Wie wollen wir leben?
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Mit Leitungswasser die Welt retten?!
Text Svenja Weichhold
Womit könnten wir über neun Milliarden Einwegflaschen und über drei Millionen Tonnen CO 2
jährlich in Deutschland einsparen? 1
Genau, mit Leitungswasser! Wenn alle Deutschen Leitungswasser trinken würden, hätte das nicht nur Vorteile fürs
Portemonnaie, sondern auch für den Umwelt- und Klimaschutz. Nachhaltiger zu leben, muss also nicht Verzicht bedeuten
oder teuer sein. Doch was hält uns davon ab?
Viele Vorurteile kursieren über das kühle Nass
aus dem Wasserhahn. Kann es bedenkenlos
getrunken werden? Was ist mit den hauseigenen
Rohren? Wie sieht es mit Blei, Kalk und Grenzwerten
aus?
Das Wichtigste zuerst: Leitungswasser ist Trinkwasser!
Das sichert die Trinkwasserverordnung (TrinkwV). Sie
regelt die Pflichten der Wasserversorgungsunternehmen
sowie der Überwachungsbehörden. Auch legt sie die zu
kontrollierenden mikrobiologischen und chemischen
Parameter fest und wie häufig diese untersucht werden.
Die Messtechniken werden stetig verbessert und Grenzwerte
angepasst. Bemerkenswerter Fakt dabei: Im Vergleich
zu Mineralwasser unterliegt Trinkwasser sogar
einer umfassenderen Reglementierung. 2
Sicher ist sicher
Die Wasserversorger sorgen für die Wasserqualität bis
zum Wasserzähler im Gebäude. Ab dort sind Eigentümer:innen
verantwortlich. Manche trauen aber
vielleicht den eigenen Leitungen nicht oder haben ein
negatives Bild von hartem (also kalkhaltigem) Wasser.
Kleiner Spoiler: Kalk (Calcium- und Magnesiumcarbonat)
ist gesundheitlich kein Problem und nur bei
unseren Haushaltsgeräten unschön. Folgt man ein paar
einfachen Hinweisen, können diese Sorgen aus dem
Weg geräumt werden.
1
2
Thema Blei: Nach 1973 durften keine Bleirohre
mehr in den alten Bundesländern verbaut
werden. Bis 2013 mussten diese in Mietwohnungen
getauscht werden. Im Zweifel: Testen.
Stagnationswasser vermeiden: Frisches Wasser
ist richtig kühl, das Ablaufenlassen kann 0,5–2
Minuten dauern.
Leitungswasser kann
Unmengen an Müll und CO 2
sparen und ein einfacher Schritt
zu mehr Nachhaltigkeit sein.
Deshalb sind der Wandel zu mehr
Leitungswasser und ein besserer
Zugang zu Trinkbrunnen und
Wasserspendern besonders wichtig.
Samuel Höller Umweltwissenschaftler
und Geschäftsführer des Vereins a tip: tap e. V.
3
Informationen einholen: Die Analysewerte finden
sich meist auf der Website des Versorgers.
Dieser ist auch der richtige Ansprechpartner
Lesen Sie mehr auf www.atiptap.org
bei Nachfragen oder Wassertests.
1
https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/1410/publikationen/2019-09-09_texte_106-2019_einweggetraenkeverpackungen-2017.pdf
2
Infos zu den Analysen z. B. hier: https://www.dvgw.de/themen/wasser/trinkwasserverordnung/anlage-1-2 und Bundesamt für Justiz (2017): Mineral- und Tafelwasserverordnung, https://www.gesetze-im-internet.de/min_tafelwv/
BJNR010360984.html (abgerufen 07.01.2021).
Dieser Artikel ist in Zusammenarbeit mit der Viega Gruppe entstanden.
„Trinkwasser muss beim Klimaschutz
immer mitgedacht werden“
Trinkwasser ist in Deutschland nach wie vor von hoher Qualität. Im Gebäudesektor sind jedoch Anstrengungen
notwendig, um gute Trinkwasserqualität vor dem Hintergrund der ambitionierten deutschen Klimaziele langfristig
sicherzustellen. Das ist eines der zentralen Ergebnisse der Studie „Zukunftsstrategie Trinkwasser“, die
das Handelsblatt Research Institute gemeinsam mit dem Trinkwasserexperten Viega vorgelegt hat.
FOTOS: VIEGA GMBH & CO. KG
Text
Katharina Schulte
Ralf Baginski
Chief Technology
Officer, Viega
Warum eine Studie über Trinkwasser?
Deutschland gehört doch
zu den Ländern, wo Trinkwasser
immer zur Verfügung steht.
Lange Zeit war das bei uns kein Thema. Wir
spüren die Veränderungen des Klimas jedoch
schon deutlich: Regional kommt es im Hochsommer
zu bisher nicht gekannten Einschränkungen
bei der Trinkwasserversorgung.
Umgekehrt wirkt sich der Umgang mit Trinkwasser
auf das Klima aus, denn die Aufbereitung
sowie die nachhaltige Gewährleistung
einer guten Trinkwasserqualität im Gebäude
sind mit einem beachtlichen Energieeinsatz
verbunden.
Was meinen Sie damit genau?
Damit Legionellen keine Chance haben, muss
Warmwasser im Gebäude konstant bewegt und
erwärmt werden. Das kostet viel Energie. Und
mit Energie muss vor dem Hintergrund ehrgeiziger
Klimaziele heute nachhaltig umgegangen
werden. Zurecht: Bau und Betrieb von Gebäuden
sind laut UN für knapp 40 Prozent der
globalen energiebezogenen CO 2
-Emissionen
verantwortlich. Bislang war der Fokus bei der
Energieeinsparung sehr stark auf die Raumwärme
und die Gebäudehülle gerichtet. Heute
weiß man: Nach der Gebäudehülle ist die
Trinkwassererwärmung der wichtigste Hebel
zur Energieeinsparung. Dieser Zielkonflikt
zwischen Energieeffizienz und Klimaschutz
auf der einen sowie einem hochwertigen Trinkwasserangebot
auf der anderen Seite muss
aufgelöst werden.
Neue
Technologien
brauchen manchmal
auch neue Regeln,
wenn die Klimawende
das Ziel ist.
Hier wird auch die
Politik umdenken
müssen.
Was sehen Sie für Möglichkeiten?
Trinkwarmwasser, das wir zum Beispiel zum
Duschen verwenden, muss kontinuierlich auf
mindestens 55 Grad Celsius erhitzt werden,
damit sich Bakterien wie Legionellen nicht
vermehren können. Das ist vorgeschrieben.
So bleibt das Wasser zwar hygienisch einwandfrei,
wird aber weit über die erforderliche
Nutzungstemperatur hinaus erwärmt.
Durch niedrigere Temperaturen im Trinkwassersystem
könnten wir eine Menge Energie
und Emissionen einsparen. Und steigern damit
auch den Wirkungsgrad von Wärmepumpen,
die bei der Bereitstellung der aktuell sehr
hohen Temperaturen von Trinkwarmwasser
ihr Effizienzpotenzial nicht voll ausschöpfen
können.
Das hört sich erst mal gut an, aber was
brauchen wir dafür?
Innovative Technologien zur Gewährleistung
der Trinkwasserhygiene im Gebäude bei
niedrigeren Temperaturen. Daran arbeiten
wir. Der Konflikt Trinkwasserhygiene versus
Effizienz ist lösbar. Allerdings ist das Querschnittsthema
Gesundheit/Energieeffizienz im
Gebäude noch Neuland. Neue Technologien
brauchen manchmal auch neue Regeln, wenn
die Klimawende das Ziel ist. Hier wird auch die
Politik umdenken müssen.
Weitere Informationen finden Sie unter
www.viega.com/kompetenz-trinkwasser