Story BENEDIKT XVI. MANAGEMENTLEKTIONEN VOM PROFESSOR-PAPST 20 www.erfolg-magazin.de . <strong>Ausgabe</strong> <strong>02</strong>/2<strong>02</strong>3 . ERFOLG magazin
Story Am 31. Dezember 2<strong>02</strong>2 ist der emeritierte Papst Benedikt XVI., bürgerlich Joseph Ratzinger, gestorben. Weiter lebt sein Erbe. Das des Priesters, der zum Professor wurde. Schließlich hat der Ausnahmtheologe rund drei Jahrzehnte in seinen Funktionen als Präfekt der Glaubenskongregation und danach als Papst auf oberster Managementebene der katholischen Kirche gewirkt. Welche Lektionen können Unternehmer und Führungskräfte von ihm lernen? Bayern 1944. Der 17-jährige Joseph Ratzinger wird vom Nazi-Regime zum Reichsarbeitsdienst gezwungen. Eines Tages tritt ein SS-Offizier vor die Gruppe der Arbeitsjungen und versucht, sie einzeln zu einem Eintritt in die Waffen-SS zu drängen. Einige geben dem Druck nach. Doch dann kommt Joseph an die Reihe. Er lehnt nicht bloß ab, sondern nennt sogar offen sein Ziel, katholischer Priester zu werden. Unfassbar mutig, denn in Bayern wurde im NS-Staat circa jeder zweite katholische Kleriker Opfer von Verfolgung – durch Bußgelder, Haft, KZ und Hinrichtung. Joseph hatte Glück. Er wurde wegen seiner Treue zum Katholizismus »nur« gedemütigt und tyrannisiert. Bereits hier zeigt sich: Ratzinger hat für seine Ziele immer weitergekämpft, selbst bei heftigsten Widerständen. Zunächst gegen die Nazis. Dann gegen die 68er-Bewegung, als marxistische Studenten das Universitätsleben terrorisierten. Als konservativer Theologieprofessor wurde damals auch Ratzinger Zielscheibe des linksextremen Hasses. Doch er stand bis zum Schluss zu seiner Lehre, auch im Widerstand gegen den mächtigen Zeitgeist und die sogenannte »political correctness«. Diesen Durchhaltewillen Ratzingers können sich Unternehmer zum Vorbild nehmen. Darüber hinaus bieten Echtheit und die Treue zu sich selbst einen weiteren Vorteil: innere Stärke. »A house divided against itself cannot stand«, wusste schon der US-Präsident Abraham Lincoln. Wenn jemand nicht in Einklang mit sich lebt, schwächen ihn die inneren Konflikte und er wird unglücklich. Als traurige Beispiele hierfür dienen mehrere Musiker, die für den kommerziellen <strong>Erfolg</strong> ihre Wer will schließlich einen Fake oder Heuchler als Führungskraft? künstlerischen Ziele geopfert haben und daran seelisch zugrunde gegangen sind. Benedikt dagegen hat für das gekämpft, wovon er auch zutiefst überzeugt war. Lektion für Unternehmer: Mach das, wofür du wirklich brennst! Mit Leidenschaft lassen sich nämlich nicht nur Hindernisse überwinden, sondern auch unliebsame Aufgaben diszipliniert erledigen und die nötigen Opfer erbringen. So übte der smarte Student Ratzinger laut Biograph Seewald eine Anziehung auf Frauen aus, war selbst verliebt und musste mit sich ringen, den Zölibat anzunehmen. Letztlich verzichtete er auf das weibliche Geschlecht, weil ihm die Priesterschaft wichtiger war. Eine ganz große Lektion für Manager beinhaltet der historische Rücktritt von Papst Benedikt XVI. An jenem geschichtsträchtigen 28. Februar 2013 entschied Ratzinger, freiwillig und ganz ohne Zwang sein Amt als Oberhaupt aller Katholiken abzugeben, weil er sich nicht mehr fit genug fühlte. »Dieser Rücktritt ist Ausdruck von hoher Verantwortung, die unseren ganzen Respekt verdient«, urteilt Ulrich Goldschmidt, Berater für Führungskräfte, im Handelsblatt. Der Schritt demonstriert außerdem enormen Mut, denn damit hat er dem zwei Jahrtausende alten Verständnis des Papstamtes einen neuen Aspekt hinzugefügt. Ein vorbildlicher Leader sollte sich hier an Benedikt orientieren, statt an seinem Posten zu kleben, auch wenn er nicht mehr geeignet ist. Letzte Lektion: Humor kann eine Führungskraft sympathischer und menschlicher machen. So auch bei Ratzinger. 1989 wurde er sogar mit dem Karl-Valentin-Orden ausgezeichnet. Legendär war sein Talent, komplette Sketche des legendären Komikers Valentin nachzuspielen – mit entsprechend verstellten Stimmen in allen Rollen. SH Bilder: IMAGO / AAP (DEAN LEWINS) / ZUMA Wire (Peerapon Boonyakiat) Eine weitere Qualität des herausragenden Geistlichen: seine Authentizität. »Er konnte nicht anders leben als das, was er lehrt. Das war eins: denken, sagen, tun«, berichtet Biograph Peter Seewald über Benedikt XVI. gegenüber dem »ZDF«. Diese knallharte Konsequenz hat ihn glaubwürdig gemacht. Eigenschaften, die ein starker Anführer unbedingt braucht, denn nachhaltige Gefolgschaft lässt sich nicht erzwingen. Der erfolgreiche Leader muss schon überzeugende Gründe liefern, warum Menschen auf ihn hören sollten. Wer will schließlich einen Fake oder Heuchler als Führungskraft? Mit seinem Führen durch Vorführen hat Benedikt hingegen viel Respekt und Autorität erlangt. ERFOLG magazin . <strong>Ausgabe</strong> <strong>02</strong>/2<strong>02</strong>3 . www.erfolg-magazin.de 21