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Nierenkrankheiten sind gut behandelbar,
wenn sie rechtzeitig erkannt werden
Nierenkrankheiten sind häufig, doch sie lassen sich in Blut und Urin frühzeitig erkennen und dann auch gut behandeln.
Die Dialyse ist längst kein unabwendbares Schicksal mehr, es gibt effektive Therapien, die den Nierenfunktionsverlust
über eine lange Zeit hinauszögern. Allerdings wirken sie nur, wenn die Nierenkrankheit nicht zu weit fortgeschritten ist.
Das unterstreicht, wie wichtig und effizient die Früherkennung ist.
Text Prof. Julia Weinmann-Menke
Fast jeder Zehnte ist in
Deutschland von einer
chronischen Nierenkrankheit
betroffen, doch die
wenigsten der Betroffenen wissen
von ihrer Erkrankung, die über
eine lange Zeit völlig „stumm“, also
symptomfrei, verläuft. Bei einigen
Menschen mit eingeschränkter
Nierenfunktion schreitet die
Erkrankung weiter voran, diese
Patientinnen und Patienten haben
ein hohes Risiko, im Laufe ihres
Lebens einen „Komplettausfall“
der Nieren zu erleben und dann
auf die Dialyse oder eine Nierentransplantation
angewiesen zu
sein. Für sie ist die Früherkennung
von höchster Relevanz.
Betroffene fallen bei der
hausärztlichen Untersuchung auf.
Sie haben eine eingeschränkte
GFR (glomeruläre Filtrationsrate,
das „Maß“ der Nierenfunktion).
Bei Auffälligkeit wird ein Test auf
Eiweiß im Urin angeschlossen.
Beide Tests zusammen haben eine
hohe prognostische Aussagekraft
und können dafür sorgen, dass
Menschen, die auf eine schwere
Nierenkrankheit zusteuern,
rechtzeitig erkannt und behandelt
werden. Dadurch kann der
Nierenfunktionsverlust aufgehalten
oder zumindest verlangsamt
werden“, erklärt Prof. Dr. Julia
Weinmann-Menke, Pressesprecherin
der Deutschen Gesellschaft für
Nephrologie (DGfN).
Voraussetzung sei allerdings,
dass die Menschen die Checkup-Untersuchung
beim Hausarzt
wahrnehmen, der – sollte die
GFR eingeschränkt sein – auch
einen Urintest macht. „Leider
erleben wir es immer wieder,
dass Patientinnen und Patienten
nach Jahren der ‚Arztabstinenz‘
überfordert und verzweifelt
sind, wenn sie bei der ärztlichen
Untersuchung erfahren, dass
ihre Nierenfunktion unwiederbringlich
verloren ist und sie ein
Nierenersatzverfahren benötigen.“
Diese Schicksale müssen nicht
sein, denn eine chronische Nierenkrankheit
ist heute gut behandelbar
und kann in vielen Fällen
zum Stillstand gebracht werden.
Neben der Behandlung mit Blutdrucksenkern,
die als „Nierenschützer“
gelten und daher auch
nierenkranken Menschen ohne zu
hohen Blutdruckwerten verschrieben
werden, stehen seit geraumer
Zeit zusätzlich sehr effektive
Substanzen zur Verfügung. Allerdings
dürfen sie nur verschrieben
werden, wenn die Nierenfunktion
Prof. Julia Weinmann-Menke
Pressesprecherin der Deutschen
Gesellschaft für Nephrologie und
Fachärztin für Innere Medizin,
Nephrologin, Hypertensiologin
noch nicht einen bestimmten
Wert unterschritten hat.
„Hier liegt die Krux“, erklärt Prof.
Dr. Julia Weinmann-Menke,
Pressesprecherin der DGfN. „Fällt
FOTO: PHOTOSTUDIO RIMBACH, MAINZ
die GFR unter 20 ml/min/1.73 m 2 ,
ist der ‚Point of no Return‘ überschritten
und die Nierenkrankheit
lässt sich durch Medikamente
kaum noch aufhalten. Die Symptome,
die zu einer ärztlichen
Abklärung führen, wie Übelkeit
oder Abgeschlagenheit, stellen sich
aber oft erst ein, wenn die GFR
bereits unter diesen Bereich
gefallen ist. Vorher fühlen sich die
Betroffenen gesund und wenn sie
dann mit Beschwerden zur Ärztin/
zum Arzt gehen, kann diese oder
dieser nur noch wenig für sie tun,
weil sich das Therapiefenster
bereits geschlossen hat. Das zeigt,
wie wichtig die Früherkennung für
den Erhalt der Nierengesundheit
ist. Denn die positive Botschaft
lautet: Nierenkrankheiten sind gut
behandelbar, wenn sie rechtzeitig
erkannt werden.“
Dieser Artikel ist in Zusammenarbeit mit dem KfH Kuratorium für Dialyse und Nierentransplantation e.V. entstanden.
Dialyse zu Hause?
Oft eine gute Option!
Seit 1969 steht das gemeinnützige KfH Kuratorium für Dialyse und Nierentransplantation
e.V. für die bestmögliche Versorgung nierenkranker Patientinnen
und Patienten. Im Interview spricht Professor Dr. med. Dieter Bach, Vorstandsvorsitzender
des KfH, über die Möglichkeiten der Dialyse zu Hause.
Text Miriam Rauh
Welche Dialyseverfahren sind
für die Heimdialyse geeignet?
Beide Dialyseverfahren sind für
die Heimdialyse geeignet und
können zu Hause durchgeführt
werden, sowohl die Hämodialyse,
die Blutwäsche, als auch die
Peritonealdialyse, die Bauchfelldialyse.
Wie erfahren Patientinnen und
Patienten sowie Angehörige
davon, dass es die Dialyse zu
Hause gibt?
Diese Möglichkeit muss Patientinnen
und Patienten von den
behandelnden Ärztinnen und
Ärzten vermittelt werden, wenn
sie dialysepflichtig werden bzw.
schon bereits davor. Auf unserer
Website https://dialyse-zu-hause.
kfh.de ist ein interaktives Formular,
das bei der Entscheidungsfindung
unterstützt. Patientinnen
und Patienten können die Ergebnisse
mit ihren Nephrologinnen
und Nephrologen besprechen.
Prof. Dr. med. Dieter Bach
Vorstandsvorsitzender des KfH
Berufstätigkeit,
Familienleben oder
Hobbys lassen sich
mit einer Heimdialyse
leichter
koordinieren.
FOTO: JONAS RATERMANN
Warum hat Deutschland einen
so geringen Anteil an Heimdialysepatientinnen
und -patienten
im Vergleich zu vielen
Nachbarländern?
Zum einen haben wir in Deutschland
ein sehr gutes Netz an Dialysezentren,
sodass die flächendeckende
Versorgung gewährleistet
ist. Zum anderen liegt es an der
ärztlichen Beurteilung. Nephrologinnen
und Nephrologen müssen
bestätigen, dass eine Patientin
oder ein Patient geeignet und in
der Lage ist, eine Heimdialyse
durchzuführen. Je mehr Erfahrung
Ärztinnen und Ärzte mit
der Heimdialyse haben, desto
offener sind sie in der Regel für
das Verfahren. Hier sind uns
unsere Nachbarländer derzeit
noch voraus.
Welche Vorteile bietet das
Verfahren?
Patientinnen und Patienten können
Ort und Zeitpunkt variabler
wählen als in einem Zentrum und
behalten so viel leichter ihren
eigenen Lebensrhythmus bei.
Berufstätigkeit, Familienleben
oder Hobbys lassen sich mit einer
Heimdialyse leichter koordinieren.
Ein weiterer Vorteil ist, dass
man keine Wege zurücklegen
muss.
Welche Voraussetzungen müssen
gegeben sein?
Das Verfahren ist nicht für alle
geeignet. Patientinnen und Patienten
sollten sich selbst versorgen
können. Für eingeschränkte
Personen gibt es gegebenenfalls
die Möglichkeit, eine assistierte
Heimdialyse durchzuführen. Für
sehr alte oder gebrechliche Menschen
kommt diese Möglichkeit
eher nicht in Frage.
Ein gutes Training ist wichtig,
es braucht auch im häuslichen
Umfeld etwas Platz. Man sollte
bedenken, dass man die Geräte
und auch Verbrauchsmaterialien
wie zum Beispiel Beutel zum
Wechseln lagern muss. Zudem
wird sowohl Strom als auch Wasser
gebraucht.
Alles wird kleiner und mobil,
gibt es solche Entwicklungen
auch bei Heimdialysegeräten?
Für die Bauchfelldialyse werden
kaum Geräte gebraucht; es gibt
aber auch Varianten mit maschineller
Unterstützung, mit denen
Patientinnen und Patienten die
Dialyse sogar nachts machen
können. Diese sind bereits recht
klein.
Für die Heimhämodialyse
gibt es aktuell sehr interessante
Entwicklungen. Bislang wurden
hier ähnliche Geräte verwendet,
wie sie auch in Zentren stehen.
Die neue Generation ist deutlich
kleiner, sie braucht weniger
Strom und Wasser und man
kann sogar mit den Geräten
verreisen.
Wie trägt die Heimdialyse dazu
bei, den CO 2 -Fußabdruck zu
verringern?
Eine Dialyse ist ein sehr energieintensives
Verfahren. Für Patientinnen
und Patienten, die das
Heimdialyseverfahren nutzen,
fallen Wege weg, insbesondere
bei größeren Distanzen im ländlichen
Raum. Das verringert den
CO 2-Fußabdruck im Vergleich
zur Dialyse im Zentrum deutlich;
zusätzlich trägt natürlich
ebenfalls die Entwicklung neuer
Gerätetechnologie bei.
Mit Blick in die Zukunft: Wird
die Heimdialyse eine Dialyse
in einer medizinischen Einrichtung
ablösen?
Nein, denn nicht alle Patientinnen
und Patienten kommen für
das Verfahren in Frage. Aber die
Heimdialyse kann für viele eine
optionale Behandlungsmöglichkeit
darstellen. Auch für junge
Patientinnen und Patienten
– Kinder, Jugendliche, junge
Erwachsene – bietet sich die
Dialyse zu Hause vielfach an, weil
sie sich leicht in den Alltag
integrieren lässt. Eine Heimdialyse
kann mehr Flexibilität und
damit mehr Lebensqualität
bieten. Das ist immer ein wichtiger
Aspekt.