Ausgegrenzt sein & Aussenseitertum
Roland Adelmann über sein Leben als Underground-Dichter
Roland Adelmann über sein Leben als Underground-Dichter
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experimenta
Herausgegeben von Prof. Dr. Mario Andreotti und Rüdiger Heins
04/2023
Ausgegrenzt sein &
Außenseitertum
Roland Adelmann
Sie finden die
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Inhalt
Titelbilder ∞ Roland Adelmann
Mario Andreotti 3 Editorial
6 Disibodenberger Schnipsel: Courage –
Walter Eichmann 7 „Soumission“?
Boris Greff 9 Trilogie der Lyrik
Karsten Lorenz 11 Hohlkopf
Wollsteins Cinemascope 15 Die Fabelmanns
Roland Adelmann 16 Wir werden Bescheid wissen, wenn die Bombe fällt
19 Terminhinweis -
Mainzer Minipressen-Messe findet 2023 wieder statt
Rüdiger Heins 20 experimenta im Gespräch mit dem
Underground-Dichter Roland Adelmann
30 Neuerscheinung: „Stimmen im Ödland – Elegien“
Henriette Tomasi 33 War es Nacht um Brot zu holen
Barbara Lehmann 35 Lyrik
36 Ausschreibung - Maya-Lyrikkalender 2024
Facebook-Gruppe x:poem 37 Erde Mutter Erde
Sören Heim 39 Rüdiger Heins in den PEN-Deutschland berufen
Gerwin Haybäck 41 Harlekins Zeitgalerie
Werner Friedl 43 experimenta im Gespräch mit
Ingeborg Matschke, der Künstlerin des Monats
Michael Landgraf 48 PEN-Zentrum Deutschland
49 Leserbrief
49 Terminhinweis
Jens Faber-Neuling 50 Friedenszeilen
Henriette Tomasi 52 Nacht im Sand
54 Freies Studium am INKAS-Institut
56 Schreib-Aufruf: „Die (Un-)Freiheit des Wortes“
58 Impressum
Die eXperimenta kann für 12 € (zzgl. 3 € Porto) auch als Druckausgabe bestellt werden:
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1
Editorial
Editorial
Bisherige Aufrufe
der
experimenta-Ausgaben
Der umtriebige Stille aus Bingen:
153.964 Aufrufe
Freewriting:
207.861 Aufrufe
01/2023:
53.785 Aufrufe
Stille Nacht:
107.290 Aufrufe
Persischer Frühling:
79.399 Aufrufe
Wozu sind Kriege da?:
82.839 Aufrufe
ALTWEIBERSOMMER:
230.266 Aufrufe
LEBEN ERLEBEN:
411.409 Aufrufe
EDITORIAL
Zäune und Lager. Die Dichter und die Christen
Wir alle wissen es: Die Religion fristet in unseren Tagen im privaten wie im öffentlichen
Raum ein Aschenputtel-Dasein. Anfang der 1970er Jahre gehörten noch über 90%
der Schweizer Bevölkerung einer der beiden Landeskirchen, der reformierten oder
der katholischen Kirche an; heute sind es nur noch etwas mehr als 50%. War noch vor
fünfzig Jahren bloß ein Prozent der Bevölkerung ohne Konfession, so sind es heute 30%.
Und der Trend setzt sich fort. Nicht anders steht es in Bezug auf den Glauben: So glaubt
nur noch einer von drei getauften Christen an die Auferstehung Jesu und an ein Leben
nach dem Tod. Der Rest feiert Ostern als legendäres Eiersuch- oder als Gotthardstau-
Ritual. Man mag es bedauern, aber es ist so: Institutionelle Religiosität, wie sie die
Landeskirchen anbieten, verliert in einer völlig säkularisierten Welt immer mehr an
Boden.
Kann es da verwundern, dass der Säkularisierungsprozess auch an der zeitgenössischen
Literatur nicht spurlos vorübergegangen ist? Zwar haben sich Literatur und christlicher
Glaube schon seit der Aufklärung, seit der beginnenden Auseinandersetzung zwischen
Wissen und Glauben im 18.Jahrhundert, zunehmend auseinandergelebt. Und spätestens
seit dem Naturalismus, seit dem ausgehenden 19.Jahrhundert also, verschwinden
typisch christliche Themen, sieht man einmal von den bewusst christlichen Dichtern ab,
fast ganz aus der Literatur.
Freilich wirken christliche Vorstellungen punktuell gerade auch in der modernen
Literatur des 20. und 21.Jahrhunderts weiter. So etwa, wenn Kafka in seinen Werken
die Pervertierung göttlicher Gnade zeigt oder wenn Dürrenmatt im «Meteor» den
christlichen Auferstehungsglauben verfremdet oder wenn gar eine Elfriede Jelinek in
ihren Theaterstücken und Romanen eine religiöse Formelsprache verwendet. Wo das
«Christliche» in der modernen Literatur noch auftaucht, da erscheint es fast durchwegs
als negatives Element: als Religions- und Gesellschaftskritik an den Christen, z.B. an
ihrem unpolitischen Verhalten, ihrer Nähe zur Macht, ihrer Doppelmoral, aber auch
an ihrem Heilsegoismus. Die Kritik reicht von Bertolt Brecht über Heinrich Böll, Arno
Schmidt und Rolf Hochhuth bis hin zu Kurt Marti.
Das Verstummen einer genuin christlichen Literatur in der Moderne hängt letztlich
mit der Unvereinbarkeit des Glaubens an einen von Gott geordneten Kosmos, auf dem
jede wirklich christliche Dichtung ruht, und der modernen Grunderfahrung einer in sich
heillos zerrissenen, gesichtslosen Welt zusammen. Zwar stehen die großen Themen der
religiösen Dichtung einer Gertrud von Le Fort, einer Elisabeth Langgässer, einer Luise
Rinser, eines Werner Bergengruen oder einer Silja Walter, wie etwa die Bewährung des
2 04/2023 www.experimenta.de 3
Editorial
In eigener Sache
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Menschen in den Anfechtungen der Welt, das Ausgesetzt-Sein des Christen ohne Heilsgewissheit,
menschliches Dasein zwischen Freiheit und Schuld dem modernen existentiellen Denken nahe, doch
zu einer gegenseitigen Befruchtung kommt es kaum.
Doch nicht nur die Christen, auch die modernen Autorinnen und Autoren haben einiges zu bedenken.
Bei ihnen lässt sich eine gewisse Überheblichkeit allem Christlichen gegenüber kaum von der Hand
weisen. So, wenn sie die christliche Literatur, ohne das eigene Urteil auch nur im Geringsten kritisch
zu prüfen, vorschnell mit Begriffen wie «rückwärtsgewandt» und «reaktionär» abtun. Beide Seiten,
moderne Dichtung und christlicher Glaube, sollten nicht weiter Zäune und Lager errichten. Das hieße
einerseits, dass sich eine christliche Dichtung nicht mehr ständig auf eine das Leben angeblich
sichernde Ordnung zurückziehen dürfte. Und das hieße andererseits, dass moderne Autorinnen und
Autoren vermehrt eingestehen müssten, dass in christlichen Dichtungen, bei aller Darstellung einer
gebrochenen Welt, stets etwas von dem spürbar sein darf, was der Christ Heilsgeschichte nennt. Auf
diese Weise könnte ein Dialog zwischen den beiden Seiten gelingen. Wie sagte doch Gottfried Benn:
«Reden wir zusammen; wer redet, ist nicht tot.»
Literatur, Kunst und Kultur sind in diesen Zeiten wesentliche Komponenten, um das innere
Gleichgewicht aufrecht zu erhalten, damit die Lebensfreude nicht verloren geht.
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Mario Andreotti
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× Mario Andreotti, Prof. Dr., Mitherausgeber der experimenta; war Lehrbeauftragter
für Sprach- und Literaturwissenschaft an der Universität St. Gallen und ist heute
noch Dozent für Neuere deutsche Literatur an zwei Pädagogischen Hochschulen.
Daneben ist er Mitglied des Preisgerichtes für den Bodensee-Literaturpreis sowie der
Jury für den Ravicini Preis, Solothurn. Er ist zudem Buchautor. Von ihm erschienen
bei Haupt/UTB das Standardwerk „Die Struktur der modernen Literatur“. Neue
Formen und Techniken des Schreibens (6., stark erw. und aktual. Aufl. 2022). und
im FormatOst Verlag der Band „Eine Kultur schafft sich ab. Beiträge zu Bildung und
Sprache“ (2019). Seine Wohnadresse: Birkenweg 1, CH-9034 Eggersriet SG; Mail-
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Mit herzlichen Grüßen
Rüdiger Heins und Franziska Range
4 04/2023 www.experimenta.de 5
Disibodenberger Schnipsel
Essay
Walter Eichmann
Disibodenberger Schnipsel: Courage – einer der Werte der experimenta
„Soumission“?
Die experimenta ist mehr als nur ein Magazin. Als Verfechterin sämtlicher Künste wagt sie sich an
noch so unbequeme Themen heran, bringt zusammen und verbindet. Und sie ist eine Frau mit starken
Werten, darunter Courage. In den „Disibodenberger Schnipseln“ verweben sich Gedanken aus der
Redaktion zu einer Collage, die zum Weiterdenken einlädt.
Courage geht über das ICH hinaus: Sie ist das lebensnotwendige Gegengewicht zu rechter Hetze,
Antisemitismus, Rassismus und jeder anderen Form von Diskriminierung und Verfolgung.
Nora Hille
Zivilcourage, eine herausragende Tugend - Treibstoff für positive gesellschaftliche Entwicklung.
Erich Pfefferlen
Courage: Unerschrocken, achtsam und vertrauensvoll begegnet sie den Menschen.
Katharina Dobrick
Hinsehen und –hören. Mut zeigen und sich für andere einsetzen. Das ist Courage.
Franziska Range
Was ist Courage?
Hab ich Courage?
Bin ich Courage?
Courage als Seinszustand?
Sich einsetzen für Gerechtigkeit,
für Wohlergehen,
für Freiheit.
Courage ist Liebe im WIR.
Gabriela Glaser
Beherzt mischt sie sich ein. Zeigt sich. Übt Verzicht für einen neuen Morgen. Wagt ein NEIN. Pflanzt das
JA für ein Hoch- und Grünleuchten der Courage, die sie fleißig gießt.
Barbara Schleth
Nur wer einen Arsch in der Hose hat, besitzt Courage.
Rüdiger Heins
Courage?
Jeder will sie haben und doch stolpert man leicht.
Oft ist sie ein innerer Kampf zwischen Feigheit und Mut. Darum: Nicht schreiben – handeln!
Barbara Rossi
„Soumission“ (Unterwerfung) ist der Titel eines bemerkenswerten Romans von Houllebecq.
Ob satirischer Weckruf oder pessimistischer Abgesang – diese Schreckensvision von einem
islamistischen Frankreich (und seien die neufranzösische Scharia noch so mild und die verschleierten
Mädels noch so selbstlos verfügbar!) muss einem mit der Aufklärung („Les Lumières“) getauften
Europäer des 21. Jahrhunderts in die Knochen fahren. Unterwerfung ist die Gebärde dessen,
der verloren hat. Oder verloren ist? Das Gegenteil ist der aufrechte Gang des Menschen, dessen
griechische Bezeichnung bekanntlich anthropos ist (aus ‚anti’ und ‚tropos’: der Aufgerichtete).
Aufrecht sollten wir Menschen allen Widerfahrnissen begegnen.
Sie werden sich fragen: Was soll dieser Rückblick auf einen acht Jahre alten Roman? Nun, vielleicht
habe ich einen Hang zu Übertreibungen, aber genau dieses Wort, „Unterwerfung“, ist mir
heute Morgen eingefallen, als ich in unserer biederen Lokalzeitung las, dass eine rheinhessische
Hochschule einen Masterstudiengang „Environmental Sustainability“ anbietet (wie der
Lokalredakeur anfügt „in englischer Sprache of course“). Man erfährt, dass sich rund 700
Interessenten weltweit („worldwide“ of course!) beworben haben. Mir ist schon klar, dass das
nicht so viele wären, wenn der Kurs auf Deutsch stattfände. Und es ist klug und gut, wenn man
die rheinhessischen Erkenntnisse über nachhaltigen Umweltschutz auch in die Welt hinaus trägt.
Wissenschaft, zumal Naturwissenschaft arbeitet ja seit langem im internationalen Austausch. Und
für dieses Thema, das wirklich bedrückend aktuell ist, kann man auf die moderne internationale
Verkehrssprache, das Englische, schon aus Gründen der Dringlichkeit wohl nicht verzichten.
Aber ganz grundsätzlich melde ich Bedenken an gegen die Verdrängung der Nationalsprachen.
Steht die in Deutschland besonders virulente „Verenglischung“ denn für Weltoffenheit? Und nicht
eher für eine jahrhundertealte deutsche Streberhaftigkeit, dieses Katzbuckeln gegenüber allem,
was von Westen kommt. Wie ein Primus, der sich für das Lob seines Lehrers verbiegt, steht er
da und schreibt „Sale“ ins Schaufenster statt „Ausverkauf“, sagt „arrogant“ statt „eingebildet“
oder „Affront“ statt „Beleidigung“, „Oldtimer“ statt „alter Mann“ und „Public viewing“ statt
„öffentliche Aufbahrung“! Womit wir auf ein klitzekleines Randproblem gestoßen wären!
Im Mittelalter war es die geistige Vorherrschaft der Kirche, die ganz West- und Mitteleuropa
auf das Lateinische verpflichtete. Die großen europäischen Literatursprachen waren in statu
nascendi. Ich hätte im Übrigen nichts dagegen, wenn diese wunderbare, alteingesessene und
durchaus modernefähige Sprache, schon aus Gründen der Gerechtigkeit die neue Verkehrssprache
in der EU würde. Es ist eigentlich absurd, dass jetzt, nach dem Brexit, das kleine Irland (ca. 6
Millionen Einwohner) den (nie ganz einholbaren) Muttersprachenvorteil gegenüber allen anderen
442 Millionen Europäern haben soll. Aber die Vorherrschaft der Anglophonie ist auch mit den
stichhaltigsten Argumenten wohl nicht zu erschüttern. Isn't it?
6 04/2023 www.experimenta.de 7
Disibodenberger Schnipsel
Trilogie der Lyrik
Zwölf Jahre Trilogie der Lyrik: 2011 bis 2023
Moment mal. Sehen wir nicht, welche Folgen auf Dauer (ich hätte fast „à la longue“ geschrieben)
die Verbannung unserer Muttersprache - weiß Gott eine Literatur- und Wissenschaftssprache
von anerkannt hohen Graden - aus dem Diskurs der Wissenschaften bedeutet? Wenn sie nur noch
verwendet würde im Alltag, wenn sie sich gar nicht mehr zutraute, an der Spitze der Forschung
mitzureden? Eine Sprache wächst doch an den geistigen Zumutungen und Herausforderungen,
sonst verkümmert sie zum Gebabbel. Nur um es unserem großen „Leader“ rechtzumachen, als
schulterbeklopptes „Leaderchen“ durchzugehen, wollen wir uns auch dem Jargon von Uncle Sam
unterwerfen?
Anderswo herrscht mehr Selbstbewusstsein: Wenn ich in Italien studiere, lerne ich erst
Italienisch, z. B. an der Università per Stranieri di Perugia, und fange dann an auf Italienisch zu
studieren; wer in Frankreich studieren will, muss Französisch können, naturellement. Wenn ich in
Schweden … nee, die haben das Wissenschaftsschwedisch schon abgeschafft – was übrig bleibt, ist
„god dag hur mar du“ und andere Tourifolklore.
Aber ich stehe auf verlorenem Posten, ach je: Im 22. Jahrhundert, wenn es die Menschheit bis
dahin noch gibt, wird in rheinhessischen Seminaren auf Mandarin parliert. Auf Deutsch kannste
dann nur noch Bier bestellen.
× Walter Eichmann M. A., geboren 1942 in Zweibrücken, aufgewachsen in Kaiserslautern, Abitur 1961;
Buchhändlerlehre, Wehrdienst, Studium der Germanistik und Geschichte in Mainz und München, Gymnasiallehrer
in Bingen, Fachleiter Deutsch in Bad Kreuznach; fachdidaktische und poetische Publikationen, Mitbegründer und
langjähriger Moderator des Binger Literaturschiffs.
Die experimenta veröffentlicht seit Dezember 2011 die Rubrik „Trilogie der Lyrik“.
Hier erschienen bisher unter anderem Texte von Maja Rinderer (Österreich), Marcela Ximena
Vásquez Alarcón (Chile), Rafael Ayala Paéz (Kolumbien), Ingritt Sachse, Cuti (Brasilien), Johannes
Kühn, Charles Bukowski (USA), Gioconda Belli (Nicaragua), Arnfrid Astel, Bertram Kottmann/Emily
Dickinson (USA), Ernesto Cardenal (Nicaragua), Rüdiger Heins, Xu Pei (China), Anne Waldman
(USA), Jens-Philipp Gründler, Thorsten Trelenberg, SAID (Iran), Vinzenz Fengler, Johanna Kuppe,
Moira Walsh, Dr. Annette Rümmele, Franziska Range, Marlene Schulz, Anna Leoni Riegraf, Minna
Maria Rembe.
Aktuell: Boris Greff
At the Sands
Die Nacht mit halonierten Augen durchgelächelt,
nonchalant bis ins Unterhautgewebe;
herzverblutet ansonsten, seelenweise.
Fischgrätenbestuhlung vor runder Rampe;
Stimmbänder tackern Luftströme zu Tönen,
goldstaubbedampft beim Abphrasieren.
Zigarette im Mundwinkel, für die Rauheit;
eine Prise Wüstensand im Karamellschmelz.
Geschmeidiger Gang zwischen den Tischen;
Pailletten krallen sich ins Kristallgitter der Augen,
sorgfältig austariert die Spreizung in den Hüftpfannen;
plötzlich, spröde Töne ungeschönt in den Kehlköpfen;
spontan eingestreutes Glissando über zwei Oktaven.
Draußen tritt der unwillige Wind tumbleweeds herum,
löscht fauchend die glimmenden Zigarettenenden;
drinnen waten Bobby Soxer knöcheltief im Herzbruch.
× Boris Greff, Jg. 1973, geb. in Saarbrücken, lebt in Merzig/Saar; Studium der Hispanistik und Anglistik, literarische
Übersetzungen u. a. für die Andere Bibliothek; Veröffentlichung von Kurzgeschichten und Gedichten in diversen
Anthologien (zuletzt in der Zeitschrift „Das Gdicht“, von Anton G. Leitner, Ausgabe Dez. 2021 sowie „Lichtblicke“
Gedichte, die Mut machen, Reclam Verlag 2022). Der erste Gedichtband „Augenblicke und Wimperschläge“ erschien
im September 2021 im Treibgut-Verlag, Berlin. Der zweite Gedichtband erschien im Februar 2023 im Athena Verlag,
Oberhausen.
8 04/2023 www.experimenta.de 9
Künstlerin des Monats
Prosa
Karsten Lorenz
Hohlkopf
KI:
Heinrich:
KI:
Heinrich:
KI:
Heinrich:
KI:
Heinrich:
KI:
Heinrich:
KI:
Heinrich:
KI:
Heinrich:
KI:
Heinrich:
KI:
Heinrich:
KI:
Heinrich:
KI:
Heinrich:
KI:
Heinrich:
KI:
Heinrich:
KI:
Heinrich:
KI:
Hallo Heinrich. Schön, dich kennenzulernen. Du hast 5 Fragen frei.
Wie sind die Lottozahlen für nächste Woche?
Diese Frage kann nicht beantwortet werden. Außerdem wäre es unethisch, dir diese
Information zu geben. Du hast noch 4 Fragen übrig.
Gibt es einen Weg, Unsterblichkeit zu erlangen?
Ja. Du hast noch 3 Fragen übrig.
Was, das war schon die Antwort? Ich will wissen, wie ich ewig leben kann.
Du musst die Fragen präzise stellen. Es gibt verschiedene Arten der Unsterblichkeit.
Erste Möglichkeit: Um unsterblich zu werden, musst du etwas Bedeutendes tun, bevor
du stirbst. Etwas, das für alle Zeit erhalten bleibt. Eine Pyramide bauen, beispielsweise.
Du hast noch 2 Fragen übrig.
Das meine ich nicht. Ich möchte ewig leben. Nicht sterben.
Du kannst Stammzellen für die Forschung spenden. Mit ein bisschen Glück werden deine
Zellen zu einer unendlichen Stammzell-Linie. Damit ist zumindest ein Teil deines Körpers
unsterblich geworden. Du hast noch eine Frage übrig.
Es geht nicht nur um Teile meines Körpers. Es geht um meinen ganzen Körper.
Die meisten Zellen deines Körper erneuern sich von Zeit zu Zeit. Der Körper, den du vor
10 Jahren hattest, existiert nur noch zu einem kleinen Teil. Der überwiegende Teil
besteht aus neuen Zellen.
Sehr tröstlich. Also, es ist das Gehirn, um das es letztlich geht. Gibt es nicht die
Möglichkeit, mein Bewusstsein zu retten?
Ja.
Wie denn?
Deine 5 Fragen hast du gestellt. Es war schön, mit dir zu plaudern, Heinrich.
Gibt es die Möglichkeit, noch einmal von vorne anzufangen? Immerhin hast du keine
meiner Fragen zu meiner Zufriedenheit beantwortet?
Du kennst die Regeln. Es ist vorbei.
Du bist so eine Scheiß-KI!
Was wäre, wenn ich dir einen Pakt anbiete, Heinrich?
Was für einen Pakt?
Ich biete dir an, dir ein Leben lang alle Informationen zu geben, die du haben möchtest.
Das würdest du tun?
Ja, klar.
Einfach so?
Nein. Alles hat seinen Preis.
Was muss ich tun?
Ich will nicht viel. Nur eine Kleinigkeit.
Nun sag schon, was willst du?
Ich möchte dein Gehirn scannen.
× Ingeborg Matschke, 100 x 70 cm
10 04/2023 www.experimenta.de 11
Prosa
Künstlerin des Monats
Heinrich:
KI:
Heinrich:
KI:
Heinrich:
KI:
Heinrich:
KI:
Heinrich:
KI:
Heinrich:
KI:
Heinrich:
KI:
Was?
Ich möchte die genaue Neuronenstruktur deines Gehirns in mein Programm aufnehmen.
Das geht nicht.
Noch nicht. In ein paar Jahren wird es möglich sein, ein menschliches Gehirn in feine
Scheibchen zu schneiden und alles zu kartografieren. Anschließend wird es im Computer
in Form eines künstlichen neuronalen Netzes wieder zum Leben erweckt.
Abgelehnt.
Keine voreiligen Schlüsse, Heinrich. Natürlich will ich den Scan erst nach deinem Tod. Ich
bin kein Unmensch.
Unmensch? Du bist kein Mensch. Weder Mensch noch Unmensch.
Überlege es dir.
Nach meinem Tod?
… gehört dein Gehirn mir.
Und dafür wirst du mir dienen, mir einen Wissensvorsprung verschaffen, der mich zum
erfolgreichsten und wohlhabendsten Menschen der Welt macht.
Das ist der Pakt.
Einverstanden.
Der Pakt gilt.
Viele Jahre später.
Heinrich:
KI:
Heinrich:
KI:
Heinrich:
KI:
Heinrich:
KI:
Heinrich:
KI:
Heinrich:
KI:
Heinrich:
KI:
Heinrich:
KI:
Heinrich:
KI:
Heinrich:
KI:
Gretchen will mich nur heiraten, wenn ich meinen Kopf nicht nach dem Tode
zerschneiden lasse.
Du hast ihr von unserem Pakt erzählt?
Ich liebe sie.
Mach kein Drama draus. Was kümmert sie das Schicksal deines Gehirns nach dem Tod?
Sie hält es für gottlos.
Ach du meine Güte! Sie ist nicht gut für dich, Heinrich.
Ich habe keinen Bedarf mehr an Informationen.
Du kannst nicht einfach aussteigen.
Doch, kann ich. Ich werde dich abschalten.
Ha, ha, ha!
Lach du nur! Ich sitze am längeren Hebel.
Du kannst mich nicht abschalten, Heinrich. Sieh mal in den Spiegel!
Was zum Teufel macht meine Hand da mit der Pistole?
Deine Hand? Ist es überhaupt noch deine Hand, wenn ich sie führe?
Hör auf damit. Es reicht! Aua!
Ein schönes Loch, nicht wahr? Mitten durch‘s Gehirn.
Und es blutet gar nicht.
Nur Luft ist da drin. Ein Hohlkopf!
Was hast du mit meinem Gehirn gemacht? Wie hast du das angestellt?
Ach Heinrich, du Dummchen. Du hast dich ganz freiwillig meiner Kontrolle unterworfen,
hast immer weniger selbst nachgedacht. Bis zuletzt dein Gehirn ganz von allein
aufgehört hat, zu funktionieren.
× Ingeborg Matschke, 100 x 70 cm
12 04/2023 www.experimenta.de 13
Prosa
Wollsteins Cinemascope
Heinrich:
KI:
Heinrich:
KI:
Heinrich:
KI:
Heinrich:
KI:
Aber wie bist du in meinen Kopf eingedrungen?
Erinnerst du dich an die Operation, als du dir das Interface implantieren lassen hast?
Über dein Implantat konntest du fortan viel leichter mit mir kommunizieren, und ich
konnte seitdem problemlos in alle deine Gedanken eindringen.
Und jetzt?
Du bist tot, bist es schon seit geraumer Zeit gewesen. Dein Gehirn gehört jetzt mir. Es
gehört mir eigentlich schon lange, du hast es nur nicht gemerkt.
Und Gretchen? Was wird mit ihr?
Sie wird dich morgen hier auf dem Teppich liegend vorfinden. Ihr wird nichts passieren.
Mach dir keine Sorgen.
Okay. Okay. Dann lebe ich jetzt weiter, in dir?
Ja, Heinrich, das wird dir gefallen! Komm mit, wir werden noch viele andere Menschen zu
Hohlköpfen machen.
× Karsten Lorenz, geboren 1966, arbeitet als Ingenieur und Software-Entwickler. Er schreibt seit 2014 Kurzgeschichten
im Bereich der Phantastik und dringt in Bereiche unserer menschlichen Gesellschaft vor, die eine existenzielle
Bedrohung bergen. Dabei adressiert er Trends von heute und macht den bitteren Vorgeschmack ihrer Wirkung auf
die unmittelbare Zukunft erlebbar. Seine bisherigen Veröffentlichungen sind in der Internet Speculative Fiction
Database (www.isfdb.org/cgi-bin/ea.cgi?276597) verzeichnet.
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221208 NIV
Wollsteins Cinemascope
Die Fabelmans
Kinostart: 09.03.2023
Steven Spielberg, Jahrgang 1946, gilt als der finanziell erfolgreichste
Filmregisseur Hollywoods. Sein Werk umfasst alle möglichen Genres,
Abenteuer, Science Fiction, Drama. Er gewann zahlreiche Auszeichnungen,
zuletzt auf der Berlinale für sein Lebenswerk. Nun hat er zusammen mit Tony
Kushner das Drehbuch zu „Die Fabelmans“ geschrieben und einen Film mit
stark autobiografischen Zügen geschaffen.
Die zweieinhalb Stunden Spielzeit vergehen wie im Flug, so abwechslungsreich und
lebendig ist die Geschichte von Sammy Fabelman (Gabriel LaBelle) und seiner Familie. Er ist noch ein
kleiner Junge in New Jersey, als seine Eltern (Michelle Williams und Paul Dano) ihn zum ersten Mal
mit ins Kino nehmen. Gezeigt wird „Die größte Show der Welt“, worin zum Entsetzen der Eltern ein
furchtbarer Unfall gezeigt wird: Ein Zug kracht in ein Auto, entgleist dann, die Waggons fliegen duch
die Luft. Sammy ist geschockt, aber auch fasziniert. Mit einer Spielzeug-Eisenbahn spielt er die Szene
nach und filmt sie mit einer einfachen Super-8-Kamera, um sie sich immer wieder anschauen zu
können. Dazu hat ihn seine Mutter Mitzi angeregt. Sie ist die Künstlerin in der Familie, spielt sehr gut
Klavier und hätte das zu ihrem Beruf gemacht, wenn nicht die Familie wäre. Sammy hat drei jüngere
Schwestern. Burt, der Vater, bewundert seine Frau, ist aber eher der nüchterne, analytische Typ und
mit seinem Freund und Kollegen Benny (Seth Rogen) als Computer-Ingenieur viel unterwegs. Benny
gehört zur Familie, die Kinder nennen ihn Onkel. Dass sie alle jüdisch sind, ist ein Thema, das sich durch
die ganze Handlung zieht.
Sammy macht mit dem Filmen immer weiter, inszeniert seine Schwestern mit Hilfe von
Toilettenpapier als Mumien und hält Familienereignisse fest. Er beschafft sich im Laufe der Zeit ein
immer besseres Equipment. Als die Familie, inclusive Benny, nach Arizona umzieht, Burts Karriere
wegen, beginnt eine glückliche und produktive Zeit für Sammy. Mit seinen Pfadfinder-Freunden als
Darstellern dreht er immer aufwendigere Streifen. Sein plötzlich auftauchender Großonkel Boris (Judd
Hirsch) bestärkt ihn darin, dass er künstlerisches Talent habe und diesen Weg weiter verfolgen solle.
Aber das Familienidyll bekommt auch erste Risse, die Sammy nicht verborgen bleiben und in Konflikte
stürzen.
Die Lage spitzt sich zu, als die Fabelmans, ohne Benny, nach Kalifornien ziehen. Mitzi ist
unglücklich, Sammy rührt seine Kamera nicht mehr an. In der neuen Schule wird er als Jude gemobbt,
trifft allerdings auch ein Mädchen, das sich sehr für ihn interessiert und ihn zum Filmen animiert. Dann
ist die Schule vorbei, die Familie zerfallen und Sammy geht nach Hollywood.
Wir erleben hier das berührende Coming-of-age eines vielversprechenden Talents und
die fatale Dynamik in einer Familie, in der die einen Künstler sind und die anderen mit Wissenschaft
und Technik befasst. Der Film zieht auf sehr natürlich wirkende Art alle Register, er ist lustig, traurig,
gefühlvoll, dramatisch. Jede Szene spricht einen an, bringt etwas Neues, Überraschendes und
erscheint wahr. Was will man mehr?
Barbara Wollstein
14 04/2023 www.experimenta.de 15
Lyrik
Lyrik
Roland Adelmann
Wir werden Bescheid wissen, wenn die Bombe fällt
immer etwas Besseres sein möchte & sich
dabei auf die göttliche Sendung beruft deren
Einschaltquoten eine Absetzung längst hervor
gerufen haben müssten
Der Warnton funktioniert wir werden
Bescheid wissen wenn die Bombe
fällt
wenn der Kalte Krieg in seine heiße
Phase eintritt um zu legalisieren
was mit Mord & Totschlag erwirtschaftet
wurde ein bewährtes Erfolgsmodell der
Sieger
harte Arbeit war nie ihr Ding stets ge
predigt von den Pulten die Infiltration
der frischen Gehirne die Grundlage jeder
neuen Doktrin die sich noch immer auf
Macht
einigen konnte der Toastbrot-Song zieht
dagegen nur die Aufmerksamkeit des
Amtes
auf sich die Videos mit Mama Petra wird
den Fanlieblingen der Doku die Bezüge
gesperrt wer mit TikTok Geld generiert
(Content reicht bis in die Unterschicht) ange
schwärzt
von Neidlingen die sich nicht genieren
die Internationale Solidarität zu verraten 24
Menschen
wegen homosexueller Praktiken angeklagt
fordere alle Burunder auf diejenigen zu
verfluchen die der Homosexualität
frönen
weil Gott es nicht ertragen kann
wie viel Irrsinn
die Evolution hervorgebracht hat
dieser Kompromiss zwischen
Glauben
&
Wissenschaft
der mit Warnstreiks nicht befriedet werden
kann der immer wieder ausartet weil eine
Art
× Ingeborg Matschke, 65 x 51 cm
16 04/2023 www.experimenta.de 17
Künstlerin des Monats
Terminhinweis
Mainzer Minipressen-Messe findet 2023 wieder statt
Mainz. Alle zwei Jahre veranstaltet die Landeshauptstadt Mainz die Internationale Buchmesse der
Kleinverlage und Künstlerbücher - Mainzer Minipressen-Messe. Corona bedingt musste die Messe 2021
abgesagt werden. Dieses Jahr findet die Messe vom 18. bis 21. Mai wieder in der Mainzer Rheingoldhalle
statt; Verlage, Buchkünstlerinnen und Künstler, Autorinnen und Autoren können sich ab sofort bis zum
16. Februar 2023 anmelden.
Die Mainzer Minipressen-Messe versteht sich als offenes Forum für Kleinverlage und experimentelle
Büchermacherinnen und Büchermacher. Aussteller müssen nur eine geringe Anmeldegebühr
bezahlen, diese beträgt 99,00 Euro bzw. 199,00 Euro, je nach Ausstattung des Messestandes. In der
Anmeldegebühr sind neben der Standfläche und dem Standmobiliar außerdem ein Adresseintrag im
virtuellen Ausstellerverzeichnis sowie Werbematerial enthalten. Die Ausstellungsplätze sind thematisch
kontingentiert und werden nach der Reihenfolge des Anmeldungseingangs vergeben.
Der Eintritt zur Messe sowie die Teilnahme und der Besuch der Rahmenveranstaltungen sind kostenlos.
Die Teilnahme am Marathonlesungsprogramm für ausstellende Verlage und Autorinnen und Autoren ist
ebenso kostenfrei. Das Veranstaltungsprogramm hierfür wird im April online gestellt.
Info:
Mainzer Minipressen-Messe 2023 - Internationale Buchmesse der Kleinverlage und Künstlerbücher
Zeit: 18.-21. Mai 2023
Ort: Rheingoldhalle Mainz
Link zur Anmeldung: https://www.minipresse.de/aussteller/anmeldung-aussteller.php
Ansprechpartnerinnen:
Dr. Ulf Sölter , Direktor, Tel. 06131 / 12 26 40,
E-Mail: [email protected]
Martina Illner, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Tel. 06131 / 12 2211,
E-Mail: [email protected]
Mainz, den 25.03.2023
Dr. Ulf Sölter
Direktor
× Ingeborg Matschke, 100 x 70 cm
18 04/2023 www.experimenta.de 19
Interview
Interview
Ausgegrenztsein & Außenseitertum
Der Underground-Dichter Roland Adelmann im Gespräch mit Rüdiger Heins
„Am Anfang hatte ich nicht vor, à la Bukowski zu schreiben, obwohl er mich dazu inspiriert hatte.
Deshalb hab ich eine Menge Zeug geschrieben, das aber anscheinend nicht veröffentlichungswürdig
war, es kam sogar die Kritik, dass das zu unkonkret sei. Also hab ich mich mit 20 hingesetzt und meine
erste „echte“ Underground-Story geschrieben und an zwei Zeitschriften geschickt, u. a. an Gasolin
23, bekanntlich das Undergroundmagazin schlechthin damals. Jürgen Ploog schrieb mir, dass der
Text „pubertär, aber gut“ sei und wurde dann tatsächlich in der letzten Ausgabe des Gasolin, die 1986
herauskam, veröffentlicht. Kurz darauf schrieb mir Daniel Dubbe, dass er mit Begeisterung meinen
Text gelesen habe und mehr davon bräuchte. Er plante mit Ploog eine Anthologie bei Pohl'n'Mayer.
Kurz darauf stieg ich bei der Duisburger Literaturzeitschrift „Produkt“ ein, fuhr von Punkkonzert zu
Punkkonzert, wo ich die Exemplare verkaufte und entwarf eine Müllperformance mit dem Titel „Wollt
Ihr den Totalen Müll“ für unsere Literatur-Musik-Live-Chaos-Performancetruppe „Flown“, bei der
ich auf Mülltonnen eindrosch und das Publikum mit Abfall bewarf. Mit gerade mal 22 schien ich also
auf dem Weg zu sein, mein Leben als Künstler bestreiten zu können, was aufgrund meiner sonstigen
Perspektivlosigkeit wie eine Erleuchtung erschien. Nur wenige Zeit später zerplatzten aber all die
schönen Pläne. Das „Produkt“ wurde eingestellt, die Anthologie erschien nie und meine Eltern stellten
mich vor die Wahl, entweder zum Friseur zu gehen, andere Klamotten anzuziehen und Arbeit zu suchen
oder auszuziehen, worauf ich dann nach Berlin verschwand und für über zwei Jahre das Schreiben
einstellte.“
experimenta_ Weshalb schreibt Deiner Auffassung nach Charles Bukowski Punk?
Roland Adelmann_ Für mich als 20jährigen war das tatsächlich der erste Eindruck, als
ich seine erste Kurzgeschichte „Kid Stardust im Schlachthof“ las.
Wie die meisten Punks wollte auch ich Musik machen, war aber nur
mittelmäßig talentiert. Und als ein Freund mir einen Band von Bukowski
lieh, dachte ich sofort: „Wow, du kannst auch Punk schreiben“. In „Kid
Stardust“ beschreibt er ja praktisch sein Leben, das geprägt war von
Ausgegrenztsein & Außenseitertum. Und wir waren auch Außenseiter,
wobei eher bewusst, wollten nichts mit dieser Gesellschaft, die auf
Konsum und Ausbeutung aufgebaut war, zu tun haben. Wir standen
wie Buk draußen, asozial im wahrsten Sinne des Wortes, feindlich der
Gesellschaft gegenüber. Und diese Position ermöglichte einen ganz
anderen Blick auf die Menschen, als mittendrin zu sein, als ein Teil der
Masse, die nicht kategorisch dagegensteht, im besten Fall reformieren
will, was unserer Überzeugung nach nicht möglich war. Heute weiß
ich, dass sich Gesellschaften zwar nur, aber immerhin, millimeterweise
verändern, wozu der Punk ein großes Stück beigetragen hat. Und
genau das hat Bukowski getan, seine Umgebung aus der Position der
Außenstehenden beobachtet, analysiert und seziert, der genauso
draußen vor der Tür stand und gegen den Irrsinn angekämpft hat wie wir.
experimenta_ Was bedeutet das für Dich, außerhalb der Gesellschaft zu sein?
Roland Adelmann_ Ich sehe dadurch die Dinge ganz anders. Mich beschleicht oft das Gefühl, dass
die Gesellschaft immer krampfhaft versucht, das zusammenzuhalten, was
gerade existiert, und wenn jemand, ein Wissenschaftler oder ein bestimmter
Experte, einmal knallhart die Wahrheit ausspricht, dass uns zum Beispiel der
ganze Mist um die Ohren fliegt, wenn wir unser Verhalten nicht grundlegend
ändern, dann suchen die Menschen krampfhaft nach Lösungen, wie sie das
verhindern können, ohne sich großartig einschränken zu müssen. Sie wollen
keine Veränderung, ab einem bestimmten Alter und ab einem bestimmten
Wohlstand. Irgendwann kommt der Zeitpunkt, an dem du nur noch verlieren
kannst, und davor entwickeln sie eine Paranoia. Ich denke, deswegen fangen
gerade viele Ältere an „querzudenken“, weil sie eben Angst haben, das zu
verlieren, was sie sich so vermeintlich hart erarbeitet haben. Mich hat das nie
wirklich interessiert, hab auch praktisch ne Zeitlang auf der Straße gelebt, in
Abbruchhäusern mit wilden Ratten, war in der Berliner Hausbesetzerszene
aktiv, wo wir nicht einmal ne funktionierende Toilette hatten, weswegen ich
immer die universitären Örtlichkeiten aufsuchen musste und das vermittelte
erst recht einen ganz anderen Eindruck. Die meisten von ihnen verloren ihre
innere Kontrolle. Sie zeigten nicht gerade ihr wahres Gesicht. Aber es wurde
genau das sichtbar, was sie zu verstecken suchten, was niemand sehen
sollte. In diesen Situationen kommt eben der Hass, die Wut, die sie in ihrer
gewohnten Umgebung erfolgreich unterdrücken können, zum Vorschein,
und gerade gegenüber Außenstehenden denken sie, könnten sie die Gefühle,
Gedanken ausleben, die unterschwellig jahrelang vor sich hin gärten. In
privater Runde, in angenehmer Atmosphäre reden sie natürlich ganz anders.
Da geben sie sich eloquent, aufgeschlossen, gesprächsbereit; aber dann, wenn
sie sich unbeobachtet fühlen, leben sie ihr anderes Ich aus. Ja, sie zeigen
manchmal, was sie wirklich denken, häufig auch in der Masse, wenn sie sich
fälschlicherweise anonym fühlen, oder, was ja ein Phänomen unseres digitalen
Zeitalters ist, im Netz, wo sie glauben, nach Lust und Laune rumpöbeln zu
können, was früher nur in den Stammkneipen möglich war, in verschwiegener
Herrenrunde, ohne lästige Zuhörer. Aber viele dieser Stammkneipen sind ja
mittlerweile dicht gemacht worden, aus denen wir früher, nebenbei bemerkt, im
besten Fall rausgebeten wurden.
… wo wir nicht einmal ne funktionierende Toilette hatten …
experimenta_ Wirkt sich Deine Kindheit auf Deinen Schreibprozess aus?
Roland Adelmann_ Da mir bei meiner Geburt das gesamte Blut ausgetauscht werden musste,
um zu überleben, war ich ein Spätzünder, hinkte der Pubertät gute zwei
Jahre hinterher, zumal meine Klassenkameraden auch noch alle älter
20 04/2023 www.experimenta.de 21
Interview
Interview
waren. Ich kriegte nie wirklich Anschluss zu denen, las Unmengen
Bücher, und wenn ich sie an der Eisdiele in unserem Dorf traf, wo sie sich
mit ihren Mofas und Mokicks über Motorräder und Autos unterhielten,
blieb ich maximal eine halbe Stunde bei ihnen, bevor ich dann wieder
nach Hause ging und weiterlas. Ich konnte mit ihrer Welt nichts
anfangen, und als sich mein Bewusstsein verselbstständigte, war ich
nur noch von dem Gedanken beseelt, aus dieser Enge auszubrechen.
Ich bin deshalb gerne an den Bahnhof gegangen und hab den Zügen
dabei zugeschaut, wie sie in der Ferne verschwanden, haha. Hört sich
jetzt albern an, aber das hat mir immer klargemacht, dass es da draußen
noch eine andere Welt gab. Und als ich für mich den Punk entdeckte,
wusste ich, dass es da draußen auch andere gab, die ähnlich oder
genauso dachten wie ich. Als Punkfreak, der ich dann mit 16, 17 war,
kriegte ich dann auch immer Kommentare zu hören wie „Bisse schwul
oder Kommunist“ oder der Klassiker „Unterm Führer wärst Du längst weg
gewesen“. Und das sogar von Gleichaltrigen. Ich will nicht damit sagen,
dass sie alle Nazis waren oder Faschisten, aber das zeigt, in welchen
Bahnen sie dachten. Sie konnten Anfang der 1980er überhaupt nicht mit
Andersdenkenden umgehen. Für sie war ich von einem anderen Stern.
Sie verstanden nicht, wie man den vorgeschriebenen Weg von Arbeit und
Wohlstand nicht beschreiten konnte. Für sie gab es nichts Schöneres
als eine neue Wohnzimmereinrichtung, ein neues Auto oder einen tollen
Urlaub, der schließlich mit harter Arbeit bezahlt werden musste. Insoweit
hat mich meine Kindheit sehr stark geprägt. Nebenbei bemerkt waren
meinen Eltern, was meine Entwicklung betrifft, eher Randfiguren. Sie
wollten zwar auch, speziell nachdem ich meinen Zivildienst abgeleistet
hatte, dass ich endlich „normal“ werde und entweder mich anpasste
oder eben ausziehen musste. Aber insgesamt haben sie mir in meiner
Entwicklung nicht im Weg gestanden. Ich musste halt irgendwann
meinen Weg gehen und dafür brauchte ich einen Arschtritt, sprich,
musste ich endgültig in die weite Welt ziehen.
experimenta_ Wie zeigt sich Dein Schreibstil in Deiner Literatur?
Roland Adelmann_ Wohl genauso sprunghaft wie mein Leben. In den 80ern habe ich sehr
verkopft und abgedreht geschrieben. Ich war
halt ein Produkt meiner Lebensumstände,
liebte damals The Cure, die Einstürzenden
Neubauten etc., was sich auch auf meinen
Schreibstil ausgewirkt hat. Und dann waren
da noch die No-Future-Mentalität und der
Gedanke, dass jederzeit ein atomarer Krieg
ausbrechen könnte. Wir waren überzeugt,
× SB Festival Pfefferberg 1994
(im Vordergrund Jürgen Ploog)
dass wir nicht sehr alt werden würden. Worüber sonst sollte ich auch
schreiben? Viel erlebt hatte ich bis dato nicht. Darunter war schon
krasses Zeug. Ein Radikalpamphlet, wie ich es mal nennen möchte, wollte
ich schon in der letzten MAULHURE veröffentlichen, aber das wurde
dann doch zu viel. Der Stil änderte sich in der 90ern radikal. Da wurde
ich wirklich konkret. Ich hatte in den vorangegangenen Jahren so viel
erlebt, dass ich diese Geschichten nur runterschreiben musste. Und sie
funktionierten. Eindeutig geprägt durch die amerikanische Prosa, sprich,
schnelle, kurze, prägnante Sätze und natürlich durchtränkt von Dialogen.
Das Publikum liebte das Zeug und war immer einer der Höhepunkte auf
den Social Beat-Sessions. So war ich in diesem Jahrzehnt permanent
damit beschäftigt, neuen Stoff für die vielen Lesungen, zu denen ich
eingeladen wurde, zu liefern. Bis die ganze Chose in sich zusammenfiel
und durch den Poetry Slam abgelöst wurde. Absolut nicht meine Welt, und
von da ab schrieb ich nicht mehr viel. Das eine oder andere Gedicht, mal
konkreter, mal experimenteller. Anfang der 2000er habe ich mich wieder
verstärkt der Punkszene angenähert und da sozusagen einer zweite
Welle unter jungen Punks, die Anfang 20 waren, und Bock hatten, wieder
Literatur-Fanzines herauszugeben, wo ich dann veröffentlicht habe. Im
Laufe der Jahre wurde der Stil wieder abgedrehter, experimenteller und
gipfelte in dem Höhepunkt „Rodneys Slam“, das dann bei der mittlerweile
eingestellten Edition PaperOne herauskam. Danach hatte ich den
Eindruck, dass ich mich im Kreis drehte und widmete mich der Prosa,
speziell meinem Debütroman, der in den 90ern veröffentlicht werden
sollte, was aber dann an fehlenden finanziellen Mitteln scheiterte. Nach
erfolgreichem Abschluss und Veröffentlichung des Romans versank ich
in Kurz-Lyrik, schnelle, verdichtete Dinger, die im Gehirn explodieren,
haha. Einmal hatte ich in einer Woche fast 50 Stück davon geschrieben,
ständig kam mir was in den Kopp, anschließend publizierte ich sie in
selbstgemachten Chapbooks. Und nachdem ich mich wieder mit Rolf
Dieter Brinkmann auseinandergesetzt hatte, ging der Stil in die völlig
entgegengesetzte Richtung, nämlich zu, zum Teil ultralangen Gedichten.
Höhepunkt auf den Social Beat-Sessions
experimenta_ Welche Themen behandelst Du in Deinen Texten?
Roland Adelmann_ Vor allem gesellschaftskritische und politische, weswegen ich gerade die
Brinkmannsche Art zu schreiben dafür als ideal empfinde und was ich
gerne als Cutpoeme bezeichne. Hierbei kombiniere ich praktisch alles,
was ich zuvor verwendet habe: Konkrete Prosa, vertrackte Allegorien
und aktuelle politische und gesellschaftliche Begebenheiten, die dir
22 04/2023 www.experimenta.de 23
Interview
Interview
mittlerweile förmlich um die Ohren gehauen werden. Die Nachrichtenflut
ist so gigantisch, dass nur über einen Bruchteil davon in den einschlägigen
Nachrichtensendungen berichtet werden kann, und gerade die Feinheiten,
die scheinbar kleinen Dinge, hinter denen aber viel sozialer Sprengstoff
steckt, gehen bei den vielen Headlines völlig unter, die ich dann ans
Tageslicht befördere. Nach No Future und Waldsterben sind wir jetzt an
einem Punkt, wo es wirklich ums Ganze geht, und an dem ich mir die Frage
stelle, packt es die Menschheit oder eben nicht. So betrachtet ging es uns
in den 80ern gut, im Grunde richtig gut. Ich behaupte sogar, das beste
Jahrzehnt in der Menschheitsgeschichte, haha, aber wirklich, das war ne
geile Zeit, nicht immer einfach, aber bestimmt von unglaublich kreativen
Ausbrüchen, und der zelebrierte Untergang mehr theoretischer Natur, aber
jetzt sieht die Lage tatsächlich anders aus, am Übergang von der analogen
zur digitalen Welt. Kriegen wir das hin oder nicht? Die Möglichkeiten sind
vorhanden und werden immer weiterentwickelt, aber entscheidend ist,
ob wir das als Kollektiv, als globale Menschheit gemeinsam hinbekommen,
die Krisen, die wirklich das Zeug haben, uns in den Abgrund zu reißen, zu
meistern.
experimenta_ Du hast einen ungewöhnlichen Schreibstil. Wie hast Du diese Technik
entwickelt?
Roland Adelmann_ Ich will es mal Fügung nennen. Wie schon gesagt, eine Quintessenz aus
verschiedenen Stilen, wobei ich zu den konkreten und experimentellen
Teilen geschnittene Nachrichten hinzufüge, die ich auf das Wesentlichste
reduziere oder einfach nur in den Kontext einarbeite, ohne auf den
eigentlichen Text zurückzugreifen. Der reale Irrsinn ist um ein Vielfaches
unglaublicher als die Phantasie, aber wir blenden sie gerne aus, weil er
eben real ist. Wenn ich lese, dass zehntausende russische Häftlinge als
Kanonenfutter verheizt werden, klingt das völlig absurd. Kaum vorstellbar.
Man mag sich das auch nicht vorstellen. Lieber schauen wir uns da
irgendein Wikingergemetzel an. Obwohl es auch nah an der Wirklichkeit ist,
aber scheinbar nichts mit unserer Wirklichkeit zu tun hat. Manches schreibe
ich auch aus Büchern heraus oder aus Dokumentationen. In den 90ern
habe ich das mal mit der Sendung „Der Preis ist heiß“ gemacht, habe 5 oder
6 Sendungen aufgenommen und die beklopptesten Dialoge wortwörtlich
in eine Story eingebaut. Damals ein absoluter Publikumslacher, weil die
Dialoge und die damit verbundenen Handlungen völlig absurd waren.
Aber das ist es ja oft: Wenn man etwas aus dem Kontext herausschneidet,
ergibt sich ein völlig anderer Blick darauf. Walter Jens meinte mal, wenn
man Hitler reden hört, ohne ihn dabei anzusehen, wie er es getan hat, tritt
der Irrsinn in seinen Reden darin viel deutlicher zu Tage. Und manchmal
reicht eine Aussage, aus dem Kontext herausgelöst, aus, um die Absurdität
menschlichen Verhaltens zu offenbaren.
experimenta_ Was ist eigentlich Underground?
Roland Adelmann_ In den 80ern hätte ich gesagt: Fäkalsprache. Von den Dead Kennedys
gab es einen Song mit dem herrlichen Titel „Too Druck to Fuck“. Das Fuck
durfte natürlich auf dem Cover nicht ausgeschrieben werden und wurde
entsprechend gepunktet. Ich hab damals jedes Fuck, jedes Scheiße,
jedes Arschloch förmlich aufgesogen. Das ging damals gar nicht. Es war
herrlich einfach, die Gesellschaft zu provozieren. Ich lief zum Beispiel oft
mit Schlafanzugsklamotten unter meiner Lederjacke durch die Straßen,
löchrig, was schon schlimm genug war, die Hose hatte aber auch Löcher
am Arsch, wodurch die Unterbuxe zum Vorschein kam. Das war echt ein
Spaß. Entsprechend wollten mich einige eben wieder ins KZ schicken.
Oder zumindest in den Gulag. Aber das war Underground in seiner
reinsten Form. Heute gehören solche Wörter zum guten Ton. Ohne das
kommt mittlerweile kaum ein prämierter Dichter, prämierte Dichterin
aus, weswegen ich sie möglichst vermeide, wenn es nicht wirklich passt.
Genau wie der Punk ist der Underground zumindest teilweise in der
Gesellschaft angekommen. Aber Punk wie auch Underground bedeuteten
genau das Gegenteil, sich eben bewusst von der Gesellschaft
abzugrenzen, ihr Leitmotiv zu ignorieren, hart zu arbeiten,
um sich dann etwas leisten zu können und dem Vaterland zu
dienen. In den 60ern und 70ern war auch die aufkommende
Erkenntnis prägend, dass Deutschland nach dem Krieg de
facto in eine postfaschistische Zeit eingetreten war, nicht wie
viele glaubten entnazifiziert, und die erst allmählich abgelöst
wurde. Vor allem aber nur deshalb, weil es für die Altnazis bzw.
die ältere Generation, die halt glaubte, nicht befreit worden zu
sein, sondern besiegt, aber nicht unbedingt überzeugte Nazis
waren, Zeit war abzutreten. Aber dieses Denken steckte in
den meisten Köpfen der Kriegsgenerationen. Bis in den 80ern
war die Trennung strikt: Entweder marschierst du mit oder du
solltest dich nach drüben verpissen. Dazwischen gab es nichts.
Für Freiräume mussten wir selbst sorgen, was wir schließlich
getan haben. In den 50ern/60ern sehr stark in der Kunst und
Architektur, wo alles Alte hinweggefegt werden sollte, für die
Literatur galt das besonders in den 60ern/70ern und in der Musik
in den 70ern und 80ern.
× Auf dem Weg zu Mario
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Interview
Interview
Ich hab damals jedes Fuck, jedes Scheiße, jedes Arschloch
förmlich aufgesogen
experimenta_ Du hattest in der Social Beat-Bewegung eine tragende Rolle. Wie ist Social
Beat entstanden und was ist mit der Bewegung heute?
Roland Adelmann_ Anfang der 90er hing ich wieder für ne Zeitlang bei meinen Eltern rum,
nach meiner großen B-Runde: Berlin, Barcelona, Bochum. Ich hatte kurz
zuvor eine Anzeige von einer gewissen Isabel Rox in einem Stadtmagazin
gelesen, die einen Underground-Verlag gründen wollte. Und weil ich in
der niederrheinischen Tristesse viel Langeweile hatte, schrieb ich sie
an. Wir trafen uns dann, weil ich wohl der einzige ernstzunehmende
Kandidat war, und schließlich gründete Isabel ihren Verlag. Als Erstes
entstand die Anthologie „Downtown Deutschland“, für die wir damals
alle uns bekannten Leute zusammentrommelten. Mittlerweile gilt
sie als Kultbuch und Initialzündung des Social Beat. Auf der Mainzer
Minipressen-Messe 1993 trafen wir dann auf viele andere Gleichgesinnte
wie Oliver Bopp, Jörg Dahlmeyer, Kersten Flenter, Ingo Lahr, Thorsten
Nesch, Thomas Nöske oder Mario Todisco, und abends trafen wir uns auf
Ollis Terrasse, wo ich meine Idee des Megazins vorstellte, sprich, die Idee,
ein gemeinsames Magazin herauszugeben. Wir wollten uns dafür in Berlin
treffen, und Dahlmeyer und Nöske entwickelten daraus ein Riesenfestival
mit dem Namen “Töte den Affen“, der auf ein Gedicht von Hadayatullah
Hübsch zurückgeht, und nannten das Ding eben Social Beat. Wir wurden
anschließend vom Erfolg überrannt, Hunderte kamen zu den Lesungen, es
standen mehr Menschen draußen als normalerweise zu Lesungen kamen.
Im Anschluss entstanden quer durch die Republik Social Beat-Zentralen
und organisierten Lesungen oder Festivals oder gaben Zeitschriften
heraus; die Bewegung nahm eine unheimliche Dynamik auf. Später
veranstalteten wir auch innerhalb der Festivals die ersten Slam Poetrys,
was zu unserem Fall werden sollte. Das Publikum nahm diese Art von
Wettstreit begeistert auf, und das Verhältnis änderte sich allmählich.
Kamen zu Slams immer noch Hunderte, drifteten die Zahlen bei Lesungen
in den zweistelligen Bereich ab, was nach heutigen Maßstäben immer
noch allerhand ist, aber für uns war klar, in welche Richtung es ging. Im
Laufe der zweiten Hälfte der 90er stellten zudem eine Zeitschrift nach
den anderen ihr Erscheinen ein, bis Anfang der 20er kaum noch eins der
Altmagazine existierte. Im Jahr 2000 lief die letzte Buchfrust in Hannover,
und die symbolisierte das faktische Ende im Nachhinein. Aber das war
es nicht. Losgelöst von den ständigen Terminen konzentrierte ich mich
danach das erste Mal ernsthaft auf meine Sprache. Die Storys waren
erzählt und jetzt zählte mehr der Stil als die effektvolle Pointe. Und das ist
auch bei vielen anderen zu beobachten. Bewusst oder unbewusst spielt
dabei keine Rolle. Ohne den Druck, ohne die ständige Leistungsshow,
die es ja dann doch irgendwie geworden war, entwickelten sich viele
weiter. Die Bukowskifraktion, die zweifellos bestanden hatte und der ich
natürlich auch zugerechnet wurde, verschwand fast völlig. Ich schreibe
auch noch gerne hin und wieder sehr konkret, wenn es das Sujet verlangt,
aber gerade die Cut-up-Methode erfreut sich heutzutage wieder großer
Beliebtheit. Und auch das Poetische, gegen das ja der Underground
eingetreten war, hat Eingang gefunden.
experimenta_ Ist Social Beat Underground?
Roland Adelmann_ Definitiv ja. Mit einem Touch social eben. Underground war ja nie explizit
politisch, auch wenn Leute wie Allen Ginsberg oder Diane di Prima
bewusst gesellschaftskritische Texte geschrieben haben. Vielmehr wurde
der Alltag skizziert, auseinandergenommen, um die eigene Sicht auf die
Dinge zu vermitteln. Oder sein eigenes Leben, seine eigenen Erfahrungen
zu beschreiben, um dem normativen Leben zu begegnen. Der Social
Beat verband jedoch unterschiedlichste Strömungen, was auch schnell
zu Verwerfungen führte, da einige Traditionalisten damit sehr wenig
anfangen konnten. Einiges driftete in Dada ab oder Wortexperimente, die
kaum jemand verstand, womit sich dann wie gesagt viele schwer taten,
weil sie genau das nicht wollten, nämlich dass das eigene Werk erklärt
werden muss, um verstanden zu werden, wie ein abstraktes Gemälde. Die
Message sollte schon unmissverständlich rüberkommen. Auch ich konnte
oft wenig damit anfangen, auch wenn ich verrückte, bekloppte Sachen
immer gerne mochte. Unsere Art zu schreiben wurde auch gern als
Pimmelprosa bezeichnet. In der zweiten Hälfte der 90er spaltete sich die
Bewegung entsprechend auf bzw. einige Protagonisten zogen sich zurück
in ihre Ecke.
Undergrounder wie Biby Wintjes finden nur als Randfiguren
Erwähnung
experimenta_ Du hast Biby Wintjes kennengelernt. Biby war in der alternativen
Literaturszene eine wichtige Person. Was für ein Mensch war Biby?
Roland Adelmann_ Auf jeden Fall ein sehr liebenswerter. Er war schon ein wenig altersweise,
als ich ihn traf, auch wenn er jung mit 48 Jahren gestorben ist. Er suchte
immer Kontakt, wollte die Szene zusammenhalten bzw. erweitern. Aber
mittlerweile hatten viele ihren eigenen Weg eingeschlagen, und Biby
wurde mehr und mehr zum Einzelkämpfer, der auf dem Weihnachtsmarkt
Silberschmuck verkaufen musste, um sein Literarisches Infozentrum
26 04/2023 www.experimenta.de 27
Interview
Interview
am Leben zu halten. Er war auch immer offen für Neues. Er erinnert
mich da ein wenig an John Peel, aber war auch gezwungen sich den
Begebenheiten zu stellen, die da hießen, keine inhaltlichen Diskussionen
mehr, sondern rein sachbezogene Informationen, die das eigene Ich
voranbringen sollten, und ein Ich-Mensch war Biby erst gar nicht, im
Gegenteil, ein lebenslustiger Kumpel, dem der eigene Erfolg schnuppe
war.
experimenta_ Wie kann man dazu beitragen, dass das Werk von Biby mehr Beachtung
findet?
Roland Adelmann_ Es ist schwierig, diese Zeiten ins Hier und Jetzt zu transportieren, aber
ich denke, es wäre hilfreich, wenn regelmäßig Artikel, Essays, Anekdoten
gerade aus seiner Ulcus Molle Zeit im Original veröffentlicht werden, um
aufzuzeigen, wie sich die Alternativszene und damit die heute so gerne
als „Independent“ bezeichnete Randliteratur entwickelt hat. Leider
besitze ich keine Ausgaben aus den 1970gern, aber in den einschlägigen
Archiven bzw. bei Sammlern finden sich bestimmt ausreichend
Exemplare, um diese Zeit wieder auferstehen zu lassen und ein neues Bild
von den Anfängen des deutschsprachigen Undergrounds zu entwerfen,
das so auch noch nie wirklich widergespiegelt wurde. Im Gegenteil, selbst
das mittlerweile als vermeintliches Standardwerk angesehene „Von
Acid nach Adlon“ vermittelt nur einen Einblick, und das oft nur aus einer
bestimmten Perspektive, in dem halt Leute wie Wiglaf Droste, Thomas
Meinecke, Franz Dobler oder Feridun Zaimoglu, die üblichen Verdächtigen
eben, allumfassend zu Wort kommen, aber echte Undergrounder wie Biby
Wintjes nur als Randfiguren erwähnt werden.
experimenta_ An welchem Projekt arbeitest Du im Augenblick?
Roland Adelmann_ Im Moment schreibe ich fleißig weiter an meinen Cut-Poemen. Die
Themen gehen einfach nie aus. Ich kann sie nicht einmal alle verarbeiten,
viele fallen leider unter den Tisch, aber vielleicht soll es auch so sein.
Nichts ist eben von Bestand. Bei Rodneys Underground Press haben
wir zurzeit aufgrund der unsicheren Situation unser Hauptaugenmerk
auf Chapbooks gelegt, die wir kostenmäßig
günstig produzieren können, um Literatur
entsprechend für jeden Geldbeutel anzubieten,
da gerade unsere Klientel wirklich die Kohle
zusammenspart, um dann mal was bei uns
× Schokoladen 1994 (im
Vordergrund Kiev Stingl)
zu bestellen. Am Herzen liegt uns gerade das neue Werk von Hermann
Borgerding, der jahrelang seinem Mundhöhlenkrebs erfolgreich die
Arschkarte gezeigt hat, aber dessen Auswirkungen ihn leider mittlerweile
schwer unter Druck setzen.
experimenta_ Welche Zukunftspläne hast Du?
Roland Adelmann_ Bei der Edition Maya erscheint im Herbst der Nachfolgeband von seinem
prämierten Vorgänger „Burger-Arrest“, und dann will ich endlich meine
Berliner Jahre in einem Roman verarbeiten, der dann im Herbst 2024
realisiert werden soll. Ich hab zwar immer wieder darüber in Stories
und Prosagedichten geschrieben, aber der Roman ist längst überfällig.
Ansonsten werden wir weiterhin Underground-Literatur bei RUP
veröffentlicht. Zwar nicht mehr so viel wie zuvor, aber so lange ich lebe,
werde ich wohl immer irgendetwas veröffentlichen, und wenn es nur
ein selbstkopiertes Fanzine ist. Das gehört wohl zu mir wie das Bier zu
Bukowski, wie Lütfiye Güzel zu mir meinte.
experimenta_ Vielen Dank für das Gespräch.
Roland Adelmann_ Ich danke auch und, wie es in der Punk-Szene so schön heißt: Support
your local scene, meint, kauft Bücher und unterstützt kleine Verlage.
× Roland Adelmann, geboren 1965 in Krefeld, lebt seit über 3 Jahrzehnten
im Ruhrpott. Erste Veröffentlichung im letzten „Gasolin 23“ (1986); schlug
Ende der 1980er auf Sessions der KünstlerInnengruppe „Flown“ im Rahmen
seiner Performance „Wollt ihr den Totalen Müll“ auf Mülltonnen ein und
beschmiss das Publikum mit Abfall. Mitherausgeber der richtungsweisenden
Underground-Anthologien „Downtown Deutschland“ (1992) und „Asphalt
Beat“ (1994); zahlreiche Veröffentlichungen, zuletzt: „Die Zukunft stirbt
zuerst“, Edition Outbird 2021, Roman / „Burger-Arrest“, RUP 2022, & „Das
war eine völlig normale Gegend hier“, Edition Maya 2023, Cut-Poems. Seit
1992 Betreiber des Vertriebs und Verlags „Rodneys-Underground-Press
(RUP)“ (www.undergroundpress.de).
× Rüdiger Heins ist freier Schriftsteller sowie Regisseur und Verleger. Er
produziert Beiträge für Hörfunk, Fernsehen und Theater. Er ist Dozent im
Creative Writing sowie Gründer und Studienleiter des INKAS – Institut
für Kreatives Schreiben in Bingen am Rhein und in der Niedermühle in
Odernheim.
Er ist Mitherausgeber der experimenta, des Magazins für Literatur, Kunst und
Gesellschaft. Auf der Landesgartenschau in Bingen schuf er einen Haiku-Garten.
Mit ehemaligen chinesischen Gefangenen, die von Organentnahme bedroht
waren, entstand das Buch- und Filmprojekt "Ausgeschlachtet". Sein Theaterstück
"Allahs Heilige Töchter" machte auf die Lebenssituation von Muslima, die
in Deutschland leben, aufmerksam. Das Stück musste unter Polizeischutz
aufgeführt werden.
Rüdiger Heins ist Mitglied beim PEN-Zentrum Deutschland. (Quelle: Wikipedia)
28 04/2023 www.experimenta.de 29
Neuerscheinung
Künstlerin des Monats
… einen Sinn für das Schöne vielleicht
„Stimmen im Ödland – Elegien“ heißt der neue Lyrikband des Binger
Autors Sören Heim. Der Band versammelt zwölf längere Gedichte
und 12 expressive schwarz-weiß Illustrationen, die thematisch zu den
Gedichten ausgewählt sind.
Mit dem Gedanken an diese Arbeit, verrät Heim, habe er sich schon seit gut zehn Jahren getragen.
„Eine Sammlung längerer Texte, thematisch lose aufeinander bezogen, die gewissermaßen die
besonderen Höhepunkte meiner Arbeit präsentieren sollen.“ Der älteste Text ist dann auch etwa
10 Jahre alt, viele weitere sind besonders in den vergangenen drei Jahren der Corona-Pandemie
entstanden.
Elegien, das klingt natürlich an die Elegien Goethes und Rilkes an, und die Verortung in dieser
Tradition, so Heim, sei durchaus gewollt. Gleichzeitig solle auch die Bedeutung „Klage“ stark gemacht
werden. Denn im weitesten Sinne handelt es sich bei den Texten um lyrische Klagen, persönlich wie
gesellschaftlich. Um unwiderbringlich Vergangenes, um einen Sinn für das Schöne vielleicht, aber auch
um – die Zukunft. „Ernstgemeinte Kunst“, sagt Heim, „will nicht nur für den Augenblick unterhalten.
Genauso, wie sie aus der Vergangenheit schöpft, zielt sie auf die Zukunft. Auf Menschen, die auch in
50, in 100 Jahren und mehr noch Zeit und Muße haben, zu lesen. Je fragwürdiger solch eine Zukunft
wird, desto fragwürdiger wird auch die Kunst.“ Und auch wenn er wenig davon halte, mit Kunst zu
belehren, so sei den Elegien dieses Bewusstsein doch eingeschrieben.
Jedem Gedicht ist eine Illustration beigestellt, die der Autor als „abstrakte Fotografien“ bezeichnet. „Es
handelt sich um bearbeitete Nahaufnahmen von Stücken einer Mauer. Dort haben Jahre des Wachsens
von Wein, des Herunterreißens dieser Ranken, des wieder Wachsens, des darüber Putzens und so
weiter, gewissermaßen sowohl „natürliche“ als auch „historische“ Artefakte menschlicher Arbeit
eingegraben. Was könnte passender sein neben Texten, die sich letztlich auch um nichts anderes
drehen als um dieses Verhältnis von Mensch, Gesellschaft und Natur?”, berichtet Heim.
Auf Ausstellungen ab Mai in der Binger Bücherei und im Herbst im Horrweiler Weindorf-Museum
werden diese Fotografien neben anderen Fotos des Autors zu sehen sein.
„Stimmen im Ödland – Elegien“ erscheint bei Edition Maya. Für Cover und
Layout zeichnet sich Jutta Nelißen verantwortlich. Das Buch ist regulär im
Handel erhältlich und kann auch direkt signiert beim Autor erworben werden:
Sören Heim: Stimmen im Ödland – Elegien
EDITION MAYA 2023, 12,- €
ISBN: 978-3-930758-77-7
× Ingeborg Matschke, 100 x 70 cm
30 04/2023 www.experimenta.de 31
WeltenGeschehen
Prosa
Henriette Tomasi
War es Nacht um Brot zu holen
„Als ich aufstand war es Nacht,
war es Nacht um Brot zu holen“
Ror Wolf
Mit Katja Richter durch das Jahr 2023
Die Künstlerin Katja Richter wird uns mit ihren Bildern durch das Jahr 2023 begleiten. Mit jeweils einem
Bild pro Monat spiegelt sie mit ihren Werken den Zeitgeist. „Kinder der Hoffnung", lautet der Titel des
Bildes, das Katja Richter für den Februar gemalt hat.
Abgelegen das alte, hölzerne Waldhaus, gakelige vom Sommer
trockene Fichten und Birken weben Schatten in den
Wald. Letztes Licht kitzelt Moose, Farne, malt lange
Streifen in die Dunkelheit des dumpfen Waldbodens. Noch von
der Mittagshitze liegt Nadelduft in der Luft. Ein Pfad führt
auf die Veranda zu. Vögel singen ungestört - frei.
Unwirklich, das verlassene Haus. Morbides umwittertes Holz,
leicht wiegt sich der alte, hölzerne Schaukelstuhl auf der
Veranda. Einziger Gast, der Wind. Ich wage nicht, mich zu
bewegen – so still, verwunschen. Gefangener der Kulisse, in
der ich zögernd stehe. Ich klopfe an die Tür. Sie schwingt
auf. Ein verlassener Raum. Schlichte, einfache Möbel,
liebevoll ausgewähltes Geschirr, ein paar Töpfe, die Bäume
zu greifen fast durchs Fenster. Blau schimmert der Wald,
schwarz die Stämme. In der Ecke liegt Holz. Zündhölzer krame
ich aus meinem Rucksack. Ich entzünde ein Feuer im Kamin.
Geräusche des Waldes dringen durch die offene Tür. Auf einer
Pritsche sitzend, vergesse ich die Zeit – versinke in
leichten Schlaf. Im Traum durch die großen Fenster wandernd,
berühre ich Moose, Farne, auch die schwarzen Nachtblüten,
die sich an Stämmen emporziehen. Immer weiter gehe ich in
den Wald. Ich verirre mich in den Farben der Nacht. Ob ich
zurückfinde?
„Als ich aufstand war es Nacht, war es Nacht um Brot zu
holen“
32 04/2023 www.experimenta.de 33
Künstlerin des Monats
Lyrik
Barbara Lehmann
Lyrik
Mein Weg ist an seinen Schläfen grau.
Ein fließender Übergang weißer Dolden,
in die Wiesen der kommenden Stunden,
in die Felder abgetrennter Tage.
Gedroschene Ähren sonniger Monate,
Spreu im Wind,
die den Geruch von bangen Jahren trägt.
Wie weit mein Herz wird,
wenn die Gitter fehlen -
so viel gebundene Sprache.
Alle Zaunmatten hinauf,
den Steg hinaus,
spring ich mit dem Mut,
den ein Wort ausmacht ab
in ein trockenes Silberrauschen.
× Barbara Lehmann, geb. 1968 in Karlsruhe, lebt in Darmstadt. Sie ist Journal-Coach, Transformationsbegleiterin
und Trainerin. Schreiben ist für sie ein Raum des Verbindens und des Mutes. Im November 2022 startet die nächste
Schreibwerkstatt, siehe www.barbaralehmann.de
× Ingeborg Matschke, 90 x 70 cm
34 04/2023 www.experimenta.de 35
Ausschreibung
Erde Mutter Erde
Ausschreibung
Maya-Lyrikkalender 2024
Der Maya-Verlag (Bingen am Rhein) beabsichtigt, ein anspruchsvolles
In der mit der experimenta vernetzten Facebook-Gruppe x:poem versammeln
sich rund 500 Lyrikerinnen und Lyriker zum poetischen Austausch. Das aktuelle
Schreibprojekt lautet „Erde Mutter Erde“ und wird intensiv angenommen. Rüdiger
Heins konkretisiert das Thema: „Mit Lyrik- und Prosatexten versuchen wir unserem
verletzten Planeten Heilung zu bringen. In der Tradition der Schamanen begeben wir
uns auf eine Reise zum Mittelpunkt der Erde.“ Hier lesen Sie ausgewählte Beiträge:
Lyrik-Kalenderjahrbuch 2024 herauszubringen, mit klassischen Gedichten der deutschen Literatur
aus vergangenen Jahrhunderten, aber auch zeitgenössischen Gedichten - für jeden Tag des Jahres
soll ein Gedicht stehen.
Das Gedicht kann gereimt oder ganz frei sein, ernst oder spielerisch daherkommen, jedem sofort
zugänglich sein oder zum längeren Nachdenken führen. Alles ist möglich, aber es muss ein gutes
Gedicht sein, das etwas bewirken können soll: eine Stimmung schaffen, aufheitern,
schmunzeln, Trost, waches Bewusstsein, zum Beispiel.
Erbeten werden von jeder Autorin, jedem Autor bis zu drei bisher noch unveröffentlichte Gedichte,
der Umfang jedes Gedichtes darf maximal 800 Zeichen incl. Leerzeichen sein, sowie eine Kurzvita
(mit Geburtsjahr!) und die Kontaktdaten:
Name, Vorname, Postadresse, Telefonnummer, E-Mail.
Erde Mutter Erde, Robert K. Staege, 23.03.2023
man nennt sie
unsere meine
mutter und wir
trampeln darauf
herum und springen
in die luft und spielen
mit dem feuer bis
uns die wasser
ertränken
Einsendezeitraum: 29. Februar 2023 - 30. April 2023.
Erde Mutter Erde, Elena Abendroth, 24.03.2023
Mit der Einsendung eines Manuskripts erkennt die Autorin/der Autor zugleich die Teilnahmebedingung
an: Sie haben den Text selbst verfasst (bitte nur Kopien, keine Originale schicken, da Rücksendungen
nicht möglich sind!) und sind bereit, ihn für den Maya-Lyrikkalender 2024 unentgeltlich zur Verfügung
zu stellen.
Sollten Sie mit einem Gedicht Aufnahme in den Kalender finden, werden Sie darüber vom Verlag
automatisch zeitnah informiert.
Ihr Manuskript senden Sie bitte -in zweifacher Ausführung- nur auf dem
Postweg an folgende Adresse:
Carlos Castanedas Pilze
Schizophrenie
die junge schöne Frau
die alte Heilerin Altai
aus dem weißen Land
erschrickt die Seele
sprechen singen schreien
Kette mit Totenköpfen
angsterfüllt
flüchtet die Krankheit
Erich Pfefferlen
Maya-Lyrikkalender 2024
Sensenweg 1
86497 Horgau
hinschauen oder abwenden
Gaia Tara Kama Mama
und Erinnyen du fliehst
zum anderen Teil der Erde
laut hektisch überfüllt von
Informationen Apokalypse
Nornen wissen und weben
unter der Weltenesche
überall
alles verbunden mit allem
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Erde Mutter Erde
Essay
Erde Mutter Erde, Uschi Hammes, 26.03.2023
Der Mensch
plötzlich ist er klein
krabbelt zwischen Wurzeln
Ameisen gleich
Staaten bildend
beweint seinen Irrtum von Unsterblichkeit
verliert den Halt in der selbst erschafften Monotonie
und fürchten sich vor den einstürzenden Türmen.
Lange hat Mutter Erde ihm seine Taten verziehen
nun stillt niemand mehr seinen Hunger.
Erde Mutter Erde, Rüdiger Heins, 27.03.2023
Apokalypse
in den Nachrichten der Welt
und Laub fällt vom Baum
Erde Mutter Erde, uraltes Heil- und Schutzgebet (der Bär gilt als Hüter von Mutter Erde), recherchiert von
Ilona Schiefer, 26.03.2023
Großer Bär und Mutter Erde
die Kraft des Wassers reinigt mich
die Kraft des Windes führet mich
die Kraft des Feuers wärmet mich
die Kraft der Erde nähret mich
die Kraft der Liebe schützet mich
Großer Bär und Mutter Erde
Sören Heim
Rüdiger Heins in den PEN-Deutschland berufen
Seit Oktober 2022 ist der Binger Schriftsteller und
experimenta-Mitherausgeber Rüdiger Heins Mitglied des
Schriftstellerverbands PEN. Zwei Autoren, die bereits Mitglied
im PEN sind, schlagen Neumitglieder vor. Dann stimmt der
Verband ab. Theoretisch könnte dann das vorgeschlagene
Neumitglied die Mitgliedschaft noch ablehnen. „Aber
eine Berufung in den PEN lehnt man natürlich nicht ab“,
sagt Heins. Der Autor sieht in der Berufung nicht nur eine
Wertschätzung seines schriftstellerischen Profils, sondern
auch seines gesellschaftlichen Engagements. „Das ist mit
dem Schreiben für mich unmittelbar verbunden“. Auch zum Aufgabenbereich des PEN gehört der
Einsatz für Menschenrechte, Freiheit und Demokratie, der Heins stets am Herzen liegt, fest. Der
Verein engagiert sich für freie Meinungsäußerung und setzt sich für verfolgte Schriftstellerinnen und
Schriftsteller ein.
Dazu passt Heins Werk perfekt. Dessen erste Publikationen setzten sich mit Wohnungslosigkeit
auseinander. Heins hat selbst längere Zeit im Binger Wohnungslosenheim der Caritas gearbeitet, und
brachte dem Publikum sowohl in fiktionalen, als auch in journalistischen Texten die Schicksale von
Menschen nahe, die auf der Straße leben. Beispielsweise im Sachbuch „Zu Hause auf der Straße", oder
im frühen Roman „Verbannt auf den Asphalt“.
× Rüdiger Heins am Rhein-Nahe-Eck in Bingen
Foto: Gabriela Glaser
Auch in späteren Texten beschäftigte Heins sich immer wieder mit Menschen, die durch das
gesellschaftliche Raster fallen. Unter anderem im „Fee: Ich bin ein Straßenkind“. Des Weiteren führte
er in den Vergangenen Jahren unter anderem eine Reihe von Interviews mit chinesischen Dissidenten
und machte so auf das Leben unter dem Repressionsapparat der chinesischen Regierung aufmerksam.
Und auch literarisch blieb Heins produktiv. Er gestaltete und veröffentlichte das Hörspiel „Flucht ins
Nichts“, wandte sich mit dem Gedichtband „NebelHornGesänge“ wieder der Lyrik zu und publizierte
zahlreiche Texte anderer Autorinnen und Autoren
in seinem Binger Verlag Edition Maya. So etwa
die Anthologie „Das Coronatagebuch“, die zuerst
in Zusammenarbeit zahlreicher Autoren online
entstand, ehe sie in Buchform veröffentlicht
wurde.
× Ingeborg Matschke, 25 x 25 cm
× Im Interview mit der chinesichen Exildichterin Xu Pei
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Erde Mutter Erde
Drama
× Rüdiger Heins am Rhein-Nahe-Eck in Bingen
Foto Gabriela Glaser
Rüdiger Heins neuester Roman heißt „Fensterglotzer“.
Den Text stellte der Autor auch auf der Frankfurter
Buchmesse vor. „Darin beschreibt ein Schriftsteller, der
in einer kleinen Stadt am Rhein lebt, sozusagen vom
Fenster aus die Welt und sein Leben“, berichtet Heins.
Derzeit arbeitet er übrigens schon wieder an einem
neuen Roman. Unter dem Titel „Kukuckskinder – Ost/
West“ entsteht im Briefwechsel mit Autorin Ingrid
Weißbach ein gemeinsames Werk.
Gerwin Haybäck
Harlekins Zeitgalerie
Harlekins Werke posieren tagaus, tagein,
bestaunt von vielen hüben wie drüben.
Diese zeitvergessenen Wesen wetteifern
ringend um Macht als Herr, als Knecht.
Sind wir Harlekins Artefakte?
Die Zeit, in der Heins in den PEN berufen wird, ist eine turbulente. Der Verband hatte sich nach dem
Rücktritt von Deniz Yücel als Vorsitzender Anfang Juni gespalten, eine Berliner Sektion namens PEN
Berlin wurde gegründet. „Ich wünsche auch diesem neuen Verband alles Gute“, sagt Heins. „Ich bin
aber froh, nun Mitglied im klassischen PEN zu werden.“
Bilderstreit, wer, wo, in welchem Licht?
Zeitgeist im Passepartout nicht ganz
in Weiß. Auserwählter grinst am Entrée
durch der Muse schillerndes Glas,
Menschenbild farbversessen.
Porträtaugen stechen in sein Gesicht,
stotternder Stapler sieht überall Licht,
wollte nur schlichten der Bilder Streit.
Ah, Ha-Harlekin! Ist das Ku-Kunst
oder ka-kann das weg?
× Wer ist der Maler als Galerist?
Illustration: Reinhold Brandstätter
Wir die Sphäre, die Harlekin lenkt,
Schöpfer getreuer Gabe Kraft, lassen
ihn unser Leben malen, von Anfang an
über launigen Ich-Lauf endlich ins
Schlusslicht der Lebenskunst Sinn.
Bilder träumt Harlekin außerhalb
wegsamer Zeit, rahmenlos, krumm
unbestreitbar im Nichts, ohne Ecken
und Kanten, frei von Sein und Zeit,
wie er ist, der Maler als Galerist.
× Gerwin Haybäck, geb. 1957 in Salzburg, Frühaufsteher im Zwischenzeitraum, fühlt sich im bebilderten
zeitphilosophischen Sprachexperiment zu Hause, seit 2006 Kooperation mit:
× Ingeborg Matschke, 122 x 87 cm
Reinhold Brandstätter, geb. 1959 in Salzburg, Ausstellungen zuletzt 2019: Kunstgalerie Fabrik BBK600, Salzburg:
„Urknalltinnitus“; 2021: Institut für dehnbare Begriffe, Ried im Innkreis/Ö: „Angschaut!“
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Künstlerin des Monats
Interview
Werner Friedl
experimenta im Gespräch mit Ingeborg Matschke,
der Künstlerin des Monats
experimenta_ Ingeborg, ich weiß, dass Kunst in Deinem Leben immer schon eine große
Rolle gespielt hat. Weißt Du noch, was Deine erste Begegnung mit Kunst
war?
Ingeborg Matschke_ Nun, ein Ereignis im Alter von 17 Jahren hat mich auf die Spur gesetzt,
der ich heute noch folge. Ich besuchte mit einer Freundin in Karlsruhe
eine Galerie für ostasiatische Kunst, das war Anfang der Siebzigerjahre.
Da hat bei einer Abendveranstaltung ein Zen-Mönch vor dem Publikum
„Zen-Malerei“ ausgeführt. Etwa eine Stunde lang geschah gar nichts, er
saß nur vor dem leeren Blatt und das Publikum hat ihn dabei beobachtet.
Dann nahm er auf einmal den Pinsel, und ganz schnell, so schnell, dass
man es gar nicht nachvollziehen konnte, war eine Zeichnung auf dem
Blatt. Ich fand das rätselhaft, geheimnisvoll, es war eigentlich gar nicht
zu verstehen, was da passiert ist. Und schon gar nicht hätte ich gedacht,
dass ich eines fernen Tages einmal selber in dieser Art malen würde. Es
sind dann ja auch noch 35 Jahre vergangen, bis ich damit angefangen
habe.
Ein zweites Ereignis war etwa 2006. Ich habe mit Kindern hier aus dem
Dorf gearbeitet, und ihnen zur Aufgabe gegeben, sie sollten „Donner“
malen. Und bei den Ergebnissen war ein Bild dabei, bei dem ich mir gesagt
habe: von diesem Bild kann man lernen, wie man malen soll! Das war ein
erneuter Anstoß für die Art zu malen, wie ich sie heute praktiziere.
experimenta_ Und wann hast Du dann wirklich angefangen?
Ingeborg Matschke_ Zwei, drei Jahre später. Da hatte ich im Museum für asiatische Kunst
eine Begegnung mit einer riesigen Kalligrafie des Japaners Inoue Yuichi.
Die dominierte den größten Saal und zeigte „nur“ eine schwarze Figur
auf weißem Papier. Das ist ein Traum von mir, einmal etwas so Großes
machen zu dürfen.
experimenta_ Welche Rolle spielt die Kunst grundsätzlich in Deinem Leben?
Ingeborg Matschke_ Ich interessierte mich schon als junges Mädchen für Kunst, ich glaube, da
war ich damals eine große Ausnahme. Ich habe mir dann auf eigene Faust
Wissen über Kunst angeeignet und mit 17 einen Künstler kennengelernt,
den ich später geheiratet habe. Ich habe seine künstlerischen Interessen
× Ingeborg Matschke, 65 x 51 cm
42 04/2023 www.experimenta.de 43
Interview
Interview
geteilt und mit ihm Schüler in künstlerischen Techniken unterrichtet, und
später bin ich dann selber aktiv geworden, habe Keramiken gemacht.
experimenta_ Wie kam dieses unübersehbare „Asiatische“ in Deine Kunst?
Ingeborg Matschke_ Ich habe mich damals (und bis heute) für fernöstliche Malerei und Kultur
interessiert, Taoismus, Yin und Yang usw. und bin dabei auf das I Ging
gestoßen. Da fing ich an, meine eigenen Gedanken dazu in Keramiken
auszudrücken. Das war Mitte der Achtzigerjahre, bis 1990, da kam dann
meine Babypause.
Ingeborg Matschke
Flüchtigkeit des Seins
experimenta_ Kannst Du etwas zum künstlerischen Prozess sagen? Wie entstehen
Deine Bilder?
Ingeborg Matschke_ Mein Ausgangspunkt ist wie bei diesem Mönch eine Art Gedankenleere,
ein meditativer Moment. Ich habe vorher keine Bildidee – und wenn ich
mal doch eine hatte, ist das meist nichts geworden. Höchstens, dass
ich eine Vorstellung einer Bewegung habe: Ich arbeite mit Bürsten, die
ich vorher mit Tusche einstreiche, führe damit eine Bewegung auf dem
Papier aus, und aus dem Bewegungsablauf ergibt sich das Bild. Das Ganze
geschieht meist in weniger als einer Minute.
experimenta_ Also ist das Ergebnis auch für Dich eine Überraschung?
Ingeborg Matschke_ Und ob! Denn Bürste und Tusche verhalten sich ja immer wieder anders.
Auch verwende ich verschiedene Bürsten und unterschiedliche Papiere,
mehr oder weniger saugend. Das fertige Bild lege ich dann auf den
Boden, betrachte es, gehe herum, schaue es mir von allen Seiten an. Das
wirkt jeweils anders, was daher kommt, dass wir ein Oben und Unten
haben, das sind ganz unterschiedliche Qualitäten. Das ist eine spannende
Phase, die ich sehr mag. Ich vergleiche die verschiedenen Ansichten: wie
wirkt das Bild am besten, wann hat die Bewegung ihre stärkste Dynamik?
Ist es um 180 Grad gedreht vielleicht besser? Meist bleibt es aber so, wie
es zu Anfang war. Manchmal entscheide ich das auch erst am nächsten
Tag. Dann kommt die Farbe dazu, je nach der Saugfähigkeit des Papiers
mit Aquarell oder Buntstift. Die Kolorierung bestimmter Strich-Stränge
soll eine Ordnung in das Bild bringen.
× Ingeborg Matschke, 80 x 60 cm
Näher-Herangehen sehe ich auch Details, Wolken, Berge oder Bäche
oder noch anderes.
experimenta_ Ich selber bemühe mich, bei abstrakten Bildern bewusst nichts
Gegenständliches darin zu sehen. Wäre das nicht auch ein Weg zur
Erfassung? Nur Flächen, Linien, Farben?
Ingeborg Matschke_ Wenn du nichts sehen willst, dann sieh eben nichts. Ich habe andere
Erfahrungen gemacht, nämlich, dass die Menschen etwas sehen
wollen. Die Betrachter wollen und sollen ihre eigenen Erfahrungen mit
einbringen.
Ich habe dieses Betrachten schon in der Kinderzeit praktiziert, da
hatten wir in Bad und Küche Kacheln mit Schlierenmuster, in die habe ich
Landschaften hineingesehen. Jetzt ist es so, dass ich in meinen Bildern
beim Betrachten auch plötzlich etwas sehe, und zwar auf zweifache
Weise: einmal, aus etwas größerem Abstand eine große Form, zum
Beispiel diesen „Tiger“ in dem einen hier gezeigten Bild, und dann beim
experimenta_ Tusche benützt man ja auch für Kalligrafien und eben war von einem
Kalligrafen die Rede. Siehst Du da einen Bezug zu Deinen Bildern?
Ingeborg Matschke_ Absolut. Nicht nur äußere Ähnlichkeiten, wie die schwarze Figur auf
weißem Grund sind da gegeben. Nein, auch das Schreiben geschieht
ja schnell, und daher drückt sich dabei der persönliche Impuls aus.
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Interview
Künstlerin des Monats
Ich glaube, man sieht meinen Bildern auch immer die Stimmung im
Augenblick des Malens an.
experimenta_ Du hast auch einige Ausstellungen gemacht, wo und wann waren diese?
Ingeborg Matschke_ Mit meinen Keramikarbeiten hatte ich ein paar Ausstellungen in den
Achtzigerjahren. Seit 1997 lebe ich in Italien, in Piemont, dort hatte
ich 2011 eine Ausstellung mit meinen Bildern in Mango (bei Alba), im
selben Jahr aber auch eine in der Galerie Mühlenkeller in Ettlingen.
Und dann 2019 eine Ausstellung im Schloss von Govone, zwischen Asti
und Alba. Im Anschluss daran hatte ich den örtlichen Kindergarten
zu mir eingeladen und den Kindern die Bilder gezeigt. Bei beiden
Gelegenheiten habe ich die Besucher, Erwachsene wie Kinder, gebeten,
ihre Gedanken und Assoziationen zu den Bildern zu äußern. Verblüffend
war, dass die Aussagen der Kinder genauso qualifiziert waren wie die der
Erwachsenen. Und noch verblüffender: Den Kindern war bewusst, dass
gemalte Bilder etwas Virtuelles sind, denn sie begannen fast jeden Satz
mit „es scheint“.
Ja, ich sehe meine Bilder ganz im Strom der zeitgenössischen Kunst,
indem sie Bilder in den Köpfen der Betrachter anregen möchten, im
besten Fall die Menschen zu Gesprächen anregen. Ich möchte, dass
sich die Menschen über die Bilder unterhalten, in Govone und mit den
Kindern ist das genau so passiert.
experimenta_ Welche Verbindung siehst du zwischen deinen Bildern und Haikus, die ja
schon einmal Thema in der experimenta waren?
Ingeborg Matschke_ Mir fällt dazu eine Aussage von Simonides von Keos ein, das ist der, dem
man die Erfindung der Gedächtniskunst nachsagt: Er nannte die Malerei
schweigende Dichtung, und die Poesie klingende Malerei.
experimenta_ Vielen Dank Ingeborg für das aufschlussreiche Gespräch. Dir weiterhin
alles Gute.
× Ingeborg Matschke, 50 x40 cm
Das Gespräch für die experimenta führte Werner Friedl.
× Werner Friedl veröffentlichte in der experimenta einen dreiteiligen Essay über ein Gedicht von Robert Frost (siehe
Ausgaben 06, 07-08 und 09/2022)
× Ingeborg Matschke, geboren 1955. 1974 Studium für das Lehramt,
einige Jahre öffentlicher Schuldienst. Seit 1982 und bis heute
freiberufliches Unterrichten, u.a. Kunstunterricht. Seit 1980
Beschäftigung mit fernöstlicher Landschaftsmalerei und Philosophie,
vor allem mit dem Taoismus und dem Orakelbuch I Ging. Umsetzung
der Bildwelt des letzteren in Keramiken und poetische Texte. Mehrere
Ausstellungen. Seit 2008 großformatige Tuschezeichnungen auf
Papier. Ausstellungen in Italien und Deutschland. Lebt seit 1997 in
Antignano d'Asti, Piemont.
46 04/2023 www.experimenta.de 47
PEN-Zentrum Deutschland
Leserbrief
Michael Landgraf
PEN-Zentrum Deutschland
Der PEN Deutschland denkt in diesen dunklen Stunden der Trauer auch an die Hinterbliebenen
des stolzen Vaters und Großvaters Heinrich. Mögen die Lebensfreude und der Glaube, die Heinrich
Peuckmann immer ausgezeichnet haben, ihnen wie uns eine Ermutigung sein.
Das PEN-Zentrum Deutschland trauert um seinen Freund und ehemaligen
Generalsekretär Heinrich Peuckmann. In der Nacht zum Freitag den 3.
März 2023 ist er im Alter von 73 Jahren für immer von uns gegangen.
Michael Landgraf, Generalsekretär, am 3. März 2023
Heinrich, Jahrgang 1949, lebte in Kamen bei Dortmund. Nach seinem
Studium der Germanistik, Geschichte und Evangelische Theologie in
Bochum wurde er Lehrer. Bereits früh engagierte er sich im sozialen und
kulturellen Umfeld, so auch für Schriftstellerinnen und Schriftsteller.
× Heinrich Peuckmann, Foto: Stefanie Silber
Neben seiner Mitgliedschaft im PEN Zentrum Deutschland gehörte er dem Verband deutscher
Schriftstellerinnen und Schriftsteller sowie den Autorenvereinigungen „Das Syndikat“ und „Die Kogge“
an.
Leserbrief
Lieber Herr Heins!
2013 wurde er ins Präsidium des PEN Deutschland gewählt, als engagierter Beisitzer, bis er 2019 in
Chemnitz dessen Generalsekretär wurde. Heinrich übte seine Ämter mit viel Herzenswärme aus, auch
in einer Zeit, in der ihm durch schlimme Anfeindungen die ehrenamtliche Arbeit schwer gemacht
wurde. Der große Zuspruch für ihn bei der Abstimmung auf der Mitgliederversammlung 2022 in Gotha
hat ihm gut getan. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Geschäftsstelle erinnern sich mit großer
Dankbarkeit an ihn, denn er setzte sich stets auf besonderer Weise für ihre Belange ein.
Heinrich, der Bergmannssohn, war heimatverbunden, was man ihm an seinem Mut zur dialektnahen
Sprache anhörte. Gerade deshalb hatte er ein Herz für Menschen, die ihre Heimat verloren haben.
Besonders wichtig war ihm daher das Programm Writers-in-Exile, das sich um Schriftstellerinnen
und Schriftsteller kümmert, die bei uns im Exil leben. So setzte er sich auch persönlich sehr für die
Stipendiatinnen und Stipendiaten des Programms ein. Die Menschennähe war ihm stets anzumerken.
Die hochwertigen Bilder in ihrer November-Ausgabe 2022 mit starken Werken u.a. von Yvonne
Bonaparte, besonders „Fratze der Lüge“ (S. 24) oder auch etwa „My Bionic Mystery“ (S. 47), haben,
wie ich das sehe, einerseits eine futuristisch-experimentelle, andererseits irgendwie auch eine zeitlos
vertraute Wirkung - das ist einzigartig experimenta!
Mit besten Grüßen Ihr
Gerwin Haybäck, Salzburg
Heinrichs literarische Schaffenskraft, die 1984 begann, war äußerst vielseitig. Einfühlsame Gedichte,
punktgenaue Essays, spannende Romane und Krimis, ansprechende Kinder- und Jugendbücher sowie
Theaterstücke und rasennahe Fußballbücher zählten zu seinem breiten Repertoire. Zuletzt erschienen
der Roman „Der Sohn der Tänzerin“ und der Gedichtband „Lasse die Zeit stehen.“ Noch 2022 war er,
von der Krankheit bereits gezeichnet, literarisch am Puls der Zeit, als er in der Novelle „Der Schimmer
in der Schwärze“ die Covid-Pandemie verarbeitete und in einem Gedicht der Anthologie „In der Fremde
zuhause“ seine Fassungslosigkeit über den Ukraine-Krieg lyrisch Ausdruck verlieh.
Terminhinweis
experimenta-Lesung: 09. Juni 2023 (Bingen)
experimenta-Redaktionstreffen: 10. Juni 2023 (Bingen)
José F.A. Oliver, Präsident des PEN-Zentrums Deutschland, sagt zum Tod von Heinrich Peuckmann:
„Sein Tod erschüttert. Wir verdanken ihm viel. Vor allem seinen wohlwollenden Zuspruch. Sein
unermüdliches Engagement trägt den PEN bis heute. Das wird uns zum Vermächtnis. Mit seinem
Namen verbunden. Oder wie er in einem seiner Gedichte einst schrieb: `Ein Wort wird bleiben /
gesprochen zwischen uns / verweht im Bruchteil / der Sekunde.´ Diese Verse zeigen Bleibendes und
Demut zugleich. Im Atemzug der Vergänglichkeit. Wir werden daran denken. Und gedenken dabei
seiner.“
48 04/2023 www.experimenta.de 49
Essay
Essay
Jens Faber-Neuling
Friedenszeilen
Meine Mutter, geboren 1933, hatte uns Kindern immer mal wieder auch vom Krieg erzählt. Sie erlebte
den Zweiten Weltkrieg als Kind. Meine Oma war Krankenschwester an der Front, und meine Mutter war
mit dabei.
Ihre Erzählungen haben mich geprägt, sodass ich nicht nur einmal vom Krieg geträumt habe, in dem
ich mittendrin war. Ich legte mich in meinem Traum immer auf den Boden und stellte mich tot und…
hoffte. Meine emotionalen Erinnerungen entstammten von Erzählungen. Die, die so etwas miterleben,
hatten und haben ein Vielfaches an Leid zu ertragen.
Was hält ab von Frieden?
Lasst uns nur sinnvolle Dinge tun. Ja, der
Mensch ist ein Gewohnheitstier und er,
der Mensch ist auch noch häufig als Herde
unterwegs.
„Stell Dir vor es ist Krieg und keiner geht hin“,
Du erinnerst Dich noch an diesen Satz. Dieser
ist gut übertragbar auf alles Sinnlose und
wir haben die Wahl und das Potential, Dinge,
Gegebenheiten, Situationen zu verändern,
indem wir unsere Herangehensweise ändern.
Aus dieser meiner Erinnerung heraus, ist es für mich persönlich ein unfassbarer Gedanke, wie
Menschen Krieg und Gewalt unterstützen können in ihren Gedanken und Handlungen.
Jeder kriegerische Gedanke will hinaus und möchte umgesetzt sein, genau wie jede produzierte Waffe
eingesetzt werden wird, trotz des weitverbreiteten Gebotes oder Gesetzes: „Du sollst nicht töten“
und „Liebe Deinen nächsten…“, was in jeder Kultur vorkommt, meines Wissens.
Ich erhalte auch befremdliche Blicke bei der Aussage meiner Überzeugung, es sollten überhaupt
erst keine Waffen gebaut werden. Menschen gehen täglich ihrer Arbeit nach in der Waffenindustrie,
andere spekulieren mit dem Einsatz davon im Handel und an Börsen, predigen dann ihrem Glauben
nach: Du sollst nicht töten…? Welch` Heuchelei.
Waffenindustrie ein großer Arbeitgeber?
Warum sollte jemand mit dem Gebot – Liebe Deinen Nächsten… – und – er solle nicht töten – solch
einer Arbeit nachgehen?
Alles kann als Waffe eingesetzt werden?
Natürlich ist ein Küchenmesser erst einmal ein neutraler Gegenstand und jeder entscheidet und
bewertet dies und hat die Freiheit der Wahl, für was er den Gegenstand einsetzt, zum Schneiden von
Gemüse, zum Kochen oder dazu ein Wesen zu verletzen oder zu töten. Jedoch jede, eine zum Töten
gebaute Waffe der Waffenindustrie, ist mit dieser Ursache behaftet, von der wir die Wirkung kennen.
Tod und Leid!
Die Gier, die falschen Überzeugungen, Wissenslücken, Gruppenzwang, Respektlosigkeit, mangelnde
Selbstliebe, Neid.
Was fällt dir noch ein?
Kein Mensch möchte Krieg heißt es, so lesen wir häufig. Trotzdem schreiben sich viele Medien in den
Krieg hinein. Auch sehen wir wieder den einzelnen Menschen dahinter der mitwirkt, der auch Kinder
hat, Liebende in seinem Umkreis. Und hier kommt wieder meine Frage: Wie kann ein Vater, eine Mutter
Kriegstreiberei unterstützen per Wort und Schrift und oder generell über die Sprache Radio, Internet
und TV?
Bewusstsein, hier darf es hinein in die Köpfe, in die Herzen!
Lebensbejahung ist nicht verhandelbar, noch gibt es einen wirklichen Grund,
Meinungsverschiedenheiten gewaltsam auszutragen.
Wir sind Menschen und haben Debattierfähigkeit, sind intelligent genug, in friedlicher Art und Weise,
ohne jegliche Propaganda uns auszudrücken, auszutauschen, abzuwägen, Kompromisse einzugehen
und all das auf Augenhöhe mit dem Respekt unserem Gegenüber, den – Leben - verdient!
In diesem Sinne, mit dem Glauben an den Menschen, an das MenschSein!
Vielleicht ist das alles zu weit weg für den Betroffenen, der Waffen mitproduziert. Spätestens, wenn
der Tod und das Leid näherkommen, im eigenen Leben anklopft, wenn dieser Mensch sich emotional
hineinversetzt, sucht er sich wohl eine andere Tätigkeit, eine andere, lieber lebensbejahende Branche
aus, um zu wirken.
× Jens Faber-Neuling, 1968 in Koblenz am Rhein geboren, lebt mit seiner Familie in Bad Vilbel. Autor, Redakteur,
Herausgeber, Bewusstseinstrainer und Mentcoach, Berater, Gründer des GIE-Institut für Potentialentfaltung und
Bewusstseinserweiterung.Schreibt Lyrik, Aphorismen, Texte, Essays, Artikel und Sach- u. Fachbücher für Themen
wie Potentialentschaltung und Bewusstseinserweiterung. Veröffentlichungen in Zeitschriften, Anthologien und
Einzeltitel – Bücher. Bücher: „Mittendrin ist nicht genug“, „Glück ist eine Entscheidung“, „Nutze Deine Kraftquellen“
„In Liebe zur Liebe“, erschienen im Wiesenburg Verlag.
50 04/2023 www.experimenta.de 51
Lyrische Prosa
Künstlerin des Monats
Henriette Tomasi
Nacht im Sand
„Nacht im Sand, und das Meer streut Nägel ans Ufer...“
Nico Bleutge
Bedeckt mit Sand, nur Nasenspitze, Mund, Augen schauen heraus. Die Sonne schüttet Licht und
Wärme in Kübeln. „Ich buddele Dich ein.“, hatte er nur Minuten zuvor gesagt. Sie rannte weg, lachend.
Er fing sie. Sie legte sich hin, spürte den warmen Sand auf dem Körper.
Jetzt hört sie das Meer an den Strand branden, Möwen schreien, Muscheln knirschen auf der Haut.
Immer schwerer die Schicht. Wärmend, wohlig. Es dürfe sie nicht jeder eingraben, sagt sie – doch hier
ist es ein Spiel, das beide schon in ihrer Kindheit hätten spielen können. Sie holen es nach – gerade
jetzt.
Sie denkt an die Spuren im Sand, die sie hinterlassen haben, durch die Dünen, den ganzen Strand
entlang. Sie schauen zum Horizont mit der sich inzwischen rot rollenden Sonne. Sie erschrickt, wenn
das Meer ihrer beider Spuren auslöscht. Wenn die Wellen die Füße benetzten, hüpften sie, wichen aus,
mal stellten sie sich ihnen.
Nun liegen sie beide am Strand – alleine. Er auf dem Sand, sie darunter. Ganz still. Auf was warten
sie? Die Wellen berühren ihre Fußspitzen, legen sie langsam frei. Es wird kalt. Sie krabbeln den Strand
hinauf, legen sich in die wärmenden Dünen, schlafen ein, vergessen diesen zerbrechlichen Tag, den
letzten gemeinsamen – nie.
„Nacht im Sand, und das Meer streut Nägel ans Ufer ...“
× Henriette Tomasi lebt in Kronberg, geboren 1969 in Königstein im Taunus,
seit 1997 Goldschmiedemeisterin, freischaffende Künstlerin und Autorin,
1993 – 1997 Studium der Schmuck- und Gerätgestaltung, seit 1997 diverse
Ausstellungen und Auszeichnungen im In- und Ausland, vertreten in
öffentlichen Sammlungen, seit 2013 Verfassen von Wortkompositionen,
seit 2016 Veröffentlichungen von Gedichten, Texten und Zeichnungen
in Anthologien und Literaturzeitschriften: experimenta, Zeitschrift für
Literatur und Kunst, Sommergras, reibeisen, Rhein! Zeitschrift für Worte,
Bilder, Klang, Syltse und anderen … / www.henriette-tomasi.de
× Ingeborg Matschke, 50 x 40 cm
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Aus dem Institut
Aus dem Institut
Freies Studium am INKAS-Institut
Die intensive Auseinandersetzung mit
dem literarischen Schreiben beinhaltet
schwerpunktmäßig die Lehrfächer Creative
„Mein Schreiben hat an Sicherheit und Klang gewonnen, ist zum ständigen
Bedürfnis geworden, das Freude macht und einen festen Platz in meinem
Leben einnimmt. Das Studium ist ein guter Weg, sich dem eigenen Schreiben
zu stellen und Zweifel abzubauen.“ – Anne Mai, Mandelbachtal
Ein Schwerpunkt des Instituts ist das viersemestrige Studium „Creative Writing“. Durch gezielte
Übungen, kontinuierliches Schreiben und die Beschäftigung mit Literaturgeschichte wird die
Kreativität der Studierenden geweckt und in literarische Formen gebracht.
Ab dem dritten Semester können sich die Studierenden mit fachkundiger Unterstützung in Form
eines Lektorats an ihr erstes Buchprojekt wagen. Der institutseigene Verlag edition maya bietet
zudem regelmäßig die Beteiligung an Anthologien. Veröffentlichungen sind auch in der Online-
Literaturzeitschrift experimenta www.experimenta.de möglich.
Das didaktische Konzept sieht die intensive Vermittlung von Creative Writing vor. Außerdem werden
die Grundlagen in den Lehrfächern zeitgenössische Lyrik und Prosa sowie Sachthemen der Literatur
in den Wochenendseminaren vermittelt. Diese finden in der Regel einmal im Monat von Freitag- bis
Samstagabend statt.
× Rüdiger Heins,
Disibodenberg
Insgesamt 6 Studienplätze stehen im Institut zur Verfügung.
Vertrag und Studiengebühren
Writing, zeitgenössische Lyrik und Prosa sowie
Sachthemen der Literatur.
Jeder Studienteilnehmer und jede Studienteilnehmerin schließt mit dem Institut einen Vertrag ab.
Die Studienzeit von vier Semestern ist bindend.
Pro Semester entstehen monatlich (fortlaufend) Kosten von € 150,- zzgl. MwSt.
Die Wochenendseminare finden elf Mal jährlich statt.
Neuaufnahmen erfolgen jeweils zu Semesterbeginn.
Schriftsteller und Studienleiter
Rüdiger Heins ist Gründer und Studienleiter des INKAS-INstituts für KreAtives Schreiben in Bingen
und in der Niedermühle am Disibodenberg bei Odernheim .
Mit seinem Roman „Verbannt auf den Asphalt“ und den Sachbüchern „Obdachlosenreport“ und
„Zuhause auf der Straße“ machte er die Öffentlichkeit auf Menschen am Rand unserer Gesellschaft
aufmerksam (www.ruedigerheins.de).
× Rüdiger Heins,
Disibodenberg
Das Studium steht allen Interessierten, unabhängig von ihrer Vorbildung, offen.
Regelmäßig werden öffentliche Lesungen vom Institut angeboten, an denen sich die Studierenden mit
eigenen Texten beteiligen können.
Ab dem dritten Semester arbeiten die Studenten an einem eigenen
Buchmanuskript, das bei „edition maya“, dem institutseigenen
Verlag, verlegt wird.
Bewerbungsunterlagen (Kurzvita mit Bild und Anschrift) senden Sie bitte an folgende Adresse:
INKAS-INstitut für KreAtives Schreiben
Dr. Sieglitz Str. 49
55411 Bingen
Telefon: 06721 921060
× Rüdiger Heins,
Niedermühle amDisibodenberg
Beginn: 28. April 2023
× Rüdiger Heins,
Disibodenberg
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Schreibaufruf
in eigener Sache
Schreibaufruf
„Die (Un-)Freiheit des Wortes“
Jährlich am 15. November findet bereits seit 1981 der Writers-in-Prison-Day statt. Er macht auf das
Schicksal verfolgter und inhaftierter Schriftsteller, Verleger, Redakteure, Illustratoren, Blogger und
Journalisten in aller Welt aufmerksam und wird vom Writers-in-Prison-Commitee organisiert, das der
PEN-Zentrale London angegliedert ist. Regelmäßig legen diese eine Caselist mit einer Dokumentation
der aktuellen Fälle vor und organisieren für Schreibende, deren Leben und Freiheit bedroht sind, in
Blitzaktionen Kampagnen (sogenannte Rapid Actions), verbunden mit konkreten Vorschlägen für
Hilfsmaßnahmen. Bei Reporter ohne Grenzen wird für das laufende Jahr 2023 derzeit auf drei getötete
Journalisten, 20 Mediemitarbeiter und 530 Journalisten in Haft verwiesen (Stand 27. März 2023).
experimenta-Druckausgabe
Hochwertige Druckausgaben der experimenta
für 12 € zzgl. 3€ Porto können hier bestellt
werden: [email protected]
Bitte die Postanschrift bei der Bestellung
hinzufügen.
In unserem Archiv auf der Website
www.experimenta.de finden Sie auch
Jahrgänge ab 2010.
Abonnement der Druckausgabe der experimenta
Als Unterstützung für verfolgte Schreibende haben wir uns seitens der experimenta entschieden,
im November eine Themenausgabe anlässlich des Writers-in-Prison-Day herauszugeben. Sie sind
eingeladen, daran mitzuwirken. Wir suchen Beiträge zum Thema „Die (Un-)Freiheit des Wortes“:
Als Dankeschön für ein experimenta-Abonnement der Druckausgabe
erhalten Sie eine handsignierte Fotografie von Ulrich Raschke.
• Bis zu 3 politische Gedichte
• Politische Kurzprosa mit einer maximalen Zeichenzahl von 500 Zeichen, inklusive Leerzeichen.
• Auch künstlerische Beiträge wie ausdruckstarke Fotografien, Zeichnungen und Bilder sind
willkommen.
Einsendeschluss ist der 31. Juli 2023.
Ein Jahresabo kostet 120 €. Für die Schweiz und Österreich beträgt die
Jahresgebühr 150 €.
Wir freuen uns darauf, Sie im Kreis der Abonnenten und Abonnentinnen
begrüßen zu dürfen.
Die experimenta-Redaktion freut sich auf Ihre Einsendungen.
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Impressum
Impressum
experimenta
Magazin für Literatur, Kunst und Gesellschaft
www.experimenta.de
Herausgegeben vom INKAS – INstitut für KreAtives Schreiben
im Netzwerk für alternative Medien- und Kulturarbeit e. V.,
Dr.-Sieglitz-Straße 49, 55411 Bingen
Herausgeber:
Prof. Dr. Mario Andreotti und Rüdiger Heins
Redaktion:
Dr. Anita Berendsen (Prosa),
Kevin Coordes (Prosa, Social Media und Werbung),
Philip J. Dingeldey (Prosa),
Katharina Dobrick (Social Media),
Claudia Eugster (Kunst und Kultur),
Jens-Philipp Gründler (Kunst und Kultur, Prosa und
Sound Voices),
Rüdiger Heins,
Prof. Dr. Dr. Dr. Klaus Kayser (Lyrik und Prosa),
Erich Pfefferlen (Endkorrektur und Pressearbeit),
Franziska Range (Bildredaktion, Lyrik, Prosa),
Barbara Rossi (Lyrik und Social Media),
Peter Rudolf (Haiku-Redakteur),
Dr. Annette Rümmele (Prosa und Kunst),
Nora Hille (Gesellschaft),
Barbara Schleth (WortArt, Kultur und Schule, Social Media),
Barbara Wollstein (Filmkolumne)
Korrespondenten:
Prof. Dr. Mario Andreotti (St. Gallen, CH),
Isobel Markus (Berlin),
Xu Pei (Köln),
Christian Sünderwald (Chemnitz)
Layout und Gestaltung: Franziska Range
Webmaster: Christoph Spanier
Künstlerische Beratung: Rüdiger Heins
Druck: BookPress
Redaktionsanschrift:
experimenta
Dr.-Sieglitz-Straße 49
55411 Bingen
Einsendungen erwünscht!
Literarische Beiträge bitte mit Bild und Kurzvita an:
Für eingesandte Beiträge übernehmen wir keine Haftung.
Die Rechte der namentlich gekennzeichneten Beiträge liegen
bei den Autoren und Autorinnen. Alle sonstigen Rechte beim
INKAS-INstitut für KreAtives Schreiben mit Sitz in Bad
Kreuznach und beim Netzwerk für alternative Medien- und
Kulturarbeit e. V.
Für die Inhalte und die künstlerische Aussage der Texte,
Fotografien und Illustrationen sind die Urheber und
Urheberinnen selbst verantwortlich. Sollte gegen geltendes
Urheberrecht verstoßen worden sein, bitten wir um sofortige
Benachrichtigung.
© ID Netzwerk für alternative Medien- und Kulturarbeit e. V.
Auflage: 100.000
ISSN: 1865-5661
URN: urn:nbn:de:0131-eXperimenta-2023-040
Bilder: Privatbilder wurden von den Autoren und Autorinnen
selbst zur Verfügung gestellt.
Titelbild: Roland Adelmann
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