Chronische & Seltene Krankheiten
Ziel der Kampagne «Chronische und Seltene Krankheiten» ist es, Wissen an Betroffene, Angehörige und Fachpersonen zu vermitteln sowie Patient:innenmündigkeit und -bildung zu fördern. Durch diese Wissensvermittlung sowie Einblicke in das Leben mit chronischen und seltenen Erkrankungen sollen Angehörige wie auch Aussenstehende sensibilisiert und das Verständnis für Betroffene gefördert werden.
Ziel der Kampagne «Chronische und Seltene Krankheiten» ist es, Wissen an Betroffene, Angehörige und Fachpersonen zu vermitteln sowie Patient:innenmündigkeit und -bildung zu fördern. Durch diese Wissensvermittlung sowie Einblicke in das Leben mit chronischen und seltenen Erkrankungen sollen Angehörige wie auch Aussenstehende sensibilisiert und das Verständnis für Betroffene gefördert werden.
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EINE THEMENZEITUNG VON MEDIAPLANET
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Chronische & Seltene
Krankheiten
SELTENE
KRANKHEITEN
Seite 2–10
CHRONISCHE
KRANKHEITEN
Seite 11–15
2 | www.selteneerkrankungen.ch
IN DIESER AUSGABE
VORWORT
02–10
Seltene Krankheiten
11–15
Chronische Krankheiten
Wissenstransfer
und Unterstützung
nach der Diagnose
Mit der Diagnose einer seltenen
Krankheit bricht oftmals das gesamte
Lebenskonzept zusammen. Ein neuer
Weg beginnt, auf dem die betroffenen
Familien auf Wissen und Unterstützung
angewiesen sind.
Verantwortlich für den
Inhalt dieser Ausgabe:
FOTO
: M A RI A ST E I N W E N D E R
Kerstin Köckenbauer
Head of Switzerland
Mediaplanet GmbH
Head of Switzerland: Kerstin
Köckenbauer
Lektorat: Joseph Lammertz
Grafik und Layout: Daniela Fruhwirth,
Naima Gaetani
Managing Director: Bob Roemké
Medieninhaber: Mediaplanet GmbH,
Bösendorferstraße 4/23, 1010 Wien, ATU
64759844 · FN 322799f FG Wien
Impressum: mediaplanet.com/at/
impressum
Bildcredits: bei Shutterstock.com
ausser anders angegeben
Distribution: Tamedia Basler Zeitung AG
Druck: DZB Druckzentrum Bern AG
Kontakt bei Mediaplanet:
Tel: +43 676 847 785 115
E-Mail: kerstin.koeckenbauer@
mediaplanet.com
ET: 29.03.2023
Bleiben Sie in Kontakt:
mediaplanet.switzerland
@mediaplanet.switzerland
@dergesundheitsratgeber.ch
Prof. Dr. med.
Anita Rauch,
Präsidentin
Förderverein für
Kinder mit seltenen
Krankheiten
(KMSK), Direktorin
am Institut
für Medizinische
Genetik der Universität
Zürich
FOTO: ZVG
Seltene Krankheiten
schleichen sich oft in das
Leben der Betroffenen,
beginnen häufig mit
scheinbar harmlosen Symptomen
und ziehen so viele Fragezeichen,
Herausforderungen und
Unsicherheiten nach sich. Von
den ersten Symptomen bis zur
richtigen Diagnose vergehen im
Schnitt fünf Jahre und es werden
durchschnittlich acht Ärzt:innen
aufgesucht. Besteht dann der Verdacht
auf eine seltene Krankheit,
landen die Betroffenen bei uns
Genetiker:innen. Denn rund 75
Prozent der 8'000 seltenen Krankheiten
sind genetisch bedingt.
Da sich ein Grossteil der seltenen
Krankheiten bereits im Kindesalter
manifestiert, gerät oft das
gesamte Lebenskonzept betroffener
Eltern und Geschwister aus
den Fugen. Mit der Diagnose,
oder wenn eben keine Diagnose
gestellt werden kann, beginnt
ein neuer Lebensweg, an dessen
Anfang unzählige Fragen, Unsicherheiten,
Ängste und Überforderung
stehen. Betroffene Eltern
beschreiben diesen Zustand oft
als Fall ins Bodenlose, als würde
ihnen der Boden unter den Füssen
weggezogen. Sie befinden
sich in einem Sturm, verloren auf
offenem Meer. Oftmals werden sie
von einem Trauerprozess überrascht
– Trauer über ihre verlorenen
Träume, über ein Leben, das
so ganz anders verlaufen wird, als
eigentlich geplant war.
Was ihnen in dieser Situation
hilft? Wissen, Informationen
über Hilfsangebote und der Austausch
mit anderen Betroffenen.
Zu sehen, dass sie nicht allein
sind und dass andere Familien
ähnliche Situationen meistern,
ist für (neu) betroffene Familien
ungemein wertvoll.
Wissen vermitteln –
Lebenssituation verbessern
Ich halte deshalb bei der Diagnose
die KMSK Wissensbücher «Seltene
Krankheiten» für (neu) betroffene
Eltern bereit. Darin erzählen
andere betroffene Familien aus
ihrem Alltag, berichten von ihren
Herausforderungen und geben
Tipps und Hilfestellungen, was
ihnen auf ihrem neuen Lebensweg
hilft. Zusätzlich stehen
Expert:innen verschiedener
Fachrichtungen zur Verfügung,
die fachliches Wissen vermitteln.
Wissen, Informationen und der
Zugang zu Hilfsangeboten sind
für betroffene Familien elementar
– und dies auf dem gesamten
neuen Lebensweg. Dies beginnt
bei den ersten Symptomen, die
oft von den Eltern bemerkt, von
Kinderärzt:innen jedoch als nicht
besorgniserregend eingestuft werden.
Denn auch bei den Ärzt:innen
fehlt häufig das Wissen über
mögliche Anzeichen seltener
Krankheiten. Betroffene Eltern
berichten deshalb immer wieder
vom Gefühl, nicht ernst genommen
zu werden, und von einem
MEDIAPLANET | 3
FOTO: THOMAS SUHNER
kräftezehrenden Kampf, bis
endlich weiterführende Untersuchungen
eingeleitet werden. Der
Wissenstransfer rund um seltene
Krankheiten muss deshalb auch
Fachpersonen erreichen, damit
Diagnosen frühzeitig gestellt
werden können und betroffenen
Eltern die leidvolle Zeit bis zur
Diagnose verkürzt werden kann.
Administrative Hürden,
unverständliche Entscheide
der IV und Krankenkasse
Zugleich sehen sich betroffene
Eltern nicht nur mit vielen
Unsicherheiten hinsichtlich
der seltenen Krankheit oder der
Diagnoselosigkeit konfrontiert,
sondern stehen auch vor einem
immensen Berg an administrativen
Herausforderungen.
So ist bei Verdacht auf eine
seltene genetische Krankheit
die Kostenübernahme für die
genetische Diagnostik eigentlich
eine Pflichtleistung der Grundversicherung.
Allerdings muss
jede medizinische Leistung die
sogenannten WZW-Kriterien
(Wirksamkeit, Zweckmässigkeit
und Wirtschaftlichkeit) erfüllen,
was immer wieder dazu führt,
dass die Kostenübernahme, oft
zu Unrecht, abgelehntå wird. Für
die Betroffenen beginnt damit
die nächste Odyssee – der Kampf
um Versicherungsleistungen.
Und dieser ist ein oft jahrelanger
Begleiter. Denn auch später, wenn
entweder eine Diagnose gestellt
wurde oder weitere Abklärungen
erforderlich sind, sehen sich viele
Betroffene mit administrativen
Hürden und unverständlichen
Entscheiden von IV und Krankenkasse
konfrontiert. Auch wir
Genetiker:innen sind immer wieder
mit den Verantwortlichen der
Versicherungen im Gespräch, um
die Bedürfnisse von Menschen
und insbesondere Kindern mit
seltenen Krankheiten zu erklären
und das Verständnis zu fördern.
Gemeinsam betroffene
Familien unterstützen
Auf ihrem Weg brauchen betroffene
Familien somit vielschichtige
Unterstützung: Entlastung,
Begleitung, Hilfe bei administrativen
Belangen, aber auch Zugang
zu Wissen, Verständnis von der
Gesellschaft und soziale Integration.
Erreicht werden kann das
nur, wenn ein kontinuierlicher
Wissenstransfer stattfindet – zwischen
Fachpersonen, betroffenen
Eltern und der breiten Öffentlichkeit.
Denn: Wissen klärt auf,
sensibilisiert und schafft letztendlich
Verständnis.
Die Familien der schweizweit
rund 350'000 Kinder und Jugendlichen
mit einer seltenen Krankheit
leisten tagtäglich Grosses,
wachsen über sich hinaus und
stellen ihre eigenen Bedürfnisse
in den Hintergrund. Sie haben
unsere Unterstützung mehr als
verdient!
Wissen klärt auf,
sensibilisiert und schafft
letztendlich Verständnis.
4 | www.selteneerkrankungen.ch
INSIGHT
Selten, aber nicht nebensächlich:
Symptome richtig erkennen
Bei seltenen Erkrankungen, wie der Duchenne-
Muskeldystrophie oder dem AADC-Mangel, sind die
Früherkennung und eine rasche Diagnosestellung
essenziell – auch um möglichst frühzeitig mit verschiedenen
Behandlungsmöglichkeiten beginnen zu können.
Text: Magdalena Reiter-Reitbauer
Wer an einer seltenen
Erkrankung leidet,
hat oftmals einen
langen Leidensweg
hinter sich, bis die richtige
Diagnose gestellt wird. Viele seltene
Erkrankungen machen sich
bereits im Kindesalter bemerkbar,
doch bis die richtige Diagnose
gestellt werden kann, haben
Betroffene häufig unzählige Arztbesuche
hinter sich. Der Schlüssel
zu schnelleren Diagnosen und
damit zur Option, möglichst frühzeitig
mit verfügbaren Therapien
starten zu können, ist, dass
Betroffene oder deren Angehörige
etwaige Anzeichen erkennen und
abklären lassen. Von Ärzt:innen
können und müssen entsprechende
Symptome anschliessend
richtig gedeutet werden. Dass
dieser Weg bis zur medizinischen
Krankheitserkennung sehr steinig
sein kann, davon können nicht
nur Betroffene, sondern auch
deren Familien berichten. Gerade
wenn eine Erkrankung sehr selten
vorkommt, erleben Betroffene
und deren Umfeld die Zeit bis zur
Diagnose als belastende Prozedur.
Dabei sind seltene Erkrankungen
in Summe gar nicht so selten,
wie die Bezeichnung vielleicht
erahnen lässt. Weltweit gibt es
Millionen Menschen, die von einer
der derzeit über 7'000 bekannten
seltenen Erkrankungen betroffen
sind. Zwei davon sind die Duchenne-Muskeldystrophie,
kurz DMD,
sowie der Aromatische-L-Aminosäure-Decarboxylase-Mangel,
kurz AADC-Mangel. Beide
Erkrankungen zeigen sich bereits
im Kleinkind- beziehungsweise
Kindesalter und beeinflussen die
Entwicklung von Kindern und
Jugendlichen stark. Umso wichtiger
ist es, bereits erste Anzeichen
ernst zu nehmen, um mit einer
frühzeitigen Diagnosestellung
die Versorgung und Lebensqualität
von betroffenen Kindern und
Jugendlichen zu verbessern.
DMD: Erste Anzeichen
ernst nehmen
Bei gerade einmal einem von
3'600 bis 6'000 neugeborenen
Buben tritt die seltene Erkrankung
Duchenne-Muskeldystrophie auf.
Betroffenen Kindern fehlt das
funktionsfähige Muskeleiweiss
«Dystrophin», das für die Stabilität
der Zellmembran zuständig
ist. Durch das Fehlen dieses
SCHLAFFE MUSKELN BEI KINDERN?
KÖNNTE ES EIN AADC-MANGEL SEIN?
Die häufigsten Symptome sind: 1-3
Schlaffe Muskeln
Entwicklungsverzögerungen
Bewegungsstörungen
Verdrehen der Augen
Andauernd verstopfte Nase
Erfahren Sie mehr auf: www.aadc-mangel.de und www.aadc-testen.de
Referenzen: 1. Manegold C, Hoffmann GF, Degen I, et al. Aromatic L-amino acid decarboxylase deficiency: clinical features, drug therapy and follow-up. J Inherit Metab Dis. 2009;32(3):371-380. 2. Wassenberg T, Molero-
Luis M, Jeltsch K, et al. Consensus guideline for the diagnosis and treatment of aromatic l-amino acid decarboxylase (AADC) deficiency. Orphanet J Rare Dis. 2017;12(1):12. doi: 10.1186/s13023-016-0522-z. 3. Brun L,
Ngu LH, Keng WT, et al. Clinical and biochemical features of aromatic L-amino acid decarboxylase deficiency. Neurology. 2010;75(1):64-71.
©2023 PTC Therapeutics.
PTC2105KK504
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MEDIAPLANET | 5
FOTO: NAIMA GEATANI
Eiweisses kommt es bereits in der
Kindheit zu einer fortschreitenden
Degeneration der Bewegungsmuskeln,
und zwar noch bevor
sich erste Krankheitsanzeichen
zeigen. Diese werden etwa ab
dem dritten Lebensjahr sichtbar.
Häufiges Stolpern, Schwierigkeiten
beim Laufen, Treppensteigen
oder Aufstehen sowie Gangstörungen,
die als «watschelnd»
wahrgenommen werden, können
auf die DMD hinweisen. Zwischen
dem achten und dem 15. Lebensjahr
verlieren betroffene Buben
ihre Gehfähigkeit und sind auf
einen Rollstuhl angewiesen. Im
späteren Verlauf der DMD wirkt
sich die Erkrankung auch auf die
Atem- und Herzmuskulatur aus.
Gelingt es aber, die Gehfähigkeit
möglichst lange zu erhalten, kann
damit auch das Fortschreiten der
Erkrankung verzögert und die
Lebensqualität verbessert werden.
Dazu ist es allerdings wichtig,
Symptome frühzeitig zu erkennen.
Wenn also bei Kindern vor dem
dritten Lebensjahr allgemeine
Entwicklungsverzögerungen, verspätete
Geh- oder Sprachfähigkeit
vorliegen, kann die Bestimmung
eines (CK Wert) Laborwertes, der
Kreatinkinase, Aufschluss über
das mögliche Vorliegen einer DMD
geben.
AADC-Mangel: Symptome leicht
verwechselbar
Auch im Rahmen des AADC-Mangels
können sich erste Anzeichen
bereits früh im Leben eines Kindes
zeigen. In der Bevölkerung tritt
die sehr seltene Erkrankung in
Europa bei lediglich etwa einem
von 116'000 Menschen auf. Durch
eine Genveränderung wird bei
Menschen mit einem AADC-
Mangel die Kommunikation der
Nervenzellen beeinträchtigt. Das
hat auch Auswirkungen auf das
Gehirn, weil wichtige Signale
im Nervensystem nicht mehr
transportiert werden können. Das
Problem für eine rasche Diagnosestellung
ist, dass sich ein AADC-
Mangel über viele verschiedene
Symptome bemerkbar macht, die
ausserdem noch auf ganz andere,
Erkrankungen (zum Beispiel
Epilepsie) hinweisen können. So
können auf einen AADC-Mangel
etwa geringe Muskelspannung und
Muskelstärke, Bewegungsstörungen,
Entwicklungsverzögerungen,
unwillkürliche Augenbewegungen
ständig verstopfte Nase sowie
hängende Augenlider, übermässiges
Schwitzen und vermehrter
Speichelfluss hinweisen. Die
vielfältigen Symptome eines
AADC-Mangels, die einzeln oder
gemeinsam vorkommen können,
verleiten in vielen Fällen
zu Fehldiagnosen. Wenn aber
Kleinkinder Meilensteine in der
Entwicklung nicht erreichen oder
bei ihnen unwillkürliche Augenbewegungen
auftreten, sollten Eltern
kinderärztlichen Rat einholen
beziehungsweise zur weiteren
Abklärung zu Neuropädiater:innen
gehen. So kann mithilfe von
verschiedenen Untersuchungen
festgestellt werden, ob es sich um
einen AADC-Mangel handelt.
Frühzeitige Diagnose für
mehr Lebensqualität
Die richtige Diagnose kann das
Ende einer Odyssee für Betroffene
sein – aber auch für deren Angehörige
–, selbst wenn die Diagnose
einer Erkrankung auch mit
gewissen Herausforderungen in
Zusammenhang steht. Seit 2022
steht eine Gentherapie für AADC
Mangel in der EU und Großbritannien
zur Verfügung.Dafür ist es
aber essenziell, dass die sehr
seltene Erkrankung möglichst
frühzeitig erkannt wird. Gleiches
gilt auch für die DMD. Um mit
kausalen Therapien sowie die
Lebensqualität steigernden und
die Lebenserwartung verlängernden
Therapien beginnen zu
können, braucht es eine korrekte
Diagnose, die in der Regel darauf
spezialisierte Zentren stellen
können. In der Schweiz können
sich Familien an das Universitäts-
Kinderspital beider Basel (UKBB),
an das Universitätsspital Zürich
sowie an die Kinderklinik am
Inselspital (Universitätsspital
Bern) wenden, um so möglichst
früh das Leben für betroffene
Kinder zu verbessern.
Hinter einer Entwicklungsverzögerung bei Jungen kann mehr stecken.
Könnte es Duchenne Muskeldystrophie sein?
PTC1804KK098
Mehr erfahren: www.hinterherstattvolldabei.de
6 | www.selteneerkrankungen.ch
INSIGHT
Wissenstransfer ermöglicht
eine Verbesserung der
Lebensqualität
Leider fehlte es nach der Diagnose «Seltene
Krankheit» an gebündeltem Wissen für (neu)
betroffene Familien und Fachpersonen.
Um den Wissenstransfer
rund um das Thema
«Seltene Krankheiten
bei Kindern» zu fördern,
wurde 2018 das erste KMSK Wissensbuch
«Seltene Krankheiten –
Einblicke in das Leben betroffener
Familien» durch Manuela Stier,
Gründerin und Geschäftsführerin
des Fördervereins für Kinder mit
seltenen Krankheiten, konzipiert
und umgesetzt. Inzwischen konnte
bereits das fünfte Wissensbuch
«Seltene Krankheiten – Digitale
Wissensplattform für Eltern und
Fachpersonen» wiederum kostenlos
an 10'000 betroffene Familien
und Fachpersonen versendet
werden. Dazu Manuela Stier: «Der
Schlüssel zu mehr Verständnis,
Unterstützung und einer besseren
Lebensqualität der Familien ist
der Wissenstransfer zum Thema
seltene Krankheiten! Indem
betroffene Familien in unseren
Wissensbüchern ihre Geschichten
erzählen, wird Praxiswissen
von Familien für neu betroffene
Familien und Fachpersonen
zugänglich gemacht.» So erfahren
die Familien durch die Wissensbücher,
wie andere Eltern den
herausfordernden Alltag meistern
und wie diese ihren neuen
Lebensweg angegangen sind. Dass
diese Wissensbücher nur dank der
Unterstützung von langjährigen
Sponsoringpartnern ermöglicht
wurden, freut Manuela Stier sehr.
Die schweizweit erste digitale
KMSK Wissensplattform
«Seltene Krankheiten» bündelt
Informationen für betroffene
Familien und Fachpersonen!
Noch einen Schritt weiter ging der
Förderverein mit seiner neuen
digitalen KMSK Wissensplattform
«Seltene Krankheiten» in D, F, I,
und E, die schweizweit einmalig
ist. Entstanden ist diese aus dem
Bedürfnis betroffener Familien
und Fachpersonen nach einer
schweizweiten Übersicht aller
Hilfsangebote und Anlaufstellen,
die bislang fehlte. Denn die (neu)
betroffenen Familien bewegen
sich in administrativem Neuland
und haben keine Erfahrung, wo
sie sich Hilfe und Unterstützung
abholen können. Dies wollte
der Förderverein ändern und
bringt mit der digitalen Wissensplattform
Licht ins Dunkle.
Vom Moment der Diagnose
über Therapieangebote, rechtliche
Hilfestellungen bis hin zur
Beantragung und Durchsetzung
von Versicherungsleistungen
haben betroffene Eltern damit
ein Orientierungsinstrument zur
Hand, das Wissen bündelt und
ihnen leicht verständlich vielseitige
und notwendige Informationen
zur Verfügung stellt. Die KMSK
FOTO: CORNEL WASER
MEDIAPLANET | 7
FOTO: ZVG
Wissensplattform
www.wissensplattform.kmsk.ch
dient wie auch die KMSK Wissensbücher
Fachpersonen als wichtige
Informationsquelle.
10. KMSK Wissens-Forum
«Seltene Krankheiten – Versicherungsleistungen,
Beantragung
und Durchsetzung» vom
25. Februar 2023, anlässlich
des Internationalen Tages der
seltenen Krankheiten
Nach einer unkomplizierten
Schwangerschaft war die Freude
über die Geburt ihrer Tochter bei
Christina und ihrem Mann riesig,
Mira machte einen kerngesunden
Eindruck. Im Alter von zwei Monaten
bemerkte die Kinderärztin bei
einer Routineuntersuchung, dass
etwas mit Miras Muskelaufbau
nicht stimmte. Bald machten sich
weitere Auffälligkeiten bemerkbar:
«Mira kommt mit den Reizen aus
ihrer Umwelt nicht klar, was dazu
führt, dass sie manchmal wochenlange
Schreiphasen hat», erzählt
ihre Mutter. Zusätzlich hat die
heute Vierjährige eine Entwicklungsverzögerung.
Miras Eltern
sind am Anschlag, die Ärzt:innen
wissen nicht weiter, Informationen
und Hilfsangebote sind rar.
Betroffene berichten in diesem
Zusammenhang oft vom bleiernen
Gefühl des Alleinseins, von sozialer
Isolation und gesellschaftlicher
Ausgrenzung.
Bei Mira folgten eine wahre Ärzteodyssee
und viele Untersuchungen,
immer mit dem Ergebnis:
Keine Diagnose, man weiss nicht,
was der Kleinen fehlt. «Oftmals
sind die Symptome bei seltenen
Krankheiten sehr unspezifisch,
zugleich haben viele Ärztinnen
und Ärzte oft wenig Erfahrung
damit. Es ist Detektivarbeit, und
auch wir Genetikerinnen und
Genetiker brauchen oft mehrere
Anläufe, bis wir die Krankheit
finden. Es gibt rund 8'000 verschiedene
genetische Erkrankungen»,
sagt Prof. Dr. med. Anita
Rauch, Präsidentin Förderverein
für Kinder mit seltenen Krankheiten,
Direktorin am Institut
Manuela Stier
Gründerin und
Geschäftsleiterin
Förderverein für
Kinder mit seltenen
Krankheiten
www.kmsk.ch
für Medizinische Genetik an der
Universität Zürich.
Die tägliche Belastung ist für
Christina und ihren Mann gross,
hinzu gesellen sich noch ganz
andere Sorgen. Weil Mira keine
Diagnose hat, wurden nach ihrem
zweiten Geburtstag nur noch
die medizinischen Massnahmen
inklusive der dazugehörenden
Behandlungsgeräte und Therapien
bezahlt. Keine Diagnose,
keine IV-Ziffer für Geburtsgebrechen
und folglich keine
finanzielle Unterstützung für
weitere Hilfsmittel. Die Invalidenversicherung
argumentiert
dazu wie folgt: «Wir konnten die
Beeinträchtigung von Mira keiner
Gebrechensziffer zuordnen. Als
rechtliche Konsequenz verweigert
die IV ab Miras drittem Lebensjahr
die Übernahme von medizinischen
Massnahmen inklusive der
dazugehörenden Behandlungsgeräte
und Therapien.» Für Miras
Eltern ein Schlag ins Gesicht.
Was für Familien mit einer klaren
Diagnose einfacher ist, heisst für
die Familie von Mira, um Versicherungsleistungen
kämpfen zu
müssen. Dies ist zermürbend.
Der Kampf um Versicherungsleistungen
ist ein allgegenwärtiges
Thema bei betroffenen Familien.
Denn für viele seltene Krankheiten
gibt es keine Abrechnungsziffer,
zugleich mangelt es den
IV-Gutachtern an Erfahrung mit
seltenen Krankheiten. Deshalb
widmete der Förderverein für
Kinder mit seltenen Krankheiten
sein diesjähriges 10. KMSK
Wissens-Forum vom 25. Februar
2023 dem wichtigen Thema
«Seltene Krankheiten – Versicherungsleistungen,
Beantragung und
Durchsetzung». Im Kultur- und
Kongresszentrum Luzern (KKL)
diskutierten Fachpersonen von der
Invalidenversicherung, aus dem
Rechtsschutz, ein Kinderarzt und
eine Genetikerin gemeinsam mit
betroffenen Eltern (unter anderem
der Mutter von Mira) über Schwierigkeiten,
aber auch mögliche
Lösungsansätze. SRF-Moderatorin
Daniela Lager führte durch das
KMSK Wissens-Forum. Das
Live-Streaming ermöglicht es, die
Referate und das Podiumsgespräch
Interessent:innen auch nach dem
25. Februar via www.kmsk.ch
zugänglich zu machen.
8 | www.selteneerkrankungen.ch
INSIGHT
ProRaris – die Stimme
der Betroffenen von
seltenen Krankheiten
Menschen mit seltenen Krankheiten sind oft isoliert. ProRaris kann bei
der Vernetzung mit anderen Betroffenen unterstützen und gibt diesen
Menschen politisches Gehör.
Dr. Jacqueline
de Sá,
Geschäftsführerin
ProRaris
Allianz Seltener
Krankheiten –
Schweiz
FOTO: ZVG
Eine Krankheit gilt als
selten, wenn nicht mehr
als fünf von 10'000 Menschen
daran leiden. Es
sind einzelne Fälle pro Krankheit,
aber in der Summe sind seltene
Krankheiten zahlreich. In der
Schweiz sind rund 600'000 Menschen
betroffen – die Mehrheit
davon Kinder und Jugendliche.
Diese Menschen und ihre Angehörigen
stehen vor vielfältigen
Herausforderungen: Das geht von
der schwierigen Diagnosestellung
über das Finden geeigneter
Therapien und spezialisierter
Fachpersonen bis hin zur langwierigen
Recherche nach Unterstützung
im Alltag, in der Schule
und im Beruf. Um dieser wenig
bekannten Patientengruppe
Gehör zu verschaffen, wurde 2010
ProRaris Allianz Seltener Krankheiten
– Schweiz als Vereinigung
der Patientenorganisationen
im Bereich seltene Krankheiten
gegründet. ProRaris setzt sich
seither als Dachverband für die
Anliegen der Betroffenen ein und
konnte bereits einiges erreichen.
Zentren für seltene Krankheiten
anerkannt werden. Diese sollen
die Diagnosestellung beschleunigen.
Für eine bessere Datenbasis
konnte 2021 das Register für seltene
Krankheiten seine Arbeiten
in Angriff nehmen. Aktuell bilden
sich zudem krankheitsspezifische
Versorgungsnetzwerke. Auch hier
spielt die Expertise der Patientenorganisationen
eine grosse Rolle,
sie soll in die Netzwerke integriert
werden.
Herausforderungen aufzeigen
und Veränderungen einleiten
Einen grossen Stellenwert hat für
ProRaris der Zugang zu geeigneten
Therapien. Diesen gilt es
zwingend zu verbessern, wofür
wir uns, nebst anderen Themen,
einsetzen. Wir freuen uns, dass
unsere Anliegen aktuell bei Politik
und Behörden Gehör finden.
Dazu massgeblich beigetragen
hat auch unsere Präsidentin,
Nationalrätin Yvonne Feri. Wir
hoffen, dass unsere Forderungen
nicht nur gehört, sondern auch
umgesetzt werden.
Anlass zum Tag der
seltenen Krankheiten
Für mehr öffentliche Aufmerksamkeit
führt ProRaris
seit der Gründung jährlich
einen Anlass zum internationalen
Tag der seltenen
Krankheiten durch, in
diesem Jahr hat dieser am
4. März 2023 stattgefunden.
Das Fokusthema war die
Beteiligung der Patientinnen
und Patienten in der
klinischen Forschung und im
Gesundheitswesen.
Dabei sind auch die Patientenvertretungen
zu Wort
gekommen.
Die Dokumentation zum
Anlass ist auf der Webseite
aufgeschaltet.
Betroffene sind Teil der Lösung
Seit 2014 existiert ein Nationales
Konzept Seltene Krankheiten,
welches die Lücken aufzeigt. 2015
wurde die Rolle von ProRaris
offiziell anerkannt und der Dachverband
als Schlüsselpartner
in der Umsetzungsplanung des
Nationalen Konzepts bezeichnet.
Seither arbeitet ProRaris gemeinsam
mit den diversen Akteuren
des Gesundheitswesens an der
Umsetzung des Konzepts mit,
bringt die Patientenexpertise
ein und koordiniert die Patientenbeteiligung.
2020 und 2021
konnten in der ganzen Schweiz
Bleiben Sie mit der Krankheit
nicht allein
Neben der Interessenvertretung
informieren wir Betroffene über
geeignete Unterstützungsangebote
und vernetzen sie mit anderen
Betroffenen, damit die Isolation
überwunden werden kann. Sind
Sie selbst von einer seltenen
Krankheit betroffen oder haben
Sie einen betroffenen Angehörigen
und suchen Vernetzung und
Beratung? Dann kontaktieren
Sie uns. Wir helfen, passende
Ansprechpartner zu finden.
www.proraris.ch
Unterstützen Sie unsere Arbeit für Menschen mit seltenen Krankheiten!
IBAN: CH22 0076 7000 E525 2446 2 (BCV)
MEDIAPLANET | 9
Désirée Waeber ist Mutter zweier Töchter. Ihre jüngere Tochter Noemi, heute
sechs Jahre alt, leidet an der seltenen Erkrankung Neurofibromatose. Was das
nicht nur für ihr Kind, sondern auch für sie als Mutter bedeutet, lesen Sie hier.
Text: Magdalena Reiter-Reitbauer
Wie wurde bei Ihrer Tochter
Neurofibromatose festgestellt?
Meine Tochter Noemi war eine
Frühgeburt. Nach sechs Wochen
im Krankenhaus wurde sie zwar
noch mit Problemen bei der
Nahrungsaufnahme, aber eigentlich
gesund entlassen. Ein paar
Monate später, mit knapp sechs
Monaten, hatte Noemi einen
Infekt. Unser ursprüngliches
Krankenhaus hat uns aber entgegen
der Empfehlung unseres
Kinderarztes wieder nach Hause
geschickt. Daraufhin wollten wir
eine Zweitmeinung dazu hören
und haben das Krankenhaus
gewechselt. Dort wurde sie sofort
stationär aufgenommen – nicht
nur wegen des Infekts, sondern
auch aufgrund dessen, dass sie
unterentwickelt war. Wir hatten
das grosse Glück, dass noch in
derselben Woche eine Genetikerin
vor Ort war, die Noemi untersucht
hat und alle weiteren Tests
in die Wege geleitet hat. So haben
wir glücklicherweise eine relativ
schnelle Diagnose erhalten.
Wie haben Sie die Diagnose
damals aufgenommen?
Es war eine schwierige Zeit! Die
Ärztin war selbst davon überrascht,
schliesslich hielt auch sie
Neurofibromatose für weniger
wahrscheinlich. Die Diagnose
habe ich über das Telefon
erfahren. Das war nicht gut. Wir
haben einen Termin zur Besprechung
vereinbart, aber ich wurde
mit der Diagnose alleingelassen.
Es war gut und gleichzeitig
schwierig, eine fixe Diagnose zu
haben. Ich hatte praktisch einen
Zusammenbruch – auch weil die
Last der letzten Monate abgefallen
ist. Mit der Diagnosestellung
habe ich begonnen, mich einzulesen.
Doch jeder Fall von Neurofibromatose
ist unterschiedlich.
Daher ist die Zukunft total offen.
Wie macht sich die seltene
Erkrankung bemerkbar?
Neurofibromatose ist eine
Nervenerkrankung, die Tumore
bilden kann – äusserlich wie
innerlich. Meistens bilden sich
Fibrome auf der Haut. Viele
Betroffene haben Tumore auf
den Sehbahnen, so auch Noemi.
Sie hat ausserdem noch einen
Hirntumor. Mit der Zeit und
dem weiteren Krankheitsverlauf
werden vielleicht noch weitere
Tumore hinzukommen. Zumeist
sind es aber gutartige Tumore.
Wie geht es Ihrer Tochter
heute?
Noemi lebt weiterhin mit dem
Hirntumor, weil man ihn operativ
aufgrund der Lage nicht entfernen
kann. Seit vier Jahren erhält
sie Chemotherapien. Nach der
Noemi mit Mutter
Désirée und ihrer
Schwester Kira
Seltene Krankheiten:
So wichtig sind Austausch und Wissen
FOTO: MARTINA ROHNER-KAMMER (FOTO-KAMMER.CH)
ersten Chemotherapie, die 70
Wochen gedauert hat, hat sich der
Tumor leider vergrössert. Heute
erhält sie eine Chemotherapie, die
ich ihr täglich zu Hause verabreichen
kann. Der Hirntumor ist
derzeit stabil – absetzen dürfen
wir das Medikament aber nicht.
Noemi lebt mit gewissen Einschränkungen,
die man ihr nicht
direkt ansehen kann. Dazu zählen
etwa eine Wahrnehmungs- und
eine Temperaturproblematik.
Im Winter kühlt sie schnell aus,
daher können wir nicht lange im
Freien sein. Ausserdem haben
die Therapien Nebenwirkungen.
Hier müssen wir immer Nutzen
und Schaden abwägen. Noemi
hat durch die Chemotherapie
eine starke Sonnenallergie entwickelt,
daher können wir auch
im Sommer nicht lange draussen
sein. Das ist immer wieder
schwierig. Sie ist trotz alledem
ein sehr lustiges und fröhliches
Mädchen. Sie ist wissbegierig und
freut sich schon, ab Sommer in
die Schule zu gehen – zwar mit
deutlich reduziertem Stundenplan
und Assistenz, aber sie ist
total motiviert!
Inwiefern brauchen auch Eltern
oder Geschwister von Kindern
mit seltenen Erkrankungen Betreuung?
Klar, die Situation ist eine
psychische Belastung. Ich bin
alleinerziehend und nehme
psychologische Betreuung in
Anspruch. Noemi hat mehrmals
pro Woche Therapien, wie
Physiotherapie, Ergotherapie,
Heilpädagogik oder Hippotherapie.
Letztere nimmt sie mehr als
Hobby und weniger als Therapie
wahr. Ihre Schwester, die ja auch
ihre eigenen Baustellen hat, muss
dennoch leider oft zurückstecken.
Daher erhält auch sie Betreuung.
Welche Rolle spielt der Austausch
mit anderen Familien
mit seltenen Erkrankungen?
Ich erachte es als sehr wichtig!
Man lebt zwar nicht mit den
gleichen Diagnosen, hat aber
oftmals die gleichen Themen und
Sorgen. Man fühlt sich weniger
allein. Diesen Austausch und das
Wissen darüber empfinde ich als
sehr wertvoll.
Wo sehen Sie aktuell noch
Verbesserungsbedarf in
der Versorgung?
Wir haben Glück, dass Neurofibromatose
unter den seltenen
Erkrankungen gar nicht so selten
ist. Mittlerweile gibt es Fachpersonen,
die sich mit Neurofibromatose
sehr gut auskennen
oder dazu forschen – auch wenn
wir diese im Ausland besuchen
müssen. Allerdings findet der
Austausch zwischen den Ärztinnen
und Ärzten meiner Meinung
nach noch nicht ausreichend
statt. Das empfinde ich als ein
grosses Manko! Auch wenn
das Erkrankungsbild und die
Symptome bei Noemi klar sind,
funktioniert der Austausch über
komplexe Fälle wie unseren nicht
gut. Die Kommunikation darüber
wäre allerdings sehr wichtig –
nicht zuletzt auch, weil viele
Fachbereiche involviert sind. Es
braucht daher einen viel engeren
Austausch und einen besseren
Wissenstransfer.
Was möchten Sie gerne
anderen Eltern von Kindern
mit einer seltenen Erkrankung
mitgeben?
Ich wusste schon vor der Diagnose,
dass irgendetwas mit Noemi
nicht stimmt. Allerdings wurde
mir nicht geglaubt. Daher: Hört
auf euer Mamigefühl – egal was
Ärztinnen und Ärzte sagen. Eine
sehr gute Anlaufstelle für seltene
Erkrankungen ist der Förderverein
für Kinder mit seltenen
Erkrankungen. Der Verein hilft
Familien wirklich enorm weiter!
10 | www.selteneerkrankungen.ch
Schmetterlingsfrühchen Amir:
Eine Geschichte der Hoffnung
und Unterstützung
Amir ist unser drittes Kind. Amir ist ein
Frühchen. Amir hat Epidermolysis bullosa.
FOTOCREDIT: ZVG
DEBRA Schweiz ist seit 1998 die Patientenorganisation
für Menschen, die mit
Epidermolysis bullosa (EB) leben.
Für die Betroffenen und deren Angehörige
bietet DEBRA Schweiz Unterstützung bei
der Bewältigung des Alltags durch Beratung
oder gezielte unparteiische Finanzierung,
wenn die Sozialversicherungen die Kosten
nicht übernehmen, zum Beispiel bei Hilfsmitteln.
DEBRA Schweiz bietet ein Netzwerk zum
Erfahrungs- und Informationsaustausch. An
organisierten Weiterbildungen und Workshops
kommen die betroffenen Familien
untereinander in Kontakt. Die Fachpersonen
tauschen ihr Wissen aus und es wird über
internationale Erkenntnisse informiert.
DEBRA Schweiz arbeitet mit dem EB-Kompetenzzentrum
am Universitätsspital Bern
(EB-Insel) sowie dem Kinderspital Zürich
zusammen. DEBRA Schweiz ist Mitglied bei
DEBRA International sowie ProRaris, dem
Dachverband für seltene Krankheiten in der
Schweiz.
DEBRA Schweiz ist als gemeinnützig
anerkannt. Spenden an DEBRA Schweiz
können bei den Steuern in Abzug gebracht
werden.
DEBRA Schweiz
Bahnhofstrasse 55
5001 Aarau
T +41 62 836 20 90
www.schmetterlingskinder.ch
Am Tag des 30. November
letzten Jahres merkte
ich schon mittags, dass
etwas anders war. Da ich
erst in der 33. Schwangerschaftswoche
war, rief ich im Spital an,
ob ich mich untersuchen lassen
könnte. Kurz darauf fuhr ich in
die Frauenklinik und um 3.04 Uhr
kam Amir per Kaiserschnitt zur
Welt.
Man sagte mir schon vor der
OP, dass man Amir zuerst in ein
Nebenzimmer bringen würde, wo
ihn Kinderärzt:innen der Neonatologie
untersuchen würden,
und ich ihn danach sehen könnte.
Noch während ich genäht wurde,
durfte mein Mann zu Amir gehen.
Als er wenige Minuten später
zu mir zurückkam, zeigte er mir
besorgt zwei Bilder, die er von
Amir geschossen hatte und auf
denen man sah, dass ihm Haut an
Füssen und Ellbogen fehlte. Ich
weiss nicht warum, aber ich habe
mir da noch nicht zu viele Gedanken
gemacht. Von der Schmetterlingskrankheit
hatte ich bislang
auch noch nichts gehört.
Dann wurde uns gesagt, dass
Amir aufgrund seines Zustands
in das Kinderspital Zürich verlegt
werden müsse. Ich sah Amir das
erste Mal in Folie eingewickelt mit
Atemmaske hinter der Scheibe
eines Babybetts für den Krankentransport.
Ohne ihn berührt,
gefühlt oder gerochen zu haben,
musste ich mich von ihm verabschieden
und wurde auf die
Wochenbettstation gebracht.
Noch am selben Tag der Entbindung
bin ich vom Triemli mit
dem Taxi ins Kinderspital Zürich
gefahren, um endlich mit einem
Arzt zu sprechen und Amir zu
sehen. Die Diagnose erhielten wir
allerdings erst am nächsten Tag.
Amir verbrachte insgesamt
35 Tage im Spital. Wir wurden
von Anfang an sehr eng durch
das Pflegepersonal wie auch
die Ärzt:innen betreut. Schnell
hatte sich hier ein Ärzteteam der
Neonatologie, Intensivstation,
Dermatologie und Kardiologie
aufgebaut, und Mitarbeiter:innen
der Abteilungen Sozialberatung,
Psychologie, Seelsorge wie auch
Physiotherapie boten ihre Dienste
an. In diesen 35 Tagen wurde ich
mit einer Fülle an Informationen
über EB, Amirs Herzerkrankung,
seinen Frühgeborenenstatus von
Expert:innen überschüttet. Der
gut gemeinte Rat der Ärzt:innen,
den sie mir nach der Diagnosestellung
gaben, war, die Krankheit
nicht zu googeln. Zurück auf
der Wochenbettstation gab ich
Epidermolysis bullosa in mein
Handy ein und ich sah mir das
erste Video an, das ich fand. Wenn
man wie ich noch keine Berührungspunkte
mit einem seltenen
Gendefekt hatte, fühlt man sich
sehr hilflos und muss schauen,
wohin mit seinen Gefühlen. Ich
weinte die ganze Nacht mit den
neugeborenen Babys, die ich
durch meine Zimmertür über den
Gang hören konnte, und hatte
nichts und niemanden, der meine
Gefühle auffangen konnte. Was
mir zwischen den ganzen Arztgesprächen,
Verbandswechseln, dem
Milchabpumpen, Warten, Bangen
und Recherchieren von Informationen
im Internet gefehlt hatte, war
eine Gesprächsperson, die wirklich
verstand, welche Ängste ich
durchlebte und welche Fragen mir
durch den Kopf schossen. Jeden
Tag erwartete ich einen Anruf,
dass es unserem Sohn schlechter
ginge – oder gar, dass er das Ganze
nicht überleben würde. Hier hätte
ich mir gewünscht, dass ich mich
eher an DEBRA gewandt hätte
und somit sofort eine Ansprechperson
gehabt hätte. Eine stille
Umarmung von einer Mutter, die
schon das hinter sich hatte, was
mir noch bevorstünde, hätte mir
Hoffnung und Mut gemacht, dass
alles gut kommen würde. Es ist
nicht zu unterschätzen, was eine
Patientenorganisation für Betroffene
und ihre Angehörigen leisten
kann. Sicherlich, Amir war ärztlich
gut versorgt – da muss man sich in
der Schweiz keine Sorgen machen.
Da aber die Krankheit so selten
ist, dass sogar unter Ärzt:innen
und Pflegepersonal zu wenig
Erfahrungswerte vorhanden sind,
um alltagstaugliche Lösungen und
Tipps an die Betroffenen und ihre
Familien weitergeben zu können,
ist eine solche Patientenorganisation
unerlässlich. DEBRA schliesst
hier eine Lücke, die von keinem
Ärzteteam oder einer sonstigen
Institution gefüllt werden könnte.
Daher möchte ich allen Ehrenamtlichen
für ihr Engagement
danken.
MEDIAPLANET | 11
INTERVIEW
Diabetes – die süsse Gefahr
Diabetes Typ 2 ist auf dem Vormarsch, vor allem aufgrund von zunehmendem
Wohlstand, ungesunder Lebensweise und steigender Lebenserwartung.
'Bei frühem Erkennen und konsequentem Behandeln können aber
Langzeitfolgen vermieden werden.
Dr. med.
Michael Egloff
Leitender Arzt
Endokrinologie/
Diabetologie und
Innere Medizin
Kantonsspital
Baden
FOTO: KANTONSPITAL BADEN
Was genau ist Diabetes Typ 2?
Ein Diabetes mellitus («honigsüsser
Durchfluss») besteht, wenn der Zuckergehalt
im Blut erhöht ist. Bei der
Steuerung des Blutzuckers kommt dem
Hormon Insulin, das in den Inselzellen
im Pankreas (Bauchspeicheldrüse)
hergestellt wird, grosse Bedeutung zu.
Besteht ein Missverhältnis zwischen
Insulinbedarf des Körpers und Insulinausschüttung
im Pankreas, kommt es
zu einem Anstieg des Blutzuckers. Beim
Diabetes Typ 1 handelt es sich um eine
Autoimmunerkrankung, die zu einer
graduellen Zerstörung der Inselzellen
und dadurch zu einem völligen Insulinmangel
führt.
Beim Diabetes Typ 2 besteht hingegen
eine sogenannte Insulinresistenz, das
heisst, dass das Insulin im Gewebe nicht
gut wirkt. Dadurch kommt es zu einem
erhöhten Insulinbedarf, der durch
das Pankreas nicht genügend
gedeckt werden kann. Zusätzlich
kann die Funktion der Inselzellen
eingeschränkt sein.
Die Insulinresistenz wird
begünstigt durch Faktoren wie Übergewicht,
ungesunde Ernährung und
mangelnde körperliche Aktivität.
Zudem altert das Blutzuckersystem
wie alle Organe im Körper,
weshalb Diabetes Typ 2 mit
zunehmendem Alter häufiger
auftritt. Man nennt ihn deshalb
auch «Altersdiabetes». Oft besteht
eine familiäre Veranlagung.
Leiden erstgradige Verwandte an
einem Diabetes Typ 2, ist das Risiko
erhöht, selbst daran zu erkranken,
häufig auch in jüngerem Alter.
Neben dem Typ 1 und Typ 2
gibt es noch einige weitere Diabetesformen
wie Schwangerschaftsdiabetes,
monogenetisch vererbte
Formen, Diabetes nach Erkrankungen
oder Operationen des Pankreas oder
medikamentös bedingten Diabetes.
Wer sollte sich auf Diabetes
Typ 2 untersuchen lassen?
Da leicht erhöhte Blutzuckerwerte
keine Symptome verursachen, ist eine
Screening-Blutzuckermessung ab
dem Alter von 35 bis 40 Jahren generell
sinnvoll. Personen mit erhöhtem
Risiko sollten sich früher untersuchen
lassen. Dies betrifft Personen mit
erstgradigen Verwandten mit Diabetes
Typ 2, Personen mit Bluthochdruck,
Adipositas oder erhöhtem Cholesterin
und Frauen mit Zustand nach
Schwangerschaftsdiabetes.
Stärker erhöhter Blutzucker kann sich
bemerkbar machen mit vermehrtem
Durstgefühl, erhöhter Urinmenge,
allgemeiner Schwäche, Sehstörungen,
Gewichtsverlust und Anfälligkeit für
Infektionen. Bei solchen Symptomen
gehört eine Blutzuckerbestimmung zur
Abklärung dazu.
An wen wendet man sich bei Symptomen
am besten?
Die erste Anlaufperson ist sicher der
Hausarzt. Dieser kann die nötigen
Abklärungen durchführen und eine
Therapie einleiten. Eine Zuweisung zu
einem Diabetologen ist meist
nur bei komplizierten
Fällen notwendig.
Wie läuft
die Diagnose ab?
Zuerst wird der Zucker im Blut gemessen,
am besten nüchtern. Zudem wird
ein Dreimonatswert, das sogenannte
HbA1c, bestimmt. Ein Testergebnis soll
für die Diagnose Diabetes in mindestens
zwei Messungen erhöht sein.
Diagnose Diabetes Typ 2, was nun?
Der wichtigste Therapiepfeiler beim
Typ-2-Diabetes ist eine Veränderung
des Lebensstils mit Gewichtsreduktion,
ausgewogener gesunder Ernährung
und ausreichend körperlicher Aktivität.
Gelegentlich reicht dies, um den Zucker
genügend zu senken. Meist sind jedoch
zusätzlich Medikamente sinnvoll.
Hier steht uns mittlerweile eine ganze
Palette von modernen Substanzen
zur Verfügung. Gelegentlich kommt
auch beim Typ-2-Diabetes Insulin zum
Einsatz, vor allem bei stark erhöhtem
Zucker und bei zunehmender Schwäche
der insulinproduzierenden Zellen.
Da Diabetes eine chronische Krankheit
ist und durch eigenes Verhalten
stark beeinflusst werden kann, sollen
die Betroffenen auch eine Schulung
über die Krankheit durch Diabetesfachberater
und weitere Fachpersonen
erhalten.
Worauf muss ich als Betroffene oder
Betroffener achten?
Am wichtigsten ist eine gesunde
Lebensweise. Dies bedeutet allerdings
nicht, dass man auf alles verzichten
muss. Gefragt ist ein gutes
Mass. Gezuckerte Getränke und
Fruchtsäfte sowie Nikotin sollten
aber gemieden werden.
Daneben sollen Betroffene
auch in der Lage sein, den
Blutzucker selbst zu messen
und somit zu überwachen,
insbesondere in speziellen
Situationen wie Sport, Krankheit,
Fasten, Autofahren etc.
Es sollen regelmässige Kontrollen
beim Arzt erfolgen, um
allfällige Therapieanpassungen
vorzunehmen, Langzeitkomplikationen
zu erkennen und weitere
Herz-Kreislauf-Risikofaktoren
wie Blutdruck, Cholesterin und
Nikotinkonsum zu behandeln.
Wie wichtig ist die frühe Diagnose
und damit verbundene Behandlung?
Ein unbehandelter oder schlecht
eingestellter Diabetes kann über die
Jahre zu Langzeitkomplikationen
führen. Die dabei hauptsächlich
betroffenen Organe sind Herz/Kreislauf,
Augen, Nieren, Nerven und Füsse.
Durch eine gute Behandlung des
Diabetes mit Lebensstiloptimierung
und geeigneten Medikamenten kann
das Auftreten solcher Komplikationen
vermieden oder deutlich hinausgezögert
sowie deren Fortschreiten verlangsamt
werden.
12 | www.dergesundheitsratgeber.ch
FOTO: VICTORIA POSCH
Leben
mit Beutel
am Bauch
Stoma-Patientin und Autorin Rita Hofmeister klärt im Interview über Vorurteile auf, mit denen
Betroffene zu kämpfen haben, und erzählt, wie sie es schafft, trotz Stoma ein befreites,
unabhängiges Leben zu führen.
Rita Hofmeister
Stoma-Patientin
und Autorin
FOTO: PRIVAT
Frau Hofmeister, viele Menschen
können sich nichts unter einem
Stoma bzw. künstlichen Darmausgang
vorstellen. Wie würden Sie die
Begrifflichkeiten am besten erklären
und welche Vorurteile hatten Sie vor
Ihrem Eingriff?
Ein künstlicher Darmausgang wird
auch Stoma, Seitenausgang oder Anus
Praeter genannt und ist eine durch eine
Operation geschaffene Öffnung der
Bauchdecke, durch die der Darm nach
aussen geleitet wird. Dabei gibt es aber
keine technischen Vorrichtungen aus
körperfremden Materialien. Der Darm
wird schlicht durchtrennt und der
zuführende Teil des Darms wird durch
die Bauchdecke nach aussen gezogen,
wie ein Pulloverärmel umgeschlagen
und festgenäht – sodass sich der Stuhl
nach aussen entleeren kann.
Ich selbst hatte früher überhaupt keine
Vorstellung davon, wie so ein Stoma
aussieht. Ich wollte mich auch gar nicht
damit beschäftigen, obwohl ich schon
viele Jahre vor dem tatsächlichen
Eingriff wusste, dass ich eventuell ein
Stoma brauchen würde. Vor meinem
inneren Auge sah ich also immer nur
das unkonkrete Bild einer künstlichen
Vorrichtung mit Plastikschläuchen und
offenen Wunden. Ich war immer davon
ausgegangen, dass so ein Stoma sehr
unangenehm sein und wahrscheinlich
permanent Schmerzen verursachen
müsse. Dieses Unwissens und die
Tatsache, dass ich mich nicht mit dem
Thema beschäftigen wollte, hatte viel
dazu beigetragen, dass ich grosse Angst
vor einem Stoma hatte.
Was wollen Sie jenen Menschen,
die kurz vor einer Stoma-Operation
stehen oder mit einer Diagnose konfrontiert
sind, bei der ein Stoma eine
mögliche Therapie darstellt, sagen?
Ich kann total nachvollziehen, wenn
solch eine Nachricht erst einmal ein
Schock ist, man Angst hat und alles
andere einem Stoma vorziehen möchte.
Bei mir war es anfangs genauso. Doch
ich möchte allen Menschen, für die ein
Stoma im Raum steht, dringend dazu
raten, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen.
Mit jeder Information,
jedem Bild und jedem Video ist meine
Angst vor dem Eingriff und dem Leben
mit einem Stoma kleiner geworden.
Genau für diese Menschen habe ich
mein Buch geschrieben. Darin findet
man Bilder, Links zu Videos und vor
allem Antworten auf alle Fragen, die
man wahrscheinlich im Kopf hat.
Gibt es für Sie Schwierigkeiten im
Alltag und wenn ja, wie meistern Sie
diese?
Ein künstlicher Darmausgang ist zu
Beginn schon eine grosse Veränderung
und auch eine Herausforderung. Man
sieht anders aus und der Bauch fühlt
sich anders an, daran muss man sich
MEDIAPLANET | 13
@rita_hofmeister
FOTO: MARION IDA
Die Tatsache, dass ich mich nicht
mit dem Thema beschäftigen wollte,
hatte viel dazu beigetragen, dass
ich solche grosse Angst vor einem
Stoma hatte.
schon erst einmal gewöhnen. Aber
mittlerweile kann ich mir ein Leben
ohne Stoma gar nicht mehr vorstellen
und ich habe tatsächlich überhaupt
keine Schwierigkeiten im Alltag. Ich
gehe schwimmen, in die Sauna, liege
in der Badewanne; und auch Intimität
ist kein Problem – ich gehe nur anders
auf die Toilette als andere. Die Versorgung
meines Stomas klappt sehr
gut, und sich darum von Anfang an
selbst zu kümmern, kann ich auch nur
allen neuen Stoma-Trägerinnen und
-Trägern raten. Auch wenn der Impuls
da ist, diesen neuen, Stuhl produzierenden
Körperteil nicht anfassen zu
wollen, sollte man das unbedingt tun.
Nur wenn man sich um die Versorgung
selbst kümmern kann, hat man wirklich
ein befreites, unabhängiges Leben.
Wie kann man den betroffenen
Personen ihre Ängste nehmen? Was
hat Ihnen hier geholfen?
Ich finde es sehr wichtig, sich intensiv
mit der Thematik auseinanderzusetzen
– schon vor der Operation, wenn
man dazu die Möglichkeit hat, oder
aber spätestens dann, wenn man frisch
ein Stoma bekommen hat. Sich der
Angst zu stellen und mitten ins Thema
zu stürzen macht meiner Erfahrung
nach alles leichter. Ich hätte vor meiner
Operation gern ein Buch gehabt, in
dem ich alle Antworten finde. Weil es
keines in der Form gab, habe ich eines
geschrieben. Ich kann es wirklich nur
allen empfehlen, ich habe schon so
viele wunderbare Rückmeldungen der
Leser:innen bekommen, die sehr dankbar
für meine Erfahrungsberichte und
Ratschläge waren. Ich würde aber auch
im Internet recherchieren – vor allem
in den Social Media gibt es mittlerweile
viele Menschen, die aufklären
und durch ihre eigenen Beispiele Mut
machen. Und es gibt auch die Selbsthilfevereinigungen.
Da kann man andere
Stoma-Träger:innen persönlich treffen
und sich austauschen.
Wie können Angehörige
unterstützen?
Indem sie da sind, zuhören und sich
auch selbst für den künstlichen
Darmausgang interessieren. Ich halte
nichts von gut gemeinten, aber oft
nicht willkommenen Ratschlägen von
Personen, die selbst nicht betroffen
sind. Aber als Partner:in, Familienmitglied
oder Freund:in eine positive
Einstellung zum Stoma zu haben hilft
Betroffenen ungemein. In dieser
Situation, die ohnehin eine Herausforderung
ist, bringt es eine:n nicht weiter,
bedauert zu werden oder immer wieder
von anderen zu hören, wie schlimm das
alles ist. Es hilft viel mehr, wenn man
als Angehörige:r Mut zuspricht und
Betroffene darin bestärkt, dass sie
dieser Herausforderung gewachsen
sind und sie meistern werden.
«Gut leben mit
Beutel am Bauch»
Maudrich Verlag,
erhältlich im Buchhandel
Hier schon ein kleiner
Vorgeschmack zum
«Stoma-Mutmachbuch»
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14 | www.dergesundheitsratgeber.ch
In Bewegung bleiben
gegen Arthrose
Dr. med.
Stephan Bürgin
Facharzt für Rheumatologie
und
Manualmediziner
(SAMM)
FOTO: PRIVAT
Herr Dr. Bürgin, Sie betreuen viele
Menschen, die von Arthrose betroffen
sind. Können Sie kurz erklären, worum
es bei dieser Erkrankung geht?
Sehr gerne. Die Arthrose ist eine
Erkrankung von Gelenken. Dabei wird
im Alter die schützende Knorpelschicht
immer dünner. Es gibt verschiedene
Gründe, die diese Abnutzungserscheinung
begünstigen. Zum Beispiel
können genetische Faktoren eine rasche
Alterung des Gelenkes hervorrufen
oder Unfälle (Traumata), die Schäden
am Knorpel verursachen, der Arthrose
Vorschub leisten.
Es handelt sich also um eine Degeneration
des Knorpels, warum ist dann
Bewegung gerade bei Arthrose so
wichtig?
Die Bewegung ist daher wichtig, weil die
Ernährung des Knorpels bei Bewegung
gefördert wird. Der Knorpel beinhaltet
keine Blutgefässe. Es kommt durch die
leichte Kompression des Knorpels beim
Gehen zu einem Sog, ähnlich einer
Pumpwirkung, die Nährstoffe in den
Knorpel hineinzieht (Diffusion). Bei
abgenutztem Knorpel ist es weiterhin
wichtig, sich zu bewegen, damit die
restlichen noch intakten Knorpelteile
gut gepflegt werden. Zudem führt Bewegung
zu antientzündlichen Effekten.
Welche Arten von Bewegung empfehlen
Sie Menschen, die von Arthrose
betroffen sind?
Primär empfehle ich den Patienten zu
gehen, denn der Mensch ist ein Läufer.
Dabei sind ausgedehnte Spaziergänge
oder auch leichtes Joggen sinnvoll.
Fahrradfahren ist eine gute Alternative
zum «Lauftraining». Es lohnt sich, die
Gelenke zu kräftigen. Es ist auf die
exzentrische Funktion (Bremskraft) der
Muskulatur zu achten. Diese hat eine
stabilisierende Wirkung auf das Gelenk.
Was macht den Menschen hier Ihrer
Erfahrung nach die meisten Schwierigkeiten?
Ich mache die Erfahrung, dass vielen
Patienten die Zeit für ein strukturiertes
Training fehlt. Oft vergisst man im
Alltag, den Körper zu pflegen. Gerade
weil wir beruflich oft stark eingebunden
sind, merken wir kaum, dass wir uns
einseitig belasten. Durch Bewegung
und Sport werden die Gelenke in allen
Richtungen durchbewegt. Als Prophylaxe
empfiehlt sich daher, schon früh (als
Kind) damit zu starten. Es ist schwierig,
erst dann zu beginnen, wenn Schmerzen
stören und erste Schäden da sind.
Wie können Ärztinnen und Ärzte Betroffene
dabei unterstützen?
Wir können im Rahmen von Routineuntersuchungen
bereits darauf hinweisen,
dass eine regelmässige Aktivierung
der Gelenke die Ernährung des Knorpels
fördert. So kann eine Arthroseentwicklung
hinausgezögert oder sogar verhindert
werden. Es gibt gute Daten, dass
mittelschwere und auch schwere
Arthrosen bei Läufern massiv seltener
sind als bei der Normalbevölkerung,
etwa bei Büroangestellten.
MEDIAPLANET | 15
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Selbsthilfe Schweiz
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Schicksal zu vernetzen
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ProRaris
Yvonne Feri ist zur neuen
Präsidentin des Dachverbandes
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der Schweiz gewählt worden
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Was macht
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NICHT VERPASSEN:
Martina Hagspiel
Warum es egal ist,
wie über Krebs
gesprochen wird.
Seite 10
Spot the Dot
Marije Kruis, die Gründerin der Initiative Spot
the Dot, darüber, warum Hautkrebs immer noch
unterschätzt wird und wie wir das ändern können.
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Gesundheitskampagnen –
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Helga Thurnher & Elfi Jirsa
Zwei Pionierinnen in der
Krebsselbsthilfe.
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