglicht.
Der Österreichische Behindertenrat
und Integration Wien fordern einen
Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz
mit gleichzeitiger Bereitstellung
entsprechender Rahmenbedingungen
und Supportsysteme für
öffentliche und private Kindergärten,
Kindergruppen und in der Betreuung
durch Tageseltern.
Inklusive Bildung
Bildung ist der Grundstock für das
weitere Leben von Kindern und Jugendlichen.
Abgesehen davon, dass
Bildung es erlaubt, das Leben selbstbestimmt
zu gestalten und feststeht,
dass je mehr Ausbildungen und Kompetenzen
ein Mensch besitzt, desto
breiter weitere Möglichkeiten für
sinnstiftende Arbeit sind, bedeutet
eine inklusive Schule auch, dass Kinder
mit und ohne Behinderungen gemeinsames
Verständnis füreinander
erfahren und frühzeitig lernen, wie
sie miteinander leben und umgehen
können. Das ist der Beginn inklusiver
Teilhabe von Menschen mit Behinderungen
an unserer Gesellschaft.
Chancengleiche Bildungsmöglichkeiten
nach der
Pflichtschule
Viele Jugendliche mit Behinderungen
benötigen eine längere Entwicklungsund
Reifezeit, um sich kognitive,
lebenspraktische und persönliche
Kompetenzen anzueignen und
eine Berufsentscheidung treffen zu
können. Gesetzlich geregelt ist, dass
Jugendliche mit SPF für die Genehmigung
eines 11. und Schuljahres
die Zustimmung des Schulerhalters
und die Bewilligung der zuständigen
Schulbehörde benötigen. Dabei sind
Eltern gefordert, sich rechtzeitig um
eine Beantragung zu bemühen.
Dadurch entsteht österreichweit eine
sehr unterschiedliche Bewilligungspraxis
(in Wien wird sie fast gar
nicht mehr erteilt, in den anderen
Bundesländern meistens). Dies auch
deshalb, weil es keine klaren Regeln
gibt, wann eine Genehmigung erteilt
beziehungsweise wann sie abgelehnt
wird.
Ausbildungspflicht bis 18
Aus diesen Erwägungen heraus ist es
unabdingbar, dass Schüler*innen mit
SPF über die Pflichtschulzeit hinaus
in einem freiwilligen 11. und 12.
Schuljahr die Schule besuchen können.
Um das Recht auf Bildung zumindest
bis zum 18. Lebensjahr auch
für Jugendliche mit Behinderungen
zu verankern, fordern der Österreichische
Behindertenrat und Integration
Wien einen Rechtsanspruch auf den
Besuch des 11. und 12. Schuljahres
mit entsprechenden Rahmenbedingungen
festzuschreiben.
In diesem Zusammenhang ist jedoch
anzumerken, dass auch bei einem
neu verankerten Rechtsanspruch von
Jugendlichen mit SPF auf ein 11. und
12. Schuljahr eine Diskriminierung
gegenüber Jugendlichen ohne SPF
besteht, weil diese die Möglichkeit
haben, Bildung in einem 13. und 14.
Schuljahr in Anspruch zu nehmen.
Eine weitere Ausdehnung des Rechtsanspruchs
von Jugendlichen mit
SPF auf ein 13. und 14. Schuljahr ist
daher geboten, wobei dieser einen
entsprechenden Lehrplan (und auch)
mit weiterführenden Ausbildungsangeboten
umfassen muss.
Inklusive Bildung in
Sekundarstufe II
Daraus folgt, dass generell gesetzliche
Grundlagen des gemeinsamen
Unterrichts für ALLE Jugendlichen
in der Sekundarstufe II, in Berufsbildenden
Mittleren Schulen, Berufsbildenden
Höheren Schulen,
Fachschulen und Oberstufen Allgemeinbildender
Höherer Schulen
geschaffen und die entsprechenden
Rahmenbedingungen bereitgestellt
werden müssen. Dies wird von Organisationen
von und für Menschen mit
Behinderungen sowie Elternvereinen
seit mehr als 20 Jahren gefordert. •
Weitere Informationen
Für weitere Informationen und
Beratung zu den Möglichkeiten
für Kinder mit Behinderungen
nach der Pflichtschule steht das
Elternnetzwerk von Integration
Wien unter der Telefonnummer
01 789 26 42 24 bzw. der
E-Mail-Adresse
elternnetzwerk@
integrationwien.at
gerne zur Verfügung
www.behindertenrat.at
15
Inklusive Bildung
Eine Schule für alle
Die Integrative Lernwerkstatt (kurz ILB) ist eine Ganztagschule für
Kinder von 6 bis 15 Jahren. Im Jahr 2014 wurde die Schule mit dem
österreichischen Schulpreis ausgezeichnet.
Von Yella Freinbichler
Yella absolvierte beim Behindertenrat berufspraktische Tage.
Das Schulsystem fokussiert sich auf wirkungsvolles
und nachhaltiges Lernen in einer liebevollen
Atmosphäre in einem geborgenen Rahmen. Weitere
Schwerpunkte der ILB sind integrierte Natur- und
Handwerksprojekten (Lernen unter Sternen) in der
Stockerauer Au, sowie auch die mobile Outdoorgrube
MOGLLI.
Foto: Thomas Fürhapter
Die ILB wurde 1999 von Joseph Reichmayr gegründet
und befindet sich in der Vorgartenstraße 50 im 20.
Bezirk. Die ILB ist eine integrative Lernwerkstatt. Das
bedeutet, Kinder mit und ohne Behinderung können auf
diese Schule gehen. Die Schule verfolg bewusst Lernziele
und bringt eine positive Weiterentwicklung in Gange und
gemeinsam mit dem/der Lernbegleiter*in und des/der
Schüler*in werden Lernziele bearbeitet und Lösungsstrategien
entwickelt. So hebt sich der Unterricht von
anderen Schulen ab.
Der Aufbau der Klassen
Die Schule geht bis zur 8 Klasse. in jedem Stock (außer
Keller und Hof) befinden sich je drei “Cluster”. Im Eingangscluster
werden alle Kinder von erster bis dritter
Klasse unterrichtet. Im Übergangscluster werden alle
Kinder von der vierten bis sechser Klasse unterrichtet,
und im Ausgangscluster werden alle Kinder von siebter
bis achter Klasse unterrichtet. Der Schulstoff wird an das
jeweilige Kind angepasst.
Noten und Wochenpläne
Die Noten werden für die Kinder aufgehoben, diese
erhalten sie in der 8. Klasse für eine weiterführenden
16 www.behindertenrat.at
Ausgabe 1/2023
Schule oder Lehre. Die Kinder erhalten keine bestimmten
Aufgaben für einen Tag. Am Anfang der Woche
bekommen alle ihre Aufgaben, die sie in dieser Woche
erledigen müssen. Aber es gibt bestimmte Abgabetermine,
die alle Schüler*innen einhalten müssen. Was nicht
geschafft wird, wird am Wochenende erledigt. Es gibt
natürlich nicht nur schulische Aktivitäten, sondern auch
Aktivitäten außerhalb der Schule (Lernen unter Sternen,
Wochen in der Stockerau Au, mobile Outdoorgrube).
In unserer Schule gibt es Angebote wie Tanzen und
Trommeln für alle, Motopädagogik aber nur für I-Kinder
(Kinder mit Behinderungen). Motopädagogik bezeichnet
man als Erziehung mit Bewegung, indem das Kind bei
seiner Persönlichkeitsentwicklung gefördert wird.
Coaches
Jedes Kind hat einen “Coach”. Coaches sind die für die
jeweiligen Schüler*innen zuständigen Lehrer*innen.
LAKS, FLÜPS und KELS
Wir haben keine Tests oder Schularbeiten, dafür aber
LAKS und FLÜPS. LAKS sind Lernabschnittskontrollen zu
einem Thema und FLÜPS zu mehreren. Ein bis zweimal im
Jahr haben alle Kinder ein KEL (Kinder-Eltern-Lehrer*innen-Gespräch).
Dort präsentieren sie ihren Eltern den
aktuellen Schulstoff. Die ILB macht auch Ausflüge und
Projektwochen.
Ausgangscluster
Die Kinder im Übergangscluster bekommen wenige Wochen,
bevor sie in den Ausgangscluster wechseln, eine
Klasse zugeteilt, in der sie einen Tag lang schnuppern
können. Nach diesem Schnuppertag vergehen wieder
einige Wochen, bis die Schüler*innen erfahren, in
welche Klasse sie im nächsten Schuljahr gehen werden.
Die Schule pflegt einen sozialen Umgang miteinander.
Manche Schüler*innen sind aus dem Grund an der ILB,
weil sie in anderen Schulen wenig Verständnis für ihre
Behinderungen bekommen.
Meine Meinung zur ILB
Ich persönlich finde die ILB besser als meine alte
Volkschule. Ich habe in der ILB Freund*innen gefunden.
Außerdem finde ich das Konzept des Unterrichts
besser, weil ich finde, dass Anliegen der Schüler*innen
den Lernbegleiter*innen wichtiger sind als in anderen
Schulen. In unserer Klasse sind 35 Kinder und fünf Lernbegleiter*innen.
Meine Lieblingsfächer in der Schule
sind Mathe, Deutsch, Werken und Kunst. Ich liebe es, in
die Schule zu gehen und mich mit meinen Freundinnen
auszutauschen. •
Weitere Infos
findet man unter www.lernwerkstatt.or.at
Zeichnung: Yella Freinbichler
www.behindertenrat.at
17
Inklusive Bildung
Es muss sich endlich etwas bewegen!
Über das Thema Bildung wird in Österreich immer gerne – und leidenschaftlich
– diskutiert. Und jeder hat dazu eine Meinung, denn schließlich
haben wir alle länger oder kürzer die Schulbank gedrückt und fühlen
uns entsprechend als Expert*innen. Von Hansjörg Nagelschmidt, ÖZIV Bundesverband
Dies trifft auch auf das „Sonder-Thema“
Inklusive Bildung
zu. Hand aufs Herz: wie viele
hatten während ihrer Schulzeit
tatsächlich Mitschüler*innen mit
Behinderungen? Nach wie vor ist
die gemeinsame Schule von Kindern
und Jugendlichen mit und ohne Behinderungen
in Österreich nämlich
nicht umgesetzt. Und das, obwohl
das Recht auf gleichberechtigten
Bildungszugang in der UN-Behindertenrechtskonvention
festgeschrieben
ist! Bei der letzten Staatenprüfung
im Jahr 2013 setzte es für die Versäumnisse
im Bildungsbereich eine
Rüge durch die UN.
Man könnte vermuten, damit wäre
Bewegung in dieses Thema gekommen.
Falsch gedacht!
Nach wie vor sind wir von einem
inklusiven Bildungssystem in unserem
Land meilenweit entfernt. Die
starken Beharrungskräfte verhindern
leider jeden Fortschritt!
Auf der einen Seite ist die Herangehensweise
an das Thema Bildung
stark ideologisch geprägt, andererseits
haben beim Thema Schule viele
Gruppen Einfluss auf Entwicklungen
bzw. Stillstand: Behörden, Lehrpersonal,
Eltern, usw. – das macht
Reformen mitunter so schwierig und
langwierig. Dabei wäre es höchst an
der Zeit, dass sich hier etwas bewegt!
Die Bedürfnisse der Schüler*innen
spielen da leider oft eine untergeordnete
Rolle – trotz Schüler*innenvertretung,
die nebenbei erwähnt
auch teilweise ideologisch agiert. Für
betroffene Eltern von Kindern und
Jugendlichen mit Behinderungen ist
das verständlicherweise frustrierend.
Zu oft sind Eltern vom Wohlwollen
von Schulbehörden abhängig, was
die Schul-Laufbahn ihrer Kinder
betrifft. Und die betroffenen Kinder
davon, wie sehr sich ihre Eltern in
diesen Kampf werfen (können). Von
Gerechtigkeit und Chancengleichheit
kann hier keine Rede sein!
Verbaute Zukunfts-Chancen
Es stellt sich die Frage: Wie lange
wollen wir noch zusehen, dass Kindern
und Jugendlichen mit Behinderungen
ihre Zukunfts-Chancen verbaut
werden bzw. ihnen ordentliche
Barrieren in den Weg gelegt werden?
Denn Bildung ist eine Grundvoraussetzung
für einen guten Zugang
zu Jobs und ein selbstbestimmtes
Leben – für alle Menschen, aber
insbesondere auch für Menschen
mit Behinderungen. Das Bildungs-/
Schulsystem in Österreich leistet dies
derzeit nicht.
Eine Folge davon ist, dass Menschen
mit Behinderungen aufgrund des
schlechteren Bildungszugangs häufiger
von Arbeitslosigkeit betroffen
sind. Abgesehen von den persönlichen
Aspekten, ist diese Situation
auch volkswirtschaftlich negativ zu
beurteilen: Folge-Kosten der Arbeitslosigkeit,
Entfall von Steuer-Einnahmen
und der aktuelle Fachkräftemangel.
Es gibt aber neben der „Ausbildung“
und volkswirtschaftlichen Überlegungen
auch einen gesellschaftlichen
Aspekt des Bildungssystems.
Wenn wir „Barrieren in den Köpfen“
abbauen wollen auf dem Weg zu
einer inklusiven Gesellschaft dürfen
wir eine Segregation im Schulsystem
nicht zulassen. Eine gemeinsame
Schule könnte hier einen wichtigen
Beitrag leisten für mehr gegenseitiges
Verständnis!
Bevor ich 2017 beruflich zum ÖZIV
Bundesverband stieß, bin ich einige
Jahrzehnte durchs Leben marschiert
ohne je (Schul-)Kolleg*innen mit
Behinderungen zu haben. Da stimmt
schon rein statistisch etwas ganz
und gar nicht, geschweige denn gesellschaftspolitisch!
Wir alle wollen an unseren Stärken
gemessen werden und nicht an unseren
Defiziten. Dass dies möglich ist,
wenn die Bereitschaft von Arbeitgeber*innen
gegeben ist, Mitarbeitenden
ein barrierefreies Arbeitsumfeld
bereitzustellen, sehe ich in der täglichen
Zusammenarbeit mit Kolleg*innen
beim ÖZIV und in anderen
Organisationen: die Behinderungen
spielen einfach keine Rolle!
Ich bin jedenfalls heute froh, dass
durch meine Kolleg*innen mit Behinderungen
beim ÖZIV meine Welt ein
stückweit bunter geworden ist. •
18 www.behindertenrat.at
Ausgabe 1/2023
Bildung – ein Menschenrecht
Basis für die berufliche Teilhabe für Menschen mit Behinderungen.
Von Michael Landschau, dabei-austria
Es braucht meiner Meinung nach eine umfassende und
langfristige Strategie für ein inklusives Bildungssystem, das
gemeinsam mit einem inklusiven Arbeitsmarkt zu entwickeln
ist und wo Ressourcen und Meilensteinen sowie klaren Zuständigkeiten
definiert sind.
Christina Schneyder, MSc, Geschäftsführerin dabei-austria
Foto: Harald Lachner
Jeder Mensch hat das Recht auf Bildung. Diese
muss auf die volle Entfaltung der menschlichen
Persönlichkeit und auf die Stärkung der Achtung
vor den Menschenrechten und Grundfreiheiten gerichtet
sein. Fach- und Berufsschulunterricht sind
allgemein verfügbar zu machen, und der Hochschulunterricht
hat allen gleichermaßen entsprechend ihren
Fähigkeiten offenzustehen.
Soweit ein Auszug aus der allgemeinen Erklärung der
Menschenrechte von 1948. Aber wie sieht die Realität
für Menschen mit Behinderungen in Österreich aus?
Und welche Rolle spielt hier der Dachverband berufliche
Integration dabei-austria und das Netzwerk berufliche
Assistenz NEBA?
Der Wille ist da
Der Nationale Aktionsplan Behinderung 2023–30 sieht
eine bestmögliche Förderung der Schüler* innen nach
individuellen Voraussetzungen im Rahmen der Inklusion
von Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen vor.
Auch soll die Unterrichtsqualität insbesondere im Hörbehindertenbereich
durch geeignete Maßnahmen verbessert
werden. Grundsätzlich muss allen Schüler*innen die barrierefreie
Teilhabe am Unterricht gewährleistet werden.
Recht auf 11. und 12. Schuljahr
Einem Missstand, dem sich die Politik unbedingt annehmen
muss, ist das fehlende Recht auf ein 11. und 12.
Schuljahr für Kinder mit Behinderungen. Aktuell benötigen
Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf dafür
die Zustimmung des Schulerhalters und die Bewilligung
der zuständigen Schulbehörde. So weit so gut, gäbe es
hierfür klare Spielregeln und Richtlinien. Dem ist leider
nicht so, und dafür kämpft auch die Bürgerinitiative
"Recht auf Bildung für ALLE Kinder – Recht auf ein 11.
und 12. Schuljahr für Kinder mit Behinderung".
dabei-austria erkennt hier ein großes Versagen der
politischen Entscheidungsträger*innen. Als Einrichtung,
die tagtäglich mit den Anliegen von Inklusion und
berufliche Teilhabe konfrontiert ist, unterstützen wir die
gegenständliche Bürgerinitiative mit ihren inhaltlichen
Forderungen. Die dem Nationalrat Ende November2022
zur weiteren Behandlung vorgelegte Petition muss eine
konsensuale Lösung im Parlament finden.
AusbildungsFit mit NEBA
Manche Jugendlichen benötigen nach Beendigung ihrer
Schullaufbahn etwas mehr Zeit und Unterstützung, um
sich am Arbeitsmarkt zurecht zu finden. Ihnen fehlen oft
wichtige Voraussetzungen für die angestrebte Berufsausbildung
bzw. grundlegende Kompetenzen für eine
erfolgreiche Eingliederung. Diesen Jugendlichen wird
durch die NEBA-Maßnahmen die Möglichkeit gegeben,
versäumte Basisqualifikationen und Sozialkompetenzen
nachträglich zu erwerben. Auch lernen sie Ausbildungsmöglichkeiten
kennen und können sich damit besser am
Arbeitsmarkt zurechtfinden. Informationen zu AusbildungsFit
findet man auf www.neba.at
Bildungsangebote von dabei-austria
Bildung ist ein wesentlicher Teil des Portfolios von
dabei-austria. Neben Weiterbildungsangeboten im Case-
Management, dem Betrieblichen Inklusionsmanagement
und zum Recht bieten wir auch zahlreiche Sonderveranstaltungen
zu aktuellen Themen an. Auch unser neues
Forum „Berufliche Teilhabe von Frauen mit Behinderungen“
beschäftigt sich damit. •
www.behindertenrat.at
19
Inklusive Bildung
Podiumsdiskussion, v. links: Bettina Wachter, Petra Wagner, Petra Pinetz-Schmid und Sybille Hamann. Fotos: Kerstin Huber-Eibl
Qualitätscheck Elementarpädagogik
– Inklusion (er)leben
Am 24. Januar 2023, dem Internationalen Tag der Bildung, fand im
Festsaal des Wiener Rathauses eine Tagung zum Thema „Qualitätscheck
Elementarpädagogik – Inklusion (er)leben" statt. Veranstaltet wurde
die Zusammenkunft zum Wissensaustausch von EduCare – Verein
zur Förderung der Elementarbildung.
Mit der Ratifizierung der UN-
Behindertenrechtskonvention
(UNBRK) im Jahr 2008 verpflichtete
sich Österreich, ein inklusives
Bildungssystem – beginnend in
der elementaren Bildung – umzusetzen.
„Frühe Bildung für jedes Kind“
– eine selbstverständlich anmutende
Aussage, die in Österreich nach wie
vor große Herausforderungen mit
sich bringt. Bei der EduCare-Tagung
"Qualitätscheck Elementarpädagogik
– Inklusion (er)leben" wurde ein
analytischer Blick auf die Ausgangslage
in Österreich und deren Auswirkungen
auf die Gesamtgesellschaft
gerichtet.
Die Veranstalter*innen verfolgten
mit der Auswahl der Referent*innen
den Ansatz, vorurteilsbewusste
Bildung und Erziehung als Grundlage
für einen Weg zum inklusiven
Kindergarten heranzuziehen und
anzusehen, wie Inklusion als Motor
für Qualitätsentwicklung in elementarpädagogischen
Bildungseinrichtungen
fungieren kann. Durch
die Veranstaltung führte Bettina
Wachter (Obfrau EduCare).
UN-Konventionen
Nach Begrüßungsworten von Wiener
Bildungsstadtrat Christoph Wiederkehr
(NEOS) und Viktoria Miffek-
Pock (Geschäftsführung EduCare)
referierte Sebastian Öhner (Rechtsreferent
Wiener Kinder- und Jugendanwaltschaft)
über inklusive Bildung
20 www.behindertenrat.at
Ausgabe 1/2023
im Zusammenhang mit der UN-Kinderrechtekonvention
sowie der
UN-Behindertenrechtskonvention.
„Alle Kinder haben ein Recht auf
die bestmögliche Entwicklung und
Entfaltung“, erklärte Öhner. Dieses
Kinderrecht sei nicht nur in der UN-
Kinderrechtskonvention verankert,
sondern auch im österreichischen
Verfassungsrecht.
bleibe das Denken in unterschiedlichen
Gruppen erhalten.
Generell müsse nicht mehr die
Frage, ob ein Kind in eine Bildungseinrichtung
aufgenommen werden
könne, im Vordergrund inklusiver
Elementarpädagogik stehen, sondern
wie sich eine Einrichtung auf
die Bedarfe von Kindern einstellt.
„Über Haltung und Wissen hinaus
brauchen wir gute Rahmenbedingungen
für professionelles elementarpädagogisches
Handeln“, betonte
der Bildungswissenschaftler.
Inklusion meint nicht nur die
gemeinsame Bildung und Erziehung
von Kindern mit und ohne
Behinderung. Inklusion zielt
umfassend auf die Herstellung
von Bildungsgerechtigkeit durch
Bekämpfung von Exklusion (=
Ausgrenzung, Ausschluss, Diskriminierung,
Abwertung Herabwürdigung).
Sebastian Öhner
Inklusion als Motor für
Qualitätsentwicklung
Anschließend thematisierte Timm
Albers (Institut für Erziehungswissenschaft,
Universität Paderborn)
Inklusion als Motor für die Qualitätsentwicklung
in Krippen und Kindergärten.
Zwar sei Inklusion in der
Elementarpädagogik häufig schon
selbstverständlich. Doch der Begriff
werde in der bildungspolitischen
Diskussion und praktischen Umsetzung
verwässert. Albers kritisierte,
dass nach wie vor von „inkludierbaren“
und „nicht inkludierbaren“
Kindern gesprochen werde. Zudem
Timm Albers
Vorurteilsbewusste Bildung
und Erziehung
Petra Wagner (Fachstelle Kinderwelten
für vorurteilsbewusste Bildung
und Erziehung) sprach über das
Kinderrecht auf Schutz vor Diskriminierung
sowie die diskriminierungskritische
Praxis in elementarpädagogischen
Bildungseinrichtungen
gemäß dem Ansatz der vorurteilsbewussten
Bildung und Erziehung.
Petra Wagner
Podiumsdiskussion
Petra Wagner, Petra Pinetz-Schmid
(Integration Wien) und Sybille
Hamann (Nationalratsabgeordnete,
Bildungssprecherin GRÜNE) diskutierten
gegen Ende der Tagung
die in den Vorträgen dargelegten
Themen.
Die Podiumsdiskussion moderierte
Bettina Wachter, die auch Fragen
des Publikums einbezog. •
EduCare
www.edu-care.at
www.behindertenrat.at
21
Inklusive Bildung
Ausgabe 1/2023
Steiermark: Schulassistenz neu
In der Steiermark wandert die Schulassistenz ab dem Schuljahr 2023/
2024 thematisch vom Sozial- in das Bildungsressort.
Die Eckpunkte des neuen steirischen
Schulassistenzgesetzes,
das in Kürze in Begutachtung
gehen wird, wurden am 13. Januar
2023 von Soziallandesrätin Doris
Kampus und Bildungslandesrat sowie
Präsident der Bildungsdirektion
Steiermark Werner Amon präsentiert.
Die politische Zuständigkeit
sowie das Budget für die Schulassistenz
wandern vom Sozial- in das
Bildungsressort.
Darüber hinaus soll der Zugang
im Sinn des One stop-shop-Prinzips
vereinheitlicht und einfacher
zugänglich werden. Eltern können
künftig direkt bei der Schulleitung
einen Antrag für eine Schulassistenz
einbringen. Die Entscheidung über
die Zuerkennung einer Schulassistenz
trifft die zuständige Abteilung
in der Landesregierung. Die Reform
„Schulassistenz Neu“ soll auch für
Kinder, die aufgrund einer chronischen
Erkrankung Unterstützung
brauchen, ausgerichtet sein.
Regelung ab Beginn des
Schuljahres 2023/2024
• Kompetenzbündelung im
Bildungsressort und Vereinfachung
der Antragstellung
Die Zuerkennung eines(r)
Schulassistenten*in wird ihren
Ausgangspunkt bei der Schulbehörde
1. Instanz finden. Somit
erfolgt die Antragstellung von
den Schuldirektor*innen in
Abstimmung mit medizinischen
Expert*innen. Die Entscheidung
über die Zuerkennung einer
Assistenz wird in der Abteilung
Eltern können in der Steiermark künftig einen Antrag für eine Schulassistenz direkt
bei der Schulleitung einbringen, die den Antrag weiterleitet. Die Entscheidung über
die Zuerkennung einer Schulassistenz trifft die zuständige Abteilung in der Landesregierung.
6 der Steiermärkischen Landesregierung
mittels Bescheides
getroffen. Bestehende Bescheide
zur Schulassistenz bleiben
weiterhin gültig.
• Breiteres Angebot der Schulassistenz
Neben den bisher abgedeckten
Bereichen (unterstützende
pflegerische Basisversorgung für
Kinder mit körperlichen Behinderungen
und Hilfe für Kinder
mit einer Sinnes- oder Körperbehinderung)
sollen durch die
Neuregelung auch chronische
Erkrankungen wie beispielsweise
Diabetes mellitus miteinbezogen
werden.
Der Anspruch der Assistenzleistung
orientiert sich nach Art und
Ausmaß am Betreuungsbedarf.
Die Art und das Ausmaß des
Betreuungsbedarfs können von
der Schulleitung in Abstimmung
mit medizinischen Expert*innen
definiert werden.
Eine Schulassistenz wird jedenfalls
für den Bereich der allgemeinbildenden
öffentlichen
Schulen (Volks-, Mittel- und
Sonderschulen sowie Polytechnischen
Schulen), der Land- und
forstwirtschaftlichen Schulen sowie
der Berufsschulen subsidiär
(sofern die Bestimmungen des
Berufsausbildungsgesetzes nicht
greifen) gewährt. Für Bundesschulen
besteht hingegen keine
landesgesetzliche Regelungskompetenz.
• Bedarfsorientierte Qualifikation
der Schulassistent*innen
Im Zuge der Antragstellung ist
die jeweils notwendige Qualifikation
der Schulassistenz zu berücksichtigen.
Die Qualifikation
soll auf die jeweiligen Bedarfe
der Schüler*innen abgestellt
sein (z.B. Ausbildung im medizinischen,
pädagogischen oder
sozialen Bereich). Mittelfristig
ist eine Evaluierung und Weiterentwicklung
der Qualifikationsanforderungen
geplant. •
22
www.behindertenrat.at
Kultur
Ausgabe 1/2023
Schauspiel und Behinderung.
Wie geht das?
Ein Theaterstück im Schauspiel-Haus Graz verschiebt Grenzen.
Von Klaus Candussi, atempo
Im Theater oder beim Fernsehen wird heute oft gefragt:
Foto: Karelly, Lamprecht
Was ist denn politisch richtig?
Zum Beispiel: Wer darf überhaupt Menschen mit Behinderung spielen?
Dürfen das nur Menschen, die selbst eine Behinderung haben?
Andere sagen dann dagegen:
Wenn Köchinnen und Köche in Fernsehserien nur mehr von Leuten gespielt werden dürfen,
die wirklich gelernte Köchinnen und Köche sind,
dann gibt es gar keine richtige Schauspiel-Kunst mehr.
Oder sie fragen: Muss jemand, wenn er den Glöckner von Notre Dame spielen will,
wirklich auch im echten Leben einen Buckel haben und hinken?
Das Grazer Schauspiel-Haus gibt auf diese Fragen in seinem neuesten Stück eine sehr gute Antwort.
Und zwar mit einer mutigen Rollen-Besetzung.
Über die oben gestellten Fragen ist oft diskutiert worden.
„Wer darf schwule oder lesbische Menschen auf der Bühne spielen?
Wer darf Menschen mit Behinderung spielen?“
Nur Menschen, die selbst eine Behinderung haben?
Oder wenn man anders fragt.
www.behindertenrat.at
23
Kultur
„Was dürfen Schauspielerinnen und Schauspieler spielen, wenn sie schwul oder lesbisch sind?“
Dürfen sie Personen spielen, die eindeutig nicht schwul oder lesbisch sind?
Wir sollen uns mit diesen Fragen nicht zu lange aufhalten.
Reden wir lieber über ein Theater-Stück.
Karla Mäder und Jan-Christoph Gockel haben dieses Theater-Stück am
Schauspiel-Haus in der Stadt Graz gemacht.
Das Theater-Stück heißt „Das Reich: Hospital der Geister“.
Es geht dabei um ein Spital im Land Dänemark.
Als Dramaturgin und als Regisseur haben Frau Mäder und Herr Gockel sich ausgedacht,
wie man dieses Theater-Stück gut für die Bühne gestaltet.
Die Geschichte für das Stück stammt nämlich aus einer Fernseh-Serie.
Die Serie ist fast 30 Jahre alt. Sie hat 8 Folgen.
Sie wurde damals von dem bekannten Autor und Regisseur Lars von Trier gemacht.
Frau Mäder und Herr Gockel haben die Fernseh-Serie für das Theater hergerichtet.
Das Stück dauert jetzt 4 Stunden. Es ist ein echtes Spektakel.
Die Schauspielerinnen und Schauspieler können darin gut zeigen, wie toll sie spielen können.
Auch die Bühnen-Technik kann zeigen, welche tollen Sachen sie machen kann.
Frau Mäder und Herr Gockel haben für 2 Haupt-Rollen in dem Stück eine Schauspielerin und einen
Schauspieler mit Behinderung ausgewählt:
Die Schauspielerin Tanja Hameter. Sie ist taub-blind.
Und den Schauspieler Florian Finsterbusch. Er hat das Down-Syndrom.
Frau Mäder und Herr Gockel haben das Stück ja neu hergerichtet.
Deshalb haben sie die Schauspielerin und den Schauspieler mit Behinderung gut
in das Stück einbauen können.
Tanja Hameter spielt eine Patientin.
Die Frau kann Kontakt mit der Welt der Geister aufnehmen.
24 www.behindertenrat.at
Ausgabe 1/2023
Da passt es gut, dass sie selbst eine Person mit einer sehr speziellen Wahrnehmung ist.
Sie kann nicht sehen und hören, was auf der Bühne passiert.
Deshalb hilft ihr dabei eine Assistentin.
Sie macht das mit einer speziellen Technik. Die heißt Lormen.
Florian Finsterbusch hat in diesem Stück gleich mehrere Rollen.
Er ist der Schauspieler mit Down-Syndrom und spielt sehr locker und witzig.
Beim Proben für das Stück hat er oft lustige Anmerkungen gemacht.
Zum Beispiel ist er gefragt worden: Wie geht das?
Du spielst zuerst einen Gesundheitsminister und dann den Tod.
„Kein Problem“, hat er gesagt.
„Die sind beide von derselben Partei!“
Das kommt jetzt auch im Stück vor.
So wie das Stück im Schauspielhauses Graz gemacht worden ist,
kann man Inklusion sehr gut passend auf künstlerische Weise zeigen.
Man hat nicht den Eindruck, das Schauspiel-Haus macht das nur als Pflicht-Übung.
Nur, weil man das halt heutzutage so machen soll.
Im Zusammen-Spiel der Schauspielerinnen und Schauspieler mit und ohne Behinderung kann man
auch gut sehen, wie sich die Rolle von Menschen mit Behinderung dabei verändert.
Sie sind einfach Schauspielerinnen und Schauspieler, wie die anderen auch.
Sie sind Kollegin und Kollege.
Sie sind Darsteller einer Rolle im Stück.
Ihren Applaus am Ende bekommen sie, weil sie eine tolle schauspielerische Leistung gezeigt haben.
Und nicht, weil sie halt trotz ihrer Behinderung mitspielen durften. •
Informationen
zum Stück „Hospital der Geister“ im Internet: https://ogy.de/Hospital-der-Geister
www.behindertenrat.at
25
Barrierefreiheit
Ausgabe 1/2023
Österreichisches Parlament
wurde wiedereröffnet
Beim Umbau des historischen Parlamentsgebäudes an der Wiener
Ringstraße wurde großer Wert auf Barrierefreiheit gelegt.
Prof. Mag. Erich Schmid, 3. Vizepräsident des Österreichischen
Behindertenrates, erprobt das taktile Modell des
Parlamentsgebäudes.
Foto: Kerstin Huber-Eibl
Federführend für die Umsetzung der Barrierefreiheits-Maßnahmen
des Parlamentsgebäudes ist der
Generalplaner Jabornegg & Pálffy_AXIS. „Da uns das
Thema Barrierefreiheit immer wichtig war, engagierte
die Parlamentsdirektion bereits in der Entwurfsphase
einen externen Berater für Barrierefreiheit“, erklärt die
Beauftragte für Barrierefreiheit und Inklusion im Österreichischen
Parlament, DI Tatjana Novakovic. Bernhard
Hruska legte die Hauptthemen für die bauliche Barrierefreiheit
gemeinsam mit dem Generalplaner fest. Dieser
zeigte, soweit es in dieser frühen Phase möglich war,
Detailfragen und Problempunkte auf.
Fakten über die bauliche Barrierefreiheit
Personen mit Gehbehinderungen:
▪ außen:
Der barrierefreie Zugang zum Besucher*innen-
Haupteingang für mobilitätsbeeinträchtigte Personen
befindet sich auf der linke Seite des Vorplatzes.
Dieser ist von der Straßenbahnstation am Ring, U3-
Station beim Palais Epstein und vier ausgewiesenen
Stellplätzen für Menschen mit einem Behindertenparkausweis
erreichbar.
v.l.: Kerstin Huber-Eibl, Behindertenrats-Präsident Klaus
Widl, Bürgermeister Michael Ludwig, stv. Behindertenanwältin
Elke Niederl und ÖZIV Bundesverband-Geschäftsführer Gernot
Reinthaler bei der Parlamentseröffnung.
Foto: ÖBR
▪
innen:
• 17 barrierefreie Aufzüge, 12 Treppenlifte
• Rampen an allen Stellen, an denen dies im historischen
Bestand möglich war – Neigung sechs bis
zehn Prozent
• automatische Türen von den Eingängen zu den
öffentlichen Hauptfunktionen bis vor die Bürobereiche
• Sanitäranlagen mit geschlechtsspezifischen, barrierefreien
WCs
• optimal positionierte Verweilzonen im Fall von
Entfluchtung
• mehrere Plätze für Rollstuhlnutzer*innen im Nationalratssaal
sowie in anderen Sälen und Lokalen
Sehbehinderte und blinde Personen:
▪ außen:
• taktiles Leitsystem zum Haupteingang
▪ innen:
• Service-Personal im Eingangsbereich und beim
Info-Desk im Demokratikum (Besucher*innenzentrum)
26
www.behindertenrat.at
DI Tatjana Novakovic und Caroline Julia Lackner vermessen das taktile Modell des Parlamentsgebäudes.
Foto: Parlamentsdirektion/Michael Buchner
• taktile Orientierungspläne (aller öffentlichen Bereiche)
und taktiles Parlamentsmodell im Demokratikum
mit akustischen Orientierungsangaben
in Einfacher und Leichter Sprache, in Englisch und
Österreichischer Gebärdensprache
• taktiles Bodenleitsystem an allen wesentlichen
Verkehrswegen im Erdgeschoß (Besuchereingang,
Agora, Hauptstiegen), Obergeschoß 01 und Obergeschoß
03 (Hauptstiegen, Gastronomie).
In historischen Bereichen dienen rote Teppichläufer
als Bodenleitsystem. Damit wurde die
Vereinbarkeit von Denkmalschutz und historischen
Bodenbelägen zum Ausdruck gebracht.
• Bei der Erstellung des neuen Corporate Designs
wurde auf alle Anforderungen für Lesbarkeit für
Personen mit Sehbehinderungen geachtet (Auswahl
von Schriftstil, Schriftgrößen, Farbpalette
und Kontrasten).
• Beschilderung und Leitsystem – Hauptinformationen
bzw. Standortinformationen im Zwei-Sinne
Prinzip (visuell und taktil, noch nicht umgesetzt)
• barrierefreie Ergänzung für Medienstationen mit
mobilen Devices (Haupt- Orientierungsinformationen
wie Namen der Station taktil, Erweiterung
über QR Code als Text abrufbar und mit Text to
speach abhörbar)
• Angebote in der Bibliothek (akustisch und taktil)
• Akustische und optische Alarmierung sowieEinläute
(Zwei-Sinne-Prinzip)
Personen mit Hörbehinderungen
• punktuelle induktive Höranlagen im Eingangsbereich,
bei allen Infostellen (Welcome-Desk,
Info-Desk, Bibliotheks-Info-Desk)
• flächendeckende induktive und Infrarot-Höranlagen
in Sitzungssälen und mehreren Lokalen (Nationalratssaal,
Besucher*innengalerie, Bundesratsaal, …)
• mobileHöranlagen
• dynamisches Leitsystem – wechselnde Informationen,
wo möglich und sinnvoll mit Symbolen auf Bildschirmen/Infoscreens
• Alarmierung und Einläute kombiniert –
akustisch und optisch (Zwei-Sinne-Prinzip)
Sonstige Angebote für Besucher*innen
• Anwendung der Piktogramme (für Personen mit
Lernschwierigkeiten oder auch für fremdsprachige
Personen)
• Wickeltische in den barrierefreien WCs
• Erste Hilfe und betriebsärztliche Ordination mit Liege
im Bereich des Besucher*innenzentrums
• Stillzimmer
• Ruheräume
• Kinderwagenabstellflächen
Bauliche Grundlage
Mit der Parlamentssanierung wurde eine bauliche Grundlage
für ein inklusives öffentliches Gebäude geschaffen.
Für Tatjana Novakovic bedeutet die Inklusion und barrierefreie
Institution viel mehr als bauliche Maßnahmen: In
ihrer Funktion als Beauftragte für Barrierefreiheit und Inklusion
im Parlament konzentriert sie sich nach dem Umbau
auf laufende Verbesserungen wie etwa die Erweiterungen
der Angebote für die Öffentlichkeit, aber auch für
Mandatar*innen und Mitarbeiter*innen. „Die Testungen
der neuen Erkenntnisse, Innovationen und Prüfungen der
möglichen Anwendungen im Parlament sind ein laufender
Prozess“ erklärt die engagierte Architektin.
www.behindertenrat.at
27
Barrierefreiheit
Ausgabe 1/2023
„Im Zuge der Gestaltung des Besucher*innenzentrums
habe ich die Projektleitung für
die Orientierungsstation mit den taktilen
Plänen aller Ebenen, die Besucher*innen
besichtigen können, und ein 3D-Modell des
Parlamentsgebäudes mit der Pallas Athene
übernommen. Diese Station steht auf zwei Tischen
mittig im Demokratikum, unmittelbar
vor dem Info-Desk. “
DI Tatjana Novakovic
In der letzten Phase der Sanierung wurden seitens
der Parlamentsdirektion parallel 47 Projekte zur Inbetriebnahme
des Gebäudes gestartet. Dabei handelt es
sich um die Inneneinrichtung, , Ausstellungen, Kunst,
Leitsysteme, Corporate Design, Prozessentwicklungen,
Medien, Web uvm. Die größten dieser Projekte sind das
Besucher*innenzentrum und die Bibliotheksgestaltung.
„Bei diesen beiden Projekten konnte ich mit meinen
Inputs in punkto Barrierefreiheit mitwirken.“ Zuerst
mussten dThemen wie physische Barrierefreiheit geklärt
werden und Kompromisslösungen zwischen unterschiedlichen
Anforderungen wie beispielsweise Denkmalschutz
beim Bibliotheksprojekt gefunden werden. In weitere
Folge konnten sich die Beteiligten dem zweiten wichtigen
Thema: „Information für alle“ widmen. Die große
Menge der Informationen, die für die Besucher*innen
auf verschiedene, interaktive Arten zur Verfügung gestellt
werden, wurden auch für blinde, sehbehinderte,
gehörlose und schwerhörige, aber auch für Menschen
mit kognitiven Behinderungen aufbereitet. Damit ist
gemeint, dass Hauptinformation wie Stations- oder
Regaltitel taktil ausgeführt sind, die Schriftgrößen
wurden minutiös an die Lage, Montagehöhe und den Betrachtungsabstand
abgestimmt. Die Medieninhalte sind
in Österreichischer Gebärdensprache, in Einfacher und
Leichter Sprache angeboten und/oder sind untertitelt.
Die Bilder und Grafiken sind mit Alternativbeschreibungen
versehen.
Viele Informationen können über QR Codes mit dem
eigenem Smartphone abgerufen werden. Alle QR Codes
sind mit einem taktilen Symbol (zwei erhabene Linien im
rechten Winkel und drei Punkte) auffindbar.
Besonders hervorhebenswert findet Tatjana Novakovic
die historische Bibliothek und die Ausstattung für blinde
und sehbehinderte Menschen. Beim Eingang in die
Bibliothek gibt es einen taktilen Orientierungsplan. Im
darunter platzierten Schuber (Box) sind Informationen
über die Barrierefreiheits-Features in der Bibliothek genauer
erklärt. In der Bibliothek und im Lesesaal wurden
zwei barrierefreie Arbeitsplätze eigerichtet. Im Lesesaal
können auch blinde und sehbehinderte Personen ein
Buch scannen, sich vorlesen lassen oder stark vergrößert
auf dem Bildschirm lesen. Der Arbeitsplatz ist mit einee
Braillezeile ausgestattet, und im Serviceraum gibt es
einen Brailledrucker.
„Bei so einem komplexen Gebäude und Betrieb sowie
dem großen Sanierungsprojekt mit der Vielfalt an begleitenden
Projekten gibt es naturgemäß auch einige
Mängel“, verrät die Expertin für Barrierefreiheit. „Wir
sind jetzt intensiv damit beschäftigt, die Mängel zu
beheben und auf dieser guten Barrierefreiheits-Grundlage
des Sanierungsprojekts weiter an Verbesserungen
und Erweiterungen zu arbeiten.“ Eines der wichtigsten
Themen, die noch in Arbeit sind, ist das Leitsystem.
Sensibilisierung von Mitarbeiter*innen
Novakovic erklärt, dass intensiv an der Sensibilisierung
der Mitarbeiter*innen gearbeitet werde. „Wir organisieren
spezifische Schulungen. Von Mitarbeiter*innen des
Demokratievermittler*innen-Teams (Guides bei den
Führungen) liegen bereits Anmeldungen vor, da das
Interesse besteht, Gebärdensprache zu lernen und bei
den Führungen anzuwenden.“
„Für alle Beteiligten ist klar, dass das Parlament in
seiner Funktion auch ein Beispiel für Barrierefreiheit
und Inklusion sein muss“. Alle Bemühungen gehen in
die Richtung, ein offenes Haus für ALLE, ein Vorzeigeprojekt,
aber auch ein Vorzeigebetrieb zu werden. Um
diese Bemühungen zu bestätigen, aber auch gleichzeitig
zu bekräftigen und nach außen zu tragen, wurde vor
rund einem Jahr entschieden, das Besucher*innenzentrum
und die Bibliothek für die Zertifizierung Fair für
ALLE einzureichen. Aktuell wird intensiv an der Erfüllung
der Zertifizierungskriterien und an der Vorbereitung für
das Audit gearbeitet.
„Gemäß dem Motto „Es kann immer besser werden“
setzen wirnach der Fertigstellung des Sanierungsprojektes
unsere Arbeit fort“, erzählt Tatjana Novakovic
abschließend. •
28
www.behindertenrat.at
Austausch
Ausgabe 1/2023
Austausch mit Apple
Am 21. März 2023 gab es im Büro des Österreichischen
Behindertenrates einen intensiven
Erfahrungsaustausch mit Apple, Erich Schmid
(Vizepräsident Behindertenrat, Blinden- und Sehbehindertenverband
Österreich), Daniele Marano (Hilfsgemeinschaft
der Blinden und Sehschwachen Österreich),
Birgit Langeder (Behindertenrat), Mathias Schmuckerschlag
(Verein Blickkontakt), Emil Benesch (Behindertenrat),
Lukas Huber (Österreichischer Gehörlosenbund)
Jo Spelbrink (Accessible Media) und Kerstin Huber-Eibl
(Behindertenrat) zu aktuellen Herausforderungen von
Menschen mit Behinderungen sowie technischen Entwicklungen,
die bei deren Bewältigung unterstützen
können. Patricia Brück übersetzte von Englisch in ÖGS
und umgekehrt.•
Weitere Infos
Foto: Felix Steigmann
Sollten Apple-Nutzer*innen Vorschläge hinsichtlich Bedienungshilfen
einbringen wollen, finden sie hier mehr
Informationen:
https://support.apple.com/de-de/HT209585
Austausch mit türkischer Delegation
Von Christina Wurzinger
Vertreter*innen von Österreichischem Behindertenrat und Engelliler Konfederasyonu
Foto: ÖBR
Am 21. Februar 2023 fand im Büro des Österreichischen
Behindertenrates ein interessanter
Erfahrungsaustausch mit der türkischen Dachorganisation
der Behindertenverbände Engelliler
Konfederasyonu statt.
An dem Gespräch beteiligten sich Christina Wurzinger,
Felix Steigmann, Berhard Bruckner und Emil Benesch
vom Österreichischen Behindertenrat sowie Av. Ali Ulusoy,
Zehra Karayel und Irem Cosansa Yalazan. Organisiert
wurde das Zusammentreffen von der in Wien lebenden
Sozialarbeiterin Figen Ibrahimoglu. •
www.behindertenrat.at
29
Inkluencerin
Ausgabe 1/2023
Interview mit Inkluencerin Rebekka
„Mein Rollstuhl macht mich nicht arm. Ganz im Gegenteil:
Er erleichtert mir mein Leben enorm“.
Von Andrea Strohriegl
Andrea Strohriegl und Kerstin
Huber-Eibl haben sich mit
der Inkluencerin Rebekka
(@Rebekkas_Inklusions_Blog)
über gesellschaftliche Vorurteile,
Kinderwunsch mit Behinderungen
und Inklusion unterhalten. Die
29-jährige Burgenländerin hat
Glasknochen und bloggt seit 2016
auf verschiedenen Social Media-
Kanälen, um durch Aufklärung
Barrieren abzubauen und Tabus zu
brechen.
ÖBR: Mit welchen Vorurteilen würdest
du gerne aufräumen?
Rebekka: Ich würde mir wünschen,
dass wir Menschen mit Behinderungen
nicht mehr als "arm" deklariert
werden oder dass man glaubt, dass
wir aufgrund unserer Einschränkungen
arm sind oder ein weniger
schönes Leben haben. Mein Rollstuhl
macht mich nicht arm. Ganz
im Gegenteil, er erleichtert mir mein
Leben enorm, weil er mir Selbstbestimmtheit
und Freiheit gibt.
ÖBR: Welche Schwierigkeiten
begegnen dir auf dem Weg zum
Kinderwunsch?
Rebekka: Es passiert oft, dass uns
Dinge wie ein ganz normales Familienleben
nicht zugetraut werden.
Da kommt es oft zu sehr indiskreten
Fragen. Wo ich auch oft auf Konfrontation
stoße, ist, wenn ich sage,
dass ich trotz meiner Behinderung
sehr wohl Kinder haben möchte. Da
kommen dann Aussagen wie: „Muss
das sein?“ oder „Das arme Kind“.
Und da muss ich sagen: Ich habe
mir in meinen fast 30 Jahren mit
Glasknochen nicht einmal gedacht:
„Um Gottes Willen, bin ich arm!“ Für
viele Menschen ist das sicher schwer
vorstellbar, wie es ist, eine Behinderung
zu haben. Das gibt ihnen
aber nicht das Recht, unser Leben
abzuwerten oder zu bewerten. Ein
Gynäkologe hat mir sogar einmal
gesagt, dass er in meinem Fall eine
Schwangerschaft auch später noch
„wegmachen“ würde, falls sich bei
einer Untersuchung herausstellen
würde, dass mein Kind auch Glasknochen
hat. Im Prinzip hat er
damit gesagt, dass er ein Leben wie
meines eliminieren würde. Das hat
mich sehr schockiert.
ÖBR: Was würde dir von deinen
Mitmenschen helfen, wenn es zu
solchen Vorurteilen kommt?
Rebekka: Es ist prinzipiell jedem
zuzumuten, dass er seine Stimme erhebt,
wenn er Zeuge von Ungerechtigkeiten
oder Ausgrenzungen wird.
Ich finde auch, dass ein Großteil
dieser Vorurteile leicht abzubauen
wäre, wenn die Menschen einfach
mehr reflektieren würden und sich
fragen würden: „Wie würde es mir
damit gehen?“
ÖBR: Was bedeutet Inklusion für
dich persönlich?
Rebekka: Inklusion bedeutet für
mich, dass ein Mensch, ganz egal
ob mit oder ohne Behinderung, ein
Leben in der Mitte der Gesellschaft
führen kann und nicht vom Wohlwollen
der Gesellschaft abhängig ist.
ÖBR: Was würdest du den Menschen
gerne mitgeben?
Rebekka: Ich würde jedem wünschen,
dass er die Kraft hat, von
Anfang an zu sich stehen zu können.
ÖBR: Wo kann man dir folgen?
Rebekka: Auf Instagram unter @
Rebekkas_Inklusions_Blog und auf
Facebook unter Rebekkas Leben mit
der Glasknochenkrankheit. •
Das ganze Gespräch
ist auf unserem YouTube-Kanal
zu sehen: www.youtube.com/
@behindertenrat
30
www.behindertenrat.at
Behindertenanwaltschaft
Ausgabe 1/2023
Behindertenanwaltschaft
Christine Steger ist neue Bundesbehindertenanwältin.
Sozialminister Johannes Rauch übergibt Christine Steger das Dekret zur Ernennung als Behindertenanwältin.
Foto: Sozialministerium / Udo Mittelberger
Die bisherige Monitoringausschuss-Vorsitzende
Mag.
Christine Steger wurde zur
Behindertenanwältin für Österreich
bestellt.
Am 11. März 2023 ernannte Sozialminister
Johannes Rauch Mag.
Christine Steger für eine Amtszeit
von vier Jahren zur neuen Anwältin
für Gleichbehandlungsfragen
für Menschen mit Behinderungen
in Österreich. Die erfahrene Expertin
für die Rechte von Menschen
mit Behinderungen wurde aus 19
Bewerber*innen für die Position der
Bundesbehindertenanwältin ausgewählt.
Die Hauptaufgabe der Behindertenanwältin
ist die Vertretung
der Interessen von Menschen mit
Behinderungen in Österreich.
Die 43-jährige Leiterin der Abteilung
Family, Gender, Disability and Diversity
an der Paris Lodron Universität
Salzburg übte bislang die Funktion
der Vorsitzenden des unabhängigen
Monitoringausschusses zur Überwachung
der Rechte von Menschen mit
Behinderungen aus.
„Ich gratuliere Christine Steger
herzlich zur Ernennung als Behindertenanwältin
und freue mich auf
die Zusammenarbeit. Dass diese
wichtige Position erstmals von einer
Frau bekleidet wird, ist bemerkenswert
und zukunftsweisend“, so
Behindertenrats-Präsident Klaus
Widl. •
www.behindertenrat.at
31
Innovation
Virtual Reality für
Menschen mit Sehbehinderungen
Für Menschen mit Sehbehinderungen kann „Virtual Reality“ eine verbesserte
visuelle Wahrnehmung bringen. Die Technologie lässt sich
auch in vielen Bereichen der Bildung als Hilfsmittel einsetzen.
Von Emil Benesch
Welche Bilder tauchen auf, wenn wir Virtual Reality
(englisches Wort für virtuelle Realität, kurz VR)
lesen? Vielleicht denken wir an Menschen, die
klobige Masken über den Augen tragen und sich dabei
anders verhalten als die Personen im Raum ohne Maske.
Kein Wunder. Menschen mit einer solchen Maske erhalten
die Darstellung einer „scheinbaren Wirklichkeit“.
Dabei dient die Maske als spezielles Ausgabegerät, als
„Virtual Reality Headset“. VR ist mit anderen Worten
eine Methode, die das Eintauchen in, das Wahrnehmen
von und die Interaktion mit einer scheinbaren Wirklichkeit
ermöglicht. Sind VR-Headsets mit einem PC per
Kabel verbunden, sind sie besonders leistungsstark.
Mittlerweile gibt es auch „Masken“, die gänzlich autark
funktionieren. Sie kommen ohne Computer- und Stromanschluss
aus, sind kabellos und mit einem Akku mobil
nutzbar.
Chancen für Menschen mit Behinderungen
Bei einer online Konferenz der Hilfsgemeinschaft der
Blinden und Sehschwachen Österreichs im Rahmen des
Projektes VR4VIP wurden Beispiele für den Nutzen von
VR präsentiert. Für Menschen mit Sehbehinderungen
kann die Technologie eine verbesserte visuelle Wahrnehmung
bringen: Durch das Heranzoomen, Anpassen
an Lichtverhältnisse, Adaptieren an Nähe und Distanzen
oder das Erweitern des Sichtfeldes, wie es Eva Rottensteiner
von der Hilfsgemeinschaft zusammenfasst.
In Finnland wird VR genutzt, damit sich Kinder mit Sehbehinderungen
ihre Wege schon im Vorfeld einprägen
können. Dazu werden zunächst 360 Grad-Videos des Weges
aufgenommen. Mittels VR-Brille und Videos wird es
Kindern dann möglich ihre Wege selbstständig und gefahrlos
einzuüben. Das Video lässt sich stoppen und an
den Rand zoomen, um Orientierungspunkte zu suchen.
Die Kinder mit Sehbehinderungen waren durchwegs
begeistert. Begleitet wurden sie vom VR-Experten Timo
Repo und der Orientierungs- und Mobilitätsexpertin Outi
Lappalainen vom Nationalen Zentrum für Bildung und
Beratung „Valteri“. Diese finnische Einrichtung fördert
Schüler*innen mit Unterstützungsbedarf.
Inklusive Bildung
Das finnische Expert*innen-Duo testet VR auch für den
Bildungsbereich. Filme und Visualisierungen lassen
32 www.behindertenrat.at
Ausgabe 1/2023
sich vielfältig verwenden. Kinder mit
Sehbehinderungen können besser am
Unterreicht beteiligt werden. Zudem
kann VR von Personen mit Sehbehinderungen
in vielen Bereichen der Bildung
als Hilfsmittel genutzt werden. So lässt
sich etwa das klinisch validierte medizinische
VR-Headset „SightPlus“ auch
als registriertes Hilfsmittel erwerben. Es
hilft Menschen mit Sehbehinderungen
klar zu sehen, in der Nähe wie in der
Ferne.
Weiter Weg zu barrierefreier VR
Derzeit ist VR ein visuelles Medium.
„Aber es kann so viel mehr“, sagt Aaron
Gluck, Forscher im DriveLab der USamerikanischen
Clemson University. Er
betont, es mache einen Unterschied,
das Bild eines Waldes lediglich zu sehen
oder ihn mit allen Sinnen zu erleben.
Um ein barrierefreies Medium für alle
zu werden, braucht es noch viel mehr:
Beispielsweise verbesserte Akustik und
Haptik. Weil sich das Hören im Alter
verändert, wäre die Veränderbarkeit der
Akustik wichtig. Blinde Menschen wiederum
sind an Screenreader und hohe
Sprachgeschwindigkeiten gewöhnt. Entsprechend
muss das Auswählen unterschiedlicher
Geschwindigkeiten ermöglicht
werden.
Herausforderungen
Durch fehlenden Zugang oder fehlende
Barrierefreiheit kann die Technologie
zu sozialer Isolierung und Nachteilen
am Arbeitsmarkt führen. Entsprechend
wichtig ist die Einbindung von Menschen
mit Behinderungen zur Schaffung
umfassend barrierefreier VR. Zu verhindern
wird sein, dass mit dem Hinweis
auf VR die Einsparung von Barrierefreiheit
in der echten Welt betrieben
wird. Und schlussendlich wird jede neue
Technologie heute daran gemessen, ob
sie einen nennenswerten Beitrag gegen
soziale Vereinsamung, für die Stärkung
der Demokratie und zur Entschärfung
der Klimakrise leistet. •
Eine Extended Reality Brille dient als „elektronische Lupenbrille“.
Foto: Hilfsgemeinschaft der Blinden und Sehschwachen Österreichs
Service-Links
www.vr4vip.net
www.seevividly.com
www.givevision.net/en/sightplus
www.hilfsgemeinschaft.at
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33
Medien
„Daheim Kicker –
Lebensmotor Fußball“
von Philipp Maschl und Luca Kielhauser
Von Melissa Felsinger
erklärt werden, und einen Schluss, den ein Brief an Herbert
Pichler von dem Spielerpass-Verein bildet.
In jeder der einzelnen Sektionen werden Menschen mit
den unterschiedlichsten Hintergründen vorgestellt. Es
wird davon erzählt, wie sie zum Fußball und dem Fußballspielen,
aber auch wie sie zu SPIELERPASS kamen.
Jede Person berichtet von der Bedeutung des Fußballs
in ihrem Leben, von ihren Träumen und ihren Hoffnungen.
Auf der linken Seite jeder Doppelseite ist jeweils
ein Bild der Person zu sehen, rechts der Text. Zuerst ist
der Text in „schwerer Sprache“ zu lesen, dann in Einfacher
Sprache. Nach jedem Text in Einfacher Sprache sind
mehrere Bilder abgedruckt, die die Fußballer*innen und
Trainer*innen zeigen.
aheim Kicker – Lebensmotor Fußball“, geschrie-
von Philipp Maschl und Luca Kielhauser,
„Dben
erschien im November 2022 im Verlag „Spielerpass
– Daheim im Verein“. In diesem Buch erzählen unter
anderem Trainer*innen und Spieler*innen von der Bedeutung,
die der Fußball in ihrem Leben hat. Das Buch
ist Herbert Pichler gewidmet.
Das Buch ist in mehrere Kapitel unterteilt. Viele Spieler*innen
beziehungsweise Trainer*innen erzählen
davon, was Fußball für sie bedeutet. Die Kapitel sind
unterteilt in: „Hoffnung“, „Träume“, „Motivation“ und
„Niemals aufgeben“. Farblich gestaltet sind sie in Grün,
Blau, Rot und Gelb. Außerdem gibt es eine Einleitung,
in welcher die Hintergründe des Vereins und des Buches
Der Fokus, den „Daheim Kicker – Lebensmotto Fußball“
hat, liegt auf der Gemeinschaft, die zwischen den Spieler*innen
und den Trainer*innen besteht. Es wird viel
von den Träumen und Hoffnungen der jeweiligen Personen
erzählt. Neben den Spieler*innen und Trainer*innen
des Vereins berichten unter anderem auch der Fotograf
sowie Profifußballspielerin Nina Burger und Profifußballspieler
Stefan Maierhofer von ihren Erfahrungen.
Der abschließende Brief an Herbert Pichler, „Unser 12.
Mann“, betont, wie wichtig Herbert Pichler für den Verein
SPIELERPASS ist und dass es ohne ihn dieses Buch
nicht gäbe. Der Brief dankt Herbert Pichler und betont,
dass das Buch zeigen soll, dass „Fußball mehr ist als nur
ein Sport – er ist ein Lebensmotor.“ •
Daheim Kicker – Lebensmotor Fußball
Luca Kielhauser, Philipp Maschl: „Daheim Kicker –
Lebensmotto Fußball“. Spielerpass Daheim im Verein,
2022. Preis € 29,50
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Ausgabe 1/2023
„Ableismus“
von Tanja Kollodzieyski
Von Melissa Felsinger
In diesem Essay erklärt Tanja Kollodzieyski den Begriff Ableismus und wie
stark Menschen mit Behinderungen ihn verinnerlicht und internalisiert
haben können. Sie befasst sich mit Vorurteilen und den Auswirkungen von
(auch verinnerlichtem) Ableismus und stützt den Essay mit Fakten.
„Ableismus“ ist ein sehr kurzer, dabei aber interessanter Essay, in welchem
die Autorin nicht nur auf ihre eigene Behinderung eingeht, sondern auch
auf den Begriff der Behinderung im Allgemeinen. Sie vermittelt außerdem,
dass Menschen mit Behinderungen an Ableismus (auch an verinnerlichtem
Ableismus) keine Schuld tragen. •
Ableismus
Tanja Kollodzieyski: Ableismus. SUKULTUR, 2021. Preis € 3,00
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35
Empfänger
Kategorie Österreichische Ausgabe Post 1/2023 AG
GZ 02Z032856
Österreichischer Behindertenrat, 1100 Wien, Favoritenstraße 111/11
Retouren an Behindertenrat, 1100 Wien, Favoritenstraße 111/11
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