Herzgesundheit
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Keine Zeit verlieren
Die Unternehmerin Tamara Schenk ist 32 Jahre, als sie im Dezember 2021 wie aus dem
Nichts einen Schlaganfall erleidet. Aus einem Leben auf der Überholspur wird plötzlich
Stillstand. Über Monate kämpft sie sich zurück ins Leben.
Text Miriam Rauh
Tamara, du hattest einen Schlaganfall
– wie ist das passiert?
Passiert ist es in Südafrika, beim
Mittagessen mit Freunden. Schon beim
Aufstehen hatte ich sehr seltsame Kopfschmerzen.
Im Restaurant ist mir plötzlich
die Gabel aus der Hand gefallen, ich bin
zur Seite gekippt. Zum Glück haben meine
Freunde nicht gezögert und mich sofort
ins Krankenhaus gefahren. Die Diagnose
kam schnell, meine Symptome waren
eindeutig. Drei, vier Tage war ich auf der
Intensivstation im Koma, kam dann für
vier Tage auf die normale Station und war
einen Tag in der Reha. Dann kam ich aber
noch mal auf die Intensivstation, in ein
anderes Krankenhaus, weil mein Gehirn
angeschwollen war. Dort musste ich im
Anschluss für einen Monat 24 Stunden am
Tag aufrecht sitzen, ich durfte nicht liegen.
Du bist jung, du bist sportlich. Wie erklärst
du dir, dass es dich getroffen hat?
Das Alter, ob Frau oder Mann, spielt für
einen Schlaganfall keine Rolle. Sicher
ist es gut, nicht zu rauchen und Sport
zu treiben, man sollte aber auch darauf
achten, genug Schlaf zu bekommen. Wir
hetzen oft durchs Leben, immer wieder für
Entspannung zu sorgen, ist wichtig. Rückblickend
waren die Kopfschmerzen, die ich
an diesem Tag hatte, ein Alarmsignal, das
ich heute nicht mehr übergehen würde.
Schmerzen an sich kenne ich, ich habe
Migräne, aber diese waren anders. Einmal
mehr einen Arzt aufzusuchen, kann
Leben retten.
Auf welche Symptome sollte man
achten? Die klassischen Symptome
sind Sehstörungen, wenn man plötzlich
nicht mehr richtig sprechen kann oder
Lähmungserscheinungen im Gesicht hat,
z. B. eine Gesichtshälfte "hängt" – das
sind klassische Zeichen, die muss man
ernst nehmen. Auch Taubheitsgefühle,
Schwindel, ein unsicherer Gang und
starke bzw. merkwürdige Kopfschmerzen
sind Alarmsignale. Bei solchen Symptomen
sollte man sofort ins Krankenhaus
gehen. Zeit ist ein entscheidender Faktor
bei einem Schlaganfall.
Wie ist es dir gelungen, dein Leben
zurückzuerobern? Vor dem Schlaganfall
hatte ich eine fast unerschöpfliche
Energie, plötzlich war alles weg.
Ich konnte nicht mehr alleine essen,
nicht gehen, nicht schreiben, erst mal
auch nicht sprechen, das war schrecklich.
Noch immer habe ich mit Gedächtnisverlust
zu kämpfen, manchmal fallen
mir Wörter nicht ein. Aber es geht aufwärts.
Ich habe jeden Tag an mir gearbeitet,
meine Disziplin hat mir geholfen.
Inzwischen arbeite ich sogar wieder in
meiner Firma. Ich will dahin zurück, wo
ich war, und noch besser sein.
Konntest du aus dieser harten Zeit auch
etwas mitnehmen? Es gab zwei Möglichkeiten:
Entweder ich bemitleide mich
oder ich akzeptiere, was passiert ist, und
mache das Beste daraus. Am Ende des
Tages ist jede Zeit kostbare Lebenszeit.
Ich habe mich in den vergangenen Monaten
selbst neu kennengelernt. Obwohl ich
schlimme Schmerzen hatte, mein Bein
nachzog, auf der rechten Hälfte meines
Körpers voller blauer Flecken war, weil
ich dort kein Gefühl hatte, war ich nie
unglücklich. Ich habe beschlossen, mein
Schicksal anzunehmen und nach vorne
zu blicken. Mein Freund und meine
Familie haben mir viel Mut gemacht,
dafür bin ich sehr dankbar.
Hast du einen Rat für andere Betroffene?
Es wird besser. Das zu wissen, ist sehr
wichtig. Es gibt Tage, da sieht und spürt
man Fortschritte, und andere, an denen
es nicht gut läuft, aber man muss sich
selbst vertrauen und nach vorne blicken.
Es hilft auch sehr, wenn Angehörige
keine Zweifel zeigen. Meine Familie hat
mir gar keine Chance gegeben, infrage
zu stellen, dass ich es schaffe. Man kann
sehr viel überwinden, wenn man daran
glaubt.
studiolh
FOTO: PRIVAT
Turbulenzen im Herz–
Vorhofflimmern
Text Prof. Dr. Andreas Böning
Prof. Dr. Andreas Böning
Präsident der Deutschen Gesellschaft für
Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie e. V.
Prof. Dr. Andreas Böning leitet
seit 2007 den Lehrstuhl für Herz-,
Kinderherz- und Gefäßchirurgie
an der Justus-Liebig-Universität
Gießen. Seine Forschungsschwerpunkte
liegen experimentell in der Kardioplegieforschung
und klinisch in der Durchführung
internationaler multizentrischer
Studien. Seit 2018 ist er auch Ärztlicher
Direktor am UKGM Gießen und Marburg
und seit 2021 Präsident der Deutschen Gesellschaft
für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie
e. V.
Vorhofflimmern und Schlaganfall
Der Rhythmusgeber des Herzens ist der
sogenannte Sinusknoten. Dieser löst im
rechten Herzvorhof durch ein elektrisches
Signal, das an die Herzkammern
weitergeleitet wird, den Herzschlag aus.
Das Vorhofflimmern ist eine Herzrhythmusstörung,
die durch Muskelzellen im
linken Herzvorhof oder in den Lungenvenen
entsteht. Diese Zellen verursachen
durch eine gesteigerte elektrische
Aktivität rasche und unkontrollierte Bewegungen
des Vorhofes und sind somit
verantwortlich für einen unregelmäßigen
Herzschlag. Eine normale Herzfrequenz
liegt bei 60 bis 100 Schlägen pro
Minute, während das Vorhofflimmern die
Frequenz des Vorhofes auf 350 bis 600
Schläge pro Minute steigert. Glücklicherweise
werden nicht alle Vorhoferregungen
dann auf die Herzkammer übergeleitet,
trotzdem gerät das Herz außer Takt.
Vorhofflimmern geht einher mit vielfältigen
Ursachen wie weiteren Herzerkrankungen,
kann aber beispielsweise
auch durch eine Schilddrüsenerkrankung,
Alkohol, Stress oder Diabetes mellitus ausgelöst
werden. Ebenso spielt das Alter eine
Rolle: 5 bis 8 Prozent der über 70-Jährigen
und 10 bis 12 Prozent der über 80-Jährigen
sind betroffen. Durch die unkontrollierten
elektrischen Impulse kommt es in den
Vorhöfen zu gestörten Blutströmungen.
Blutgerinnsel, sogenannte Thromben, können
sich insbesondere im linken Vorhofohr
bilden. Gelangt der Thrombus über die
Blutbahn ins Gehirn, löst er einen Schlaganfall
aus. Etwa jeder fünfte Schlaganfall
ist auf ein Vorhofflimmern zurück-
zuführen. Für die Behandlung eines Vorhofflimmerns
stehen verschiedene Therapien
und Verfahren (Medikamente, Katheter,
Operation) zur Verfügung. Eine
herzchirurgische Behandlung des Vorhofflimmerns
erfolgt fast immer als Kombinationseingriff,
also wenn das Herz (häufig
wegen einer undichten Mitralklappe)
operiert werden muss und die Ursache des
Vorhofflimmerns innerhalb dieser Operation
mit behandelt wird.
Vorhofflimmern und Herzoperation:
Blutverdünner vor OP absetzen
Patientinnen und Patienten mit Diagnose
Vorhofflimmern sollten vor einer geplanten
Herzoperation beachten, dass sie die blutverdünnenden
Medikamente rechtzeitig
absetzen:
· Marcumar ca. 4–5 Tage vor der Operation
· Direkte orale Antikoagulanzien, z. B. Xarelto,
Eliquis, Pradaxa, Lixiana), ca. 1–2
Tage vor der Operation
· Wiedereinnahme 2–3 Tage nach der
Operation
Die Ab- und Rücksprache mit dem Hausarzt
und dem Operateur ist erforderlich.
Amputation des linken Vorhofohrs und
Vorhofablation: Minimierung Schlaganfallrisiko
Beim Vorhofflimmern entstehen Thromben
hauptsächlich in der Aussackung des
linken Herzvorhofes, dem Vorhofohr. Bei
einem geplanten herzchirurgischen Eingriff
wird daher dieses amputiert, um das
Schlaganfallrisiko zu minieren. Während
des herzchirurgischen Eingriffs wird zudem
die chirurgische Ablation durchgeführt,
bei der die Herzvorhöfe mittels kontrollierter
Energieeinwirkung (Kälte oder
Wärme) verödet werden, sodass keine elektrischen
Erregungen mehr ausgelöst werden
können, die ein Vorhofflimmern initiieren.
Herzchirurgische Ablation
· dauert nur wenige Minuten
· birgt keine Nachteile oder Komplikationen
· Erfolgsquote liegt bei paroxysmalem Vorhofflimmern
bei ca. 90 Prozent
· Erfolgsquote bei persistierendem Vorhofflimmern
bei ca. 60 bis 70 Prozent
· In den USA und anderen EU-Ländern
werden herzchirurgische Ablationstherapie
auch als alleinige Operation durchgeführt
Die Smartwatch als digitale Überwachungshilfe
Smartwatches sind digitale Überwacher
und können Episoden des Vorhofflimmerns
erkennen, dies auch über einen längeren
Zeitraum und nicht „nur“ temporär
wie ein 24-Stunden-EKG. Als Support sind
sie zu verstehen, nicht als Diagnosen oder
Therapieersatz.
Gesunder Lebenswandel und das Glas
Rotwein …
Risikofaktoren für Vorhofflimmern sind
neben anderen Faktoren auch ein ungesunder
Lebenswandel (Bewegungsmangel,
Nikotin, Alkohol, Stress etc.). Im
Hinblick auf das als gesund geltende Glas
Rotwein hat sich gezeigt: In puncto Arteriosklerose
wirkt dieses zwar positiv, also
gegen Verkalkung der Blutgefäße, erhöht
aber gleichzeitig das Risiko, an Vorhofflimmern
zu erkranken.