POPSCENE April 04/23

DER SCHWARM MAUE NATURKATASTROPHE THE CONSULTANT DER IMMERGLEICHE WALTZ SERIEN-TIPP Ohne Frank Schätzings Buch gelesen zu haben, ist festzustellen, dass die Serienumsetzung, an der das ZDF beteiligt war, wenig gelungen ist. Schätzing hat ähnliches schon gesagt, was die Macher der internationalen Serie erboste. Die wollten unbedingt persönliche Schicksale in die Story der Naturkatastrophe einbinden, aber genau das interessiert einen am allerwenigsten. Wie in der Amazon-Serie „The Rig“ (wir berichteten) schlägt auch in „Der Schwarm“ die Natur zurück. Wale attackieren Schiffe und Menschen, der Verzehr von Krustentieren endet tödlich, mutierte Krebse strömen in Heerscharen an Land…. Es geschehen Dinge, die anfangs nicht zu erklären sind. Ein Netz internationaler Experten will dahinterkommen, was zeitgleich auf der ganzen Welt an seltsamen Phänomenen passiert, die eine ernste Gefahr für die Menschheit darzustellen scheinen. Leider schafft es die Serie nie, den Zuschauer mitzureißen. Es gibt keine Aha- oder Oha-Momente. Fast etwas gleichgültig und seicht unterhalten verfolgt man die Handlung der acht Folgen. Man hatte deutlich mehr erwartet. „Der Schwarm“ (ZDF) zdf.de/serien/der-schwarm Text: Kai Florian Becker | Bild: ZDF 38 SERIEN-TIPP Tony Basgallop hat, basierend auf Bentley Littles Roman „The Consultant“, diese Serie erschaffen, in der ein gewisser Regus Patoff (Christoph Waltz) als Berater in eine Spieleentwicklerfirma bestellt wird. Er hat zwar keine Ahnung, was die Firma genau produziert, doch er übernimmt den Laden in Abwesenheit des Chefs gleich mit harter Hand. Wer Sekunden zu spät kommt, wird ausgesperrt. Wer unangenehm riecht, kann sich seine Papiere abholen. Patoffs hartes Regiment prallt auf die zeitgemäße Work- Life-Balance-Attitüde. Wer genau der neue Strippenzieher ist, wieso und unter welchen Umständen er hier Berater wurde, das bleibt im Dunkeln. Dass mit ihm, der Angst hat, eine offene Treppe hinauf und hinabzusteigen, etwas nicht stimmt, ist aber schnell klar. Waltz bei seinen Psycho- Macht-Spielchen zuzusehen, macht ungeheuren Spaß. Dennoch sollte man daran erinnern, dass er erneut die gleiche Rolle spielt wie in „Inglourious Basterds“ und in den Bond-Filmen „Spectre“ und „No Time To Die“. Er scheint ein Abo auf machthungrige Sadisten zu haben. „The Consultant“ (Amazon Studios) www.amazon.de Text: Kai Florian Becker | Bild: MGM TIPPS

NIKEL PALLAT VON TON STEINE SCHERBEN BIS ADELE AUS MEINEN GEDANKEN GERISSEN FUNDSTÜCKE - GEDICHTE BUCH-TIPP Der ehemalige Steuerprüfer Nikel Pallat gehörte nach seinem Umzug von Westdeutschland nach West-Berlin zwischen 1970 bis 1978 als Sänger („Guten Morgen“, „Paul-Panzer-Blues“, deren Texte von ihm stammen) und Manager (hauptsächlich) zu den Polit-Rockern Ton Steine Scherben. In die deutsche Fernsehgeschichte ging er ein, als er am Ende der Ausstrahlung einer WDR-Talkshow 1971 mit einer Axt den Diskussionstisch zertrümmerte. Später baute er den unabhängigen Musikvertrieb EFA und das bis heute bestehende Unternehmen Indigo auf, die für die deutsche Musikkultur erheblich wurden. In diesem Rahmen holte er auch die britische Sängerin/Songwriterin Adele nach Deutschland. Mit feinem Witz und lockerer Zunge erzählt Pallat im Buch die Geschichte seines Lebens. Größtenteils auch die der deutschen Independent Szene. Zur Seite stand ihm beim Schreiben der HR-Journalist Christof Dörr, der unter anderem für das Musikmagazin Intro schrieb und bereits die Musikbiografie „Klube & The Bates“ verfasste. hannibal Verlag/Koch International GmbH, Broschur, 240 Seiten ISBN 978-3-85445-752-7 Text: Frank Keil | Bild: hannibal Verlag 39 BUCH-TIPP Boris Greff stammt aus Saarbrücken und lebt heute in Merzig. Seit seiner Jugend schreibt er Gedichte, ursprünglich als Ausdruck seiner damaligen diffusen Gedankenwelt, wie er selbst sagt. Dabei ist ein Gedicht für ihn „ wie ein Urlaubsfoto, eine Momentaufnahme, die nur einen Ausschnitt wiedergibt, nur einen Augenblick - und dennoch ist auf diesem Foto alles enthalten, was wichtig ist“. Knapp hundert solcher Momentaufnahmen oder Gedankenbilder sind in seinem aktuellen Gedichtband versammelt. Ihre Einteilung in Kapitel wie „Jetzendliches“, „Ersprochenes und Ungesagtes“ oder „Selfies und Selbstloses“ zeigt bereits die Bandbreite, die Greff in seinen Werken abdeckt. So handelt „Notration“ von den tiefen Emotionen eines Verlustes, während „Nicht unterbekriegen lassen“ vom ohnmächtigen Schrecken in Angesicht von Kriegen zeugt. Selten länger als eine Seite zeugt jedes der Gedichte von der Virtuosität des Autors. Er spielt mit Worten, verknüpft Silben zu neuen Bedeutungszusammenhängen und stellt Gewohntes auf den Kopf – eine gute Gelegenheit, sich mal wieder mit Lyrik zu beschäftigen! Athena Verlag, 136 Seiten, Broschur ISBN 978-3-7455-1146-8 Text: Tanja Karmann | Bild: Verlag TIPPS